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  • 25.06.2009 | Umsatzsteuerbefreiung

    Zur leistungsbezogenen Voraussetzung: medizinisch-therapeutisches Ziel

    von Dipl.-Finanzw. Jürgen Serafini, Troisdorf

    Angesichts der dynamischen Entwicklung bei medizinischen Untersuchungs- oder Behandlungsverfahren und der notwendigen Individualbeurteilung des konkreten Leistungszwecks beim Patienten überrascht es nicht, dass Unsicherheit darüber herrscht, ob einzelne Maßnahmen nun umsatzsteuerbefreit sind oder nicht. Nachfolgend sollen daher als praktische Hilfestellung die zentralen Abgrenzungsgrundsätze vorgestellt werden, bevor in PFB Heft 8/09 auf die Einordnung individueller Gesundheitsleistungen (IGeL) eingegangen wird.  

    1. Zum rechtlichen Hintergrund

    Bis 2000 tendierte die Finanzverwaltung dazu, bei berufsbezogenen Umsätzen der mit dem beruflichen Befähigungsnachweis ausgestatteten Heil- und Heilhilfsberuflern grundsätzlich von umsatzsteuerfreien Umsätzen i.S. von § 4 Nr. 14 UStG auszugehen. Dieses Verständnis beruhte auch auf dem Wortlaut von § 4 Nr. 14 UStG, der die Steuerfreiheit der Umsätze aus der Tätigkeit als Arzt, Zahnarzt, Heilpraktiker verfügt. EG-rechtliche Grundlage der deutschen Vorschrift war Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der 6. EG-RL (seit 1.1.07: Art. 132 Abs. 1 Buchst. c der MwStSystRL), dessen Wortlaut allerdings nur die Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin begünstigt. Der EuGH (14.9.00 C-384/98, UR 00, 432) hat hierzu klargestellt, dass „Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin“ i.S. der Steuerbefreiung nur bei den zum Zweck der Diagnose, Behandlung und - soweit möglich - Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen durchgeführten humanmedizinischen Leistungen vorliegen.  

     

    Seit dieser EuGH-Entscheidung vertritt auch die Finanzverwaltung die Auffassung, dass nur solche Leistungen steuerfrei sind, die konkret, unmittelbar bzw. vorrangig dem Schutz - d.h. der Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung - der Gesundheit des Untersuchten oder Behandelten dienen. In ersten Reaktionen auf die EuGH-Entscheidung hatte die Finanzverwaltung exemplarisch Leistungen aufgelistet, die - auch soweit durch einen mit beruflichem Befähigungsnachweis ausgestatteten Heil- oder Heilhilfsberufler ausgeführt - nach diesen Grundsätzen nicht (mehr) umsatzsteuerfrei bleiben können. Diese Verwaltungsverlautbarungen beschränkten sich dabei aber im Wesentlichen auf gutachterliche Leistungen der Heilberufler (vgl. BMF 13.2.01, BStBl I 01, 157 und BMF 8.11.01, BStBl I 02, 826). Allgemeingültige und trennscharfe Abgrenzungsgrundsätze oder umfassendere Positiv-/Negativleistungskataloge hat das BMF bislang nicht veröffentlicht, was angesichts der dynamischen Entwicklung bei den medizinischen Unter­suchungs- oder Behandlungsverfahren und der notwendigen Individual­beurteilung des konkreten Leistungszwecks beim jeweiligen Patienten/Leistungsnehmer allerdings auch nicht weiter verwundert.  

    2. Grundsätze zum medizinisch-therapeutischen Ziel

    Nach der EuGH-Definition umfasst der Begriff der steuerfreien Heilbehandlungen solche Leistungen, mit denen mittels Diagnose und Behandlung Krankheiten oder sonstige Gesundheitsstörungen erkannt, gelindert oder geheilt werden, d.h. die mit einem medizinisch-therapeutischen Ziel unternommen werden. Begünstigt sind demnach grundsätzlich auch Leistungen, die der konkreten Prophylaxe dienen oder bei denen sich nach erfolgter Untersuchung herausstellt, dass keine Krankheit vorliegt. Als steuerbegünstigt gelten dabei aber nur solche Maßnahmen, die konkret und unmittelbar bzw. vorrangig ein medizinisch-therapeutisches Ziel verfolgen.