· Fachbeitrag · Einkommensteuer
Update zur ertragsteuerlichen Behandlung von Firmenwagen im Betriebsvermögen
von RiFG Prof. Dr. Volker Kreft, Dipl.-Finw., Bielefeld
| Die ertragsteuerliche Behandlung der Kfz-Nutzung ist ein Dauerbrenner in der laufenden Rechtsprechung und der Gestaltungsberatung. Gerade in diesem Bereich sollte der steuerliche Berater die neuesten Rechtsentwicklungen verfolgen. Der Beitrag bringt Sie auf den aktuellen Stand. |
1. Betriebliche Nutzung von mehr als 50 %
Die Anwendung der Ein-Prozent-Regelung setzt voraus, dass der Eigentümer oder Leasingnehmer das Kfz zu mehr als 50 % betrieblich nutzt (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 2 EStG). Damit ist gewillkürtes Betriebsvermögen von dieser pauschalierten Nutzungswertbesteuerung ausgeschlossen. Die Finanzverwaltung hat hierzu in 2009 „Richtlinien“ erlassen, an denen bis heute festgehalten wird (BMF 18.11.09, IV C 6 - S 2177/07/10004).
Der Unternehmer kann den Umfang der betrieblichen Nutzung in jeder geeigneten Form glaubhaft machen, z.B. durch Terminkalender, die Abrechnung gefahrener Kilometer gegenüber den Auftraggebern oder durch Reisekostenaufstellungen. Sind entsprechende Unterlagen nicht vorhanden, akzeptiert die Verwaltung auch formlose Aufzeichnungen über einen repräsentativen zusammenhängenden Zeitraum (i.d.R. drei Monate). Dabei reichen Angaben über die betrieblich veranlassten Fahrten (jeweiliger Anlass und die jeweils zurückgelegte Strecke) und die Kilometerstände zu Beginn und Ende des Aufzeichnungszeitraums aus (BMF a.a.O., Tz. 4). Fahrten zwischen Wohnung und Betrieb zählen im Übrigen zu den betrieblichen Fahrten.
PRAXISHINWEIS | In folgenden Fällen gelten Nachweiserleichterungen:
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Hat der Unternehmer den betrieblichen Nutzungsumfang dargelegt, kann davon auch für die folgenden VZ ausgegangen werden, wenn sich keine wesentlichen Veränderungen in Art oder Umfang der Tätigkeit oder bei den Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte ergeben. Ein Wechsel der Kraftfahrzeugklasse kann im Einzelfall Anlass für eine erneute Prüfung des Nutzungsumfangs sein (BMF a.a.O., Tz. 7).
Beachten Sie | Überlässt ein Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer ein Kfz auch zur Privatnutzung, ist das Fahrzeug zu 100 % Betriebsvermögen. Der private Nutzungsanteil kann beim Arbeitnehmer selbst dann nach der Ein-Prozent-Regelung lohnversteuert werden, wenn die dienstliche Nutzung die 50 %-Grenze unterschreitet.
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Unternehmer U stellt seiner in Teilzeit beschäftigten Ehefrau einen Pkw zur Verfügung. Ist das Ehegatten-Arbeitsverhältnis anzuerkennen, kann U z.B. auch bei einer Privatnutzung von 60 % sämtliche Kosten als Betriebsausgaben abziehen. Seine Ehefrau kann die Ein-Prozent-Regelung gleichwohl anwenden. |
2. Neue Anscheinsbeweisgrundsätze bei Privatnutzung
Ein Kfz, das nach seiner objektiven Beschaffenheit und Einrichtung typischerweise so gut wie ausschließlich zur Beförderung von Gütern bestimmt ist, unterliegt als sogenannter Werkstattwagen nicht der Nutzungswertbesteuerung nach der Ein-Prozent-Regelung (vgl. BFH 18.12.08, VI R 34/07; FG Niedersachsen 13.3.13, 4 K 302/11).
Abgesehen davon werden nach allgemeiner Lebenserfahrung betriebliche Fahrzeuge, die zu privaten Zwecken zur Verfügung stehen, auch tatsächlich privat genutzt. Dafür spricht der Beweis des ersten Anscheins. Soweit keine besonderen Umstände hinzutreten, kann regelmäßig davon ausgegangen werden, dass eine private Nutzung stattgefunden hat. Der Beweis des ersten Anscheins kann aber durch einen Gegenbeweis entkräftet werden. Hierzu ist der Vollbeweis des Gegenteils nicht erforderlich (BFH 4.12.12, VIII R 42/09).
Zur Reichweite bzw. Entkräftung des Anscheinsbeweises hat die neuere Rechtsprechung folgende Grundsätze herausgearbeitet:
2.1 Gleichwertige Pkw im Privatvermögen des Unternehmers
Der Beweis des ersten Anscheins kann entkräftet werden, wenn für private Fahrten andere Fahrzeuge zur Verfügung stehen, die dem betrieblichen Fahrzeug in Status und Gebrauchswert vergleichbar sind (BFH 4.12.12, VIII R 42/09). Im Streitfall des BFH-Urteils war dem Betriebsvermögen ein Porsche 911 zugeordnet. Im Privatvermögen befanden sich zusätzlich zwei gleichwertige Fahrzeuge (Porsche 928 S4 und Volvo V70 T5).
Hinweis | Der Anscheinsbeweis wird im Regelfall noch nicht dadurch erschüttert, dass der Steuerpflichtige lediglich behauptet, für privat veranlasste Fahrten hätten private Fahrzeuge zur Verfügung gestanden (BFH 13.12.11, VIII B 82/11). Zu weiteren Einzelheiten siehe z.B. Moritz, DB 13, 263.
2.2 Anscheinsbeweis bei Privatnutzung durch Arbeitnehmer
Die Überlassung eines Dienstwagens durch den Arbeitgeber an den Arbeitnehmer für dessen Privatnutzung führt unabhängig von den tatsächlichen Nutzungsverhältnissen zu einer Bereicherung des Arbeitnehmers (vgl. BFH 21.3.13, VI R 31/10; VI R 46/11; VI R 42/12; 18.4.13, VI R 23/12). Der Vorteil umfasst sowohl die eigentliche Zurverfügungstellung des Fahrzeugs sowie die Übernahme sämtlicher damit verbundener Kosten wie Steuern, Versicherungsprämien, Reparatur-, Wartungs- und Treibstoffkosten und damit nutzungsabhängige wie -unabhängige Kosten (BFH 13.12.12, VI R 51/11).
Ob der Arbeitnehmer den Anscheinsbeweis zu entkräften vermag, ist für die Besteuerung des Nutzungsvorteils nach § 8 Abs. 2 S. 2 EStG unerheblich (Änderung der Rechtsprechung; BFH 21.3.13, VI R 31/10). Allerdings setzt die Ein-Prozent-Regelung voraus, dass der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer tatsächlich einen Dienstwagen zur privaten Nutzung überlassen hat. Steht dies nicht fest, kann auch der Beweis des ersten Anscheins diese fehlende Feststellung nicht ersetzen (so ausdrücklich: BFH 18.4.13, VI R 23/12 bei einem angestellten Geschäftsführer eines Familienunternehmens).
Beachten Sie | Allein die Nutzung eines betrieblichen Fahrzeugs für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte begründet noch keine Überlassung zur privaten Nutzung i.S. des § 8 Abs. 2 S. 2 EStG (BFH 6.10.11, VI R 56/10).
PRAXISHINWEISE | Die eingeschränkte Reichweite des Anscheinsbeweises hilft in der steuerlichen Praxis insbesondere in den Fällen, in denen ein Privatnutzungsverbot nicht (ausreichend) überwacht wird oder es bei familienangehörigen Arbeitnehmern an einer „Kontrollinstanz“ fehlt (vgl. BFH 14.11.13, VI R 25/13).
Um die Versteuerung eines geldwerten Vorteils für eine tatsächlich nicht erfolgte Privatnutzung zu vermeiden, sollte der Anstellungsvertrag insoweit geändert werden, dass künftig die private Nutzung des Fahrzeugs untersagt wird (vgl. Hilbertz in MBP 10, 152). |
Darüber hinaus ist zu beachten, dass die unbefugte Privatnutzung des betrieblichen Pkw keinen Lohncharakter hat. Ein Vorteil, den sich der Arbeitnehmer gegen den Willen des Arbeitgebers selbst zuteilt, wird nicht „für” eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt und zählt damit nicht zum Arbeitslohn nach § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 i.V. mit § 8 Abs. 1 EStG (BFH 18.4.13, VI R 23/12).
3. Überlassung mehrerer Kfz
Wird dem Arbeitnehmer mehr als ein Kfz auch zur privaten Nutzung überlassen, ist der geldwerte Vorteil für jedes Fahrzeug nach der Ein-Prozent-Regelung zu berechnen. Auf die tatsächlichen Nutzungsverhältnisse kommt es nicht an (BFH 13.6.13, VI R 17/12).
Beachten Sie | Diese Rechtsprechung steht im Gegensatz zur langjährigen Billigkeitsregelung der Finanzverwaltung (BMF 28.5.96, IV B 6 - S 2334 - 173/96). Hiernach kann dem privaten Nutzungswert der Listenpreis des überwiegend genutzten Fahrzeugs zugrunde gelegt werden, wenn die Nutzung der Fahrzeuge durch andere zur Privatsphäre des Arbeitnehmers gehörende Personen so gut wie ausgeschlossen ist. Der BFH hat allerdings in seiner Urteilsbegründung darauf hingewiesen, dass die Inhaftungnahme des Arbeitgebers mittels Haftungsbescheids regelmäßig ermessensfehlerhaft ist, wenn er entsprechend einer Billigkeitsregelung der Finanzbehörden Lohnsteuer materiell unzutreffend einbehält.
Hinweis | Werden mehrere zum Betriebsvermögen gehörende Kfz vom Unternehmer oder seinen Angehörigen privat genutzt, ist der pauschale Nutzungswert nach der Ein-Prozent-Regelung grundsätzlich für jedes Fahrzeug auch dann anzusetzen, wenn die Fahrzeuge ausschließlich von einer Person privat genutzt werden (FG Sachsen-Anhalt 26.3.13, 4 K 1244/09; NZB eingelegt, Az. beim BFH: X B 67/13).
4. Escapeklausel: Fahrtenbuchmethode
Die Anwendung der Ein-Prozent-Regelung kann nur durch ein Fahrtenbuch vermieden werden, das den zu versteuernden Privatanteil an der Gesamtfahrleistung vollständig und richtig ausweist (BFH 6.8.13, VIII R 33/11).
Nach dem Schreiben des BMF (18.11.09, IV C 6 - S 2177/07/10004, Rz. 24 u. Rz. 29) muss ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch mindestens folgende Angaben enthalten, wobei bestimmten Berufsgruppen (z.B. Handelsvertretern) berufsspezifisch bedingte Erleichterungen eingeräumt werden:
- Datum und Kilometerstand zu Beginn und Ende jeder einzelnen betrieblich/beruflich veranlassten Fahrt,
- Reiseziel, Reisezweck und aufgesuchte Geschäftspartner,
- Aufzeichnung von Umwegen,
- bei Privatfahrten genügen jeweils Kilometerangaben,
- für Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte genügt jeweils ein kurzer Vermerk.
Darüber hinaus setzt ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch eine zeitnahe und geschlossene Führung voraus. Aufzeichnungen stellen kein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch dar, wenn sie für jeden Monat auf einem eigenen Blatt geführt werden, das jeweilige Monatsblatt aber keine feste Verbindung zu den Blättern für weitere Monate aufweist (BFH 10.6.13, X B 258/12).
Hinweis | Kleinere Mängel führen noch nicht zur Verwerfung des Fahrtenbuchs und Anwendung der Ein-Prozent-Regelung, wenn die Angaben insgesamt plausibel sind (BFH 10.4.08, VI R 38/06). Bei strukturellen Mängeln wird das Fahrtenbuch dagegen nicht anerkannt.
5. Qualifizierung von Dreiecksfahrten
Höchstrichterlich noch nicht geklärt ist die Frage, ob Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte, denen am selben Tag ein Mandantenbesuch vor- oder nachgeschaltet wurde (Dreiecksfahrten), mit den tatsächlichen Kosten laut Fahrtenbuch oder nur begrenzt mit der hälftigen Entfernungspauschale zu berücksichtigen sind. Das FG Münster (19.12.12, 11 K 1785/11 F; MBP 13, 78) hat hier eine restriktive Auffassung vertreten.
Hinweis | Bis zur Klärung dieser Rechtsfrage im Revisionsverfahren (Az. des BFH: VIII R 12/13) sollten geeignete Fälle über einen Einspruch offengehalten werden.
6. Investitionsabzugsbetrag bei Ein-Prozent-Regelung
Die Inanspruchnahme eines Investitionsabzugsbetrags setzt u.a. voraus, dass der Steuerpflichtige beabsichtigt, das Wirtschaftsgut voraussichtlich mindestens bis zum Ende des dem Wirtschaftsjahr der Anschaffung oder Herstellung folgenden Wirtschaftsjahrs in einer inländischen Betriebsstätte des Betriebs ausschließlich oder fast ausschließlich betrieblich zu nutzen (§ 7g Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG).
Hinweis | Ein Wirtschaftsgut wird (fast) ausschließlich betrieblich genutzt, wenn es der Steuerpflichtige zu nicht mehr als 10 % privat nutzt (BMF 20.11.13, IV C 6 - S 2139-b/07/10002, Rz. 39).
Ob die Verbleibens- und Nutzungsvoraussetzungen voraussichtlich erfüllt werden, ist anhand einer wirtschaftsgutbezogenen Prognoseentscheidung und unabhängig von der Verwendung vergleichbarer Wirtschaftsgüter zu beurteilen. Demzufolge scheidet die Inanspruchnahme eines Abzugsbetrags für die geplante Anschaffung eines Pkw nicht deshalb aus, weil bei dem bereits vorhandenen Pkw die Ein-Prozent-Regelung angewendet wird (BFH 26.11.09, VIII B 190/09; BMF 20.11.13, a.a.O., Rz. 42).
Eine fast ausschließliche betriebliche Nutzung liegt jedoch nicht vor, wenn die private Nutzung nach der späteren Anschaffung des Fahrzeugs nach der Ein-Prozent-Regelung besteuert wird. Da bei dieser Methode von einer Privatnutzung von etwa 20 % auszugehen ist, ist der Abzugsbetrag rückgängig zu machen (FG Sachsen-Anhalt 12.6.13, 2 K 1191/12; NZB eingelegt, Az. des BFH: X B 219/13).
Hinweis | Für den Nachweis der fast ausschließlichen betrieblichen Verwendung des Fahrzeugs ist die Vorlage eines ordnungsgemäß geführten Fahrtenbuchs geeignet.
7. Fazit
Der vorstehende Überblick über die aktuellen Rechtsänderungen in Zusammenhang mit der ertragsteuerlichen Behandlung von Kfz im Betriebsvermögen zeigt, dass der steuerliche Berater ständig „am Ball“ bleiben muss, um Fehler zulasten der Mandantschaft zu vermeiden oder Gestaltungspotenzial nutzen zu können. Die Rechtsentwicklung in diesem wichtigen Bereich der Beratungspraxis ist dabei noch lange nicht abgeschlossen.