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  • 02.05.2007

    Bundesfinanzhof: Urteil vom 15.03.2007 – VI R 65/05

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Gründe:

    I. Streitig ist, ob das Arbeitszimmer eines Steuerpflichtigen mit einer beruflichen Tätigkeit, die teilweise zu Hause und teilweise auswärts ausgeübt wird, den Mittelpunkt der gesamten Betätigung i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 Halbsatz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) bildet.

    Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) wurden im Streitjahr (2002) zur Einkommensteuer zusammen veranlagt. Der Kläger war als Verkaufsleiter im Tankstellenbereich nichtselbständig tätig. Er betreute Tankstellen in München und Umgebung. Bei seinem in Hamburg ansässigen Arbeitgeber stand ihm kein Arbeitsplatz zur Verfügung. Der Arbeitgeber stellte ihm u.a. Computer, Drucker, Faxgerät, Kopierer, Laptop und Telefon zur Verfügung. Der Kläger nutzte das ausgebaute Dachgeschoss des von ihm und seiner Ehefrau bewohnten Hauses als häusliches Arbeitszimmer. Zum Ausgleich zahlte ihm der Arbeitgeber einen monatlichen Bürokostenzuschuss in Höhe von 130 ¤, der lohnversteuert wurde. Der Kläger machte für das häusliche Arbeitszimmer Aufwendungen in Höhe von 2 158 ¤ geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) ließ mit der Begründung, dass das Arbeitszimmer nicht Mittelpunkt der gesamten beruflichen Tätigkeit des Klägers sei, lediglich Aufwendungen in Höhe von 1 250 ¤ zum Abzug zu.

    Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab.

    Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung von § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG.

    Die Kläger beantragen, die Vorentscheidung und die Einspruchsentscheidung aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid dahin zu ändern, dass die Einkommensteuer um 528 ¤ herabgesetzt wird.

    Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

    II. Die Revision der Kläger ist begründet. Das angefochtene Urteil war aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

    1. Zum Arbeitslohn gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG gehören alle Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden. Arbeitslohn ist jeder mit Rücksicht auf das Dienstverhältnis eingeräumte geldwerte Vorteil, der durch das individuelle Dienstverhältnis veranlasst ist. Danach bezog der Kläger auch in Höhe des von seinem Arbeitgeber für das häusliche Arbeitszimmer gewährten Bürokostenzuschusses Arbeitslohn. Dieser ist nicht im überwiegend eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers gewährt worden (vgl. dazu Senatsentscheidung vom 29. November 2006 VI R 3/04, BFH/NV 2007, 340, m.w.N.).

    2. Nach § 9 Abs. 5 i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 1 EStG sind Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer grundsätzlich nicht als Werbungskosten abziehbar. Ein auf 1 250 ¤ beschränkter Abzug ist nach Satz 2 i.V.m. Satz 3 Halbsatz 1 der letztgenannten Vorschrift in der Fassung bis 2006 u.a. dann möglich, wenn die betriebliche oder berufliche Nutzung des Arbeitszimmers mehr als 50 v.H. der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit beträgt. Die Beschränkung der Höhe nach gilt dann nicht, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet (Satz 3 Halbsatz 2 der Vorschrift).

    a) Das häusliche Arbeitszimmer eines Steuerpflichtigen, der seine berufliche Tätigkeit teilweise in seinem Arbeitszimmer und teilweise außer Haus ausübt, ist "Mittelpunkt" i.S. von § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 Halbsatz 2 EStG, wenn der Steuerpflichtige im Arbeitszimmer diejenigen Handlungen vornimmt und Leistungen erbringt, die für den konkret ausgeübten Beruf wesentlich und prägend sind. Der "Mittelpunkt" bestimmt sich nach dem inhaltlichen (qualitativen) Schwerpunkt der beruflichen Betätigung des Steuerpflichtigen. Wo er liegt, kann nur im Wege einer umfassenden Wertung der Gesamttätigkeit festgestellt werden. Die diesbezügliche Wertung aller Umstände des Einzelfalls obliegt in erster Linie dem FG. Im Rahmen dieser Wertung kommt dem zeitlichen (quantitativen) Umfang der Nutzung des häuslichen Arbeitszimmers lediglich eine indizielle Bedeutung zu. Dabei kann das häusliche Arbeitszimmer selbst dann (noch) den Mittelpunkt einer beruflichen Betätigung bilden, wenn die außerhäuslichen Tätigkeiten überwiegen (vgl. z.B. Senatsentscheidungen vom 13. November 2002 VI R 28/02, BFHE 201, 106, BStBl II 2004, 59; VI R 104/01, BFHE 201, 100, BStBl II 2004, 65; VI R 82/01, BFHE 201, 93, BStBl II 2004, 62; vom 23. Mai 2006 VI R 21/03, BFHE 214, 158, BStBl II 2006, 600; BFH-Urteile vom 23. Januar 2003 IV R 71/00, BFHE 201, 269, BStBl II 2004, 43; vom 16. Dezember 2004 IV R 19/03, BFHE 208, 263, BStBl II 2005, 212; vom 23. März 2005 III R 17/03, BFH/NV 2005, 1537; vom 6. Juli 2005 XI R 87/03, BFHE 210, 493, BStBl II 2006, 18).

    b) Von diesen rechtlichen Grundsätzen weicht das vorinstanzliche Urteil ab. Zwar wird in den Entscheidungsgründen auf die Bedeutung des qualitativen Aspekts für die Würdigung der beruflichen Tätigkeit des Klägers hingewiesen. Im Ergebnis hat das FG jedoch bei seiner Wertung ausschließlich auf quantitative Gesichtspunkte abgestellt und diesen damit eine mehr als nur indizielle Bedeutung beigemessen.

    3. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG hat keine hinreichenden Feststellungen zum Berufsbild des Klägers und zum qualitativen Mittelpunkt seiner beruflichen Tätigkeit getroffen. Die Sache geht daher zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurück.

    RechtsgebietEStG