28.07.2008 | Bundesfinanzhof
Vom Physiotherapeuten durchgeführte Hippotherapie kann umsatzsteuerfrei sein
Bislang war fraglich, inwiefern die Umsatzsteuerbefreiung auch für die nicht im Begünstigungskatalog der GKV aufgeführten Leistungen in Betracht kommt. Der BFH hat nun am Beispiel einer von einem Physiotherapeuten mit entsprechender Zusatzausbildung und auf ärztliche Verordnung hin durchgeführten Hippotherapie geurteilt, dass es für die Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 UStG auf die medizinisch-berufliche Befähigung und auf das therapeutische Ziel ankommt (BFH 30.1.08, XI R 53/06, Abruf-Nr. 081469). |
Sachverhalt
Eine Diplom-Pädagogin mit Schwerpunkt Rehabilitationspädagogik betreibt seit 1992 ein Zentrum für therapeutisches Reiten. Die reittherapeutischen Behandlungen (Hippotherapie) führt nicht die Pädagogin selbst durch, sondern bei ihr angestellte Krankengymnasten mit hippotherapeutischer Zusatzausbildung. Die Abrechnung nahm die Inhaberin teilweise unmittelbar mit den Krankenkassen vor. Zum weitaus überwiegenden Teil erfolgten die Behandlungen jedoch im Auftrag von Kliniken, deren Ärzte im Rahmen der von den Renten- und Unfallversicherungen finanzierten Rehabilitations- und Vorsorgemaßnahmen die Patienten mit individueller Indikation dem Zentrum zuwiesen und die Behandlung überwachten. Die Kliniken vergüteten die Leistungen der Pädagogin nach den für Krankengymnastik geltenden Pauschalsätzen. Während die Pädagogin in den Streitjahren 1999 und 2000 von der Umsatzsteuerfreiheit ihrer Umsätze ausging, unterwarf das FA diese der Umsatzbesteuerung; zu Unrecht, wie der BFH urteilte.
Anmerkungen
Umsätze fallen unter § 4 Nr. 14 UStG, wenn der Unternehmer den „medizinisch-beruflichen Befähigungsnachweis“ besitzt und zudem die fragliche Leistung ein medizinisch-therapeutisches Ziel verfolgt. Das FG hatte im vorliegenden Fall beide Voraussetzungen verneint, sodass sich der BFH mit beiden Aspekten ganz grundsätzlich auseinandersetzte:
Medizinisch-therapeutisches Ziel
Bei der Hippotherapie handelt es sich, so der BFH, um eine mit medizinisch-therapeutischer Zielsetzung unternommene Heilbehandlung. Nach den einschlägigen Klassifizierungen in der medizinischen Rehabilitation werde die Hippotherapie als krankengymnastische Behandlungsmethode eingeordnet, die bei bewegungsgestörten Kindern oder durch Unfall oder Krankheit (Schlaganfall, Multiple Sklerose) beeinträchtigten Erwachsenen durch die passive Anpassung an die Bewegungsschwingungen des Pferdes wirke. Diese Therapieform werde von zahlreichen Beihilfestellen als begünstigt anerkannt. Dass das Bundessozialgericht (BSG) diese Therapieform ablehne, sei für die umsatzsteuerliche Abgrenzung nicht ausschlaggebend.
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