· Fachbeitrag · Einkommensteuer
Besteuerung privater Grundstücksgeschäfte: Steuerfallen und Vermeidungsstrategien
von Dipl.-Finw. (FH) Karl-Heinz Günther, Übach-Palenberg
| Steuerpflichtige müssen sich darauf einstellen, dass das FA aufgrund der ihm zugehenden Veräußerungsanzeigen über die meisten Grundstücksgeschäfte informiert ist. Demzufolge kann das FA prüfen, ob aus der Veräußerung eines zum Privatvermögen gehörenden Grundstücks eine Steuerpflicht nach § 23 EStG resultiert. Nachfolgend soll anhand praxisrelevanter Fallgestaltungen insbesondere gezeigt werden, wie eine Besteuerung nach § 23 EStG ggf. vermieden werden kann. |
1. Zehnjahreszeitraum
Die Besteuerungsnorm des § 23 EStG ist insoweit berechenbar und damit auch gestaltbar, als der Zehnjahreszeitraum, in dem ein Grundstück angeschafft und wieder veräußert wird, eine feststehende Größe ist, an der sich Steuerpflichtige orientieren können. Wer also die Veräußerung eines Grundstücks des Privatvermögens plant, sollte zunächst prüfen, wann er das Objekt angeschafft hat.
Für die Berechnung der Zehnjahresfrist kommt es jeweils auf das obligatorische Rechtsgeschäft an (BFH 13.12.05, IX R 14/03). Wird der Zehnjahreszeitraum überschritten, kommt es schon dem Grunde nach nicht zu einer Besteuerung. In diesem Zusammenhang ist jedoch insbesondere auf folgende Aspekte zu achten:
- Bei der Veräußerung eines im Wege der Gesamtrechtsnachfolge erworbenen Grundstücks ist bei der Fristberechnung von dem Zeitpunkt des entgeltlichen Erwerbs durch den Rechtsvorgänger auszugehen (BFH 12.7.88, IX R 149/83). Entsprechendes gilt bei einem im Wege der Einzelrechtsnachfolge erworbenen Grundstück (§ 23 Abs. 1 S. 3 EStG).
- Als Anschaffung gilt auch die Überführung eines Grundstücks in das Privatvermögen durch Entnahme oder Betriebsaufgabe (§ 23 Abs. 1 S. 2 EStG).
- Als Veräußerung gilt auch
- die Einlage eines Grundstücks in das Betriebsvermögen, wenn die Veräußerung aus dem Betriebsvermögen innerhalb eines Zeitraums von zehn Jahren seit der Anschaffung des Grundstücks erfolgt (§ 23 Abs. 1 S. 5 Nr. 1 EStG),
- die verdeckte Einlage in eine Kapitalgesellschaft (§ 23 Abs. 1 S. 5 Nr. 2 EStG).
- Die Anschaffung oder Veräußerung einer unmittelbaren oder mittelbaren Beteiligung an einer Personengesellschaft gilt als Anschaffung oder Veräußerung der anteiligen Wirtschaftsgüter (§ 23 Abs. 1 S. 4 EStG).
Darüber hinaus ist zu beachten, dass bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns auch Gebäude und Außenanlagen einzubeziehen sind, soweit sie innerhalb dieses Zeitraums errichtet, ausgebaut oder erweitert werden. Entsprechendes gilt für Gebäudeteile, die selbstständige unbewegliche Wirtschaftsgüter sind, sowie für Eigentumswohnungen und im Teileigentum stehende Räume (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 EStG).
2. Wirtschaftliche (Teil-)Identität
§ 23 EStG setzt voraus, dass das veräußerte Wirtschaftsgut mit dem angeschafften Wirtschaftsgut wirtschaftlich identisch ist. Diese Voraussetzung ist nach Ansicht des BFH (12.6.13, IX R 31/12; MBP 13, 186) zumindest teilweise erfüllt, wenn ein mit einem Erbbaurecht belastetes Grundstück angeschafft und - nach der Löschung des Erbbaurechts - kurzfristig lastenfrei veräußert wird. Eine wirtschaftliche Teilidentität reicht somit grundsätzlich aus.
Beachten Sie | Da ein steuerpflichtiger Veräußerungsgewinn nur für das belastete Grundstück vorliegen kann, ist bei der Gewinnermittlung nach § 23 Abs. 3 S. 1 EStG auch nur der anteilige Veräußerungspreis zugrunde zu legen. Bei der Preisfindung kommt es in derartigen Fällen also darauf an, wie hoch das Entgelt für das belastete Grundstück gewesen wäre.
3. Nutzung zu eigenen Wohnzwecken
Wird das Wirtschaftsgut im Zeitraum zwischen Anschaffung oder Fertigstellung und Veräußerung ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken oder im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken genutzt, unterliegt die innerhalb des Zehnjahreszeitraums vorgenommene Veräußerung nicht der Besteuerung (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG).
Eine Nutzung zu Wohnzwecken setzt die nicht nur vorübergehende Beherbergung von Personen voraus, weshalb z.B. Ferienwohnungen nicht Wohnzwecken dienen. Entsprechendes gilt für ein häusliches Arbeitszimmer, selbst wenn die hierauf entfallenden Kosten aufgrund der gesetzlichen Abzugsbeschränkungen vom Betriebsausgaben- oder Werbungskostenabzug ausgeschlossen sind (BMF 5.10.00, IV C 3 - S 2256 - 263/00, Rz. 21).
Der Steuerpflichtige muss das Wirtschaftsgut zu eigenen Wohnzwecken nutzen. Unschädlich ist die unentgeltliche Nutzungsüberlassung von Teilen der Wohnung an Dritte sowie die unentgeltliche Überlassung der gesamten Wohnung an ein Kind, für das Anspruch auf Kindergeld besteht. Dagegen ist die unentgeltliche Überlassung eines Wirtschaftsguts an Dritte selbst bei unterhaltsberechtigten Angehörigen schädlich (BMF 5.10.00, a.a.O., Rz. 23).
PRAXISHINWEIS | Gestaltungsmöglichkeiten bestehen insbesondere hinsichtlich des Ausnahmetatbestands, dass eine Besteuerung nicht erfolgt, wenn im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken erfolgte. Hier reicht es aus, wenn eine Nutzung zu Wohnzwecken in einem zusammenhängenden Zeitraum innerhalb der letzten drei Kalenderjahre, der nicht die vollen drei Kalenderjahre umfassen muss, vorgelegen hat. |
Unschädlich ist auch ein Leerstand zwischen Beendigung der Selbstnutzung und Veräußerung, wenn das Wirtschaftsgut im Jahr der Beendigung der Nutzung zu eigenen Wohnzwecken und in den beiden vorangegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurde (BMF 5.10.00, a.a.O., Rz. 25).
Wird ein Gebäude nur teilweise zu eigenen Wohnzwecken genutzt, wird nur der Veräußerungserlös der Besteuerung unterworfen, der auf den nicht zu eigenen Wohnzwecken genutzten Teil entfällt.
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Der Steuerpflichtige A hat in 2007 ein Zweifamilienhaus mit zwei gleich großen Wohnungen für insgesamt 500.000 EUR erworben. Eine Wohnung ist vermietet, die andere Wohnung nutzt er zu eigenen Wohnzwecken. In 2014 veräußert A das Objekt für 650.000 EUR.
Hier unterliegt nur die Veräußerung des vermieteten Teils der Besteuerung, da hinsichtlich des selbstgenutzten Teils § 23 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG greift. |
PRAXISHINWEIS | Im vorliegenden Fall hätte A die Besteuerung unter Umständen gänzlich vermeiden können, indem er die vermietete Wohnung in 2012 bis 2014 einem Kind, für das er Anspruch auf Kindergeld hat, unentgeltlich zur Nutzung überlassen hätte. |
Nach dem Gesetzeszweck ist der dazugehörige Grund und Boden in die Begünstigung nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG einzubeziehen, d.h. auch der zur selbstgenutzten Wohnung gehörende Grund und Boden wird im Sinne des Gesetzes selbst genutzt.
Beachten Sie | Dies ist allerdings nicht der Fall, wenn ein unbebautes Grundstück an das zu eigenen Wohnzwecken genutzte Grundstück angrenzt, zunächst als Garten genutzt und später veräußert wird. In einem solchen Fall fehlt es an einem einheitlichen Nutzungs- und Funktionszusammenhang i.S. des § 23 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG zwischen der Wohnung und dem Grund und Boden des Nachbargrundstücks (BFH 25.5.11, IX R 48/10).
4. Entnahme als Anschaffung
Der Gesetzgeber fingiert bei der Entnahme eines Grundstücks aus dem laufenden Betrieb oder anlässlich einer Betriebsaufgabe einen Anschaffungsvorgang (§ 23 Abs. 1 S. 2 EStG) mit der Folge, dass eine innerhalb von zehn Jahren nach der Entnahme erfolgende Grundstücksveräußerung die Rechtsfolgen des § 23 EStG auslöst. Die Entnahme als fiktive Anschaffung gilt jedoch nicht, wenn das Grundstück vor dem 1.1.99 in das Privatvermögen überführt worden ist (BFH 18.10.06, IX R 5/06; BMF 7.2.07, IV C 3 - S 2256 - 11/07).
In diesen Fällen ist bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns § 23 Abs. 3 S. 3 EStG zu beachten. Danach tritt an die Stelle der Anschaffungs- oder Herstellungskosten der nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 bzw. § 16 Abs. 3 EStG angesetzte Entnahmewert, d.h. der der Besteuerung zugrunde gelegte Teilwert bzw. gemeine Wert. Es kommt nicht darauf an, ob dieser Wert seinerzeit zutreffend ermittelt worden ist. Maßgebend für den Ansatz fiktiver Anschaffungskosten ist allein der tatsächliche Wertansatz bei der getätigten Entnahme.
Hinweis | Ist der entsprechende Aufgabegewinn aufgrund der Freibeträge nach §§ 16 Abs. 4, 14, 14a, 18 Abs. 3 EStG nicht der Besteuerung unterworfen worden, bleibt es dennoch beim Ansatz des Entnahmewerts als fiktive Anschaffungskosten (BMF 5.10.00, a.a.O., Rz. 33).
Eine Ausnahme gilt jedoch dann, wenn eine Besteuerung des Entnahme- oder Aufgabegewinns unterblieben ist und das FA aus verfahrensrechtlichen Gründen daran gehindert ist, die Besteuerung nachzuholen. Hier greift die Finanzverwaltung auf die Rechtsprechung des BFH zum Ansatz fiktiver Anschaffungskosten als AfA-Bemessungsgrundlage nach einer Entnahme zurück (BFH 14.12.99, IX R 62/96) und wendet die dortigen Grundsätze bei § 23 EStG entsprechend an (OFD Koblenz 21.6.02, S 2256 A). Danach ist auch für Zwecke des § 23 EStG davon auszugehen, dass das Grundstück bei der Überführung ins Privatvermögen mit dem Buchwert angesetzt worden ist. Demzufolge wird die bislang unterbliebene Besteuerung der stillen Reserven auf der Ebene des § 23 EStG nachgeholt.
5. Einlage als Veräußerungstatbestand
Die Einlage eines Grundstücks in das Betriebsvermögen eines Einzelunternehmers oder einer Personengesellschaft (Sonder- oder Gesamthandsvermögen) ist keine Veräußerung. Gleichwohl fingiert § 23 Abs. 1 S. 5 Nr. 1 EStG die Einlage als Veräußerung, wenn der Steuerpflichtige das in das Betriebsvermögen eingelegte Grundstück innerhalb von zehn Jahren seit der Anschaffung aus dem Betriebsvermögen heraus veräußert.
Hinweis | Auf diesen Besteuerungstatbestand ist unbedingt zu achten. Wer hier den Ablauf der Zehnjahresfrist abwartet, vermeidet die Besteuerung des Mehrwerts nach § 23 EStG, der sich in dem Zeitraum vor der Einlage des Grundstücks in das Betriebsvermögen angesammelt hat.
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B erwirbt in 2007 ein unbebautes Grundstück für 180.000 EUR, legt es in 2010 in sein Betriebsvermögen zum Teilwert von 220.000 EUR ein und veräußert es in 2014 für 240.000 EUR.
Würde es die Regelung in § 23 Abs. 1 S. 5 Nr. 1 EStG nicht geben, hätte B aus der Veräußerung des Betriebsgrundstücks nur die Differenz (20.000 EUR) zwischen dem Einlagewert (= Buchwert) von 220.000 EUR und dem Veräußerungspreis von 240.000 EUR zu versteuern. |
Nunmehr löst jedoch die Veräußerung innerhalb von zehn Jahren nach der Anschaffung des Grundstücks einen weiteren Besteuerungstatbestand aus. Da die Einlage mit 220.000 EUR als Veräußerung fingiert wird, ergibt sich nach Verrechnung mit den Anschaffungskosten (180.000 EUR) ein Veräußerungsgewinn nach § 23 EStG i.H. von 40.000 EUR. Dieser ist nicht im Einlagejahr 2010 anzusetzen, sondern in dem Kalenderjahr, in dem der Veräußerungspreis zufließt; hier also in 2014 (BMF 5.10.00, a.a.O., Rz. 36). |
Vorsicht ist auch immer dann angebracht, wenn ein in das Betriebsvermögen eingelegtes Grundstück wieder entnommen und nachfolgend aus dem Privatvermögen heraus veräußert wird. Denn als Anschaffung gilt auch die Überführung eines Wirtschaftsguts in das Privatvermögen durch Entnahme (§ 23 Abs. 1 S. 2 EStG).
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B veräußert das Grundstück erst in 2018 für 280.000 EUR, nachdem er es zuvor in 2015 zum Teilwert von 250.000 EUR entnommen hat.
Hier ist zunächst zu beachten, dass die Entnahme in 2015 zwar die Aufdeckung der stillen Reserven im betrieblichen Bereich bewirkt, allerdings bezogen auf § 23 EStG keine Steuerfolgen auslöst.
Infolge der Entnahme liegt nun allerdings eine fiktive Anschaffung vor (§ 23 Abs. 1 S. 2 EStG), sodass ein neuer Zehnjahreszeitraum der Steuerverhaftung in Gang gesetzt wird. Wird das seit 2015 zum Privatvermögen gehörende Grundstück in 2018 veräußert, hat dies zur Konsequenz, dass zwar der Zehnjahreszeitraum zwischen tatsächlicher Anschaffung (2007) und Veräußerung (2018) überschritten ist, nicht aber der durch die Anschaffungsfiktion ausgelöste neue Zehnjahreszeitraum seit 2015.
Fazit: Der in 2018 zu versteuernde private Veräußerungsgewinn nach § 23 EStG beträgt 30.000 EUR (280.000 EUR ./. 250.000 EUR). Zudem hat die Entnahme in 2015 zu einer Aufdeckung von stillen Reserven i.H. von 30.000 EUR (250.000 EUR ./. 220.000 EUR) geführt. |
Beachten Sie | Wird ein Grundstück im Privatvermögen angeschafft und innerhalb des Zehnjahreszeitraums wieder veräußert, erfüllt dies auch dann den Tatbestand des § 23 EStG, wenn das Grundstück innerhalb des Zeitraums sowohl in das Betriebsvermögen eingelegt als auch wieder entnommen worden ist. Allerdings ist der Gewinn aus dem privaten Veräußerungsgeschäft in diesem Fall um den im Betriebsvermögen zu erfassenden Gewinn in Form der Differenz zwischen Einlage- und Entnahmewert zu korrigieren (BFH 23.8.11, IX R 66/10).