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  • · Fachbeitrag · Vermietung und Verpachtung

    Anschaffungsnahe Herstellungskosten: Aktuelle Rechtsprechung und offene Fragen

    von Dipl.-Finw. (FH) David Skupien, Bremen

    | Kaum eine erworbene Immobilie kann unmittelbar und ohne weitere Investitionen vermietet werden. Daher werden in vielen Fällen umfangreiche Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen vorgenommen, die nicht selten zu anschaffungsnahen Herstellungskosten führen und sich somit nur im Wege der AfA auswirken. Der Beitrag fasst wichtige Entscheidungen zu § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG zusammen und zeigt, dass immer noch wichtige Abgrenzungsfragen offen sind. |

    1. Vorbemerkungen

    Wird eine Immobilie vermietet, sind Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen grundsätzlich sofort abzugsfähige Werbungskosten. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG werden Aufwendungen für steuerliche Zwecke jedoch in Herstellungskosten umqualifiziert, wenn innerhalb von drei Jahren nach Anschaffung des Gebäudes Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen durchgeführt werden, deren Aufwendungen (ohne USt) 15 % der Gebäude-Anschaffungskosten übersteigen. Zu den maßgeblichen Aufwendungen gehören allerdings nicht die Aufwendungen für Erweiterungen i.S. des § 255 Abs. 2 S. 1 HGB sowie Aufwendungen für Erhaltungsarbeiten, die jährlich üblicherweise anfallen.

     

    Beachten Sie | Es sind sämtliche Baumaßnahmen in den Dreijahreszeitraum einzubeziehen, die innerhalb dieses Zeitraums ausgeführt wurden. Die Baumaßnahmen müssen zumindest nach Ansicht der Verwaltung zum Ende des Dreijahreszeitraums weder abgeschlossen, abgerechnet, noch bezahlt werden (OFD Rheinland 6.7.10, S 2211 - 1001 - St 232).

    2. Schönheitsreparaturen im Rahmen einer Gesamtmaßnahme

    Zwar sind klassische Schönheitsreparaturen (z.B. Tapezieren und Anstreichen der Wände) keine Instandsetzungs- bzw. Modernisierungsmaßnahmen i.S. des § 6 Abs. 1 Nr. 1a S. 1 EStG. Fallen die Schönheitsreparaturen allerdings im Rahmen einer einheitlich zu würdigenden Baumaßnahme an, sind auch diese Kosten in die Berechnung der 15 %-Grenze einzubeziehen (BFH 25.8.09, IX R 20/08).

     

    PRAXISHINWEIS | Damit der Werbungskostenabzug von üblichen Erhaltungsaufwendungen in diesen Fällen möglich ist, müssen diese Maßnahmen isoliert durchgeführt werden. Alternativ muss darauf geachtet werden, dass die 15 %- Grenze innerhalb der Drei-Jahres-Frist nicht überschritten wird, z.B. durch zeitliche Verschiebung der Maßnahmen.

     

    3. Beseitigung versteckter Mängel

    Es liegen insoweit keine Aufwendungen des Käufers für Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen i.S. von § 6 Abs. 1 Nr. 1a S. 1 EStG vor, als sich der Grundstücksverkäufer durch Schadenersatzleistungen am Aufwand des Käufers für die Beseitigung nachträglich erkannter Gebäudemängel beteiligt (BFH 20.8.13, IX R 5/13).

     

    Im Streitfall handelte es sich bei der Schadenersatzleistung nicht um eine Anschaffungspreisminderung der Mietimmobilie, da kein hinreichender wirtschaftlicher Zusammenhang mit dem Grundstückskauf vorlag. Vielmehr waren die Schadenersatzleistungen konkret auf die Aufwendungen zur Beseitigung der Mängel bezogen. Aufwendungen i.S. von § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG lagen nur in Höhe des Saldos zwischen den getragenen und den erstatteten Aufwendungen vor.

    4. Gebäude- oder wirtschaftsgutbezogene Sichtweise?

    Bei gemischt genutzten Gebäuden ist für die Frage, ob die Aufwendungen als Erhaltungsaufwand sofort abziehbar sind oder ob insoweit anschaffungsnaher Aufwand vorliegt, nicht vom Erwerb mehrerer Gebäudeteile auszugehen. Es ist vielmehr grundsätzlich auf das gesamte Gebäude abzustellen, da beim Erwerb des bebauten Grundstücks ein einheitliches Wirtschaftsgut vorliegt (BFH 30.7.91, IX R 59/89).

     

    Obwohl § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG zum Zeitpunkt dieser Entscheidung noch nicht existent war (gilt erst für Baumaßnahmen, mit denen nach dem 31.12.03 begonnen wurde bzw. wird), wendet die Finanzverwaltung das Urteil auch auf die jetzige Rechtslage an (SenFin Berlin 20.11.12, III B - S 2211 - 2/2005 - 2). Nur beim Erwerb von mehreren Eigentumswohnungen in einem Gebäude soll - unabhängig vom Nutzungs- und Funktionszusammenhang - bereits zivilrechtlich von unterschiedlichen Wirtschaftsgütern auszugehen sein.

     

    PRAXISHINWEIS | Diese Sichtweise ist umstritten. In 2007 entschied der BFH (25.9.07, IX R 28/07) nämlich, dass bei der Prüfung, ob eine Baumaßnahme nach § 255 Abs. 2 HGB zu Herstellungsaufwand führt, nicht auf das gesamte Gebäude, sondern nur auf den entsprechenden Gebäudeteil abgestellt werden darf, wenn das Gebäude in unterschiedlicher Weise genutzt wird und deshalb mehrere Wirtschaftsgüter umfasst. Nach Kulosa (in Schmidt, EStG, § 6 Rz. 382) ist diese Entscheidung auch für den Bereich des § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG anwendbar.

     
    • Beispiel

    A erwirbt Anfang 2012 ein Zweifamilienhaus (Anschaffungskosten ohne Grund und Boden 200.000 EUR). Die Wohnung im Erdgeschoss (60 m2) nutzt er mit seiner Ehefrau zu eigenen Wohnzwecken. Die Wohnung im Obergeschoss (40 m2) soll vermietet werden. Vor der Vermietung lässt A die Mietwohnung anschaffungsnah renovieren. Die Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen sind Ende 2014 abgeschlossen und betragen 25.000 EUR (netto).

    Nach Ansicht der Finanzverwaltung ist die Prüfung des anschaffungsnahen Herstellungsaufwands gebäudebezogen vorzunehmen:

     

    Anschaffungskosten Gebäude

    200.000 EUR

    davon 15 %

    30.000 EUR

    Netto-Instandhaltungskosten

    25.000 EUR

     

     

    Lösung: Da die 15 %-Grenze nicht überschritten ist, kann A die Aufwendungen grundsätzlich sofort als Werbungskosten absetzen.

     

    Würde man die Prüfung für das einzelne Wirtschaftsgut vornehmen, ergibt sich folgende Berechnung:

     

    Anschaffungskosten Obergeschoss

    80.000 EUR

    davon 15 %

    12.000 EUR

    Netto-Instandhaltungskosten

    25.000 EUR

     

     

    Lösung: Bei der wirtschaftsgutbezogenen Betrachtungsweise ist die 15 %-Grenze überschritten, sodass A die Aufwendungen nur über die Gebäudeabschreibung als Werbungskosten geltend machen kann.

     

    Nach dem Ausgangsbeispiel ist die Sichtweise der Finanzverwaltung günstiger. Dies gilt jedoch nicht für alle Fallkonstellationen:

     

    • Beispiel (Abwandlung)

    Die Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen für die Wohnung im Obergeschoss betragen 10.000 EUR. Darüber hinaus lässt A auch die selbst genutzte Wohnung im Erdgeschoss für 30.000 EUR netto renovieren.

     

    Gebäudebezogene Berechnung:

     

    Anschaffungskosten Gebäude

    200.000 EUR

    davon 15 %

    30.000 EUR

    Netto-Instandhaltungskosten

    40.000 EUR

     

     

    Lösung: Da die 15 %-Grenze überschritten ist, kann A die Aufwendungen für das Obergeschoss (10.000 EUR) nur über die Gebäudeabschreibung als Werbungskosten geltend machen.

     

    Prüfung für das einzelne Wirtschaftsgut:

     

    Anschaffungskosten Obergeschoss

    80.000 EUR

    davon 15 %

    12.000 EUR

    Netto-Instandhaltungskosten

    10.000 EUR

     

     

    Lösung: Da die 15 %-Grenze nicht überschritten ist, kann A die Aufwendungen grundsätzlich sofort als Werbungskosten absetzen.

     

    5. Aufwendungen für wesentliche Verbesserungen

    Nach Verwaltungsmeinung schließt § 6 Abs. 1 Nr. 1a S. 2 EStG nur Aufwendungen für Erweiterungen i.S. des § 255 Abs. 2 S. 1 HGB sowie Aufwendungen für jährlich üblicherweise anfallende Erhaltungsarbeiten von den zu berücksichtigenden Herstellungskosten aus. Aufwendungen für die Beseitigung der Funktionsuntüchtigkeit oder zur Hebung des Standards sind hiervon nicht berührt und daher in die Prüfung der 15 %-Grenze einzubeziehen (SenFin Berlin 20.11.12, a.a.O.).

     

    Hinweis | Wesentlich für den Gebäudestandard (einfach, mittel oder sehr anspruchsvoll) sind vor allem Umfang und Qualität der Heizungs-, Sanitär- und Elektroinstallationen sowie der Fenster (zentrale Ausstattungsmerkmale). Führt ein Bündel von Baumaßnahmen in mindestens drei Bereichen zu einer Erhöhung des Gebrauchswerts, hebt sich der Standard des Gebäudes (BMF 18.7.03, IV C 3 - S 2211 - 94/03).

     

    Die profiskalische Sichtweise der Finanzverwaltung wird derzeit kontrovers diskutiert. Nach der Auffassung von Fahlenbach (DStR 14, 1902) sind Aufwendungen, die per se schon Herstellungskosten gemäß § 255 HGB sind, im Rahmen einer einheitlichen Baumaßnahme nicht in die 15 %-Grenze des § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG einzubeziehen. Dies gilt erst recht in den Fällen, in denen keine einheitliche Baumaßnahme vorliegt. Kulosa (a.a.O., Rz. 385) hält es zumindest für zweifelhaft, ob Instandhaltungsaufwand, der unter dem Gesichtspunkt einer wesentlichen Verbesserung zu Herstellungskosten führt, in die 15 %-Grenze einzubeziehen ist.

     

    • Beispiel

    A hat ein Gebäude für 250.000 EUR zu Vermietungszwecken erworben. Neben dem Aufwand für eine wesentliche Verbesserung (80.000 EUR) sind Instandhaltungsaufwendungen i.H. von 15.000 EUR angefallen.

     

    Werden die 80.000 EUR in die Prüfung nach § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG einbezogen, können die 15.000 EUR für Instandhaltungsaufwand nur über die Gebäudeabschreibung als Werbungskosten abgezogen werden. Anderenfalls würden sich die 15.000 EUR sofort steuerlich auswirken.

     

    PRAXISHINWEIS | Das FG München (25.2.14, 6 K 2930/11) hat sich jüngst der Sichtweise der Finanzverwaltung angeschlossen. Da gegen diese Entscheidung die Revision anhängig ist (BFH IX R 25/14), sollte bei geeigneten Sachverhalten Einspruch eingelegt und das Ruhen des Verfahrens (§ 363 Abs. 2 S. 2 AO) beantragt werden. Mit einer Entscheidung des BFH ist noch im laufenden Jahr zu rechnen.

    Quelle: Ausgabe 04 / 2015 | Seite 69 | ID 43185477