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  • 15.09.2005 · IWW-Abrufnummer 052683

    Bundesfinanzhof: Urteil vom 30.06.2005 – IV R 20/04

    Bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG können Anschaffungs- oder Herstellungskosten für ein zum Umlaufvermögen gehörendes Grundstück, die im Jahr der Zahlung nicht geltend gemacht worden sind und infolge der Bestandskraft der entsprechenden Veranlagung auch in diesem Jahr nicht mehr geltend gemacht werden können, nicht ohne weiteres im Jahr der ersten "offenen" Veranlagung abgezogen werden. Das gilt auch dann, wenn der Abzug unterblieben ist, weil der Steuerpflichtige fälschlich davon ausgegangen ist, es handle sich bei dem angeschafften Wirtschaftsgut um Privatvermögen.


    Gründe:

    Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Sie verwaltet ein Grundstück in A, das sie seit ihrer Gründung im Jahre 1991 an eine GmbH (Bauunternehmung) verpachtet hat, an der ausnahmslos ihre Gesellschafter beteiligt sind. Das Grundstück stellt eine wesentliche Betriebsgrundlage der GmbH dar. Die infolgedessen bestehende Betriebsaufspaltung wurde zunächst steuerlich nicht berücksichtigt. Die Klägerin behandelte ihre Einkünfte der Jahre 1991 bis 1992 und zunächst auch die des Jahres 1993 als solche aus Vermietung und Verpachtung und gab entsprechende Erklärungen zur gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte ab. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA-- ) erließ entsprechende Feststellungsbescheide, die bestandskräftig wurden.

    Im Jahre 1993 erwarb die Klägerin von einem in finanzielle Schwierigkeiten geratenen Auftraggeber der GmbH ein Grundstück in B, auf dem die GmbH einen Rohbau errichtet hatte. Die Anschaffungskosten beliefen sich auf 86 422 DM. Für dieses Grundstück machte die Klägerin im Rahmen der Ermittlung ihrer --vermeintlichen-- Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung Sonderabschreibungen nach § 4 Abs. 2 des Fördergebietsgesetzes (FördG) in Höhe von 43 211 DM geltend. Das FA veranlagte erklärungsgemäß.

    Mit Schreiben vom 29. November 1995 teilte die Klägerin dem FA mit, dass die "Feststellungserklärung für 1993" geändert werden müsse. Es liege eine Betriebsaufspaltung vor, so dass ihre Einkünfte als solche aus Gewerbebetrieb zu behandeln seien. Zugleich wies die Klägerin darauf hin, dass sie das vorstehend erwähnte Grundstück in B erworben habe, das sie nach Fertigstellung des Rohbaus noch im Jahr 1995 verkaufen werde. In der beigefügten Einnahmen-Überschussrechnung wies sie unter den Betriebsausgaben einen Posten "Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe" in Höhe von rd. 86 422 DM aus. Das FA lehnte die Änderung des Feststellungsbescheides für 1993 unter Hinweis auf dessen Bestandskraft ab.

    Für das Streitjahr (1994) reichte die Klägerin im November 1995 zunächst eine Feststellungserklärung ein, die einen Gewinn in Höhe von 42 697 DM auswies. Im Januar des Folgejahres berichtigte sie diese Erklärung in der Weise, dass sie anstelle der bisher angesetzten Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe in Höhe von 352 DM unter diesem Posten einen um 86 422 DM höheren Betrag --mithin 86 774 DM-- auswies. Das FA folgte bei der Veranlagung der berichtigten Feststellungserklärung und stellte einen Verlust in Höhe von 43 725 DM fest. Außerdem erließ es einen Bescheid über die Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes in Höhe von 36 835 DM.

    Nach Fertigstellung des Gebäudes veräußerte die Klägerin das Grundstück in B im Jahr 1995.

    Im Jahre 1998 fand bei der Klägerin eine Außenprüfung statt. Der Prüfer stellte fest, dass die in der Gewinnermittlung ausgewiesenen Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe die Aufwendungen zum Kauf des Grundstücks in B betrafen. Das zum Verkauf bestimmte Grundstück habe zum Umlaufvermögen gehört. Weil die Mittel bereits im Jahre 1993 abgeflossen seien, sei der Betriebsausgabenabzug im Streitjahr zu versagen. Auf Grund dieser Feststellungen stellte das FA für das Streitjahr einen Gewinn in Höhe von 8 400 DM fest und hob die Gewerbeverlustfeststellung auf.

    Gegen beide Verwaltungsakte erhob die Klägerin nach erfolglosem Einspruch Klage. Sie machte geltend, dass in den Fällen, in denen die vorangegangenen Bescheide wegen eingetretener Bestandskraft nicht mehr geändert werden könnten, die Wirtschaftsgüter mit den Werten anzusetzen seien, die sich bei zutreffender Behandlung ergeben hätten (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 30. Oktober 1997 IV R 76/96, BFH/NV 1998, 578, und vom 12. Oktober 1977 I R 248/74, BFHE 123, 478, BStBl II 1978, 191). Daraus folge für den Streitfall, dass die Aufwendungen für das Grundstück in B im Jahre 1994 als erstem offenen Zeitraum gewinnmindernd zu berücksichtigen seien. Dabei könne es keinen Unterschied machen, ob der Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich oder --wie hier-- im Wege der Einnahmen-Überschussrechnung ermittelt werde.

    Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) vom 4. September 2002 IV 1220/00 ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2004, 1607 veröffentlicht.

    Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin, die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützt ist.

    Die Klägerin beantragt,

    unter Aufhebung des angefochtenen Urteils und der Einspruchsentscheidung des FA vom 13. September 2000

    1. den Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen 1994 dahin gehend zu ändern, dass sich die festzustellenden Einkünfte aus Gewerbebetrieb um 43 211 DM mindern;

    2. den Bescheid über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31. Dezember 1994 dahin gehend zu ändern, dass ein vortragsfähiger Gewerbeverlust in Höhe von 28 404 DM festgesetzt wird.

    Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

    Die Revision ist nicht begründet.

    Das FG hat zutreffend entschieden, dass die angefochtenen Bescheide rechtmäßig sind.

    1. Die noch nicht im Wege der Sonderabschreibung nach § 4 Abs. 2 FördG abgesetzten Anschaffungskosten für das Grundstück in B können den Gewinn des Streitjahres nicht mindern.

    a) Der Senat lässt offen, ob die Klägerin berechtigt war, den Gewinn des Streitjahres (1994) nach § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu ermitteln. Hieran könnten Zweifel bestehen, weil nach ständiger Rechtsprechung des BFH das Wahlrecht zur Gewinnermittlung nach Einnahmenüberschuss-Grundsätzen nur zu Beginn des Gewinnermittlungszeitraums ausgeübt werden kann (BFH-Entscheidungen vom 9. Februar 1999 VIII R 49/97, BFH/NV 1999, 1195; vom 14. Oktober 2003 X B 90/03, BFH/NV 2004, 220; offen lassend Senatsurteil vom 9. November 2000 IV R 18/00, BFHE 193, 436, BStBl II 2001, 102). Nach den Ausführungen der Prozessbevollmächtigten in der Revisionsbegründung wurde jedoch zum ersten Mal anlässlich der Fertigung der Erklärung für 1994 im Oktober 1995 offenbar, dass die Klägerin als Besitzgesellschaft gewerblich tätig war.

    b) Die Frage bedarf keiner Entscheidung, weil die Absetzung der geltend gemachten Anschaffungskosten im Streitjahr auch dann nicht möglich war, wenn man mit den Beteiligten unterstellt, die Klägerin habe ihren Gewinn zu Recht nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt.

    aa) Der Senat geht in Übereinstimmung mit den Beteiligten davon aus, dass das Grundstück im Streitjahr zur Veräußerung bestimmt und somit dem Umlaufvermögen zuzurechnen war. Ermittelt der Steuerpflichtige seine Einkünfte nach § 4 Abs. 3 EStG, so werden die Ausgaben, die mit dem Erwerb von Umlaufvermögen verbunden sind, im Jahr der Verausgabung gewinnwirksam (einhellige Auffassung; vgl. z.B. Senatsurteile vom 12. Juli 1990 IV R 137-138/89, BFHE 162, 34, BStBl II 1991, 13, und vom 26. Mai 1994 IV R 101/93, BFHE 174, 532, BStBl II 1994, 750; Weber-Grellet in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, § 4 Rdnr. D 190; Bergkemper in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 4 EStG Anm. 572; Schmidt/Heinicke, Einkommensteuergesetz, 24. Aufl., § 4 Rz. 390). Das ergibt sich aus § 11 Abs. 2 EStG. Anders als für abnutzbare oder nicht abnutzbare Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens (§ 4 Abs. 3 Satz 3 und 4 EStG) sieht das Gesetz von diesem Grundsatz keine Ausnahme vor.

    bb) Aus § 11 Abs. 2 EStG ergibt sich aber auch, dass Betriebsausgaben, deren Abzug im Rahmen der Einnahmen-Überschussrechnung im Jahr der Verausgabung vergessen worden ist, nicht in einem späteren Jahr abgezogen werden können (BFH-Urteil vom 21. Februar 1967 VI R 295/66, BFHE 88, 316, BStBl III 1967, 386 zum Werbungskostenabzug).

    cc) Daraus folgt, dass Anschaffungs- oder Herstellungskosten für Umlaufvermögen, die im Jahr der Zahlung nicht geltend gemacht worden sind und infolge der Bestandskraft der entsprechenden Veranlagung auch in diesem Jahr nicht mehr geltend gemacht werden können, nicht ohne weiteres im Jahr der ersten "offenen" Veranlagung abgezogen werden dürfen. Das gilt unabhängig vom Grund für den Nichtabzug; also zum einen auch dann, wenn der Steuerpflichtige im Jahr der Zahlung davon ausgegangen ist, es handle sich bei dem angeschafften Wirtschaftsgut nicht um Umlauf-, sondern um Anlagevermögen, bei dem der sofortige Abzug nach § 4 Abs. 3 Satz 3 und 4 EStG nicht in Betracht kommt. Zum anderen ist dieser Grundsatz auch dann anzuwenden, wenn --wie im Streitfall-- der Abzug unterblieben ist, weil der Steuerpflichtige fälschlich davon ausgegangen ist, es handle sich bei dem angeschafften Wirtschaftsgut um Privatvermögen. Das bedeutet nicht, dass die Anschaffungskosten steuerlich endgültig "verloren" wären. Vielmehr mindern sie einen später anfallenden Gewinn aus der Veräußerung oder der Entnahme des Wirtschaftsgutes. Das hat der Senat entschieden für den Fall der Veräußerung eines Wirtschaftsgutes des Anlagevermögens, bei dem die Absetzungen für Abnutzung zu Unrecht unterlassen wurden (Senatsurteil vom 7. Oktober 1971 IV R 181/66, BFHE 103, 564, BStBl II 1972, 271). Nichts anderes kann für Wirtschaftsgüter gelten, die entweder von Anfang an oder zu einem späteren Zeitpunkt als Umlaufvermögen zu qualifizieren waren. Das ergibt sich aus der Notwendigkeit der Angleichung der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG an die Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich, die dadurch begründet ist, dass der Erlös aus der Veräußerung eines solchen Gegenstandes nur dann in voller Höhe als Betriebseinnahme angesetzt werden kann, wenn vorher die Kosten der Anschaffung des Gegenstandes in voller Höhe Betriebsausgaben waren (Senatsurteil in BFHE 103, 564, BStBl II 1972, 271).

    dd) Die Berechtigung zur Nachholung des Abzugs der Anschaffungs- oder Herstellungskosten für Umlaufvermögen im Rahmen der ersten "offenen" Veranlagung lässt sich auch nicht aus den Grundsätzen herleiten, nach denen Rechtsprechung und Finanzverwaltung beim Übergang von der Gewinnermittlung nach Betriebsvermögensvergleich zur Einnahmen-Überschussrechnung verfahren (vgl. BFH-Urteil vom 30. März 1994 I R 124/93, BFHE 175, 46, BStBl II 1994, 852, unter II. 2. a. bb.; Anlage 1 zu R 17 der Einkommensteuer-Richtlinien). Danach ist allerdings beim genannten Wechsel der Gewinnermittlungsart der Warenendbestand des Vorjahres vom Überschuss der Betriebseinnahmen des ersten Jahres der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG abzusetzen. Diese Handhabung ist --worauf die Klägerin zutreffend hinweist-- schon deswegen geboten, weil infolge des Wegfalls der Konten, auf denen die Warenvorräte erfasst sind, eine spätere Zurechnung der Anschaffungskosten der ursprünglich aktivierten Vorräte zu den einzelnen Verkäufen praktisch kaum möglich wäre. Dieses Problem besteht jedoch bei den hier interessierenden Fallgestaltungen nicht. Es handelt sich um die Anschaffungskosten einzelner Wirtschaftsgüter, die geeignet waren, dem Anlage- oder dem Privatvermögen zugerechnet zu werden wie etwa Grundstücke, Kunstgegenstände oder Antiquitäten; also gerade nicht um den von der Klägerin angesprochenen Vorratsbestand eines Handwerksbetriebes. In diesen Fällen bestehen zum einen keine Probleme, dem späteren Verkauf die (Rest-)Anschaffungskosten zuzurechnen. Zum anderen gilt für derartige Vermögensgegenstände die Überlegung, die den Gesetzgeber zur Einführung des § 4 Abs. 3 Satz 4 EStG bewogen hat; nämlich Verzerrungen des Gewinns zu vermeiden, die darin begründet sind, dass die Anschaffungskosten sich sogleich als Betriebsausgaben auswirken würden, während die entsprechenden Einnahmen erst Jahre später anfallen (vgl. Senatsurteil vom 16. Februar 1995 IV R 29/94, BFHE 177, 389, BStBl II 1995, 635, unter 2.). Zwar hat der Gesetzgeber eine solche Gewinnverschiebung in Kauf genommen, indem er im Falle der Anschaffung von Umlaufvermögen das Abflussprinzip des § 11 Abs. 2 EStG gelten lässt (vgl. Senatsurteil in BFHE 162, 34, BStBl II 1991, 13). Das Abflussprinzip rechtfertigt jedoch nicht den Abzug in Jahren, in denen keine Anschaffungs- oder Herstellungskosten gezahlt worden sind. Für das gefundene Ergebnis spricht nicht zuletzt auch, dass es dem Bedürfnis nach Objektivierbarkeit entgegen kommt.

    ee) Die Klägerin kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die Rechtsprechung generell an den Wechsel vom Anlage- zum Umlaufvermögen steuerrechtliche Folgen knüpft --wie etwa im Bereich der Investitionszulage oder der Gewinnübertragung nach § 6b EStG (BFH-Entscheidungen vom 7. September 2000 III R 44/96, BFHE 193, 182, BStBl II 2001, 37; vom 7. November 2000 III R 7/97, BFHE 193, 219, BStBl II 2001, 200; vom 7. September 2000 III B 60/98, BFH/NV 2001, 486; vom 25. Oktober 2001 IV R 47, 48/00, BFHE 197, 109, BStBl II 2002, 289). Es geht hier nicht darum, dass das Grundstück in B im Streitjahr steuerlich nicht dem Umlaufvermögen zuzurechnen wäre. Entscheidend ist vielmehr, dass es --wie dargelegt-- keinen Grundsatz gibt, demzufolge der unterlassene Abzug von Anschaffungs- oder Herstellungskosten vom Umlaufvermögen im ersten Jahr, in dem dies verfahrensrechtlich möglich ist, nachzuholen wäre.

    2. Das FA wird nunmehr zu prüfen haben, ob der bestandskräftige Gewinnfeststellungsbescheid für 1995 nach den Vorschriften der §§ 172 ff. der Abgabenordnung (AO 1977) in der Weise geändert werden kann, dass die noch nicht im Wege der Sonderabschreibung berücksichtigten Anschaffungskosten in Höhe von 43 211 DM den Gewinn aus der Veräußerung des Grundstücks in B mindern. Sollte dies nicht mehr möglich sein, wäre an eine Billigkeitsmaßnahme nach § 227 AO 1977 zu denken.

    RechtsgebietEStGVorschriftenEStG § 4 Abs. 1 EStG § 4 Abs. 3 EStG § 11 Abs. 2