· Fachbeitrag · Bilanzierung
Bewertung von Urlaubsrückstellungen nach Handels- und Steuerrecht
von StB Dipl.-Bw (FH) Thorsten Normann, Olsberg
| Für am Bilanzstichtag nicht genommenen Urlaub ist sowohl handels- als auch steuerrechtlich eine Rückstellung zu bilden. Da jedoch unterschiedliche Berechnungsparameter verwendet werden, weicht die Höhe der Rückstellung regelmäßig voneinander ab. Der folgende Beitrag stellt die unterschiedlichen Berechnungen vor. |
1. Handels- versus steuerrechtliche Sichtweise
Die Berechnung der Arbeitskosten kann sowohl handels- als auch steuerrechtlich mittels einer Durchschnittsberechnung für alle Mitarbeiter oder einer individuellen Berechnung für jeden einzelnen Mitarbeiter erfolgen. Die Vor- und Nachteile der einzelnen Methoden liegen auf der Hand: Im Vergleich zur Durchschnittsermittlung ist die individuelle Methode sehr genau, aber auch zeitaufwendiger. Insbesondere bei einer sehr heterogenen Lohn- und Gehaltsstruktur sollte der individuellen Methode der Vorzug gegeben werden.
Ursache für die Abweichungen zwischen Handels- und Steuerbilanz sind unterschiedliche Sichtweisen. Nach der herrschenden handelsrechtlichen Meinung sind mit der Urlaubsrückstellung nach dem Bilanzstichtag anfallende Personalaufwendungen zu berücksichtigen, denen keine Arbeitsleistung gegenüberstehen wird, weil der Mitarbeiter seinen Resturlaub abbaut (Kozikowski/Schubert in Beck‘scher Bilanz-Kommentar, 8. Aufl., § 249 HGB, Rz. 100). Demgegenüber geht der BFH (10.3.93, I R 70/91) steuerrechtlich von einer Geldschuld aus, die der Arbeitgeber hätte aufwenden müssen, wenn er seine Zahlungsverpflichtung bereits am Bilanzstichtag erfüllt hätte.
Diese differenzierte Betrachtungsweise wirkt sich in der praktischen Umsetzung auf die folgenden Berechnungsparameter aus:
- Lohn- und Gehaltsbestandteile,
- zukünftige Kostensteigerungen und
- Anzahl der Jahresarbeitstage.
1.1 Entgelt
Aufgrund der unterschiedlichen Sichtweisen werden beispielsweise Weihnachtsgratifikationen in der handelsbilanziellen, jedoch nicht in der steuerrechtlichen Rückstellungsberechnung berücksichtigt (vgl. H. 6.11 „Urlaubsverpflichtung“ EStH).
Hinweis | Nach einem rechtskräftigen Urteil des FG Rheinland-Pfalz (15.3.06, 1 K 2369/03) ist das Weihnachtsgeld jedoch auch steuerrechtlich zu berücksichtigen, sofern es sich um einen festen Bestandteil der Bezüge und nicht um eine jährlich vereinbarte Sondervergütung handelt.
Auch zukünftige Kostensteigerungen werden steuerrechtlich nicht beachtet. Handelsrechtlich sind Lohnerhöhungen hingegen einzubeziehen, da auf den maßgeblichen Erfüllungsbetrag abzustellen ist (§ 253 Abs. 1 S. 2 HGB).
1.2 Arbeitstage
Den gravierendsten Unterschied verursachen jedoch die als Divisor verwendeten jährlichen Arbeitstage. Nach der Rechtsprechung des BFH (29.1.08, I B 100/07) ist die steuerrechtliche Urlaubsrückstellung auf Basis der regulären Arbeitstage zu berechnen, d.h. Urlaubs- und Krankheitstage werden nicht mindernd berücksichtigt. In der Handelsbilanz muss mit den tatsächlichen Arbeitstagen, also abzüglich neuem Urlaubsanspruch und zu erwartenden Fehlzeiten, gerechnet werden.
Hinweis | Aus Vereinfachungsgründen wird in der Praxis bei einer 5-Tage-Woche für steuerrechtliche Zwecke oftmals mit 250 Tagen gerechnet, wohingegen handelsrechtlich vielfach 220 Tage angesetzt werden.
2. Musterfall
Bei der nachfolgenden Musterberechnung wird eine Durchschnittsbetrachtung vorgenommen. Im Jahresbruttolohn (lt. Lohnjournal oder Lohnartenauswertung) sind noch keine Sachbezüge, vermögenswirksame Leistungen, Urlaubsgelder oder Weihnachtsgelder enthalten.
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