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  • 04.07.2024 · IWW-Abrufnummer 242361

    Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg: Urteil vom 05.03.2024 – 15 Sa 45/23

    Allein der Kontrollverlust über Daten stellt nicht automatisch einen immateriellen Schaden im Sinne von § 82 DS-GVO dar. Vielmehr muss die Befürchtung, dass die Daten, über die der Anspruchsteller die Kontrolle verloren hat, missbräuchlich verwendet wurden, objektiv begründet sein. Dafür ist der Anspruchsteller darlegungs- und beweisbelastet.


    In der Rechtssache
    - Kläger/Berufungskläger -
    Proz.-Bev.:
    gegen
    - Beklagte/Berufungsbeklagte -
    Proz.-Bev.:
    hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - 15. Kammer - durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht Steer, den ehrenamtlichen Richter Dr. Dostal und die ehrenamtliche Richterin Reich auf die mündliche Verhandlung vom 05.03.2024
    für Recht erkannt:

    Tenor: 1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart - Kammern Aalen - vom 13.06.2023 - 27 Ca 160/22 - wird zurückgewiesen. 2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger. 3. Die Revision wird nicht zugelassen.

    Tatbestand

    Der Kläger verlangt von der Beklagten, seiner ehemaligen Arbeitgeberin, Schadensersatz in Höhe von 5.000,00 €, weil er im Betrieb ohne seine Kenntnis und Einwilligung gefilmt worden ist.

    Die Beklagte, ein Industrieunternehmen, beschäftigt an mehreren Standorten in Deutschland insgesamt ca. 800 Mitarbeiter. Der Kläger war bei ihr vom 01.04.2021 bis zum 31.12.2021 beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete durch Kündigung des Klägers vom 25.11.2021 zum 31.12.2021 (Anl. K 2, Bl. 5 ArbG-Akte).

    Der Kläger war damit einverstanden, dass die Beklagte Aufnahmen seiner Person im Rahmen einer Auszubildendenkampagne veröffentlichte und gab hierzu auf einem schriftlichen Formular der Beklagten unter dem 09.03.2021 eine "Einwilligungserklärung" ab (Anlage B 5, Bl. 49 ArbG-Akte).

    Die Arbeitsplätze des Klägers, des Herrn E. und des Herrn A. befanden sich in der ersten Phase des Arbeitsverhältnisses des Klägers, insbesondere auch am 12.05.2021, in einem gemeinsamen Büroraum. In diesem Büroraum filmte am Morgen des 12.05.2021 über einen Zeitraum von 74:46 Minuten hinweg eine Go-Pro-Kamera das Innere des Büroraums. Die drei Arbeitsplätze (anfänglich ohne daran sitzende Arbeitnehmer) lagen im Blickfeld der Kamera. Im Vordergrund lag der eigene Arbeitsplatz des Herrn E., am hinteren Ende des Raums die Arbeitsplätze des Herrn A. (von der Kamera aus gesehen rechts) sowie des Klägers (von der Kamera aus gesehen links). Die Beklagte hatte in ihrem Betrieb mehrere solche Kameras im Einsatz. Herr E. hatte diese Kameras in seiner Obhut, um sie anderen Mitarbeitern auszuhändigen, die damit im Einzelfall mangelhafte oder fehlergeneigte Maschinen filmten, um auftretende Probleme oder Störungen erkennen und dokumentieren zu können. Teil der diesbezüglichen Aufgabe des Herrn E. war auch das Aufladen der Akkus sowie ein Funktionstest vor der Übergabe. Eine dieser Kameras war diejenige Kamera, die am 12.05.2021 den hier betroffenen Film aufnahm. Herr E. hatte die Kamera an diesem Tag wie üblich gut sichtbar in dem ihm und den zwei Kollegen zugewiesenen Büro an der Ladestation auf dem Fenstersims angeschlossen. Er hatte die Filmen-Funktion angeschaltet und das Büro sodann verlassen. Seine beiden Kollegen waren zu diesem Zeitpunkt noch nicht im Büro eingetroffen. Ob Herr E. die Kamera bewusst mit Ausrichtung (auch) auf die Arbeitsplätze seiner zwei Kollegen laufen ließ oder ob ihm dies nicht bewusst war, ist streitig. Auf den Aufnahmen ist der normale Bürobetrieb zu sehen und zu hören, wobei man die Gesprächsinhalte zu großen Teilen schlecht oder gar nicht versteht. Hauptsächlich ist Herr A. auf dem Film zu sehen, der einige Minuten früher im Büro eintraf als der Kläger. Herr A. ist in Bezug auf den Ton auch derjenige mit den sehr weit überwiegenden Redeanteilen (auch telefonierend). Der Kläger betritt den Raum im Film bei Minute 43:02 der gesamten Aufnahme und ist ab dann bis zum Ende des Films, also 31:44 Minuten lang, im Bild. Innerhalb dieser 31:44 Minuten sieht man nur in den ersten 35 Sekunden sowie kurz darauf nochmal für 28 Sekunden seinen Körper. In der restlichen Zeit sieht man im Wesentlichen nur die obere Hälfte seines Kopfes, da er an seinem Arbeitsplatz sitzt und der Rest des Körpers durch Regale bzw. Bildschirme verdeckt ist, lediglich sein Arm und seine Hand sind je einmal für wenige Sekunden zu sehen.

    Herr E. hatte zwei Jahre zuvor, unter dem 13.06.2019, eine ihm von der Beklagten vorgelegte "Verpflichtung zur Wahrung der Vertraulichkeit und zur Beachtung des Datenschutzes" unterschrieben (Anl. B 4, Bl. 47 bis 48 ArbG-Akte).

    Die Videoaufnahme vom 12.05.2021 verblieb zunächst ungelöscht in der Kamera. Herr A., für den sie am 12.05.2021 vorgesehen gewesen war, hatte sie doch nicht abgerufen (vgl. Aktenvermerk des Geschäftsführers B. vom 30.06.2021, Anlage B 3, Bl. 46 ArbG-Akte). Einige Zeit später erhielt ein weiterer Kollege diese Kamera und sah auf dem Speichermedium die Aufzeichnung. Er informierte hierüber die Parteien. In Reaktion darauf fand noch am selben Tag, dem 30.06.2021, wegen dieses Vorfalls ein Gespräch statt. Daran nahmen der Mitgeschäftsführer der Beklagten Herr B., die Personalleiterin Frau M., der Kläger sowie die Herren E. und A. teil. Auf den hierüber gefertigten Aktenvermerk des Herrn B. vom 30.06.2021 wird Bezug genommen (Anlage K 3, Bl. 46 ArbG-Akte). Herr E. erklärte in diesem Gespräch: er habe seine Kollegen nicht überwachen wollen, sondern die Kamera testen wollen, und im Falle einer Überwachungsabsicht hätte er den Film nicht auf der Kamera gelassen, nachdem ihm klar gewesen sei, dass ein anderer Mitarbeiter die Kamera abholen werde und das Speichermedium auslesen werde. Herr E. entschuldigte sich in dem Gespräch bei seinen beiden Zimmerkollegen.

    Entgegen einer vom Kläger geäußerten Bitte wurden in diesem Gespräch am 30.06.2021 nicht die erste Sequenz und die letzte Sequenz der Videoaufnahme gemeinsam angeschaut (aus Sicht des Klägers wäre dies wichtig gewesen, weil seiner Auffassung nach aus diesen Sequenzen hervorgeht, dass Herr E. das Video vorsätzlich angefertigt habe).

    Später kam es auf Wunsch des Klägers zu einem zweiten Gespräch, das nur zwischen dem Kläger und dem weiteren Mitgeschäftsführer der Beklagten, Herrn C. L., stattfand. Der Kläger äußerte auch in diesem Gespräch, dass Herr E. das Video vorsätzlich angefertigt habe.

    Herr E. wurde anschließend in ein anderes Büro versetzt. Außerdem sprach die Beklagte ihm gegenüber mit Schreiben vom 01.07.2021 eine Abmahnung aus (Anl. B 3, Bl. 45 ArbG-Akte).

    Herr A. nahm die Entschuldigung des Herrn E. an, der Kläger nicht.

    Nach dem Ende seines Arbeitsverhältnisses (31.12.2021) machte der Kläger durch seinen jetzigen Prozessbevollmächtigten mit Schreiben vom 08.02.2022 den nunmehr prozessual verfolgten Schadensersatzanspruch in Höhe von 5.000,00 € schriftlich geltend (Anl. K 3, Bl. 6 bis 7 ArbG-Akte). Nachdem die schriftliche Geltendmachung erfolglos geblieben war, erhob er mit Schriftsatz vom 19.04.2022 die vorliegende Klage, die am selben Tag beim Arbeitsgericht einging und der Beklagten am 27.05.2022 zugestellt wurde.

    Erstinstanzlich hat der Kläger im Wesentlichen Folgendes geltend gemacht.

    Er stütze seinen Schadensersatzanspruch erstens auf eine Haftung der Beklagten aus Vertrag gemäß § 282, § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2 BGB, zweitens auf eine Haftung der Beklagten aus Delikt gem. § 823 Abs. 1 BGB iVm. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG und drittens auf Art. 82 Abs. 1 DS-GVO.

    Die Beklagte habe gegen ihre arbeitgeberseitige Fürsorgepflicht aus § 241 BGB verstoßen, weshalb sie für den dadurch kausal eingetretenen Schaden des Klägers zum Ersatz verpflichtet sei. Mit den Filmaufnahmen sei das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers verletzt worden. Die Beklagte habe nicht durch Hinweisschilder darauf hingewiesen, dass Filmaufnahmen gefertigt würden. Außerdem hätten die Aufnahmen - falls sie wie von der Beklagten behauptet unabsichtlich geschehen sein sollten - dadurch verhindert werden können, dass die Kamera beim Ladevorgang nach der Überprüfung auf Funktionstüchtigkeit so platziert werde, dass die Aufnahme von Mitarbeitern ausgeschlossen werden könne. Dass die Beklagte im vorliegenden Rechtsstreit vortrage, sie habe keine Kenntnis von derlei Aufnahmen gehabt, untermauere, dass sie ihre Fürsorgepflicht in besonders erheblichem Maße, mithin grob fahrlässig, verletzt habe.

    Er bestreite mit Nichtwissen, dass Herr E. am besagten Tag einen Funktionstest der Kamera vorgenommen habe. Ebenso bestreite er mit Nichtwissen, dass Herr E. bei diesem etwaigen Funktionstest seine Kollegen nicht habe filmen wollen. Gegebenenfalls sei der Beklagten aber nicht nur eine eigene Fahrlässigkeit vorzuwerfen, sondern auch das Verschulden des Herrn E. sei ihr gem. § 278 Satz 1 BGB zuzurechnen, da Herr E. ihr Erfüllungsgehilfe sei. Als Verantwortlicher für die Aufnahmen mit der Kamera im Betrieb treffe ihn die Verpflichtung, die rechtlichen Grenzen im Zusammenhang mit Aufnahmen zu wahren. Damit handele er mit Wissen und Wollen der Beklagten in diesem Pflichtenkreis der Beklagten gegenüber den Mitarbeitern, insbesondere in dem Pflichtenkreis, der auch den Persönlichkeitsschutz der Arbeitnehmer umfasse.

    Der Kläger bestreite mit Nichtwissen die behauptete Vorgabe, dass keine Film- oder Fotoaufnahmen von Mitarbeitern ohne deren ausdrückliche Einwilligung gemacht werden dürften. Ebenso bestreite er mit Nichtwissen, dass Herr E. auch zum Thema Datenschutz ausführlich informiert und belehrt worden sei.

    Ihm, dem Kläger, sei ein immaterieller Schaden durch die Pflichtverletzung entstanden, der nach Maßgabe der §§ 249 ff. BGB zu ersetzen sei.

    Das Verhalten der Beklagten stelle auch eine unerlaubte Handlung iSv. § 823 Abs. 1 BGB dar, da der Kläger in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt sei. Auch hier sei die Verletzungshandlung der Arbeitgeberin darin zu sehen, dass sie die notwendigen Schutzvorkehrungen nicht getroffen habe, die eine Rechtsgutverletzung des Klägers vermieden hätten.

    Daneben stehe dem Kläger noch ein Schadensersatzanspruch aus Art. 82 Abs. 1 DS-GVO zu. Bei den Filmaufnahmen handele es sich um personenbezogene Daten iSd. Art. 4 Nr. 1 DS-GVO. Der Kläger sei ohne Weiteres identifizierbar. Diese Daten seien durch die Beklagte iSd. Art. 4 Nr. 2 DS-GVO verarbeitet worden, als die Filmaufnahmen gefertigt worden seien. Diese Verarbeitung sei nicht rechtmäßig iSd. Art. 6 Abs. 1 DS-GVO. Insbesondere habe eine Einwilligung des Klägers hierfür gefehlt. Die unrechtmäßige Verarbeitung der personenbezogenen Daten des Klägers erfülle den haftungsbegründenden Tatbestand des Art. 82 Abs. 1 DS-GVO.

    Eine Exkulpation der Beklagten greife bei einem Anspruch, der gem. Art. 82 DS-GVO bestehe, nicht ein. Denn Unternehmer hafteten im Rahmen der DS-GVO für schuldhafte Datenschutzverstöße ihrer Beschäftigten, sofern es sich nicht um einen Exzess handele. Dabei sei nicht erforderlich, dass für die Handlung ein gesetzlicher Vertreter oder eine Leitungsperson verantwortlich sei. Diese Haftung für Mitarbeiterverschulden ergebe sich aus der Anwendung des sogenannten funktionalen Unternehmensbegriffs des Europäischen Primärrechts, der aus Art. 101, Art. 102 AEUV abgeleitet werde. Ein Unternehmen sei demnach jede wirtschaftliche Einheit unabhängig von ihrer Rechtsform und der Art ihrer Finanzierung. Unternehmen in diesem Sinne hafteten für das Fehlverhalten all ihrer Beschäftigten. Eine Kenntnis der Geschäftsführung von dem konkreten Verstoß oder eine Verletzung der Aufsichtspflicht sei für die Zuordnung der Verantwortlichkeit nicht nötig. Handlungen von Beschäftigten, die bei verständiger Würdigung nicht dem Kreis der jeweiligen unternehmerischen Tätigkeit zugerechnet werden könnten (Exzesse), seien zwar ausgenommen. Ein Exzess liege hier aber offenkundig nicht vor.

    Auch der haftungsausfüllende Tatbestand des Art. 82 Abs. 1 DS-GVO sei erfüllt. Denn dem Kläger sei durch das rechtswidrige Verhalten der Beklagten ein kausaler Schaden entstanden, insbesondere ein immaterieller Schaden. Bei der Bemessung des Ersatzes dieses Schadens seien insbesondere die Erwägungsgründe nach Art. 83 Abs. 2 DS-GVO zu berücksichtigen: Art, Schwere und Umfang der Datenverarbeitung, insbesondere die lange Dauer der Aufnahmen, der Grad der Verantwortung und die Kategorie der personenbezogenen Daten. Die Höhe des Schadensersatzes für immaterielle Schäden solle sich nach dem Erwägungsgrund Nr. 146 zur DS-GVO an der Genugtuungs- und der Abschreckungsfunktion des Schadensersatzes orientieren im Sinne einer Vollständigkeit und Wirksamkeit, wobei die Genugtuungsfunktion im Hintergrund stehe.

    Unter Berücksichtigung aller Gesichtspunkte erscheine ein Betrag von mindestens 5.000,00 € erforderlich und angemessen. Dies gelte insbesondere mit Blick auf die erhebliche Aufnahmedauer von ca. 40 Minuten sowie mit Blick darauf, dass der Kläger vollumfänglich in seiner Person und damit unter Verletzung seiner Privatsphäre aufgenommen worden sei. Dies dürfe nicht als Bagatelle heruntergespielt werden.

    Erstinstanzlich hat der Kläger beantragt:

    Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 5.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszins seit dem 22.05.2021 zu bezahlen.

    Erstinstanzlich hat die Beklagte beantragt:

    Klageabweisung.

    Die Beklagte hat erstinstanzlich zur Verteidigung gegen den Anspruch im Wesentlichen Folgendes geltend gemacht.

    Die Videoaufzeichnung sei weder durch die Beklagte, noch nach Anweisung oder in Kenntnis der Beklagten erfolgt. Vielmehr sei sie unabsichtlich durch Herrn E. geschehen. Verantwortlich für den bedauerlichen Vorfall sei die Beklagte nicht gewesen. Außerdem lägen keine Rechtsverletzung von einigem Gewicht und kein relevanter Schaden vor.

    Die Beklagte habe erst lange nach dem Vorfall Kenntnis von diesem erhalten. Bei ihr würden grundsätzlich keine verdeckten Videoaufnahmen erstellt. Hierfür wäre eine derartige Kamera auch völlig ungeeignet. Für sie, die Beklagte, hätte keinerlei Veranlassung bestanden, den Kläger oder dessen Kollegen im Büro in irgendeiner Form zu überwachen und deren "Bürobetrieb" aufzuzeichnen. Herr E. habe vor dem Aufladen der Kamera wohl einen Funktionstest der Kamera vorgenommen, um zu garantieren, dass die Kamera bei der beabsichtigten Nutzung am Folgetag nicht nur aufgeladen, sondern auch funktionsfähig sei. Dabei habe er die Kamera wohl unbeabsichtigt auf die Arbeitsplätze gerichtet und die Aufnahme dann ebenfalls unbeabsichtigt nach Feststellung der Funktionsfähigkeit nicht unterbrochen. Dafür, dass er seine Kollegen unbeabsichtigt aufgenommen habe, spreche, dass er die Aufnahme danach nicht gelöscht habe. Auch seine Erklärungen in dem Gespräch vom 30.06.2021 und seine gegenüber den zwei Zimmerkollegen ausgesprochene Entschuldigung sprächen hierfür. Aus Sicht der Beklagten sei die Angelegenheit ausreichend aufgearbeitet worden. Denn sie habe nach dem Vorfall alles Gebotene unternommen, um den Sachverhalt aufzuklären und um eine Wiederholung zu vermeiden. Als Arbeitgeberin mehrerer hundert Mitarbeiter sei jedoch ein individuelles Fehlverhalten, zumal ein unbeabsichtigtes, letztendlich nicht zu verhindern. Irgendwelche Hinweise im Vorfeld, dass es bei Herrn E. zu einem derartigen Fehler kommen könne, seien nicht vorhanden gewesen. Es habe sich um den ersten derartigen Vorfall gehandelt. Sein Fehler sei als allerleichteste Fahrlässigkeit einzustufen, die schlichtweg jedem unterlaufen könne, auch bei Beachtung der gehörigen Sorgfalt. Ein derartiges Versehen lasse sich schlichtweg nicht durch irgendwelche Schutzmaßnahmen verhindern.

    Bei ihr herrsche die betriebliche Vorgabe, dass keine Film- oder Fotoaufnahmen von Mitarbeitern ohne deren ausdrückliche Einwilligung gemacht werden dürfen. Herr E. sei bereits längere Zeit vor dem 12.05.2021 in derselben Weise wie alle anderen Mitarbeiter zum Thema Datenschutz ausführlich informiert und belehrt worden.

    Sähe man dies anders, handele es sich selbst dann nur um einen Bagatellverstoß. Diese Bewertung sei aus folgenden Gründen richtig (die Tatsachen sind unstreitig, deren Bewertung ist streitig): Betroffen sei nicht der Privat- oder Intimbereich. Die Filmaufnahmen enthielten keine vertraulichen Gespräche. Die Aufnahmen seien nicht veröffentlicht worden, sondern hätten sich unbemerkt und ungesehen auf der Speicherkarte befunden. Der Mitarbeiter, dem sie aufgefallen seien, habe sofort die Beklagte informiert. Die Bilder seien keiner Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden. Hauptsächlich sei auf den Aufnahmen Herr A. zu sehen und nicht der Kläger, im Übrigen sei das zu Sehende ein normaler und völlig unverfänglicher Bürobetrieb.

    Das Arbeitsgericht hat mit dem hier angegriffenen Urteil vom 13.06.2023 die Klage abgewiesen. Der Kläger habe unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt Anspruch auf den erstrebten Schadensersatz.

    Einem Anspruch auf Schadensersatz nach § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2 BGB wegen schuldhafter Verletzung einer vertraglichen Nebenpflicht stehe entgegen, dass eine etwaige von Herrn E. begangene Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers nicht der Beklagten zuzurechnen sei. Herr E. sei nicht der Erfüllungsgehilfe der Beklagten iSv. § 278 Satz 1 BGB. Auch wenn Herr E. im weitesten Sinne mit Wissen und Wollen der Beklagten in deren Pflichtenkreis tätig werde, sei hier davon auszugehen, dass die Beklagte sich nicht eines ihrer Arbeitnehmer bediene, um ihre arbeitsvertragliche Fürsorgepflicht gegenüber den anderen Arbeitnehmern zu erfüllen.

    Ebenfalls nicht gestützt werden könne der Schadensersatzanspruch auf eine unerlaubte Handlung nach § 823 Abs. 1, § 831 BGB wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers. Ob Herr E. als Verrichtungsgehilfe der Beklagten iSv. § 831 BGB anzusehen sei, könne offenbleiben. Jedenfalls sei der Eingriff nicht rechtswidrig gewesen. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG) sei ein "sonstiges Recht" iSv. § 823 Abs. 1 BGB. Es sei das Recht des Einzelnen auf Achtung seiner Menschenwürde und auf Entfaltung seiner individuellen Persönlichkeit. Eine Videoüberwachung greife zum Nachteil des Betroffenen in dessen allgemeines Persönlichkeitsrecht in seiner Ausprägung als Recht auf informationelle Selbstbestimmung ein. Dieses Recht verbiete es, Informationen wie beispielsweise persönliche Daten einschließlich Bild- und Tonaufzeichnungen über eine Person unerlaubt zu beschaffen oder zu verbreiten. Die Rechtswidrigkeit sei aufgrund einer umfassenden Güter- und Interessenabwägung positiv festzustellen. Insbesondere die Schwere des Eingriffs und dessen Folgen, der Anlass der Rechtsverletzung und das Verhalten des Verletzten vor der Beeinträchtigung, Mittel und Zweck des Eingriffs, Art und Dauer der Beeinträchtigung sowie etwaige dem Schädiger zur Seite stehende Grundrechte oder konkrete Rechtfertigungsgründe seien in die Abwägung einzubeziehen. Hier ergebe die umfassende Abwägung der gegenseitigen Interessen, dass ein rechtswidriger Eingriff nicht vorliege. Auch wenn die Videoaufzeichnung ca. 40 Minuten gedauert habe, seien die Auswirkungen dieser Persönlichkeitsrechtsverletzung äußerst gering. Die Videoaufzeichnung sei wieder gelöscht worden, nachdem die Beklagte Kenntnis von dem Vorfall erlangt habe. Nicht einmal ansatzweise ersichtlich seien Anhaltspunkte dafür, dass die Filmaufnahmen weitergegeben oder auf sonstige Weise widerrechtlich genutzt seien. Mangels anderweitiger Anhaltspunkte sei zudem davon auszugehen, dass Herr E. die Aufnahmen nur versehentlich bewirkt habe.

    Schließlich könne der Schadensersatzanspruch des Klägers auch nicht auf Art. 82 Abs. 1, Abs. 2 DS-GVO gestützt werden. Nach diesen Bestimmungen habe jede Person, der wegen eines Verstoßes gegen die DS-GVO ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden sei, einen Anspruch auf Schadensersatz gegenüber dem Verantwortlichen oder dem Auftragsverarbeiter. Nach Art. 82 Abs. 3 DS-GVO werde der Verantwortliche oder der Auftragsverarbeiter von der Haftung befreit, wenn er nachweise, dass er in keiner Hinsicht für den Umstand verantwortlich sei, durch den der Schaden eingetreten sei. Hier jedoch sei dem Sachvortrag des Klägers ohnehin schon nicht zu entnehmen, dass dem Kläger ein immaterieller Schaden entstanden sei. Ein Schaden, der kein Vermögensschaden sei, setze einen erheblichen Pflichtenverstoß voraus. Kein immaterieller Schaden entstehe bei Bagatellverstößen ohne ernsthafte Beeinträchtigung bzw. bei bloß individuell empfundenen Unannehmlichkeiten. Der Nachteil müsse spürbar sein, und es müsse um eine objektiv nachvollziehbare, mit gewissem Gewicht erfolgte Beeinträchtigung von persönlichkeitsbezogenen Belangen gehen. Ein immaterieller Schaden folge nicht bereits aus einem Verstoß gegen die Vorschriften der DS-GVO. Datenschutzverstoß und Schaden seien nicht gleichzusetzen. Für die objektive Pflichtverletzung und einen kausalen Schaden trage der Kläger die Darlegungs- und Beweislast. Als Nichtvermögensschäden mit ausreichend erheblichem Gewicht kämen in Betracht beispielsweise die öffentliche Bloßstellung durch Zugänglichmachen personenbezogener Daten für Dritte, soziale Diskriminierung, Hemmung in der freien Persönlichkeitsentfaltung, Reduzierung des Menschen auf ein Datenverarbeitungsobjekt, psychische Auswirkungen bei der betroffenen Person infolge des Datenschutzverstoßes, Identitätsdiebstahl oder Identitätsbetrug.

    Hier rechtfertigten Art, Schwere, Dauer und Umfang des vom Kläger geltend gemachten Datenschutzverstoßes die Zuerkennung eines Schmerzensgelds nicht, wie bereits im Zusammenhang mit der Verneinung eines Anspruchs aus unerlaubter Handlung ausgeführt worden sei.

    Dieses Urteil wurde dem Kläger am 20.07.2023 zugestellt (eEB Bl. 18 ArbG-Akte). Rechtzeitig am 07.08.2023 ging seine hiergegen gerichtete Berufung, rechtzeitig am 11.09.2023 seine Berufungsbegründung ein.

    Zweitinstanzlich macht der Kläger unter Wiederholung und Ergänzung seines erstinstanzlichen Vorbringens in Auseinandersetzung mit der Urteilsbegründung des Arbeitsgerichts im Wesentlichen Folgendes geltend.

    Das Arbeitsgericht habe unter allen drei rechtlichen Gesichtspunkten, mit denen er seinen Schadensersatzanspruch begründet habe, diesen zu Unrecht abgelehnt. Die Beklagte berufe sich in ihren Schriftsätzen vom 03.06.2022 und vom 30.08.2022 darauf, Herrn E. über seine Sorgfaltspflichten beim Filmen, im Hinblick auf Datenschutz und speziell darüber, dass er Personen nicht ohne ihre Einwilligung filmen dürfe, belehrt zu haben. Dies zeige, dass sie sich seiner bedient habe, um ihre arbeitsvertragliche Fürsorgepflicht gegenüber anderen Arbeitnehmern zu erfüllen, und widerlege das Argument des Arbeitsgerichts gegen einen vertraglichen Schadensersatzanspruch. Zum deliktischen Anspruch führe das Arbeitsgericht zwar zutreffend aus, dass die Rechtswidrigkeit des Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht aufgrund einer umfassenden Güter- und Interessenabwägung festzustellen sei. Es verkenne aber, dass bei dieser Abwägung nicht positiv auf das Verhalten der Beklagten nach dem Vorfall abgehoben werden dürfe. Denn solche, nach der Rechtsgutverletzung eingetretenen Umstände dürfe man allenfalls bei einer möglichen Kompensation berücksichtigen. Den Schadensersatzanspruch aus Art. 82 DS-GVO verneine das Arbeitsgericht wegen Fehlens eines immateriellen Schadens. Dies stehe im Widerspruch zum Urteil des EuGH vom 04.05.2023 (C-300/21). Der EuGH habe hier klargestellt, dass keinerlei Erheblichkeitsschwelle erreicht sein müsse hinsichtlich des erlittenen Schadens.

    Zweitinstanzlich beantragt der Kläger:

    I. Das angefochtene Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 13.06.2023 (27 Ca 160/22) wird aufgehoben. II. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 5.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 22.05.2021 zu zahlen.

    Zweitinstanzlich beantragt die Beklagte,

    die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

    Die Beklagte verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts unter Wiederholung und Ergänzung ihres erstinstanzlichen Vorbringens.

    Herr E. sei hinsichtlich der vorgeworfenen Rechtsverletzung weder ihr Erfüllungsgehilfe, noch ihr Verrichtungsgehilfe gewesen. Der EuGH lehne eine Erheblichkeitsschwelle für die Anerkennung eines Schadens zwar ab, verlange aber als Voraussetzung einer Entschädigung in Geld die Darlegung und den Nachweis eines konkreten individuellen Schadens samt Kausalität. Die Höhe der Entschädigung in Geld sei bei Vorliegen dieser Voraussetzungen dann nach nationalem Schadensersatzrecht festzulegen. Hier habe der Kläger keinen konkreten immateriellen Schaden dargetan. Dabei sei unter anderem zu berücksichtigen, dass die Aufnahmen nur einem sehr eingeschränkten und unmittelbar mit der Angelegenheit befassten Personenkreis bekannt geworden seien. Art. 82 DS-GVO diene auch nicht etwa der Abschreckung, wie der EuGH klargestellt habe. Darauf, dass der geforderte Betrag nach deutschem Schadensersatzrecht unverhältnismäßig hoch wäre, komme es demgemäß nicht mehr an.

    Zu den weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf deren Schriftsätze nebst der Anlagen sowie auf die Protokolle über die mündlichen Verhandlungen Bezug genommen.

    Der Kläger hat zwei USB-Sticks als Anlage zu seinem Schriftsatz vom 25.05.2022 eingereicht, auf die jeweils die komplette Videodatei der Filmaufnahme vom 12.05.2021 gezogen worden ist. Ein Stick befindet sich als Anlage bei der Gerichtsakte, der andere wurde der Beklagten zusammen mit dem Schriftsatz zugeleitet (vgl. Bl. 17 ArbG-Akte). Dieser Film wurde mit den Parteien im Berufungsverhandlungstermin vom 05.03.2024 teils im Originaltempo, teils im Schnelldurchlauf betrachtet. Zu diesbezüglichen weiteren Einzelheiten wird auf die Seite 2 des Protokolls vom 05.03.2024 Bezug genommen.

    Entscheidungsgründe

    Die Berufung des Klägers ist zulässig, aber unbegründet.

    A.

    Die Berufung ist zulässig. Sie ist gemäß § 64 Abs. 2 Buchst. b ArbGG statthaft und ist gemäß § 64 Abs. 6 ArbGG iVm. §§ 519, 520 ZPO in der gesetzlichen Form sowie gemäß § 66 ArbGG in der gesetzlichen Frist eingelegt und begründet worden.

    B.

    Die Berufung des Klägers ist unbegründet. Auch die Berufungskammer gelangt zu der rechtlichen Bewertung, dass dem Kläger unter keinem der drei in Betracht kommenden Gesichtspunkte der geforderte Betrag ganz oder teilweise zusteht. Er kann ihn weder aus Vertrag (I.), noch aus unerlaubter Handlung (II.), noch aus Art. 82 DS-GVO (III.) herleiten.

    I.

    Der Anspruch folgt nicht aus einer vertraglichen Grundlage. Insbesondere sind die Voraussetzungen eines Anspruchs aus § 280 Abs. 1 iVm. § 241 Abs. 2, §§ 249 ff. BGB nicht erfüllt.

    1. Die Beklagte hat weder selbst eine Pflicht gegenüber dem Kläger verletzt, noch haftet sie hier für eine schuldhaft begangene Pflichtverletzung des Herrn E..

    a) Nach § 241 Abs. 2 BGB erwachsen jeder Vertragspartei aus einem Schuldverhältnis nicht nur Leistungs- sondern auch Verhaltenspflichten zur Rücksichtnahme und zum Schutz der Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils (vgl. BAG 15.08.2016 - 8 AZR 351/15 - juris Rn. 31; 27.06.2017 - 9 AZR 576/15 - ZMV 2017, 335 oder juris Rn. 16). Danach ist der Arbeitgeber verpflichtet, auf das Wohl und die berechtigten Interessen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen, ihn vor Gesundheitsgefahren, auch psychischer Art, zu schützen und ihn keinem Verhalten auszusetzen, das bezweckt oder bewirkt, dass seine Würde verletzt wird. In diesem Zusammenhang ist der Arbeitgeber insbesondere zum Schutz der Gesundheit und des Persönlichkeitsrechts des Arbeitnehmers verpflichtet (vgl. BAG 15.08.2016 - 8 AZR 351/15 - juris Rn. 31).

    Der Arbeitgeber haftet dem geschädigten Arbeitnehmer gegenüber gemäß § 278 Satz 1 BGB auch für schuldhaft begangene Rechtsverletzungen, die andere Mitarbeiter oder Vorgesetzte begehen, die für den Arbeitgeber als Erfüllungsgehilfen eingesetzt sind. Dabei ist jedoch erforderlich, dass die schuldhafte Handlung des als Erfüllungsgehilfe des Arbeitgebers handelnden Mitarbeiters in einem engen sachlichen Zusammenhang mit den Aufgaben steht, die der Arbeitgeber ihm als Erfüllungsgehilfen zugewiesen hat. Ein solcher Zusammenhang ist regelmäßig anzunehmen, wenn der Erfüllungsgehilfe gegenüber dem betroffenen Mitarbeiter die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers konkretisiert oder wenn er ihm gegenüber Weisungsbefugnis besitzt (vgl. BAG 15.08.2016 - 8 AZR 351/15 - juris Rn. 32).

    b) Hier hatte die Beklagte gegenüber dem Kläger unter anderem die Pflicht, bei Filmaufnahmen auf sein Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 8 Abs. 1 EMRK) Rücksicht zu nehmen. Dazu gehörte auch die Pflicht, ihn nicht ohne seine Einwilligung zu filmen. Denn das allgemeine Persönlichkeitsrecht umfasst neben dem Recht am gesprochenen Wort auch das Recht am eigenen Bild. Es gehört zum Selbstbestimmungsrecht eines jeden Menschen, darüber zu entscheiden, ob Filmaufnahmen von ihm erstellt und möglicherweise verwendet werden (vgl. BAG 19.02.2015 - 8 AZR 1007/13 - NZA 2015, 994 Rn. 17 mwN).

    aa) Hier sind zwar Filmaufnahmen des Klägers ohne dessen Einwilligung im Betrieb der Beklagten entstanden. Denn seine Einwilligungserklärung vom 09.03.2021 bezieht sich offensichtlich nicht auf heimliche Aufnahmen der hier betroffenen Art. Die Beklagte hat aber nicht selbst und unmittelbar gegen ihre Pflicht, den Kläger nicht ohne dessen Einwilligung zu filmen, schuldhaft verstoßen. Denn die Aufnahme wurde nicht durch einen ihrer Geschäftsführer in Gang gesetzt. Eine schuldhafte eigene Verletzung der dem Kläger geschuldeten Rücksichtnahme käme infolgedessen nur in Betracht, wenn die Beklagte (einer ihrer Geschäftsführer) zwar nicht selbst gefilmt, aber von der Bewirkung der Filmaufnahme, also von der Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Klägers durch Herrn E., Kenntnis gehabt hätte (vgl. BAG 16.05.2007 - 8 AZR 709/06 - NZA 2007, 1154 Rn. 74). Auch das war hier jedoch nicht der Fall. Denn als die Beklagte Kenntnis erlangte, war der Filmvorgang bereits seit Wochen abgeschlossen, und die Beklagte verhinderte nach ihrer Kenntniserlangung eine etwaige Verwertung der bis dahin unentdeckt gebliebenen Aufnahmen, bevor eine Verwertung hätte geschehen können.

    Ohne Erfolg wendet der Kläger ein, die Berufung der Beklagten auf ihre Unkenntnis von der Entstehung der Aufnahmen untermauere eine - sogar grob fahrlässige - Verletzung ihrer Fürsorgepflicht, weil sie denjenigen Arbeitnehmer, der die Kamera in seiner Obhut gehabt habe, nicht genügend dahingehend angeleitet und überwacht habe, dass er die Kamera beim Ladevorgang so platziere, dass Aufnahmen anderer Mitarbeiter ausgeschlossen würden. Damit hält der Kläger der Beklagten in der Sache die Verletzung einer eigenen Organisationspflicht oder eigenen Verkehrssicherungspflicht vor. Eine Pflicht, ihren für die Kamera zuständigen Mitarbeiter darauf hinzuweisen, dass beim Ladevorgang oder beim Funktionstest keine anderen Menschen gefilmt werden dürften, hatte die Beklagte nach Auffassung der Berufungskammer aber nicht. Insoweit durfte sie darauf vertrauen, dass ein Mitarbeiter, an dessen Intelligenz und normalem Verhalten im Vorfeld keine Zweifel entstanden waren und der zuvor nicht einschlägig auffällig gewesen war, selbst wissen würde, dass er von anderen Menschen nicht ohne deren Einwilligung Videoaufnahmen am Arbeitsplatz anfertigen durfte. Denn Letzteres ist Allgemeinwissen, das bei jedem durchschnittlichen erwachsenen Menschen, erst recht bei jedem durchschnittlichen Teilnehmer am Arbeitsleben, unterstellt werden kann. Ein Arbeitgeber muss nicht davon ausgehen, dass seine Arbeitnehmer dies nicht wissen. Erst recht musste die Beklagte bei Herrn E. nicht mit einer diesbezüglichen Unwissenheit rechnen, nachdem er erst etwa zwei Jahre zuvor eine Verpflichtung zur Wahrung des Datenschutzes unterschrieben hatte.

    Ebensowenig bestand für sie Anlass, speziell das Aufladen/den Funktionstest der Kamera in einem Büro ausdrücklich zu verbieten. Sie musste nicht damit rechnen, dass ein Geschehensverlauf wie der vorliegende eintreten würde. Sollte Herr E. die Aufnahmen seiner Kollegen absichtlich hergestellt haben (wovon die Berufungskammer nicht ausgeht), musste die Beklagte mit einem solchen absurden Verhalten jedenfalls nicht rechnen. Sollte das Filmen der Kollegen hingegen - wofür Herrn E.s anschließendes Verhalten, nämlich das schlichte Belassen der Aufnahmen in der Kamera, spricht - versehentlich geschehen sein, handelt es sich um eine nicht alltägliche Aneinanderreihung von Pannen (Ingangsetzen der Kamera im zunächst leeren Büro, nicht rechtzeitige Rückkehr ins Büro vor dem Arbeitsbeginn seiner Kollegen, Nichtbemerken, dass bereits längere Aufnahmen der Kollegen entstanden und in der Kamera gespeichert waren oder jedenfalls Nichterkennen, dass Löschungsbedarf bestand). Ein solcher Geschehensverlauf war in seiner Gesamtheit ebenfalls so unwahrscheinlich, dass die Beklagte ihn nicht von sich aus hätte vorhersehen und vorsorgliche Gegenmaßnahmen ergreifen müssen. Da also mit einem solchen Verlauf regelmäßig nicht zu rechnen war, oblag es der Beklagten nicht im Verhältnis zu ihren Arbeitnehmern, insbesondere zum Kläger, generell das Aufladen und / oder Testen von Kameras im Büro durch vorherige Instruktionen oder ständige Überwachung des Herrn E. zu verhindern. Ihr oblag - anders als der Kläger meint - auch nicht das Anbringen von vorsorglichen Warnschildern im Büro, dass mit Filmaufnahmen zu rechnen sei. Ein Arbeitgeber muss nicht ständig mit allen Varianten von Unsorgfältigkeiten und dummen Ideen seiner Arbeitnehmer rechnen, sondern darf legitimerweise bei seinen Arbeitnehmern von einem Durchschnittsmaß an Umsicht und Verstand ausgehen. Diese Grenze hat die Organisation der Arbeitgeberin hier nicht unterschritten. Dass die Beklagte positiv gewusst hätte, dass Herr E. die Kamera im Büro testet und unbewacht laufen lässt, behauptet der Kläger nicht, und dafür spricht auch sonst objektiv nichts.

    Auf die zwischen den Parteien streitige Frage, ob die Beklagte ausdrücklich gegenüber allen ihren Mitarbeitern die Vorgabe kommuniziert hatte, dass keine Film- oder Fotoaufnahmen von Mitarbeitern ohne deren ausdrückliche Einwilligung angefertigt werden dürfen, kommt es nach alledem nicht an.

    bb) Die Beklagte haftet dem Kläger auch nicht etwa über die Zurechnungsnorm des § 278 Satz 1 BGB dafür, dass Herr E. schuldhaft das Persönlichkeitsrecht des Klägers verletzt hat. Denn Herr E. war kein als Erfüllungsgehilfe eingesetzter Mitarbeiter oder Vorgesetzter in diesem Sinne. Ein Vorgesetzter des Klägers war er unstreitig nicht, nur ein gleichgeordneter Kollege. Seine schuldhafte Handlung hätte daher nach den oben dargestellten Grundsätzen in einem engen sachlichen Zusammenhang mit den Aufgaben stehen müssen, die der Arbeitgeber ihm als Erfüllungsgehilfen zugewiesen hat, was wiederum zu bejahen wäre, wenn er gegenüber dem Kläger weisungsbefugt gewesen wäre - was nicht der Fall war - oder gegenüber dem Kläger die Fürsorgepflicht der Beklagten "konkretisiert" hätte.

    Auch Letzteres trifft jedoch nicht zu. Das ergibt sich aus der Analyse der Arbeitsaufgabe des Herrn E.. Hätte Herrn E.s ihm von der Arbeitgeberin übertragene Aufgabe darin bestanden, im Betrieb Filmaufnahmen durchzuführen, hätte seine Aufgabe auch darin bestanden, dabei darauf zu achten, dass nur Personen gefilmt werden, die eingewilligt haben. Herr E. hatte aber nicht diese Aufgabe. Die Beklagte hat zum Inhalt der Aufgabe des Herrn E. vorgetragen, dieser habe die Kameras in Obhut gehabt, um sie anderen Mitarbeitern auszuhändigen, die damit im Einzelfall fehleranfällige Maschinen filmten. Dazu gehöre vor der Übergabe auch das Aufladen der Akkus sowie ein Funktionstest. Der Kläger hat diesen Vortrag weder bestritten, noch hat er eine andere (abweichende oder zusätzliche) Arbeitsaufgabe des Herrn E. in Bezug auf die Kameras beschrieben.

    Ein Mitarbeiter, der nur diese Arbeitsaufgabe hat, konkretisiert nicht - als Arbeitsaufgabe - die Pflicht der Beklagten, das Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer nicht zu verletzen. Es fehlt der enge sachliche Zusammenhang zwischen seiner Arbeitsaufgabe (in technischer Hinsicht sicherstellen, dass andere Arbeitnehmer mit den Kameras Maschinen aufnehmen können) einerseits und der Erfüllung der Verpflichtung der Arbeitgeberin, keine Arbeitnehmer ohne deren Einwilligung zu filmen andererseits. Diesen fehlenden engen sachlichen Zusammenhang stellt der Kläger argumentativ auch nicht dadurch erfolgreich her, dass er sich hilfsweise den - von ihm eigentlich primär bestrittenen - Vortrag der Beklagten dazu, wie sie Herrn E. belehrt habe, zu eigen macht. Denn der Vortrag der Beklagten, den sich der Kläger hilfsweise zu eigen macht, lautet nicht dahin, dass die Beklagte Herrn E. darüber belehrt hätte, dass es zu seiner Arbeitsaufgabe gehören würde, sicherzustellen, dass im Betrieb keine Menschen ohne ihre Einwilligung gefilmt würden. Vielmehr lautet der Vortrag der Beklagten dahin, dass Herr E. wie alle anderen Mitarbeiter über den Datenschutz belehrt worden sei, dass er (was unstreitig ist) die als Anlage vorgelegte Datenschutzverpflichtung unterschrieben habe, und dass ihm deshalb bewusst gewesen sei, dass er keine Aufnahmen von anderen Personen ohne deren Einwilligung machen dürfe. Das ist ein Vortrag, den die Beklagte ebenso für jeden anderen Arbeitnehmer hätte halten können und der nicht auf den nötigen engen sachlichen Zusammenhang zwischen der in Rede stehenden Schutzpflicht der Arbeitgeberin einerseits und Herrn E.s Arbeitsaufgabe andererseits hindeutet.

    2. Unabhängig davon hat der Kläger auch keinen in Geld ersatzfähigen Schaden erlitten.

    Insoweit wird erstens auf die Ausführungen unter B. II. 2. Bezug genommen, mit denen begründet wird, dass unter dem Gesichtspunkt der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts kein Ersatz immateriellen Schadens geschuldet ist, weil es an einer schweren, nicht anders kompensierbaren Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers fehlt. Diese Schwelle muss auch ein - wie hier - aus Vertrag abgeleiteter Ersatzanspruch für immaterielle Schäden wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts erreichen. Zweitens wird insoweit auf die nachfolgenden Ausführungen unter B. III. Bezug genommen, mit denen begründet wird, dass ein immaterieller Schaden iSv. Art. 82 DS-GVO nicht vorliegt. Aus entsprechenden Gründen wie den dort dargelegten liegt hier auch nach dem deutschen Vertragsrecht kein immaterieller Schaden infolge Kontrollverlusts vor, der gemäß §§ 249 ff. BGB in Geld zu ersetzen wäre. Denn der Begriff des immateriellen Schadens nach deutschem Recht ist im hier interessierenden Bereich jedenfalls nicht weiter auszulegen als der autonom unionsrechtlich auszulegende Begriff des immateriellen Schadens iSv. Art. 82 DS-GVO.

    II.

    Der erstrebte Anspruch auf Schadensersatz folgt ebensowenig aus § 823 Abs. 1 BGB oder § 831 BGB iVm. dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG).

    1. Für einen über § 823 Abs. 1 BGB hergeleiteten Anspruch fehlt es bereits an einer durch die Beklagte verübten Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Klägers. Herr E. ist kein Geschäftsführer der Beklagten.

    Ein über § 831 BGB (etwaige Haftung der Beklagten für Herrn E. als Verrichtungsgehilfen) hergeleiteter Anspruch scheitert jedenfalls daran, dass der Beklagten bei der Auswahl und Überwachung des Herrn E. aus den bereits unter B. I. 1. b) aa) dargestellten Gründen kein Verschulden anzulasten ist, so dass sie gemäß § 831 Abs. 1 Satz 2 BGB exkulpiert ist.

    Außerdem ist eine weitere Voraussetzung einer Haftung der Beklagten aus § 831 BGB nicht erfüllt: Herr E. hat dem Kläger den etwaigen Schaden, anders als § 831 Abs. 1 Satz 1 BGB voraussetzt, nicht "in Ausführung der Verrichtung" zugefügt. Diese Anforderung bedeutet, dass der Schaden nicht nur "gelegentlich" der Ausführung der Verrichtung zugefügt worden sein darf. Das Verhalten des Gehilfen darf nicht aus dem Kreis oder dem allgemeinen Rahmen der ihm anvertrauten Aufgaben herausfallen, sondern muss einen inneren Zusammenhang aufweisen (vgl. BAG 16.05.2007 - 8 AZR 709/06 - NZA 2007, 1154 Rn. 116 mwN). Dieser innere Zusammenhang fehlt hier. Das Erstellen und Speichern von Filmen gehörte nicht zu den Aufgaben des Herrn E., erst recht nicht das Filmen von Büroinnenräumen oder gar von Personen.

    2. Unabhängig davon fehlt für den vorliegend verlangten Schadensersatz in Geld - der den ideellen Bestandteil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts betrifft - die sowohl für einen Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB iVm. Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG als auch für einen Anspruch aus § 831 BGB iVm. Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG erforderliche schwerwiegende Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, die nicht in anderer Weise befriedigend aufgefangen werden kann (vgl. zu dieser Voraussetzung BAG 19.02.2015 - 8 AZR 1007/13 - NZA 2015, 994 Rn. 14; 15.09.2016 - 8 AZR 351/15 - juris Rn. 35 mwN).

    Die Berufungskammer bezieht in diese Beurteilung die folgenden Umstände ein und gewichtet sie. In tatsächlicher Hinsicht handelte es sich weder um eine von der Beklagten, noch von Herrn E. persönlich veranlasste gezielte Observation des Klägers. Sämtliche Umstände sprechen gegen eine solche Annahme, wie die Beklagte überzeugend ausgeführt hat. Der Kläger meint zwar, in dem - in den letzten Sekunden des Films sichtbaren - direkten und sehr schnellen Zugehen des Herrn E. auf die Kamera und dessen sehr schneller und zielgerichteter Abschaltbewegung liege ein Beleg für ein absichtliches Kollegen-Filmen des Herrn E.. Für dieses sichtbare Verhalten des Herrn E. kann es aber ebenso eine andere Erklärung geben, nämlich beispielsweise die spontane Erkenntnis des Herrn E., dass er die Kamera - anders als von ihm vielleicht bei Filmbeginn im leeren Raum beabsichtigt gewesen sein könnte - nicht rechtzeitig vor dem Eintreffen seiner beiden Kollegen ausgeschaltet hatte. Der weitere Geschehensablauf, nämlich das schlichte Verbleiben der Aufnahme auf der Kamera, spricht dann zwar für einen unverantwortlichen Umgang des Herrn E. mit der vorhandenen Aufnahme. Gleichzeitig spricht es aber deutlich gegen eine Observationsabsicht, und zwar sowohl gegen eine solche der Beklagten als auch gegen eine solche des Herrn E.. Hätte man das Verhalten der beiden Arbeitnehmer heimlich beobachten und dokumentieren wollen, hätte man die Aufnahme nicht auf der Kamera gelassen. Außerdem hat die Beklagte sich sofort von dem Vorgang distanziert und hat durch ihre zwei Sanktionen gegenüber Herrn E. eindeutig zu verstehen gegeben, dass sie die Herstellung des Films missbilligt und eine Wiederholung gravierende Folgen hätte. Zum einen hat sie dies durch die Abmahnung getan, wobei diese im Zweifel nicht betriebsöffentlich wurde und daher für sich genommen noch kein starkes Indiz gegen den Verdacht des Klägers wäre, man habe die Angelegenheit im Nachhinein herunterspielen wollen. Jedoch die darüber hinaus vollzogene Umsetzung des Herrn E. in ein anderes Büro ist eine Maßnahme mit erheblicher Außenwirkung im Betrieb. Ein solcher Vorgang erregt in der Betriebsöffentlichkeit große Aufmerksamkeit. Damit hat die Beklagte das Gegenteil einer Vertuschungsabsicht gezeigt. Tatsachen, die dafür sprächen, dass zwar nicht die Beklagte, aber Herr E. ein eigenes Observationsinteresse an seinen Kollegen gehabt hätte, sind im Übrigen nicht ersichtlich und vom Kläger auch nicht vorgebracht.

    Als mögliche Grundlage einer Qualifikation des Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht des Klägers als "schwer" bleibt somit nur noch der Videofilm an sich. Dieser genügt nicht. Zwar weist die Zeit, während der der Kläger aufgenommen wurde, mit etwas mehr als 30 Minuten eine erhebliche Länge auf. Gegen einen intensiven Eingriff wiegen aber die weiteren Umstände. Der Kläger ist fast nicht zu hören/zu verstehen. Mit Ausnahme weniger Sekunden sieht man von ihm nur die obere Hälfte seines Kopfes, über beträchtliche Strecken sogar nur seine Haare. Die Aufnahmen sind nicht in seiner Privat- oder gar Intimsphäre entstanden. Sie zeigen ihn zu keiner Zeit in einer auch nur ansatzweise peinlichen Situation. Die Beklagte hat sie in keiner Weise über das zur Aufklärung notwendige Maß hinausgehend (Mitarbeiter aus dem Personalbereich) anderen Personen als den unmittelbar Betroffenen zugänglich gemacht. Sie sind auch nicht ohne das Zutun der Beklagten weiteren Personen (außer dem Kollegen, der sie auf der Kamera entdeckt hat) zugänglich geworden. Dies führt in der Gesamtabwägung dazu, dass keine schwere Persönlichkeitsrechtsverletzung vorliegt. Somit sind die Voraussetzungen für eine Geldentschädigung nicht erfüllt.

    III.

    Auch aus Art. 82 DS-GVO ergibt sich kein Anspruch des Klägers auf Schadensersatz gegen die Beklagte. Weder würde sie für die von Herrn E. verursachten Schäden haften, falls ersatzfähige Schäden entstanden wären, noch hat der Kläger hier einen in Geld zu ersetzenden Schaden erlitten.

    1. Gemäß Art. 82 Abs. 1 DS-GVO hat jede Person, der wegen eines Verstoßes gegen die DS-GVO ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist, Anspruch auf Schadensersatz gegen den Verantwortlichen oder gegen den Auftragsverarbeiter.

    2. Ein Verstoß gegen die DS-GVO liegt vor, wenn Daten einer Person ohne Rechtfertigung verarbeitet werden. Es kann hier unterstellt werden, dass diese Voraussetzung gegeben war, indem der Kläger in Ton und Bild erkennbar gefilmt und der Film gespeichert wurde (vgl. zur Einordnung von Bildern und Videos als Daten: Klar/Kühling Datenschutz-Grundverordnung BDSG 3. Aufl. 2020 DS-GVO Art. 4 Nr. 1 Rn. 37 mwN). Ein der Haftung entgegenstehender Umstand iSv. Art. 6 DS-GVO ist nicht zu verzeichnen, da weder ein Rechtfertigungsgrund, noch eine Einwilligung des Klägers vorlag.

    3. Für die weitere Prüfung unterstellt werden kann außerdem, dass die Beklagte die Verantwortliche iSv. Art. 82 Abs. 1 DS-GVO war, da sich dies im Ergebnis nicht entscheidungserheblich auswirkt. Denn jedenfalls zwei weitere Voraussetzungen für eine Haftung der Beklagten auf Schadensersatz sind nicht erfüllt, die beide notwendig wären.

    a) Zum einen fehlt es an der notwendigen Beteiligung der Beklagten an dem Verstoß gegen die DS-GVO.

    aa) Nach der Rechtsprechung des EuGH, der die erkennende Berufungskammer folgt, gilt Folgendes.

    Nach Art. 82 Abs. 2 DS-GVO haftet jeder an einer Verarbeitung beteiligte Verantwortliche für den Schaden, der durch eine nicht der DS-GVO entsprechende Verarbeitung verursacht wurde.

    Der EuGH hat den Wortlaut von Art. 82 Abs. 2 DS-GVO in der deutschen Sprachfassung dahin beurteilt, dass sich allein aus ihm nicht mit Sicherheit klären lasse, ob der fragliche Verstoß dem Verantwortlichen zuzurechnen sein müsse, damit dieser haftbar sei (vgl. EuGH 21.12.2023 - C-667/21 Krankenversicherung Nordrhein juris Rn. 91). Jedoch aus einer Analyse der spanischen, estnischen, griechischen, italienischen und rumänischen Sprachfassungen des Art. 82 Abs. 2 Satz 1 DS-GVO leitet der EuGH ab, dass davon ausgegangen werde, dass der Verantwortliche an dem Verstoß, um den es geht, beteiligt gewesen sei. Art. 82 Abs. 3 DS-GVO stelle, so betrachtet, klar, dass der Verantwortliche von der Haftung gemäß Abs. 2 befreit werde, wenn er nachweise, dass er in keinerlei Hinsicht für den Umstand, durch den der Schaden eingetreten sei, verantwortlich sei. Einer kombinierten Analyse dieser verschiedenen Bestimmungen von Art. 82 DS-GVO sei somit zu entnehmen, dass dieser Artikel ein Haftungsregime für Verschulden vorsehe, bei dem die Beweislast nicht der Person obliege, der ein Schaden entstanden sei, sondern dem Verantwortlichen (vgl. EuGH 21.12.2023 - C-667/21 Krankenversicherung Nordrhein juris Rn. 92, 93, 94). Er müsse nachweisen, dass die Handlung, die den Schaden verursacht habe, ihm nicht zurechenbar sei (vgl. EuGH 21.12.2023 - C-667/21 Krankenversicherung Nordrhein juris Rn. 103).

    bb) Hier geht die Berufungskammer auf der Basis des unstreitigen Sachverhalts davon aus, dass die Beklagte in keinerlei Weise für den Umstand der Entstehung und Speicherung der hier betroffenen Videoaufnahme des Klägers verantwortlich war. Hierzu wird auf die Ausführungen oben unter I. 1. b) Bezug genommen. Diese Erwägungen sind auf die hier in Rede stehende datenschutzrechtliche Verantwortlichkeit übertragbar und stehen der erforderlichen Zurechenbarkeit der Handlung des Herrn E. zu der Beklagten entgehen.

    b) Unabhängig davon fehlt es für einen Ersatzanspruch aus Art. 82 DS-GVO am nötigen Schaden. Der Kläger verlangt keinen Ersatz für einen ihm etwa entstandenen materiellen Verlust und auch nicht für eine Verletzung seiner Gesundheit. Es geht ihm ausschließlich um einen aus seiner Sicht entstandenen immateriellen Schaden. Ein solcher wurde von ihm aber nicht hinreichend dargelegt und ist auch nicht aus den Umständen erkennbar.

    aa) Der bloße Verstoß gegen die DS-GVO reicht nicht aus, um einen Schadensersatzanspruch zu begründen. Das Vorliegen eines "Schadens" stellt nämlich eine der Voraussetzungen für den in Art. 82 Abs. 1 DS-GVO vorgesehenen Schadensersatzanspruch dar, ebenso wie das Vorliegen eines Verstoßes gegen die DS-GVO und eines Kausalzusammenhangs zwischen dem Schaden und dem Verstoß, wobei diese drei Voraussetzungen kumulativ sind (vgl. EuGH 04.05.2023 - C-300/21 - Österreichische Post - DB 2023, 1280 Rn. 32 und 42; EuGH 14.12.2023 C-456/22 - VX, AT/ Gemeinde Ummendorf NZA 2024, 56 Rn. 14 und 21; EuGH 21.12.2023 - C-667/21 Krankenversicherung Nordrhein juris Rn. 82 und 90; EuGH 25.01.2024 - C-687/21 Media Markt juris Rn. 58).

    Speziell in Bezug auf immaterielle Schäden hat der EuGH, dem die Berufungskammer auch hierin folgt, entschieden, dass Art. 82 Abs. 1 DS-GVO einer nationalen Vorschrift oder Praxis entgegensteht, die den Ersatz des immateriellen Schadens im Sinne dieser Bestimmung davon abhängig macht, dass der der betroffenen Person iSv. Art. 4 Nr. 1 DS-GVO entstandene Schaden eine gewisse Schwere erreicht hat. Eine Person, die von einem Verstoß gegen die DS-GVO betroffen ist, muss jedoch den Nachweis erbringen, dass diese Folgen einen immateriellen Schaden iSv. Art. 82 DS-GVO darstellen, da der bloße Verstoß gegen die Bestimmungen dieser Verordnung nicht ausreicht, um einen Schadensersatzanspruch zu begründen. Angesichts dessen, dass Art. 82 Abs. 1 DS-GVO nicht auf das innerstaatliche Recht der Mitgliedsstaaten verweist, muss der Begriff "immaterieller Schaden" im Sinne dieser Bestimmung eine autonome und einheitliche unionsrechtliche Definition erhalten (vgl. EuGH 04.05.2023 - C-300/21 - Österreichische Post - DB 2023, 1280 Rn. 30, 44; EuGH 14.12.2023 C-456/22 - VX, AT/ Gemeinde Ummendorf NZA 2024, 56 Rn. 15, 19, 21; EuGH 25.01.2024 - C-687/21 Media Markt juris Rn. 59, 60, 64).

    Nicht nur aus dem Wortlaut von Art. 82 Abs. 1 DS-GVO im Licht ihrer Erwägungsgründe 85 und 146, wonach der Begriff "immaterieller Schaden" iSv. Art. 82 Abs. 1 weit zu verstehen ist, sondern auch aus dem mit der DS-GVO verfolgten Ziel der Gewährleistung eines einheitlichen Schutzniveaus für natürliche Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten ergibt sich, dass die durch einen Verstoß gegen die DS-GVO ausgelöste Befürchtung einer betroffenen Person, ihre personenbezogenen Daten könnten von Dritten missbräuchlich verwendet werden, für sich genommen einen "immateriellen Schaden" iSv. Art. 82 Abs. 1 DS-GVO darstellen kann. Überdies kann die betroffene Person durch den kurzfristigen Verlust der Kontrolle über personenbezogene Daten einen "immateriellen Schaden" iSv. Art. 82 Abs. 1 DS-GVO erleiden, der einen Schadensersatzanspruch begründet, sofern diese Person nachweist, dass sie tatsächlich einen solchen Schaden - so geringfügig er auch sein mag - erlitten hat, wobei der bloße Verstoß gegen die Bestimmungen der DS-GVO nicht ausreicht, um auf dieser Grundlage einen Schadensersatzanspruch zu begründen. Der Begriff "immaterieller Schaden" iSd. Art. 82 Abs. 1 DS-GVO umfasst eine Situation, in der die betroffene Person die begründete Befürchtung hegt (was zu prüfen Sache des angerufenen nationalen Gerichts ist), dass einige ihrer personenbezogenen Daten künftig von Dritten weiterverbreitet oder missbräuchlich verwendet werden, weil ein Dokument, das diese Daten enthält, an einen unbefugten Dritten weitergegeben wurde, der in der Lage war, vor der Rückgabe des Dokuments Kopien von ihm anzufertigen (vgl. EuGH 25.01.2024 - C-687/21 Media Markt juris Rn. 65, 66 und 67).

    Gleichwohl obliegt es demjenigen, der eine auf Art. 82 DS-GVO gestützte Schadensersatzklage erhebt, das Vorliegen eines solchen Schadens nachzuweisen. Insbesondere kann ein rein hypothetisches Risiko der missbräuchlichen Verwendung durch einen unbefugten Dritten nicht zu einer Entschädigung führen. Dies ist der Fall, wenn kein Dritter die fraglichen personenbezogenen Daten zur Kenntnis genommen hat (vgl. EuGH 25.01.2024 - C-687/21 Media Markt juris Rn. 68).

    bb) Dies zugrundegelegt stellt allein der Kontrollverlust über Daten - hier in Gestalt der Filmaufnahme, von dessen Existenz der Kläger nichts wusste und für die er deshalb nicht kontrollieren konnte, wer sie etwa angesehen, kopiert oder weiterverbreitet hat - nicht selbst und gleichsam automatisch einen Schaden dar.

    Denn der Kontrollverlust ist nicht gleichbedeutend mit einem Schaden. Vielmehr "kann" er - so die zitierten Ausführungen des EuGH - einen immateriellen Schaden bewirken. Er muss aber nicht in jedem Fall einen immateriellen Schaden bewirken. Ein immaterieller Schaden ist erst eingetreten, wenn die Befürchtung, dass Daten weiterverbreitet wurden und missbräuchlich verwendet wurden oder werden, objektiv begründet ist. Dafür ist aber der Anspruchsteller darlegungs- und beweisbelastet.

    Hier hat der Kläger keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine derartige Gefahr vorgetragen, und auch objektiv gibt es keine derartigen Anhaltspunkte. Ein - bereits in der Vergangenheit liegender - Missbrauch der Aufnahmen hat weder unstreitig stattgefunden, noch hat der Kläger einen solchen konkret behauptet. Es besteht nach dem gesamten Geschehensablauf auch keine tatsächliche Vermutung dafür. Die Zahl derjenigen Personen, die in Kontakt mit der Filmaufnahme kamen, ist klein. Außer den unmittelbar betroffenen drei Arbeitnehmern und den seitens der Beklagten mit der Aufarbeitung befassten zwei Geschäftsführern sowie der Personalleiterin gehört dazu nur noch der Arbeitnehmer, der den Film später auf der Kamera entdeckt hat. Weder gibt es Anhaltspunkte dafür, dass Herr E. sich den Film heimlich angesehen hätte, noch gibt es Anhaltspunkte dafür, dass derjenige Arbeitnehmer, der den Film später auf der Kamera entdeckt hat, sich ihn "zum Vergnügen" angesehen hätte (und nicht nur bis zu dem Punkt, an dem er entschied, den Vorgang zu melden), noch gibt es Anhaltspunkte dafür, dass Herr E. oder der andere Arbeitnehmer oder jemand aus der Personalabteilung oder der Geschäftsführung der Beklagten den Film zu einem anderen Zweck als dem, zu entscheiden, wie in dem Konflikt vorgegangen werden sollte, angeschaut hätte oder den Film gar verbreitet hätte. Auch für die Zukunft gibt es objektiv keinen Anlass zu der Befürchtung einer Weiterverbreitung oder eines Missbrauchs. Entsprechende Befürchtungen des Klägers wären, wenn er sie hegen sollte, objektiv unbegründet.

    Sein Ärger und sein Gefühl der Beklemmung und/oder des Unwohlseins über die unerkannte und unerwünschte Videoaufnahme sind sehr verständlich und sehr nachvollziehbar. Dieser Ärger und / oder dieses Gefühl bilden jedoch keinen in Geld ersatzfähigen Schaden iSv. Art. 82 DS-GVO.

    Somit hat der Kläger keine Umstände dargelegt, die im Ergebnis zu dem erforderlichen "Nachweis" eines immateriellen Schadens führen könnten, und ein solcher Schaden folgt auch nicht aus dem unstreitigen Sachverhalt.

    C.

    Der Kläger trägt gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner ohne Erfolg eingelegten Berufung.

    Ein Grund iSv. § 72 ArbGG für eine Zulassung der Revision ist nicht erkennbar.

    SteerDr. DostalReich

    Verkündet am 05.03.2024

    Vorschriften§ 282, § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2 BGB, § 823 Abs. 1 BGB, Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 82 Abs. 1 DS-GVO, § 241 BGB, § 278 Satz 1 BGB, §§ 249 ff. BGB, Art. 4 Nr. 1 DS-GVO, Art. 4 Nr. 2 DS-GVO, Art. 6 Abs. 1 DS-GVO, Art. 82 DS-GVO, Art. 101, Art. 102 AEUV, Art. 83 Abs. 2 DS-GVO, § 823 Abs. 1, § 831 BGB, Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 82 Abs. 1, Abs. 2 DS-GVO, Art. 82 Abs. 3 DS-GVO, § 64 Abs. 2 Buchst. b ArbGG, § 64 Abs. 6 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO, § 66 ArbGG, § 241 Abs. 2, Art. 8 Abs. 1 EMRK, § 831 Abs. 1 Satz 2 BGB, § 831 Abs. 1 Satz 1 BGB, Art. 6 DS-GVO, Art. 82 Abs. 2 DS-GVO, Art. 82 Abs. 2 Satz 1 DS-GVO, § 97 Abs. 1 ZPO, § 72 ArbGG