29.08.2014 · IWW-Abrufnummer 142516
Finanzgericht München: Urteil vom 10.03.2014 – 8 K 1704/11
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
FG München, 10.03.2014 - 8 K 1704/11
In der Streitsache
Klägerin
Beklagter
wegen
Einkommensteuer 2007 und 2008
hat der 8. Senat des Finanzgerichts München durch
ohne mündliche Verhandlung am 10. März 2014
für Recht erkannt:
Tenor:
1.
Die Klage wird abgewiesen.
2.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe
I.
Streitig ist, ob ein häusliches Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten beruflichen Tätigkeit der Klägerin bildet.
Die Klägerin wird für die Streitjahre 2007 und 2008 vom Beklagten - dem Finanzamt (FA) - zur Einkommensteuer veranlagt. Sie erzielte in den Streitjahren im Wesentlichen Einkünfte aus einer Tätigkeit als IT-Beraterin, die einvernehmlich als Einkünfte aus selbständiger Arbeit veranlagt worden sind. In ihren Gewinnermittlungen wies die Klägerin in den Streitjahren Raumkosten aus, die das Finanzamt in den Einkommensteuerbescheiden nur zum Teil zum Abzug als Betriebsausgaben zuließ. Es kürzte die Betriebsausgaben um die Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer in Höhe von 3.019,83 EUR (im Jahr 2007, Einkommensteuerbescheid vom 27.02.2009) und um 2.907 EUR (im Jahr 2008, Einkommensteuerbescheid vom 16.03.2010).
Die Einsprüche der Klägerin hatten nur insoweit Erfolg, als das Finanzamt in der Einspruchsentscheidung vom 12.05.2011 jährlich 1.250 EUR zum Abzug als Betriebsausgaben zuließ. Dabei ging das Finanzamt davon aus, dass der Klägerin für die betriebliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung stand, das Arbeitszimmer jedoch qualitativ nicht den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen Tätigkeit bildete. Hierbei zog das Finanzamt auch das Fahrtenbuch heran, aus dem sich ergibt, dass die Klägerin ihre Tätigkeit im Zeitraum vom 01.04.2007-31.10.2007 von morgens bis abends vor Ort bei ihren Auftraggebern erbracht hat. Ebenso sei es im Vorjahreszeitraum von April bis Oktober gewesen. Dass dies in den Zeiträumen, für die kein Fahrtenbuch vorliege, anders gewesen sei, sei nicht vorstellbar. Darüber hinaus beurteilte das Finanzamt die Tätigkeit der Klägerin als IT-Controllerin, die auch schule und Systemberatung betreibe, so, dass der qualitative Schwerpunkt der Tätigkeit im Außendienst beim jeweiligen Auftraggeber liege. Wegen der Einzelheiten wird auf die Einspruchsentscheidung verwiesen.
Mit ihrer Klage trägt die Klägerin - wie bereits im Einspruchsverfahren - vor, der Mittelpunkt ihrer beruflichen Tätigkeit liege im häuslichen Arbeitszimmer. Auf die Aufklärungsanordnung des Berichterstatters hin schilderte die Klägerin ihre Tätigkeit wie folgt: Sie sei in den Streitjahren ausschließlich als selbstständige IT-Beraterin für wechselnde Auftraggeber im Rahmen von immer neuen Aufgaben- und Leistungs-Projekten tätig gewesen. Bei ihren Auftraggebern stünden keine regelmäßigen Arbeitsplätze zur Leistungserstellung zur Verfügung. Der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit liege in der Einführung und Realisierung von Management-Systemen in der IT-Branche, zum Beispiel Incident-Management und System-Vernetzungsmanagement. Sie führe ihre Arbeit vor Ort oder im Betriebsstätten-Büro durch. Ihre Tätigkeit bestehe darin, dass sie die einzelnen Arbeitsschritte und Schnittstellen analysiere und die Abläufe überwache, um bei technischen und anderen Unterbrechungen mittels Korrekturen den Fortgang und die Fortführung der Arbeitsprozesse zu sichern und sicherzustellen. Unter anderem werden hierzu Service Desks eingesetzt, die von Service-Desk-Analysten bedient und bearbeitet würden. Dabei übernehme sie die Rolle eines Incident-Managers, der die Koordination sowie die Leitung dieser Incidentsysteme wahrnehme. Die Klägerin erbringe folgende Leistungsarten: Dokumentation von Statistiken, Beschreibung und Sammlung der verschiedenen Incidentarten, Qualitätskontrolle der Datenübermittlung, Unterrichtung und Anweisung der Datenverarbeitungs-Anwender, Ergebnis-Reporting an das Management sowie Change-Management. Die Art, sowie die Qualität der Leistungserbringung durch die Klägerin bedürfe der permanenten Optimierung, wobei alle sich entwickelnden neuen Bearbeitungsschritte sowie Prozess-Innovationen ausgiebig im Betriebsstätten-Büro getestet und in die Systeme implementiert werden müssten. Darüber hinaus müsse im Betriebsstättenbüro die gesamte betriebliche Kommunikation, die Rechnungsstellung und Angebotsunterbreitung sowie das betriebliche Rechnungswesen einschließlich Verwahrung der Geschäftsunterlagen durchgeführt werden. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das schriftsätzliche Vorbringen verwiesen.
Die Klägerin beantragt,
die Einkommensteuerbescheide für 2007 vom 27.02.2009 und für 2008 vom 16.03.2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12.05.2011 dahingehend zu ändern, dass bei den Einkünften aus selbständiger Arbeit zusätzliche Betriebsausgaben in Höhe von 1.779,83 EUR (für 2007) und 1.656,78 EUR (für 2008) angesetzt werden und die Einkommensteuer entsprechend niedriger festgesetzt wird.
Das Finanzamt beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es verweist im Wesentlichen auf die Einspruchsentscheidung.
Beide Beteiligte haben sich mit einer Entscheidung der Sache ohne mündliche Verhandlung auch bei Übertragung auf den Einzelrichter, die der Senat am 10.03.2014 beschlossen hat, einverstanden erklärt.
II.
1. Die Klage ist nicht begründet.
Das Finanzamt hat zu Recht den Abzug der Raumkosten als Betriebsausgaben nur mit einem Betrag von jährlich 1.250 EUR zugelassen.
a) Gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 1 Einkommensteuergesetz (EStG) sind Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer sowie Kosten der Ausstattung grundsätzlich nicht als Betriebsausgaben abzugsfähig. Dies gilt nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Sätze 2 und 3 EStG in der Fassung des Jahressteuergesetzes (JStG) 2010 vom 08.12.2010 (BStBl I 2010, 1394) nur für den Fall nicht, dass für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. In diesem Fall wird die Höhe der abziehbaren Aufwendungen auf 1.250 EUR begrenzt; die Beschränkung der Höhe nach gilt nicht, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit bildet. Die gesetzliche Neuregelung findet auch auf das Streitjahr 2009 Anwendung, denn sie gilt gemäß § 52 Abs. 12 Satz 9 EStG (i.d.F. des JStG 2010) rückwirkend für alle offenen Fälle ab dem Veranlagungszeitraum 2007.
Bei der streitgegenständlichen Raum handelt es sich um ein häusliches Arbeitszimmer im Sinne der zitierten Vorschrift, was zwischen den Beteiligten unstreitig ist (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 19.09.2002 VI R 70/01, BStBl II 2003, 139 m.w.N.).
Das Finanzamt ist im Einvernehmen mit der Klägerin davon ausgegangen, dass der Klägerin für die betriebliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. Im Einklang mit § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 1 EStG ist die Höhe der abziehbaren Aufwendungen auf 1.250 EUR begrenzt.
b) Ein Abzug über diesen Betrag hinaus kommt im Streitfall nicht in Betracht, weil das Arbeitszimmer nicht den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit der Klägerin bildet. Da der Ansatz eines höheren Betrages hieran scheitert, bedarf es auch keiner Auseinandersetzung damit, ob die Neuregelung samt Übergangsvorschrift im Wege verfassungskonformer Interpretation abweichend vom Wortlaut auszulegen ist (vergleiche Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 05.09.2012 15 K 682/12 F, EFG 2012, 2270, Rz. 22).
Das Gericht konnte nicht feststellen, dass sich der Mittelpunkt der gesamten betrieblichen oder beruflichen Betätigung der Klägerin in ihrem häuslichen Arbeitszimmer befand.
Der Mittelpunktsbegriff ist gesetzlich nicht näher definiert. Auch die Gesetzesmaterialien geben keinen Aufschluss über die Bedeutung dieses Merkmals (so auch BFH-Urteil vom 13.11.2002 VI R 82/01, BStBl II 2004, 62, m.w.N.). Nach der zu § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 EStG i.d.F. des JStG 1996 ergangenen Rechtsprechung des BFH bestimmt sich bei einem Steuerpflichtigen, der lediglich eine einzige berufliche Tätigkeit - teilweise zu Hause und teilweise auswärts - ausübt, der Mittelpunkt danach, ob er im Arbeitszimmer diejenigen Handlungen vornimmt und Leistungen erbringt, die für den ausgeübten Beruf wesentlich und prägend sind (ständige Rechtsprechung; s. etwa BFH-Urteile vom 23.05.2006 VI R 21/03, BStBl II 2006, 600, und vom 15.03.2007 VI R 65/05, BFH/NV 2007, 1133). Die für den Beruf wesentlichen und prägenden Leistungen werden auch mit dem Begriff des inhaltlichen (qualitativen) Schwerpunkts der betrieblichen und beruflichen Betätigung des Steuerpflichtigen umschrieben (BFH-Urteile vom 09.04.2003 X R 75/00, BFH/NV 2003, 917, und vom 22.11.2006 X R 1/05, BStBl II 2007, 304). Maßgebend ist danach, ob unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung und aller Umstände des Einzelfalls das qualitativ für eine bestimmte steuerbare Tätigkeit Typische im häuslichen Arbeitszimmer ausgeübt wird (BFH-Urteile vom 27.10.2011 VI R 71/10, BStBl II 2012, 234, und vom 08.12.2011 VI R 13/11, BStBl II 2012, 236). Dem zeitlichen (quantitativen) Umfang der Nutzung des Arbeitszimmers kommt hingegen lediglich indizielle Bedeutung zu. Diese Rechtsprechung gilt auch für die durch das JStG 2010 geschaffene Rechtslage (BFH-Urteil vom 08.12.2011 VI R 13/11, BStBl II 2012, 236).
Die Klägerin berät ihre Kunden bei der Gestaltung und Einrichtung von Störungsmanagementsystemen. Hierzu analysiert sie nach ihrem Vortrag Geschäftsabläufe und berät bei der Neugestaltung dieser Abläufe. Die Klägerin übernimmt aber auch deren Einrichtung (lt. Vortrag: "übernimmt die Rolle des Incident-Managers", "Koordination sowie die Leitung dieser Incidentsysteme"). Diese Tätigkeit kann zu weiten Teilen nur vor Ort - im Betrieb des Auftraggebers wahrgenommen werden (lt. Vortrag: "vor Ort oder im Betriebsstätten-Büro"). Es handelt sich um eine weitgehend ortsgebundene Projektarbeit mit den anderern Projektpartnern.
Eine genaue Aufgliederung der Arbeitszeit auf Zeitanteile "vor Ort" beim Auftraggeber oder im häuslichen Büro hat die Klägerin nicht vorgelegt. Allerdings ergibt sich aus den in der EStAkte befindlichen Fahrtenbüchern, dass in den Zeiträumen, die diese abdecken, die Arbeitszeit vor Ort den übliche Arbeitszeiten eines Vollzeitangestellten entsprachen und demnach im Heimbüro nur zusätzliche Arbeiten angefallen sein können. Auch die in der ESt-Akte enthaltenen Aufstellungen der Verpflegungsmehraufwendungen zeigen, dass die Klägerin sich in 2007 mindestens an 122 Tagen über 8 Stunden auswärts aufgehalten hat und in der zweiten Jahreshälfte 2008 mindestens an 95 Tagen. Da sie in der ersten Jahreshälfte 2008 an einem Projekt bei Frankfurt beschäftigt war, bleibt in beiden Streitjahren für die Arbeit im Heimb üro nur ein untergeordneter Zeitanteil, sofern man übliche Arbeitzeiten zugrunde legt. Aus der Schilderung ihrer Tätigkeit zusammen mit den belegten Arbeitszeiten vor Ort schließt das Gericht, dass der qualitative Schwerpunkt der Tätigkeit der Klägerin vor Ort bei ihren Auftraggebern liegt. Dort erbringt sie die wesentlichen Leistungen, wie Analyse und Auswertungen, die eine starke Interaktion und Kommunikation mit Mitarbeitern der Kunden vor Ort erfordern. Auch die Einrichtung der Controlling- und Incident-Systeme erfordert die Anleitung der Mitarbeiter der Kunden vor Ort. Ein unterrichtendes - schulendes - Element ist der Anleitung im Veränderungs-Management immanent. Gleiches gilt für die Vermittlung der übergeordneten Zusammenhänge an die F ührungskräfte des Auftraggebers. Prägendes Element der Tätigkeit der Klägerin ist somit die Systemanalyse und die "Beratung" als kommunikativer Akt, die am Ort des Zielunternehmens erfolgen.
Zwar mag es sein dass Zwischenauswertungen, "Zahlenarbeiten" und Arbeitspapiere zu einem gewissen Anteil auch im häuslichen Büro durchgeführt bzw. erstellt werden. Diese Hilfstätigkeiten bewertet das Gericht jedoch als nachrangig und untergeordnet im Vergleich zur geschilderten Leistungserbringung vor Ort im Auftraggeberunternehmen. Das gilt auch für die geschilderten "ausgiebigen" Tests "sich entwickelnder neuer Bearbeitungsschritte" und von "Prozess-Innovationen" im Betriebsstättenbüro.
Nebentätigkeiten wie Rechnungsstellung und Anbahnungskorrespondenz sind ohnehin nicht geeignet, den qualitativen Schwerpunkt in das häusliche Arbeitszimmer zu verlagern. Im Übrigen zeigen die bei der Akte befindlichen Rechnungen, dass die Klägerin nur für eine Handvoll Auftraggeber in teilweise mehrmonatigen Projekten tätig war und nach Tagessätzen abgerechnet hat - das betriebliche Rechnungswesen ist entsprechend unaufwändig.
Nach alledem kommt das Gericht zu dem Urteil, dass sich der qualitative Schwerpunkt der Tätigkeit der Klägerin nicht im häuslichen Arbeitszimmer befunden hat.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung.
3. Über die Klage entscheidet der Einzelrichter aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung.