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  • · Fachbeitrag · Einkommensteuer

    Doppelte Haushaltsführung: Aktuelle Rechtslage zum „Wohnen am Ort der ersten Tätigkeitsstätte”

    von Dipl.-Finw. (FH) Karl-Heinz Günther, Übach-Palenberg

    | Eine doppelte Haushaltsführung setzt voraus, dass der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes seiner ersten Tätigkeitsstätte einen eigenen Hausstand unterhält und auch am Ort der ersten Tätigkeitsstätte wohnt. Dabei ist oft strittig, wie der Begriff „Wohnen am Ort der ersten Tätigkeitsstätte” auszulegen ist. Die aktuelle Rechtslage verdeutlicht der folgende Beitrag. |

    1. Wohnung am Beschäftigungsort

    Nach Auffassung des BFH (19.4.12, VI R 59/11) ist der Begriff des Beschäftigungsorts weit auszulegen. Dabei leitet der BFH aus der gesetzlichen Definition der doppelten Haushaltsführung und der beruflichen Veranlassung der Errichtung eines Zweithaushalts am Beschäftigungsort her, dass der Arbeitnehmer in einer Wohnung am Beschäftigungsort wohnt, wenn er von dort aus - ungeachtet von Gemeinde- oder Landesgrenzen - seine Arbeitsstätte täglich aufsuchen kann.

     

    • Beispiel

    Arbeitnehmer A hat seinen Wohnsitz in Köln und wird für seinen Arbeitgeber in Freiburg tätig. Er begründet 50 Kilometer außerhalb von Freiburg einen Zweitwohnsitz und fährt von dort aus täglich zu seiner Arbeitsstätte in Freiburg.

     

    Hier liegt trotz der Entfernung zwischen der Zweitwohnung und der Arbeitsstätte eine „Wohnung am Beschäftigungsort“ vor, da es A bei einer Entfernung von 50 km möglich ist, seine Arbeitsstätte arbeitstäglich aufzusuchen.

     

    Beachten Sie | In dem vom BFH entschiedenen Streitfall wurde sogar bei einer Zugfahrzeit von einer Stunde und einer Entfernung zwischen Zweitwohnung und Arbeitsplatz von 141 km (allerdings bei der Möglichkeit einer ICE- Benutzung) eine Wohnung am Beschäftigungsort bejaht.

    2. Reaktion der Finanzverwaltung

    Die Finanzverwaltung hat im BMF-Schreiben zur Reform des steuerlichen Reisekostenrechts zur beruflichen Veranlassung beim Bezug einer Zweitwohnung vor dem Hintergrund der BFH-Entscheidung vom 19.4.12 eine Vereinfachungsregelung getroffen (BMF 30.9.13, IV C 5 - S 2353/13/10004, Rz. 95). Danach kann von einer Zweitunterkunft oder -wohnung am Ort der ersten Tätigkeitsstätte dann noch ausgegangen werden, wenn der Weg von der Zweitunterkunft oder -wohnung zur ersten Tätigkeitsstätte weniger als die Hälfte der Entfernung der kürzesten Straßenverbindung zwischen der Hauptwohnung (Mittelpunkt der Lebensinteressen) und der ersten Tätigkeitsstätte beträgt.

     

    Hinweis | Bezogen auf den vorstehenden Beispielsfall wären diese Voraussetzungen erfüllt (die Hälfte der Entfernung zwischen der Hauptwohnung in Köln und der Tätigkeitsstätte in Freiburg beträgt 210 km).

     

    Wird die Kilometergrenze der Vereinfachungsregelung überschritten, bedeutet dies jedoch noch nicht, dass eine doppelte Haushaltsführung nicht anerkannt wird. Vielmehr richtet sich, so das BMF, die steuerliche Anerkennung in diesem Fall nach den von der BFH-Rechtsprechung aufgestellten Grundsätzen, wobei insbesondere auf das BFH-Urteil vom 19.4.12 verwiesen wird.

     

    PRAXISHINWEIS | Die Finanzverwaltung hat die Vereinfachungsregelung zwar im BMF-Schreiben zur Reform des Reisekostenrechts getroffen. Gleichwohl dürfte sie auch für Veranlagungszeiträume vor 2014 anwendbar sein, zumal sich durch die ab 1.1.14 geltende Rechtslage bei der beruflichen Veranlassung einer doppelten Haushaltsführung keine Änderungen ergeben haben (so auch Loschelder in Schmidt, EStG, § 9 Rz. 142).

     

    3. Eigener Hausstand in der Nähe des Beschäftigungsorts

    Die Frage, ob eine doppelte Haushaltsführung auch möglich ist, wenn sowohl der eigene Hausstand als auch die Zweitwohnung in der Nähe des Arbeitsplatzes liegen, hat den BFH (soweit ersichtlich) bislang noch nicht beschäftigt.

     

    Nach Ansicht des FG Berlin (29.7.85, VIII 221/84, EFG 86, 286) ist eine doppelte Haushaltsführung grundsätzlich auch möglich, wenn Familienwohnung und Zweitwohnung innerhalb einer großflächigen politischen Gemeinde liegen. Das FG Berlin stellt für die Eingrenzung des Ortes des eigenen Hausstandes darauf ab, wo der Ort des privaten Lebensmittelpunktes liegt und wo daher üblicherweise die mit der Führung eines privaten Haushaltes verbundenen und von der Wohnung aus unternommenen Besorgungen erledigt werden.

     

    Beachten Sie | Gemeint ist damit der Radius, in dem Lebensmittelläden, Drogerien, Apotheken, Postamt, Bank und Tankstelle erreicht und übliche Spaziergänge unternommen werden können. Im seinerzeit entschiedenen Streitfall lag die Zweitwohnung 15 bis 20 km von der Familienwohnung entfernt. Das FG kam daher zu dem Ergebnis, dass die Zweitwohnung nicht mehr am Ort des eigenen Hausstandes lag. Gleichwohl hat es aber bei einer derartigen Sachverhaltsgestaltung die besondere Notwendigkeit der Prüfung der beruflichen Veranlassung betont.

     

    Diese Rechtsauffassung teilt das FG Hamburg (26.2.14, 1 K 234/12, rkr.) in einer aktuellen Entscheidung jedoch so nicht. Für die Beurteilung, ob der Beschäftigungsort und der Ort des eigenen Hausstandes auseinanderfallen, kann nicht allein darauf abgestellt werden, wie weit der Ort des eigenen Hausstandes als Ort des privaten Lebensmittelpunktes reicht. Vielmehr muss auch berücksichtigt werden, dass der Beschäftigungsort nicht eng zu verstehen ist, sondern eine Wohnung am Beschäftigungsort vorliegt, wenn der Arbeitnehmer von dort in zumutbarer Weise täglich seine Arbeitsstätte aufsuchen kann. Eine doppelte Haushaltsführung innerhalb einer großflächigen politischen Gemeinde kann daher nur dann vorliegen, wenn der Ort des eigenen Hausstandes und der Beschäftigungsort sowohl aus der Perspektive des eigenen Hausstandes als auch aus der Perspektive des Beschäftigungsortes auseinanderfallen.

     

    Befindet sich der eigene Hausstand am Beschäftigungsort, scheidet eine doppelte Haushaltsführung aus. Für diese Beurteilung ist nach Auffassung des FG Hamburg nicht auf politische Grenzen abzustellen. Maßgebend ist, ob der Steuerpflichtige seinen Arbeitsplatz in zumutbarer Weise täglich vom eigenen Hausstand aus aufsuchen kann und der eigene Hausstand daher auch dem Beschäftigungsort zuzurechnen ist.

     

    Beachten Sie | Im Streitfall wurde die Klage des Steuerpflichtigen abgewiesen, weil eine Entfernung von 25 km bei einer Fahrzeit von 41 Minuten mit dem Pkw (bzw. eine Wegezeit von unter einer Stunde bei Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel) unter großstädtischen Bedingungen auch für den täglichen Arbeitsweg üblich und ohne Weiteres zumutbar ist.

    4. Schlussfolgerungen

    Die Ausführungen zeigen, dass insbesondere folgende Fragestellungen eine besondere Bedeutung haben:

     

    • a) Welche Entfernung zwischen Zweitwohnung und Beschäftigungsort ist noch akzeptabel?
    • b) Welche Nähe des eigenen Hausstandes zum Arbeitsplatz ist bereits schädlich?

     

    Dabei ist zu beachten, dass es insoweit Parallelen gibt, als in beiden Fällen darauf abzustellen ist, ob ein arbeitstägliches Erreichen der Arbeitsstätte von der Zweitwohnung bzw. vom eigenen Hausstand unter arbeitnehmertypischen Normalbedingungen möglich ist.

     

    In der weiteren Folge ist wie folgt zu differenzieren:

     

    • Unterscheidungssystematik

    Fahrten zur ersten Tätigkeitsstätte sind
      • zumutbar
      • nicht zumutbar

    Fall a)

    doppelte HH

    keine doppelte HH

    Fall b)

    keine doppelte HH

    doppelte HH

    Quelle: Ausgabe 08 / 2014 | Seite 135 | ID 42741707