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  • 08.06.2001 · IWW-Abrufnummer 010754

    Bundesfinanzhof: Urteil vom 22.03.2001 – V R 46/00

    BUNDESFINANZHOF

    Dem Unternehmer steht unter den übrigen Voraussetzungen des § 15 UStG der Vorsteuerabzug zu, wenn er zur Zeit des Leistungsbezugs die durch objektive Anhaltspunkte belegte Absicht hat, die Eingangsumsätze für solche Ausgangsumsätze zu verwenden, die den Vorsteuerabzug nicht gemäß § 15 Abs. 2 UStG ausschließen. Es reicht aus, dass der Unternehmer die --durch objektive Anhaltspunkte belegte-- Absicht hat, auf die Steuerfreiheit der Verwendungsumsätze zu verzichten. Dies gilt auch für Leistungsbezüge, die --z.B. wegen Verlusts, Beschädigung oder Projektaufgabe-- gegenständlich in keine Ausgangsumsätze eingehen (sog. Fehlmaßnahmen; Anschluss an Urteile des EuGH vom 8. Juni 2000 Rs. C-396/98, Schloßstraße, UVR 2000, 308, und vom 8. Juni 2000 Rs. C-400/98, Breitsohl, UVR 2000, 302, und des BFH vom 22. Februar 2001 V R 77/96, und vom 8. März 2001 V R 24/98).

    UStG 1993 § 15 Abs. 2

    Urteil vom 22. März 2001 - V R 46/00 -

    Vorinstanz: FG Köln (EFG 2000, 971)


    Gründe

    I.

    Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, deren Gegenstand u.a. die Vorbereitung und Entwicklung von Immobilien-Projekten sowie die Durchführung von Bauprojekten als Generalunternehmer ist. Zumindest bis einschließlich der Streitjahre (1994 bis 1996) tätigte sie lediglich steuerpflichtige Umsätze.

    Die Klägerin erwarb mit notariell beurkundetem Kaufvertrag vom 31. März 1994 ein bebautes Grundstück. Nach Abschluss des Kaufvertrages begann sie mit der Planung eines neuen Projektes. Hierfür beauftragte sie entsprechende Unternehmer, z.B. Statiker, Architekten u.ä. Die in deren Rechnungen offen ausgewiesene Umsatzsteuer zog die Klägerin als Vorsteuer ab.

    Nachdem sich herausgestellt hatte, dass sich mit dem Grundstück ein erfolgversprechendes Projekt nicht realisieren ließ, brach die Klägerin die Vorbereitungshandlungen ab und trat vom Kaufvertrag zurück. Dies war nach dem Kaufvertrag möglich.

    Aufgrund einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung versagte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) den Vorsteuerabzug mit der Begründung, da eine Selbstnutzung des Objektes durch die Klägerin nicht vorgesehen sei, verblieben als mögliche Ausgangsumsätze nur der Verkauf oder die Vermietung. Diese Umsätze seien steuerbefreit. Eine Option zur Steuerpflicht setze voraus, dass tatsächliche Leistungen an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen erfolgten und dieser das Grundstück für Umsätze verwende, die den Vorsteuerabzug nicht ausschließen. Eine fiktive Option sei nicht möglich. Das FA kürzte deshalb den von der Klägerin geltend gemachten Vorsteuerabzug entsprechend.

    Das Finanzgericht (FG) gab der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage statt. Es meinte, der Vorsteuerabzug sei nicht nach § 15 Abs. 2 des Umsatzsteuergesetzes 1993 (UStG) ausgeschlossen, da die umstrittenen Vorbezüge --entsprechend den Grundsätzen des Urteils des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 15. September 1994 V R 12/93 (BFHE 176, 149, BStBl II 1995, 88)-- nach Kostenzurechnungsgesichtspunkten den von der Klägerin tatsächlich ausgeführten Umsätzen zuzurechnen seien (vgl. Urteil in Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2000, 971).

    Mit der Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts; es meint, die Rechtsprechung des BFH, auf die sich die Vorentscheidung stütze, finde im Streitfall keine Anwendung.

    II.

    Die Revision ist begründet. Die Vorentscheidung entspricht nicht den Grundsätzen, die der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) und daran anschließend der BFH für Leistungsbezüge entwickelt haben, bei denen es zur Ausführung der beabsichtigten Umsätze nicht kommt.

    1. Das FG hat zwar zutreffend die Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG für den begehrten Vorsteuerabzug bejaht.

    Nach dieser Vorschrift kann der Unternehmer die in Rechnungen i.S. des § 14 UStG gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbeträge abziehen. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt; die Klägerin hat die ihr in Rechnung gestellten Umsätze, um die es hier geht, für ihr Unternehmen bezogen.

    2. Das FG hat aber zu Unrecht bei der Frage, ob der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 2 UStG ausgeschlossen ist, auf die Rechtsprechung des BFH zurückgegriffen, die durch die Urteile des EuGH vom 8. Juni 2000 Rs. C-396/98, Schloßstraße (Umsatzsteuer- und Verkehrsteuer-Recht --UVR-- 2000, 308) und vom 8. Juni 2000 Rs. C-400/98, Breitsohl (UVR 2000, 302) und die daran anschließenden Urteile des BFH vom 22. Februar 2001 V R 77/96 und vom 8. März 2001 V R 24/98 überholt ist.

    Nach § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG ist die Steuer für die Lieferung von Gegenständen sowie für die sonstigen Leistungen, die der Unternehmer zur Ausführung der im Gesetz näher bestimmten steuerfreien Umsätze verwendet, vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen.

    Nach der älteren Rechtsprechung des BFH kam es auf die tatsächliche Verwendung an, falls die beabsichtigte und die tatsächliche Verwendung sich nicht deckten. Die beabsichtigte Verwendung der Eingangsumsätze für steuerpflichtige Ausgangsumsätze eröffnete nur "materiell vorläufig" den Vorsteuerabzug; die beabsichtigte Verwendung für steuerfreie Umsätze schloss ihn nur "materiell vorläufig" aus. Endgültig sollte die tatsächliche Verwendung maßgeblich sein. Leistungsbezüge, die --z.B. wegen Verlusts, Beschädigung oder Projektaufgabe-- in keine Ausgangsumsätze gegenständlich eingehen (sog. Fehlmaßnahmen), sollten (endgültig) denjenigen Ausgangsumsätzen zugerechnet werden, zu denen sie nach Kostenzurechnungsgesichtspunkten gehörten (BFH in BFHE 176, 149, BStBl II 1995, 88).

    Demgegenüber stellt der EuGH in den Fällen, in denen die geplante wirtschaftliche Tätigkeit nicht realisiert wird, maßgeblich auf die Absichten des Steuerpflichtigen ab (EuGH-Urteile in UVR 2000, 302 und 308). Der BFH ist dem unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung gefolgt (BFH-Urteile V R 77/96, V R 24/98 und V R 39/00). Im Rahmen des § 15 Abs. 2 UStG kommt es entscheidend darauf an, ob der Unternehmer zur Zeit des Leistungsbezugs die durch objektive Anhaltspunkte belegte Absicht hat, die Eingangsumsätze für solche Ausgangsumsätze zu verwenden, die den Vorsteuerabzug nicht gemäß § 15 Abs. 2 UStG ausschließen. Es reicht aus, dass der Unternehmer die Absicht hat, auf die Steuerfreiheit der Verwendungsumsätze zu verzichten (vgl. für beabsichtigte Grundstücksvermietung BFH-Urteile V R 77/96 und V R 24/98).

    Wie das FA ausführt, kommt im Streitfall als beabsichtigte Verwendung des Grundstücks wohl nur eine Grundstücksveräußerung oder Vermietung in Betracht. Die beiden in Betracht kommenden Verwendungsumsätze sind nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG bzw. nach § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG steuerfrei und schließen damit nach § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG den Vorsteuerabzug aus, falls die Klägerin nicht die durch objektive Anhaltspunkte belegte Absicht hatte, auf die Steuerfreiheit gemäß § 9 UStG zu verzichten.

    Das FG hätte deshalb die Verwendungsabsichten der Klägerin (Grundstücksveräußerung oder Grundstücksvermietung) in den Streitjahren feststellen müssen. Sodann hätte es prüfen müssen, ob die durch die Geltendmachung des Vorsteuerabzugs bekundete Absicht, auf die Steuerfreiheit der beabsichtigten Verwendung zu verzichten, durch objektive Anhaltspunkte belegt ist. So kann z.B. von einer beabsichtigten steuerpflichtigen Grundstücksvermietung nicht ausgegangen werden, wenn und soweit in dem geplanten Objekt Wohnungen vorgesehen waren, da auf die Steuerfreiheit der Vermietung von Wohnraum grundsätzlich nicht verzichtet werden kann (vgl. § 4 Nr. 12 Buchst. a, § 9 UStG). Das FG erhält Gelegenheit, diese Feststellungen im zweiten Rechtsgang nachzuholen.

    3. Der Senat entscheidet im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Urteil (§ 121 Satz 1, § 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung).

    RechtsgebietUStG 1993VorschriftenUStG 1993 § 15 Abs. 2