02.01.2014
Finanzgericht Berlin-Brandenburg: Urteil vom 29.10.2013 – 2 K 2055/11
1. Die Einnahmen aus von einem Diplom-Psychologen mit Heilpraktiker-Befugnis in fünfstündigen Gruppenveranstaltungen durchgeführten
Raucherentwöhnungsseminaren können nach § 4 Nr. 14 S. 1 UStG steuerfrei sein, wenn u. a. individuell für jeden Teilnehmer
durch Diagnosefragebögen und Fagerström-Test eine psychische Störung in Form der Tabaksucht festgestellt worden ist, demnach
rund 91 % der Teilnehmer mittel bis stark tabaksüchtig sind, wenn das Raucherentwöhnungsprogramm nach der Beurteilung durch
einen Experten inhaltlich systematisch theoriebasiert ist und alle Kriterien eines gruppentherapeutischen Interventionsprogramms
aufweist, und wenn zudem auch eine individuelle Nachsorge angeboten wird.
2. Ebenfalls steuerfrei sind die Umsätze aus einer zusätzlich angebotenen Mesotherapie (u. a. auf die Linderung der Symptome
des Nikotinentzugs gerichtete homöopathische Behandlung).
3. Die Steuerbefreiung hängt nicht davon ab, dass die Leistungen generell unter die sogenannten Präventionsprogramme gemäß
§ 20 SGB V fallen, dass die Kosten ggf. nicht von den Krankenkassen der Teilnehmer übernommen worden sind und die Therapien
grundsätzlich ohne ärztliche Verschreibung erfolgt sind.
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
In dem Rechtsstreit
hat das Finanzgericht Berlin-Brandenburg – 2. Senat – aufgrund mündlicher Verhandlung vom
29. Oktober 2013 durch den Vorsitzenden Richter am Finanzgericht …, den Richter am Finanzgericht … und den Richter am Finanzgericht … sowie
die ehrenamtlichen Richter … Herr … und Herr …
für Recht erkannt:
Die Umsatzsteuerbescheide für 2007 und 2008 vom 29.09.2011 werden dahingehend geändert, dass für das Jahr 2007 die zu 19 v.H.
steuerpflichtigen Umsätze um … EUR vermindert, zusätzlich steuerfreie Umsätze von … EUR berücksichtigt und die abzugsfähigen
Vorsteuern um … EUR verringert werden und dass für das Jahr 2008 die zu 19 v.H. steuerpflichtigen Umsätze um … EUR vermindert,
zusätzlich steuerfreie Umsätze von … EUR berücksichtigt und die abzugsfähigen Vorsteuern um … EUR verringert werden.
Die Berechnung der Steuer wird dem Beklagten übertragen.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs des Klägers abwenden,
wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand:
Der Kläger ist Diplom-Psychologe mit einer vom Bezirksamt C. im Jahr 1986 erteilten Heilkunde-Erlaubnis zur Psychotherapie.
Er veranstaltete in seiner Praxis in C. in den Streitjahren 2007 und 2009 sowie in den Folgejahren Rauchentwöhnungsseminare
unter dem Titel „…”. Streitig ist im vorliegenden Verfahren, ob der Kläger die Einnahmen aus den Seminaren mit 19 % Umsatzsteuer
versteuern muss (so der Beklagte) oder ob er die Umsatzsteuerfreiheit nach § 4 Nr. 14 S. 1 Umsatzsteuergesetz – UStG – (Steuerfreiheit
der Umsätze aus der Tätigkeit als Arzt, Zahnarzt, Heilpraktiker, Physiotherapeut … oder aus einer ähnlichen heilberuflichen
Tätigkeit) geltend machen kann.
Bei den vom Kläger angebotenen Seminaren handelte es sich um fünfstündige Gruppenveranstaltungen, die an einem Tag abgehalten
wurden. Die Teilnehmer meldeten sich aufgrund entsprechender Werbung des Klägers an und mussten für das Seminar ein Entgelt
zwischen … EUR und … EUR bezahlen. Nach der Beschreibung in einer fachlichen Stellungnahme vom 14.11.2010 von B., Universität
D., waren die Seminare so aufgebaut, dass zunächst die Motivation der aufhörwilligen Raucher gestärkt wurde, indem sie sich
ausführlich mit allen möglichen Vorteilen des Nichtrauchens auseinandersetzten. Im nächsten Teil des Seminars (Wege aus der
Abhängigkeit) seien die Teilnehmer ausführlich über die gesundheitlichen Risiken des Rauchens aufgeklärt und eine Analyse
des persönlichen Rauchverhaltens vorgenommen worden. Dabei seien eingehend die psychologischen und physiologischen Effekte
des Rauchens erläutert worden. Mit einer darauf folgenden Übung (Bedürfnis-Verknüpfungen lösen) hätten die Teilnehmer klar,
einfach und am eigenen Beispiel die bedürfnis- und emotionsphysiologischen Ursachen von Rauchverhalten erfahren. Ebenso hätten
sie erfahren, welche Bedürfnisse sie als Raucher mit dem Rauchen verknüpften, und es seien alternative Verhaltensweisen besprochen
worden. Weiterhin sei die systematische Desensibilisierung zur Anwendung gekommen. Dabei seien typische Raucher-Suchtmuster
erkannt, mehrfach ausgesprochen und dann noch zusätzlich zur Unterstützung MET (Meridian-Energie-Techniken) zur Stresslösung
eingesetzt worden. Weiter hätten die Teilnehmer mit der Übung „Lösung von spezifischen Situations-Verknüpfungen” gelernt,
Abschied von alten inneren Bildern zu nehmen, in denen eine bestimmte Situation mit dem Rauchen verknüpft gewesen sei, und
sich in der Imagination die gleiche Situation jetzt rauchfrei vorzustellen, angereichert mit positiven Gefühlen. Am Ende des
Programms seien im Sinne der Ressourcenaktivierung und Rückfallprävention in der Gruppe alternative Verhaltensmöglichkeiten
im Notfall durchgespielt worden (Notfallblatt) und es sei intensiv auf das Rauchertelefon der E. hingewiesen worden. Zusammenfassend
bewertete B. das Seminar aus fachlicher, verhaltenstherapeutischer Sicht für außerordentlich gelungen und überzeugend. Im
Einzelnen wird auf die fachliche Stellungnahme vom 14.11.2000 (Bl. 52 ff. der Gerichtsakte) verwiesen.
Der Kläger bietet im eigenen Namen zusätzlich zu dem eigentlichen Seminar eine unterstützende so genannte Mesotherapie an,
bei der in Akupunkturpunkte ein spezielles homöopathisches Mittel injiziert wird. Diese therapeutische Maßnahme ist nach seiner
Darstellung gleichwertig zur therapeutischen Intervention durch gruppentherapeutische Seminare. Etwa 97 % aller seiner Kunden
entscheiden sich für diese Maßnahme.
91 % der Teilnehmer sind nach der klägerischen Darstellung mittelgradig bis schwer tabakabhängig. Die restlichen Kunden seien
leichtgradig tabakabhängig und wiesen einen zumindest gesundheitsschädlichen Konsum von Tabak auf. Der Kern der therapeutischen
Maßnahmen bestehe in dem gruppentherapeutischen Seminar mit dem Namen „…”, der begleitenden Mesotherapie und der individuellen
Nachsorge. Zur Nachsorge gehörten eine kostenfreie Telefonberatung, gegebenenfalls eine kostenfreie Beratung per E-Mail sowie
kostenpflichtige Einzelsitzungen.
Der Kläger macht geltend, dass nach § 4 Nr. 14 S. 1 UStG die Umsätze aus Heilbehandlung im Bereich der Humanmedizin, die im
Rahmen der Ausübung der Tätigkeit als Arzt oder einer ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit durchgeführt werden, von der Umsatzsteuer
befreit seien. Es komme dabei nicht allein auf die formale Berufszulassung an. Eine Maßnahme, die dem Kern der Tätigkeit eines
Heilberufs entspreche, sei steuerfrei. Diese Maßnahme müsse therapeutisch sein, also nicht allein primärpräventiv, d. h. ohne
konkret vorliegenden Krankheitsbezug der allgemeinen Gesundheitsverbesserung und Vorbeugung dienend oder außerhalb der Heilkunde
gelegen. Es müsse sich nicht immer um eine Behandlung in einer Einzelsitzung handeln. Gerade bei der Suchtbehandlung seien
Gruppentherapien durchaus üblich und würden gleichwohl auf den Teilnehmer individuell abgestimmt. Daher sei auch der gruppentherapeutische
Ansatz als Ausübung der psychotherapeutischen Heilkunde zu werten. Dementsprechend erfüllten seine Leistungen die Voraussetzungen
des § 4 Nr. 14 S. 1 UStG. Anders als der Beklagte meine, erfolgten seine Leistungen auch nicht etwa zur primären Prävention
und zur Selbsthilfe im Sinne des § 20 Sozialgesetzbuch – SGB – V. Der Beklagte wende insoweit in seiner Einspruchsentscheidung
das Urteil des Bundesfinanzhofes – BFH – vom 07.07.2005 V R 23/04 unrichtig an. Der dem Urteil zugrunde liegende Fall eines
Ernährungsberaters sei mit seiner Leistung nicht vergleichbar. Die Tabakabhängigkeit sei vielmehr als Krankheit zu werten.
Hierzu beruft sich der Kläger auf den „Leitfaden Prävention 2010” des GKV-Spitzenverbandes. Auch die E. habe dargelegt, dass
70 – 80 % der Raucher in Deutschland als nikotinabhängig bezeichnet werden müssten. Die Behörde habe insoweit auf den von
ihm ebenfalls angewendeten Fagerström-Test abgestellt. Er habe sein Programm unter Ausrichtung auf die empirisch anerkannten
Daten konzipiert und bei jedem Patienten zu Beginn der Seminare den Grad der Abhängigkeit und den Grad der gesundheitlichen
Störung anhand dieses Testes festgestellt. Die entsprechenden Ergebnisse seien in einem Diagnosebogen erfasst worden. Dabei
habe sich ergeben, dass jeder der Seminarteilnehmer an Tabakabhängigkeit erkrankt gewesen sei, wenn auch in unterschiedlicher
Intensität, nämlich 9 % leichtgradig und 91 % mittelgradig bis schwer. Im Einzelnen wird insbesondere auf den Schriftsatz
vom 06.03.2013 und die Anlagen hierzu verwiesen (Bl. 144 bis 194 der Gerichtsakte). Es handele sich bei seiner Tätigkeit somit
nicht um eine reine Beratung zur Umstellung der Lebensweise, sondern um die Behandlung der Tabaksucht und damit einer Krankheit.
In der Internationalen Klassifikation von Krankheiten der WHO, in der ICD-10, werde Tabakabhängigkeit als Krankheit mit der
Ziffer F17.2 verschlüsselt.
Die ICD-10-Klassifikation sei in Deutschland als Diagnosestandard im Sozialgesetzbuch – SGB – V in § 295 und in § 301 fest
verankert. Auch derjenige, der vielleicht noch keine Abhängigkeit entwickelt habe, leide unter einer Gesundheitsstörung oder
Krankheit, wenn er einen Arzt oder Psychotherapeuten wegen schädlichen Gebrauchs von Tabak aufsuche. Auch in der medizinischen
Fachwelt werde Tabakabhängigkeit nicht nur etwa als unerwünschtes Verhalten mit Gesundheitsrisiken gewertet, sondern als Störung
mit Krankheitswert. Der Kläger beruft sich insoweit auf das Memorandum der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen aus dem Jahr
2008.
Es habe ferner eine wissenschaftliche Evaluierung seines Raucherentwöhnungsprogrammes durch das H.-Institut stattgefunden.
Von 127 Teilnehmern seiner Maßnahme seien dabei 72 % als starker Raucher und 19 % sogar als sehr starke Raucher mit einer
Zigarettenmenge von 31 Zigaretten und mehr pro Tag beschrieben worden. Mit 91 % sei die weit überwiegende Mehrzahl der Teilnehmer
stark nikotinabhängig und damit suchtkrank. Der Beklagte habe daher in seiner Einspruchsentscheidung zu Unrecht ausgeführt,
dass er – der Kläger – keine Heilbehandlung durchgeführt habe. Auch als Gruppentherapieprogramm habe sein Raucherentwöhnungsprogramm
ein auf den individuellen Fall abgestimmtes psychotherapeutisches Leistungskonzept aufgewiesen. Für die Diagnose der Tabakabhängigkeit
sei der bewährte Fagerström-Test eingesetzt worden, der internationalen Standards entspräche. Vor Beginn der Maßnahme sei
mit jedem Teilnehmer eine individuelle Anamnese i.V.m. diesem Test durchgeführt worden.
Aus der Expertise des B. gehe hervor, dass sein Raucherentwöhnungsprogramm inhaltlich systematisch theoriebasiert sei und
alle Kriterien eines gruppentherapeutischen Interventionsprogrammes erfülle. Im Übrigen verweist der Kläger auf die Expertise
(Bl. 52 ff der Gerichtsakte).
Es komme auch nicht allein auf die formalen bzw. abrechnungstechnischen Rahmenbedingungen an. In einem vergleichbaren Fall
des Finanzgerichts Köln, Urteils vom 28.08.2007 8 K 3104/05 (n.v., recherchierbar in Juris-Datei) sei es um die Frage gegangen,
inwieweit eine Heilbehandlung im Rahmen einer Diätberatung auch dann eine Heilbehandlung darstelle, wenn sie im Rahmen einer
Gruppenberatung durchgeführt werde. Das Gericht habe in seiner Entscheidung auch die Gruppenbehandlung als Heilbehandlung
anerkannt.
Es handele sich bei seiner Tätigkeit auch nicht etwa um eine reine Aufklärungsarbeit oder Informationsveranstaltung. Sie sei
auf eine Verhaltensänderung zum Rauchstopp als therapeutisches Ziel gerichtet. Auch der Beginn einer möglichen Heilung sei
bereits eine Heilbehandlung. Er könne zudem nachweisen, dass im streitgegenständlichen Zeitraum seine Heilbehandlungen individuell
erfolgreich gewesen seien. Nach der stattgefundenen Evaluierung habe die Erfolgsquote bei rund 43 % gelegen. Auch nach dem
Abschnitt 4.14.1 Abs. 4 und 5 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses – UStAE – vom 01.10.2010 gehörten selbst Leistungen der
vorbeugenden Gesundheitspflege zur Ausübung der Heilkunde. Selbst wenn der Krankheitswert der Nikotinsucht oder des schädlichen
Gebrauchs von Tabak verneint würde, könne kein Zweifel daran bestehen, dass das Raucherentwöhnungsprogramm dem Gesundheitsschutz
der Teilnehmer dienen solle. Die im Zusammenhang mit seiner Therapie angebotene Mesotherapie werde von Ärzten oder Heilpraktikern
in seinem Unternehmen in separaten Behandlungszimmern durchgeführt. Durch diese Therapie würden die sonst häufig auftretenden
körperlichen Entzugserscheinungen signifikant reduziert.
Irrelevant sei es, dass seine Leistungen im Rahmen der so genannten Präventionsprogramme gemäß § 20 SGB V abgerechnet würden.
Dies betreffe allein die Finanzierung. Die gesetzlichen Krankenkassen hätten sich bis in die Gegenwart geweigert, den schädlichen
Gebrauch von Tabak und die Tabakabhängigkeit als Krankheit anzuerkennen. Auch als die Bundesärztekammer im September 2008
von den Krankenkassen gefordert habe, die Tabakabhängigkeit als Krankheit anzuerkennen, seien seitens der Krankenkassen ausschließlich
ökonomische Gründe hiergegen angeführt worden. Bei seinem Angebot handele sich auf keinen Fall um Primärprävention, denn diese
sei an vollkommen gesunde Menschen gerichtet. Rauchentwöhnungstherapien seien systemwidrig in den Leitfaden Prävention aufgenommen
worden und zwar allein aus finanziellen Gründen.
Das Finanzgericht Köln habe in seinen Urteil vom 19.01.2006 10 K 5354/02 ausdrücklich festgestellt, dass die Übernahme der
Kosten durch die gesetzlichen Krankenkassen zwar wichtiges Indiz für das Vorliegen einer nach § 4 Nr. 14 UStG steuerfreien
Heilbehandlung sei, dieses Indiz alleine sei aber nicht ausschlaggebend. Die Einordnung und Kostenübernahme der Krankenkassen
würden häufig von politischen und wirtschaftlichen Interessen der Kostenträger geleitet.
Schließlich habe selbst das oberste Finanzgericht Englands in seiner Entscheidung vom 22.07.2009 festgestellt, dass Raucherentwöhnungsmaßnahmen
als Heilbehandlung umsatzsteuerfrei seien.
Mit Schriftsatz vom 05.05.2011 reichte der Kläger in Ergänzung zu seinem bisherigen Vorbringen zwei Fagerström-Tests in anonymisierter
Form ein. Ferner trägt er vor, dass in dem von der E. herausgegebenen Buch „Raucherentwöhnung in Deutschland” der Test auf
Seite 14 dahingehend beschrieben werde, dass er sich international zur Messung der Ausprägung der Nikotinabhängigkeit durchgesetzt
habe. Auf Seiten 13 und 14 dieses Buches würden die psychischen und körperlichen Aspekte der Nikotinabhängigkeit erklärt.
Weiter werde dort dargelegt, dass 70 – 80 % der Raucher als nikotinabhängig bezeichnet werden könnten und die meisten Raucher
innerhalb weniger Jahre täglichen Rauchens eine Abhängigkeit entwickelten. Offensichtlich ordne der Beklagte die Nikotinabhängigkeit
selbst als Krankheit ein, wenn er in der Einspruchsentscheidung vom 15.02.2011 auf Seite 6 ausführe, dass das Hauptziel seiner
Seminare nicht die individuelle Behandlung einer bereits vorhandenen Krankheit (Nikotinabhängigkeit) zum Zwecke der Heilung
sei. Dieser Satz lasse sich nicht anders verstehen, als dass Nikotinabhängigkeit eben doch eine Krankheit sei.
Sein Programm sei – anders als der Beklagte meine – durchaus nicht nur eine reine Informationsveranstaltung, sondern ein systematisch
theoriebasiertes, psychotherapeutisches Behandlungsprogramm zur Raucherentwöhnung, das alle Kriterien einer Gruppentherapie
erfülle. Wie gerade die bei ihm durchgeführte wissenschaftliche Evaluation durch die F. GmbH aus dem Jahr 2008 zeige, sei
es entgegen der Meinung des Beklagten doch möglich, in einer einzigen auf 5 Stunden beschränkten gruppentherapeutischen Sitzung
ein auf das individuelle Krankheitsbild des einzelnen Teilnehmers zugeschnittenes Behandlungskonzept zu realisieren. Gerade
deshalb sei es laut Nr. 4.2 des Ergebnisberichts der F. GmbH (Umsatzsteuerakte Band II Bl. 4 bis 15) 43 % der Teilnehmer gelungen,
nach der Maßnahme nicht mehr zu rauchen, was gleichbedeutend sei mit der Heilung von der Nikotinsucht. Die Information und
Aufklärung über die Gefahren des Tabakkonsums nehme in seinem Konzept nur eine sehr geringe Rolle ein. Hierzu verweise er
auf die fachliche Stellungnahme von Herrn B.. In dieser sei gerade festgestellt, dass es sich um eine verhaltenstherapeutische
Interventionsmethodik handele. Das Programm sei eine in dieser speziellen Konzeption sinnvolle und mögliche Tages-Block-Maßnahme.
Wie er bereits dargelegt habe, betreibe er sehr wohl eine individuelle Nachsorge. Hierzu beruft er sich ergänzend auf exemplarischen
E-Mail-Verkehr, der dem Schriftsatz vom 29.06.2011 beigefügt ist (Bl. 85 der Gerichtsakte ff.).
Das Finanzgericht Köln habe in seinem Urteil vom 08.03.2012 10 K 2389/09 darauf abgestellt, dass für die begehrte Umsatzsteuerfreiheit
im Rahmen einer Heilbehandlung eine individuelle Untersuchung vorliegen müsse, durch die das konkrete Vorliegen eines Krankheitsbildes
festgestellt werde, was regelmäßig eine individuelle ärztliche Verordnung voraussetze. Diese Kriterien seien erfüllt. Das
Kriterium der ärztlichen Verordnung könne – wie auch beim Durchführen einer Psychotherapiebehandlung als Heilbehandlung durch
einen Diplom-Psychologen – wegfallen, wenn eine individuelle Untersuchung und Diagnose durch den Therapeuten selber stattfinde
und er selbst die Heilkunde hierfür ausüben dürfe.
Bei seinen Teilnehmern hätten gerade einmal 9 % einen Zigarettenkonsum von bis zu zehn Zigaretten pro Tag aufgewiesen, 72
% der Befragten hätten zwischen elf und 30 Zigaretten pro Tag geraucht (starker Raucher) und 19 % sogar noch mehr. Seine Patienten
seien damit gerade auch nach Auswertung der Fagerström-Tests als nikotinabhängig einzustufen. Zudem seien seine Teilnehmer
im Durchschnitt 51 Jahre alt gewesen und hätten damit durchschnittlich schon über 25 Jahre täglichen Rauchens hinter sich
gehabt. Es müsse davon ausgegangen werden, dass sich in einer solchen Periode bei allen eine Tabakabhängigkeit herausgebildet
habe.
Da individuelle Eingangsuntersuchungen stattgefunden hätten, sei das Urteil des FG Köln vom 08.03.2012 10 K 2389/09, in dessen
Fallgestaltung Seminarteilnehmer durch im Einzelnen nicht näher begründete Sammelverordnungen von Betriebsärzten zu den Seminaren
geschickt worden seien, mit dem vorliegenden Fall tatbestandlich nicht zu vergleichen, sodass einem vom Beklagten angeregten
Ruhen des Verfahrens nicht zugestimmt werde. Anders als der Beklagte meine, brauche der BFH gar nicht zu der Frage Stellung
zu nehmen, von wem und auf welche Weise die ausschließlich medizinische Indikation festzustellen sei. Diese Fragestellung
gehe weder als offene Frage aus dem Urteil des FG Köln hervor, noch sei sie in der Rechtsprechung in irgendeiner Weise umstritten
oder ungeklärt. In diesem Zusammenhang sei auf das Urteil des Finanzgerichts Köln vom 19.01.2006 10 K 5354/02 hinzuweisen,
in dem explizit festgestellt worden sei, dass auch psychotherapeutische Leistungen von Heilpraktikern als Heilbehandlung anerkannt
seien, wenn es Tätigkeiten seien, die zum Zweck der Vorbeugung, Diagnose, Behandlung und Heilung von Krankheiten bei Menschen
vorgenommen würden. Er sei als DiplomPsychologe mit der Heilpraktikererlaubnis zur Psychotherapie berechtigt und befugt, medizinische
Indikationen, Diagnosen und Behandlungen von Störungen vorzunehmen. Der BFH brauche sich ebenfalls in der Revision nicht mit
der Frage zu beschäftigen, unter welchen Voraussetzungen eine therapeutische Maßnahme generell unter dem Begriff der Heilbehandlung
zu subsumieren sei. Dies sei bereits durch das Urteil des BFH vom 30.01.2008 XI R 53/06 (Bundessteuerblatt – BStBl – II 2008,
649) erfolgt. Außerdem sei diese Frage bei dem fraglichen Urteil des FG Köln auch gar nicht offen geblieben. Vor dem FG Köln
sei es lediglich noch um die Frage gegangen, ob und wann zwischen so genannten Gelegenheitsrauchern und Süchtigen differenziert
werden müsse und anhand welcher Kriterien dies geschehen könne. Das FG Köln habe letztlich sein abweisendes Urteil damit begründet,
dass es an individuellen Untersuchungen der Patienten gemangelt habe.
Ferner sei auf das Urteil des BFH vom 18.08.2011 V R 27/10 (Sammlung der Veröffentlichungen des Bundesfinanzhofs – BFHE –
235, 58) hinzuweisen. Dort würden Randbereiche therapeutischer Tätigkeit als umsatzsteuerfrei angesehen. Er habe in seinem
Schriftsatz vom 22.08.2011 zwar die Formulierung benutzt, dass fast 100 % der Teilnehmer als nikotinabhängig zu bezeichnen
sei. Diese Formulierung trage aber lediglich dem Umstand Rechnung, dass aus wissenschaftlicher Sicht hundertprozentige statistische
Absolutheitsaussagen nicht seriös seien. Es sei festzustellen, dass nach Auswertung des Fagerström-Tests und des standardisierten
zweiseitigen Diagnosefragebogens jeder seiner Teilnehmer als nikotinabhängig zu bezeichnen sei. Selbst wenn eine minimale
Fehlerquote angenommen würde, würde im Grenzbereich zwischen krankhaftem Tabakmissbrauch (ICD-10 – F 17.1) und Nikotinabhängigkeit
(ICD-10 – F 17.1) auf jeden Fall die Diagnose des krankhaften Tabakmissbrauchs (ICD-10 – F 17.1) vorliegen. Damit stehe auf
jeden Fall fest, dass bei jedem Teilnehmer eine krankhafte Störung vorliege. Beide genannten Diagnosen entstammten der Diagnoseklassifikation
ICD-10-GM, die das Deutsche Institut für medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) im Auftrag des Bundesministeriums
für Gesundheit herausgegeben habe. Alle in dem genannten Katalog genannten Krankheiten oder krankhaften Störungen seien anerkannte
Krankheiten. Zum Nachweis, dass alle Teilnehmer des Programms als krank einzuordnen seien, reiche er zwölf ausgefüllte anonymisierte
Teilnehmer-Fragebögen zuzüglich des jeweils ausgefüllten Fagerström-Test ein. Ferner präzisiere er seinen Vortrag dahingehend,
dass alle starken Raucher (zwischen elf und 30 Zigaretten pro Tag), die an seinem Entwöhnungsprogramm teilgenommen hätten,
als suchtkrank diagnostiziert worden seien.
Mit Schriftsatz vom 07.10.2013 trägt der Kläger ergänzend vor, dass er aus den Raucherentwöhnungsseminaren im Jahr 2007 …
EUR und im Jahr … EUR eingenommen habe und dies in den geänderten Bescheiden steuererhöhend berücksichtigt worden sei. Dafür
seien durch den Beklagten aber auch Vorsteuern aus Eingangsumsätzen an ihn zum Abzug gebracht worden, die für die Einnahmen
aus den Seminaren verwendet worden seien.
In der mündlichen Verhandlung waren die Beteiligten über die im Falle der Umsatzsteuerfreiheit zu korrigierenden Vorsteuerbeträge
einschließlich der zu berücksichtigenden Steuerbeträge nach § 13b UStG, welche sich teilweise ebenfalls auf die streitigen
Umsätze beziehen, einig. Insbesondere hat der Kläger erklärt, von ihm erhaltene Umsätze der Firma G., die der Besteuerung
nach § 13 b UStG zu unterwerfen seien, hätten der Werbung für seine Raucherentwöhnungsseminare gedient. Der Antrag des Klägers
gibt diese Werte wieder.
Der Kläger beantragt,
die Umsatzsteuerbescheide für 2007 und 2008 vom 29.09.2011 dahingehend zu ändern, dass für das Jahr 2007 die zu 19 v.H. steuerpflichtigen
Umsätze um … EUR vermindert, zusätzlich steuerfreie Umsätze von … EUR berücksichtigt und die abzugsfähigen Vorsteuern um …
EUR verringert werden und dass für das Jahr 2008 die zu 19 v.H. steuerpflichtigen Umsätze um … EUR vermindert, zusätzlich
steuerfreie Umsätze von … EUR berücksichtigt und die abzugsfähigen Vorsteuern um … EUR verringert werden,
hilfsweise die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise die Revision zuzulassen.
Der Beklagte verweist zunächst auf seine Einspruchsentscheidung. Er bestreite nicht, dass es sich bei einer Nikotinabhängigkeit
um eine Krankheit handele und der Fagerström-Test ein Instrument zur Bestimmung des Grades der Nikotinabhängigkeit sei. Er
gehe jedoch nach wie vor davon aus, dass der Kläger keine Heilbehandlung im Sinne des BFH-Urteils vom 07.07.2005 V R 23/04
erbringe. Es sei dem Kläger nicht möglich, in einer einzigen auf fünf Stunden beschränkten Gruppensitzung ein auf das individuelle
Krankheitsbild des einzelnen Klienten zugeschnittenes Behandlungskonzept zu realisieren. Der Schwerpunkt der Seminare liege
in der Information und der Aufklärung über die Gefahren des Tabakkonsums, um hierdurch eine zukünftige Verhaltensänderung
herbeizuführen. Bezeichnenderweise führe der Kläger selbst keine Nachsorge durch.
Das vom Kläger zitierte Urteil des FG Köln vom 08.03.2012 10 K 2389/09 habe gerade darauf abgestellt, dass individuelle Untersuchungen
zum Grad und Vorliegen einer eventuellen Nikotinabhängigkeit vorliegen müssten. Daran fehle es hier. Im Übrigen sei gegen
das Urteil des Finanzgerichts Köln die Revision anhängig. Er rege daher an, das vorliegende Verfahren ruhen zu lassen.
Der BFH habe auch in seinem Urteil vom 18.08.2011 V R 27/10 an seiner langjährigen Rechtsprechung festgehalten, dass eine
Steuerbefreiung für eine Heilbehandlung nur dann in Betracht komme, wenn sie im Rahmen eines hinreichend konkreten, individuellen,
der Diagnose, Behandlung, Vorbeugung und Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen dienenden Leistungskonzeptes erfolge;
dieses Kriterium diene der Abgrenzung zu Leistungen, die keinen unmittelbaren Krankheitsbezug hätten, weil sie lediglich den
allgemeinen Gesundheitszustand verbesserten. In die Steuerbefreiung seien auch Leistungen einzubeziehen, die ein Arzt mit
unmittelbarem Bezug zu einer Heilbehandlungstätigkeit erbringe.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie auf die beigezogenen Akten des
Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und der Kläger ist durch die Bescheide in seinen Rechten
verletzt, § 100 Abs. 1 S. 1 Finanzgerichtsordnung – FGO –. Der Beklagte hat zu Unrecht die Leistungen des Klägers aus den
Raucherentwöhnungsseminaren der Umsatzsteuer unterworfen. Die Umsätze sind nach § 4 Nr. 14 S. 1 UStG steuerfrei.
Nach § 4 Nr. 14 S. 1 UStG sind „die Umsätze aus der Tätigkeit als Arzt, Zahnarzt, Heilpraktiker, Physiotherapeut (Krankengymnast),
Hebamme oder aus einer ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit und aus der Tätigkeit als klinischer Chemiker” steuerfrei. Die
Vorschrift setzt Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG (nunmehr geregelt in Art. 132 Abs. 1 Buchst. g
RL 2006/112/EG, Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie) in nationales Recht um und ist nach dieser Bestimmung richtlinienkonform
auszulegen. Nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG befreien die Mitgliedstaaten von der Steuer „die
Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung der von dem betreffenden Mitgliedstaat definierten
ärztlichen und arztähnlichen Berufe erbracht werden” (vgl. BFH-Urteil vom 31.01.2008 XI R 53/06, BStBl II 2008, 647 für Umsatzerlöse
aus therapeutischem Reiten unter Hinweis auf BFH-Urteile vom 22.04.2004 V R 1/98, BStBl II 2004, 849; vom 12.08.2004 V R 18/02,
BStBl II 2005, 227).
§ 4 Nr. 14 S. 1 UStG setzt bei der gebotenen richtlinienkonformen Auslegung gemäß Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie
77/388/EWG voraus, dass der Unternehmer zum einen eine Heilbehandlung im Bereich der Humanmedizin durch ärztliche oder arztähnliche
Leistungen erbringt und dass er zum anderen die dafür erforderliche Qualifikation besitzt, die durch den erforderlichen Befähigungsnachweis
dokumentiert ist (vgl. BFH-Urteile vom 31.01.2008 XI R 53/06, BStBl II 2008, 647, vom 07.07.2005 V R 23/04, BStBl II 2005,
904, vom 25.11.2004 V R 44/02, BStBl II 2005, 190; vgl. EuGH-Urteile vom 10.09.2002 Rs. C-141/00, Slg. 2002, I-6833, BFH/NV
2003, Beilage 1, 30; vom 06.11.2003 Rs. C-45/01, Slg. 2003, I-12911, BFH/NV 2004, Beilage 1, 40; vom 27.04.2006 Rs. C-443/04
und Rs. C-444/04, Slg. 2006, I-3617, BFH/NV 2006, Beilage 3, 299).
Heilbehandlungen i. S. des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der
Richtlinie 77/388/EWG sind (nur) Tätigkeiten, die zum Zweck der Vorbeugung, Diagnose, der Behandlung und, soweit möglich, der Heilung von Krankheiten
oder Gesundheitsstörungen bei Menschen vorgenommen werden. Die befreiten Leistungen müssen der medizinischen Behandlung einer
Krankheit oder einer anderen Gesundheitsstörung dienen (BFH-Urteil vom 31.01.2008 XI R 53/06, BStBl II 2008, 647 für Umsatzerlöse
aus therapeutischem Reiten: Hippotherapie durch Krankengymnastin als von der Umsatzsteuer befreite Heilbehandlung nach § 4
Nr. 14 UStG, unter Hinweis auf EuGH-Urteil in Slg. 2003, I-12911, BFH/NV 2004, Beilage 1, 40, Randnr. 48). Nicht unter die
Befreiung fallen danach Tätigkeiten, die nicht Teil eines konkreten, individuellen, der Diagnose, Behandlung, Vorbeugung und
Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen dienenden Leistungskonzeptes sind (BFH-Urteil vom 07.07.2005 V R 23/04,
BStBl II 2005, 904,) oder etwa von einem Chirurgen durchgeführte Schönheitsoperationen oder Massagen, die von einem Physiotherapeuten
ohne vorherige ärztliche Anordnung lediglich aus kosmetischen Gründen oder zur Verbesserung des Wohlbefindens („Wellness”)
durchgeführt werden.
Nicht maßgeblich für die Steuerbefreiung ist nach Auffassung des BFH, wer die Leistung gegenüber dem Empfänger abrechnet (vgl.
etwa BFH-Urteil vom 07.07.2005 V R 23/04, BStBl II 2005, 904) oder inwieweit die gesetzlichen Krankenkassen zur Übernahme
der Kosten verpflichtet sind (vgl. BSG-Urteil in SozR 3-2500 § 138 Nr. 2: Hippotherapie). Denn im Gegensatz zu den einschlägigen
sozialrechtlichen Bestimmungen, bei denen es um die Frage geht, ob ein Einzelner auf Kosten der Allgemeinheit einen (Mindest-)Anspruch
auf bestimmte Heilmittel hat, verfolgt § 4 Nr. 14 UStG einen anderen Zweck: Dieser besteht darin, ganz allgemein die Kosten
der Heilbehandlungen zu senken und diese Behandlungen dem Einzelnen zugänglicher zu machen. Der EuGH hat darüber hinaus ausdrücklich
hervorgehoben, dass der bloße Umstand der fehlenden (vollständigen) Kostenübernahme durch die Träger der Sozialversicherung
keine unterschiedliche Behandlung der Leistungserbringer in Bezug auf die Mehrwertsteuerpflicht rechtfertigt. Vor diesem Hintergrund
ist die Frage der Kostenerstattung durch die Sozialversicherungsträger kein geeignetes Abgrenzungskriterium für den Begriff
der Heilbehandlung i. S. von § 4 Nr. 14 UStG (vgl. BFH-Urteil vom 31.01.2008 XI R 53/06, BStBl II 2008, 647; EuGH-Urteil in
Slg. 2003, I-12911, BFH/NV 2004, Beilage 1, 40, Randnr. 43).
Dem steht nicht die Rechtsprechung des BFH entgegen, wonach grundsätzlich von einem Befähigungsnachweis auszugehen ist, wenn
die Leistungen des Unternehmers durch Heilbehandlung in der Regel von Sozialversicherungsträgern finanziert werden (vgl. BFH-Urteil
vom 25.11.2004 V R 44/02, BStBl II 2005, 190, m.w.N.). Denn diese Einschränkung gilt nur für die Fälle, in denen es sich –
abweichend vom Streitfall – nicht um einen „Katalogberuf” i. S. von § 4 Nr. 14 UStG handelt (BFH-Urteil vom 31.01.2008 XI
R 53/06, BStBl II 2008, 647).
Ebenfalls nicht entscheidungserheblich für die Anwendung der Steuerbefreiung ist, ob der Kläger selbst Inhaber der nach §
4 Nr. 14 S. 1 UStG ausdrücklich benannten beruflichen Qualifikation ist. Denn der Grundsatz der steuerlichen Neutralität verbietet
es, dass Wirtschaftsteilnehmer, die gleichartige Umsätze bewirken, bei der Mehrwertsteuererhebung unterschiedlich behandelt
werden.
Die Umsatzsteuerbefreiung umfasst danach ausschließlich medizinisch indizierte Leistungen gemäß heilberuflicher Verordnung,
sei es etwa im Wege eines ärztlichen Auftrages einer Reha-Klinik, sei es durch individuelle ärztliche Verordnung. Deshalb
sind Leistungen, die nicht aufgrund entsprechender Anordnung oder im Rahmen einer medizinischen Behandlung als Vorsorge- oder
Rehabilitationsmaßnahme durchgeführt werden, nicht nach § 4 Nr. 14 S. 1 UStG steuerfrei. Ebenso wenig liegt eine gemäß § 4
Nr. 14 UStG steuerbefreite Heilbehandlung vor, wenn Leistungen zur Prävention und Selbsthilfe i. S. des § 20 SGB V erbracht
werden, die keinen unmittelbaren Krankheitsbezug haben, weil sie lediglich „den allgemeinen Gesundheitszustand verbessern
und insbesondere einen Beitrag zur Verminderung sozial bedingter Ungleichheit von Gesundheitschancen erbringen” sollen (§
20 Abs. 1 Satz 2 SGB V; vgl. BFH-Urteile vom 31.01.2008 XI R 53/06, BStBl II 2008, 647, vom 07.07.2005 V R 23/04, BStBl II
2005, 904, BFH/NV 2005, 2142, vom 10.03.2005 V R 54/04, BStBl II 2005, 669: Diplom-Oecotrophologe).
Im Streitfall erfolgten die Therapien zwar grundsätzlich ohne ärztliche Verschreibung, aber nach einer nach Auffassung des
Senates hinreichend ausgiebigen Anamnese (standardisierter zweiseitiger Diagnosefragebogen zuzüglich Fagerstöm-Test) durch
den Kläger, der als Psychologe mit Heilpraktiker-Befugnis zum Katalogberuf des § 4 Nr. 14 S. 1 UStG gehört, sodass die begehrte
Umsatzsteuerfreiheit nicht an einer fehlenden Verordnung scheitert. Insoweit fehlt es auch an einer Vergleichbarkeit mit dem
Urteil des FG Köln 10 K 2389/09. Der Kläger war hinreichend selbst qualifiziert, das Vorliegen einer psychischen Störung in
der Form der Tabaksucht festzustellen. Nach den im Klageverfahren vorgelegten Testmaterialien und hierzu gegebenen Erläuterungen
geht das Gericht davon aus, dass jeder der Seminarteilnehmer auf bei ihm vorliegende Tabaksucht individuell diagnostiziert
wurde, bevor die Seminardurchführung begann.
Der Kläger hatte als Psychologe mit Heilpraktiker-Befugnis auch unzweifelhaft die notwendige Qualifikation für die Diagnose
und nachfolgende Erbringung der Heilmaßnahmen. Auch die Anwendung des so genannten Fagerström-Tests zur Feststellung der Diagnose
begegnet keinen Bedenken. Mindestens 91 % der Kunden des Klägers waren nach einer stattgefundenen Evaluierung im Streitzeitraum
stark tabakabhängig. Angesichts des Umstandes, dass die Teilnehmer im Durchschnitt 51 Jahre alt waren und in der Regel mehr
als 25 Jahre geraucht hatten, liegt aus Sicht des Senates die Tabakabhängigkeit damit auch auf der Hand. Auch die restlichen
9 %, die sich als Restgruppe nach der Evaluierung ergeben, sind nach der Klassifikation in der ICD bereits als krank einzuordnen,
da sie nach der nicht substantiiert bestrittenen Darstellung des Klägers in die Gruppe des krankhaften Tabakmissbrauchs gehören
(ICD-10 – F 17.1). Hinzu kommt, dass vorliegend die Teilnehmer aus eigenem Antrieb zu dem Kläger kamen und den mit dem Seminar
verbundenen zeitlichen und finanziellen Aufwand in Kauf nahmen, was deutlich belegt, dass sie selbst die Steuerung über ihr
Suchtverhalten bereits verloren hatten und nicht mehr in der Lage waren, ohne Hilfe ihr Verhalten zu ändern. Dies alles belegt
bereits den Krankheitswert des Tabakkonsums der Patienten. Auch die Bundesärztekammer stufte nach einem Bericht der Zeitschrift
… bereits im Jahr 2008 Rauchen als Krankheit ein (zitiert nach http://www.focus.de/gesundheit/news/gesundheit-aerzte-wollen-rauchen-als-krankheit-einstufen-aid
333485.html). Ähnliche Berichte sind aus den Zeitungen „…” und „…” im Internet nachweisbar.
Erst Recht vermag der Beklagte mit seiner Argumentation hinsichtlich einer fehlenden Abstimmung der Therapie auf den einzelnen
Patienten bzw. einer zu kurzen Behandlungsdauer nicht durchzudringen. Es gibt keinen Erfahrungssatz dahingehend, dass nur
besonders lange und teure Therapien erfolgreich sein könnten. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung überzeugend ausgeführt,
dass die Gruppengröße in der Gruppentherapie üblich sei und auch so bei anderen Formen der Gruppentherapie durchgeführt werde,
deren Kosten von den Krankenkassen übernommen würden. Die diesbezüglichen Einwände des Beklagten kann der Senat daher nicht
nachvollziehen. Unberücksichtigt gelassen hat der Beklagte auch die Expertise des B., der dem Raucherentwöhnungsprogramm des
Klägers bescheinigt, inhaltlich systematisch theoriebasiert zu sein und alle Kriterien eines gruppentherapeutischen Interventionsprogrammes
aufzuweisen. Das Gericht nimmt Bezug auf die in den Gerichtsakten enthaltene Expertise (Bl. 52 ff der Gerichtsakte). Die entsprechend
fachkompetente Beurteilung durch den am Institut für Psychologie und klinische und Gesundheitspsychologie der Universität
D. tätigen B. sieht das Gericht durch die seitens des Beklagten vorgebrachten Einwände nicht infrage gestellt.
Der Vorwurf einer fehlenden Nachsorge wurde durch den Kläger mit entsprechendem E-Mail-Verkehr aber auch durch seinen Vortrag
in der mündlichen Verhandlung eindeutig widerlegt. Nicht nachvollziehbar ist auch der Vorwurf des Beklagten, dass es an einem
Leistungskonzept mangeln sollte. Im Gegenteil hat der Kläger die Ergebnisse seiner Evaluierung durch die F. GmbH (Umsatzsteuerakte
Bd. II Bl. 4 bis 15) eingereicht, die eindrucksvoll das Gegenteil belegen. Die erzielte Erfolgsquote ist im Suchtbereich,
auch wenn nur die Ergebnisse einer einzigen, allerdings breit angelegten Überprüfung vorliegen, dennoch als erstaunlich zu
bezeichnen. Die mitumfasste homöopathische Behandlung stellt, da sie auf die Linderung der Symptome des Nikotinentzuges gerichtet
ist, ebenfalls eine Heilbehandlung dar. Anders als der Beklagte in der mündlichen Verhandlung meinte, ist hierfür auch keine
weitergehende ärztliche Verschreibung erforderlich, der Kläger ist vielmehr selbst als Heilpraktiker zugelassen.
Es ist im Übrigen für den Senat nicht nachvollziehbar, warum der Therapieschwerpunkt – wie der Beklagte meint – lediglich
in der Information und der Aufklärung über die Gefahren des Tabakkonsums liegen sollte, um hierdurch eine zukünftige Verhaltensänderung
herbeizuführen. Die erzielte Erfolgsquote wäre hiermit schwerlich vereinbar, denn die Gefahren des Tabakkonsums sind allgemein
und hinlänglich bekannt. Das Problem der meisten Raucher liegt aber gerade nicht in dem fehlenden Wissen um die Schädlichkeit
des Tabakkonsums, sondern vielmehr in der suchtbedingten Unfähigkeit, das Rauchen ohne Hilfe aufzugeben. Gerade hieran zeigt
sich der Krankheitswert der Tabakabhängigkeit. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung zudem eindrucksvoll geschildert,
wie er mit jedem Patienten entsprechende Verhaltenstechniken bei Suchtsituationen, in denen der Drang zu einer Zigarette verstärkt
auftritt, entwickelt und dass er grundsätzlich auch auf jeden Patienten individuell eingeht.
Auch wenn der Klägervortrag nicht eindeutig macht, in welchem Umfang die Kursteilnehmer die Kosten durch Krankenkassen gefördert
bekamen, bedarf es hierüber keiner weiteren Aufklärung. Die Frage der Abrechnung mit den Krankenkassen ist nach der zitierten
Rechtsprechung ohnehin irrelevant.
Die Revision war nicht zuzulassen, da der Fall weder grundsätzliche Bedeutung hat, noch ein anderer Zulassungsgrund vorliegt.
Insbesondere stell sich vorliegend nicht die Frage, ob die Voraussetzungen des § 4 Nr. 14 S. 1 UStG auch für eine Kursteilnahme
ohne individuelle Diagnose einer krankheitsbedingten Störung zu bejahen sind, wie sie beim Urteil des FG Köln vom 08.03.2012
10 K 2389/09 der Revisionszulassung zugrunde lag. Denn die entsprechende individuelle Diagnose steht beim Kläger nach den
zuvor gegebenen Darlegungen nicht im Zweifel.
Die Übertragung der Berechnung der Steuer auf den Beklagten beruht auf § 100 Abs. 2 S. 2 FGO.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung – ZPO – i.V.m. 151 Absatz
3, 155 FGO.