Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • 01.05.2005 | Oberlandesgericht Hamm

    Serviceleistungen von Pharma-Unternehmen bergen strafrechtliches Risiko für Vertragsarzt

    von RA Michael Frehse und RA Nando Mack, Münster/Westfalen
    Spätestens seit dem „Herzklappenskandal“ sind Zuwendungen der Industrie an die Ärzteschaft Gegenstand der öffentlichen Diskussion. Insbesondere die Übernahme von Entsorgungskosten durch Kontrastmittelhersteller oder Großlieferanten in Vertragsarztpraxen hat in der jüngeren Vergangenheit bereits mehrfach die Strafgerichte beschäftigt. Die meisten Gerichte waren bisher der Auffassung, dass die Freistellung des Vertragsarztes von den Entsorgungskosten im Verhältnis zu den Krankenkassen weder als strafbare Untreue (§ 266 Abs. 1 StGB) noch als Betrug (§ 263 StGB) anzusehen ist. Das OLG Hamm hat demgegenüber durch Urteil vom 22.12.04 (3 Ss 431/04,Abruf-Nr. 051103) festgestellt, dass das Verhalten des Vertragsarztes den objektiven Tatbestand der Untreue und des Betruges erfüllt, wenn er es unterlässt, Krankenkassen über eingesparte Entsorgungskosten zu informieren.

     

    Sachverhalt

    Im vom OLG zu entscheidenden Fall hatte der Hersteller einem niedergelassenen Urologen für den Bezug seiner Röntgenkontrastmittel Vergünstigungen in Form der kostenlosen Entsorgung von Praxissondermüll angeboten. Der Vertragsarzt ließ jedoch die Krankenkasse, über welche die bezogenen Kontrastmittel direkt als Sprechstundenbedarf mit dem Lieferanten abgerechnet wurden, in Unkenntnis. 

     

    Anmerkung

    Nach Ansicht des OLG kann der Vertragsarzt durch den Missbrauch der Vertretungsmacht gegenüber der Krankenkasse bei der Bestellung der Röntgenkontrastmittel den Tatbestand der Untreue erfüllen. Denn der Kassenarzt trete bei der Verordnung des Sprechstundenbedarfs an Röntgenkontrastmitteln als Vertreter der Krankenkassen auf und gebe mit der Bestellung der Mittel mit Wirkung für und gegen die Krankenkasse Willenserklärungen zum Abschluss eines Kaufvertrages über die verordneten Medikamente ab. Durch die Bestellung der Röntgenkontrastmittel zulasten und auf Rechnung der Krankenkasse verpflichte der Arzt diese möglicherweise zur Zahlung von überhöhten Rechnungsbeträgen für die Röntgenkontrastmittel – und zwar in Höhe der Entsorgungsleistungen. Dafür spreche im vorliegenden Fall die allgemeine Lebenserfahrung, da ein wirtschaftlich handelndes Unternehmen regelmäßig Unkosten auf seine Preise niederschlagen werde. 

     

    Sofern der Kassenarzt die Krankenkasse zur Zahlung überhöhter Rechnungsbeträge verpflichtet, verstoße er zugleich gegen die ihm als Arzt auf Grund seiner Stellung im kassenärztlichen Abrechnungssystem gegenüber der Krankenkasse obliegende Vermögensbetreuungspflicht. Zur Frage, ob der Angeklagte in dem zu entscheidenden Fall vorsätzlich gehandelt habe, stellte das OLG fest, dass entscheidend sei, ob der Angeklagte davon ausging, dass die unentgeltlich erbrachten Entsorgungsleistungen sich preisbildend bei den Röntgenkontrastmittel auswirkten. Auch hier spreche bereits die Lebenserfahrung deutlich dafür, dass dem Angeklagten dieser Umstand bewusst gewesen sei.