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  • 01.10.2006 | Der praktische Fall

    Die Stolpersteine der Gleichbehandlung bei Beschäftigungsverhältnissen in der Arztpraxis

    von RAin Anna Kanter, Köln

    Nach einem langen politischen Vorspann ist das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) seit dem 18.8.06 (BGBI I, 1897, 1910) endlich in Kraft getreten. Das AGG setzt vier Richtlinien der Europäischen Gemeinschaft um, die den Schutz vor Diskriminierungen regeln. Der Schwerpunkt dieses Gesetzes liegt im Bereich von Beschäftigung und Beruf. Dem Arbeitgeber drohen hier erhebliche Belastungen. So sind etwa im Unternehmen nunmehr Maßnahmen erforderlich, um eine verschuldensunabhängige Haftung des Arbeitgebers zu vermeiden. Auch Arbeitnehmer müssen sich auf negative Folgen einstellen. Zwar gehören sie grundsätzlich zu den Profiteuren dieses Gesetzes, jedoch wird der Arbeitgeber die ihm entstehenden Kosten für den neuen bürokratischen Aufwand im Zweifel beim Personal einsparen. Dieser Beitrag zeigt anhand von Fallbeispielen die rechtlichen Auswirkungen des AGG auf, die bei Beschäftigungsverhältnissen im Rahmen einer Arztpraxis auftreten. 

    1. Ausgangslage

    Das Recht der Antidiskriminierung ist äußerst komplex. Deutsche Gerichte werden sich künftig zum Teil auf neues Terrain begeben und mit einer Fülle von offenen Fragen konfrontiert werden. Problematisch sind u.a. Konkurrenzen zu bereits bestehenden gesetzlichen Vorschriften. So regelt § 611a BGB bereits ein Verbot der Benachteiligung wegen des Geschlechts und § 3 BeschäftigtenschutzG wegen sexueller Belästigung. Bei der Mandatsbearbeitung hat der Berater daher zu prüfen, ob der vorgetragene Sachverhalt überhaupt unter den persönlichen und sachlichen Geltungsbereich des AGG fällt. Der Berater sollte bei Anwendung des AGG grundsätzlich folgende Punkte beantworten können: 

     

    • Welche Diskriminierungsmerkmale liegen vor (§ 1 AGG)?
    • Welche Verhaltenweise ist hier unzulässig (§ 2 AGG)?
    • Wie verteilt sich die Darlegungs- und Beweislast für unzulässige Benachteiligungen (§ 22 AGG)?

    2. Fallbeispiele

    Am Beispiel einer Arztpraxis sollen einige Fallkonstellationen erläutert werden: 

     

    Einstellung wegen „richtiger“ Religionszugehörigkeit

    Arzt A ist Marokkaner. Er behandelt hauptsächlich Patienten islamischen Glaubens, da diese ihm besonderes Vertrauen schenken. Er sucht auf unbefristete Zeit eine Arzthelferin. Es melden sich 15 Bewerberinnen.  

     

    Auf Grund seiner Patientenstruktur entscheidet sich A für eine Arzthelferin marokkanischer Herkunft. Er entscheidet sich für sie, weil sie ein Kopftuch trägt und meint, dass dies bei seinem Patientenkreis besser ankommt als die anderen zumeist deutschen Bewerberinnen, mit welchen er womöglich noch Diskussionen wegen zu tiefer Ausschnitte hat. Als die deutsche Bewerberin D von den Entscheidungsgründen ihrer Ablehnung erfährt, verlangt sie von A Schadenersatz in Höhe von zwölf Gehältern. A ist überzeugt, dass er keinen Schadenersatz an D leisten müsse. Denn nach dem AGG sei er zur Ungleichbehandlung wegen der Vertragsfreiheit und der Religion seiner Patienten berechtigt. Außerdem erlaube seine Berufsfreiheit, eine nur Kopftuch tragende Bewerberin einzustellen. Andernfalls müsse er am Ende seine Praxis noch schließen. Die Ablehnung der D sei auch wegen der schlechteren Noten erfolgt.