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  • 06.11.2014 · IWW-Abrufnummer 143208

    Finanzgericht Schleswig-Holstein: Urteil vom 28.02.2014 – 5 K 183/11

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Finanzgericht Schleswig-Holstein

    Urt. v. 28.02.2014

    Az.: 5 K 183/11

    In dem Rechtsstreit
    wegen Einkommensteuer 2006
    hat der 5. Senat des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts am 28. Februar 2014
    für Recht erkannt:
    Tenor:

    Die Klage wird abgewiesen.

    Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger.

    Die Revision wird zugelassen.
    Tatbestand

    Die Beteiligten streiten darüber, ob das von der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein aus der sogenannten erweiterten Honorarverteilung gezahlte Ruhegeld als nachträgliche Einkünfte aus selbständiger Arbeit oder als sonstige Einkünfte nach § 22 Abs. 1 Nr. 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe a.A. EStG zu versteuern ist.

    Die Kläger sind Eheleute, die bis zur Beendigung ihrer Berufstätigkeit als Zahnärzte selbständig freiberuflich tätig waren. In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2006 erklärte der Kläger u.a. Einnahmen aus einer berufsständischen Versorgungseinrichtung in Höhe von 6.094 EUR als Renteneinnahmen (Beginn 01. April 2004). Dabei handelte es sich um Zahlungen nach den "Vorschriften für die erweiterte Honorarverteilung als Berufsunfähigen (Alters-) und Hinterbliebenenfürsorge der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein (AIHV)". Nach § 2 der AIHV werden die zur Erfüllung der Ansprüche gemäß § 2 erforderlichen Mittel vierteljährlich durch einen festzusetzenden prozentualen Abzug von den über die Kassenzahnärztliche Vereinigung Schleswig-Holstein abgerechneten Honoraren und Festzuschüssen der gesetzlichen Krankenkassen und der sonstigen Kostenträger gewonnen und bereitgestellt. Gemäß § 3 und § 4 AIHV werden unter dort geregelten Voraussetzungen Zahlungen aus der erweiterten Honorarverteilung als Ruhegeld bzw. Witwen-, Witwer- und Waisengeld geleistet. Zur Entscheidung über Leistungen aus der AIHV wird gemäß § 9 als Ausschuss ein Kuratorium gebildet. Ansprüche auf Leistungen können nach § 11 AIHV nicht erhoben werden, sollte die erweiterte Honorarverteilung durch behördliche Maßnahmen oder Beschluss der Vertreterversammlung geändert oder eingestellt werden.

    Der Beklagte folgte der Steuererklärung und besteuerte in dem Einkommensteuerbescheid für 2006 vom 14. Oktober 2008 und dem geänderten Bescheid vom 13. Oktober 2009, die jeweils unter dem Vorbehalt der Nachprüfung standen, 50% der Einnahmen als sonstige Einkünfte im Sinne des § 22 Abs. 1 Nr. 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe a.A. EStG.

    Aufgrund einer Kontrollmitteilung des Finanzministeriums des Landes Schleswig-Holstein erließ der Beklagte den gemäß § 164 Abs. 2 AO geänderten Einkommensteuerbescheid für 2006 vom 17. Mai 2011 und berücksichtigte die Zahlungen in Höhe von 6.094 EUR nunmehr als nachträgliche Einkünfte aus selbständiger Arbeit im Sinne des § 18 EStG. In den Erläuterungen wurde ausgeführt, dass die Ruhegeldzahlungen nach den Grundsätzen des BFH-Urteils vom 6. März 1959 (BStBl. 1959 III, Seite 231) steuerlich als nachträgliche Einkünfte im Sinne des § 24 Nr. 2 EStG bei den Einkünften aus selbständiger Arbeit gemäß § 18 EStG zu erfassen seien.

    Hiergegen legten die Kläger Einspruch ein und machten geltend, dass es zum Zeitpunkt des Erlasses des BFH-Urteils und der dazu ergangenen Verwaltungsanweisung vom 13. Oktober 1997 keine einschlägige gesetzliche Norm für die Besteuerung von Leistungen aus berufsständischen Versorgungswerken gegeben habe. Dies habe sich mit Wirkung ab 2005 mit der Schaffung des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe a.A. EStG, also mit dem Alterseinkünftegesetz vom 5. Juli 2004 geändert. Zu den durch § 22 EStG erfassten Einkünften gehörten durch ausdrückliche Nennung auch die Leistungen aus berufsständischen Versorgungseinrichtungen. Auch werde mit dem BMF-Schreiben vom 24. Februar 2005 (BStBl. I 2005, 429) in der Rz. 104 ein Berechnungsbeispiel über die Bestimmung des Vomhundertsatzes bei Leistungen aus einem berufsständischen Versorgungswerk gebracht, woraus eindeutig zu entnehmen sei, dass bei einem Beginn vor 2005 der Satz 50% betrage. Im aktualisierten BMF-Schreiben vom 30. Januar 2008 (BStBl. 2008 I S. 390) werde in der Rz. 96 ausgeführt: "Leistungen aus berufsständischen Versorgungseinrichtungen werden nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe a.A. EStG besteuert, unabhängig davon, ob die Beiträge als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe a EStG berücksichtigt wurden. Die Besteuerung erfolgt auch dann nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe a.A. EStG, wenn die berufsständische Versorgungseinrichtung keine den gesetzlichen Rentenversicherungen vergleichbaren Leistungen erbringen." Zudem habe der Gesetzgeber sich in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise dafür entschieden, alle Basis-Altersversorgungssysteme unterschiedslos dem System der nachgelagerten Besteuerung zu unterwerfen. Dies habe der BFH in seinem Urteil vom 19. Januar 2010 X R 53/08 auch unter ausdrücklicher Anführung des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe a.A. EStG klargestellt.

    Mit Einspruchsentscheidung vom 18. August 2011 wurde der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen. Hinsichtlich der Begründung wird auf die Einspruchsentscheidung Bezug genommen.

    Hiergegen haben die Kläger am 14. September 2011 Klage erhoben. Die Kläger wiederholen zunächst ihre Begründung aus dem Einspruchsverfahren und tragen ergänzend vor: Der Beklagte habe es vernachlässigt, festzustellen, ob er und der Steuerpflichtige dieser Verwaltungslinie bezüglich der Regelung der von der Kassenzahnärztlichen Vereinigung (KZV) zunächst einbehaltenen Honorare überhaupt gefolgt seien. Nach der Fachliteratur sei es durchaus Praxis gewesen, Kapitalauszahlungen aus einem berufsständischen Versorgungswerk unter vergleichbaren Voraussetzungen wie bei einer Kapitallebensversicherung (laufende Beitragszahlung, Vertragslaufzeit von 12 Jahren) durch entsprechende Anwendung des sogenannten Kapitallebensversicherungsprivilegs in § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG a.F. nicht zu besteuern. Vor diesem Hintergrund sei z.B. von der Arbeitsgemeinschaft der berufsständischen Versorgungseinrichtungen vorgebracht worden, für Kapitalauszahlungen müsse auch ab 2005 das sogenannte Versicherungsprivileg weiter zur Anwendung kommen, da es sich um sogenannte Altanwartschaften handele. So sei auch im vorliegenden Fall festzustellen, dass die von der Kassenzahnärztlichen Vereinigung einbehaltenen Beträge in den gesamten Gewinnermittlungen durch Gegenüberstellung der betrieblichen Einnahmen und Ausgaben voll als Betriebseinnahmen erfasst worden seien und somit in vollem Umfang der Besteuerung der Einkünfte aus der freiberuflichen Tätigkeit unterlegen hätten. Im Gegenzug sei eine Zuordnung zu den Sonderausgaben erfolgt. Bezeichnend sei auch, dass für die Zahnarztpraxis beständig Betriebsprüfungen durchgeführt worden seien. In vier Prüfungen seien die Jahre 1979 bis 1982, 1983 bis 1986, 1987 bis 1990 und zuletzt das Jahr 1995 geprüft worden. Die Handhabung hinsichtlich der steuerlichen Erfassung der KZV-Beiträge als Betriebseinnahmen sei in keinem Fall beanstandet worden. Die jetzt vom Finanzamt ungeprüft vorgenommene Versteuerung der Auszahlungen der Kassenzahnärztlichen Vereinigung ohne Berücksichtigung der bereits erfolgten Versteuerung aller KZV-Einbehalte im Rahmen der damaligen Gewinnermittlungen bewirke eine unzulässige doppelte Besteuerung dieser Beträge. Das Altersruhegeld fließe in gleichbleibenden monatlichen Beträgen zu (geringfügige gelegentliche Schwankungen nur bei Abzug von Spenden). Da die Ruhegeldzahlungen aus einem sogenannten Honorarverteilungsfonds geleistet würden, wäre allenfalls eine anteilige Besteuerung gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe bb EStG in Höhe des entsprechenden Ertragsanteils in Erwägung zu ziehen. In den jetzt erteilten Steuerbescheiden werde der hier unverändert bestehende Sachverhalt zu Ungunsten des Steuerpflichtigen berücksichtigt, obwohl er nur einmal hätte berücksichtigt werden dürfen (§ 174 Abs. 1 AO).

    Mit der Schaffung des Alterseinkünftegesetzes und der Schaffung der gesetzlichen Norm des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe a.A. EStG unterlägen Leistungen aus berufsständischen Versorgungswerken ausnahmslos der nachgelagerten Besteuerung, unabhängig auch davon, ob die Beiträge z.B. als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchstabe a EStG berücksichtigt worden seien. Auch der BFH habe nochmals mit seinem zuletzt ergangenen Urteil vom 07. Februar 2013 VI R 83/10, BStBl. II 2013, 573, die Entscheidung des Gesetzgebers auf unterschiedslose Unterwerfung sämtlicher Basis-Altersversorgungssysteme der nachgelagerten Besteuerung bekräftigt. Der Gesetzgeber habe ebenso mit der fehlenden Bestandsschutzregelung erkennen lassen, dass er auch für die vorgefundene Ausgestaltung der sogenannten erweiterten Honorarverteilung keine andere Regelung habe treffen wollen. Auch könne es an der steuerlichen Zuordnung der hier in Rede stehenden Leistungen keinen Zweifel geben. Die Herrschaft der gesetzlichen Neuregelung sei vorrangig. Auf die Vorschriften für die erweiterte Honorarverteilung als Berufsunfähigen (Alters-) und Hinterbliebenenfürsorge der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein (AIHV) mit der Ausrichtung auf die erweiterte Honorarverteilung als Vorsorge a) bei Berufsunfähigkeit (Ruhegeld); b) bei Tod (Witwen- und Waisengeld); (§ 3 Abs. 2 Satzung der KZV Schleswig-Holstein) werde verwiesen. Auch die Äußerungen in der neueren Literatur seien wenig hilfreich, da sich diese auf BFH-Rechtsprechung vor der ab 2005 bestehenden Gesetzesregelung stütze. Schließlich werde auch noch auf das BMF-Schreiben vom 19. August 2013, BStBl. I 2013, 1087, Rz. 202 - 205 und auf das Urteil des BFH vom 23. Oktober 2013 X R 3/12 hingewiesen, nach dem mit dem Inkrafttreten des Alterseinkünftegesetzes die einmaligen Leistungen ebenso wie die laufenden Renten der berufsständischen Versorgungswerke mit dem sogenannten Besteuerungsanteil, der im Jahr 2005 50% betragen habe und der jährlich ansteige, der Besteuerung unterworfen würden. Im vorliegenden Streitfall fielen die Rentenzahlungen der AIHV in den Bereich der Basisversorgung und unterlägen ab 2005 der nachgelagerten Besteuerung. Zugleich werde auf die Differenzierung des BFH in seinem Urteil X R 18/10 vom 15. Mai 2013 (Beiträge bzw. Versorgungsleistungen für Bezirks-Schornsteinfegermeister) hingewiesen.

    Die Kläger beantragen,

    den geänderten Einkommensteuerbescheid für 2006 vom 17. Mai 2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18. August 2011 aufzuheben.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Er bezieht sich zur Begründung auf den Inhalt der Einspruchsentscheidung. Ergänzend trägt er vor, es sei für die Beurteilung der Frage, ob die Bezüge aus der AIHV nachträgliche Einkünfte im Sinne des § 18 EStG darstellten, nicht von Bedeutung, ob die an die AIHV abgeführten Beiträge während der aktiven Tätigkeit des Klägers bereits als Betriebseinnahmen erfasst worden seien. Eine fehlerhafte steuerliche Behandlung in der Vergangenheit, die im Widerspruch zu den Grundsätzen des BFH-Urteils vom 6. März 1959 - VI 130/55 U (BStBl. III 1959, 231) und der Verfügung der vormaligen OFD Kiel vom 13. Oktober 1997 stehe, habe nicht zur Folge, dass die Leistungen der AIHV ebenfalls rechtsfehlerhaft nicht als nachträgliche Betriebseinnahmen anzusetzen seien. Dies gelte auch dann, wenn die Besteuerung der Zahlungen der AIHV als nachträgliche Einkünfte im Sinne des § 18 EStG ggf. zu einer Doppelbesteuerung führe. Dies ergebe sich aus dem Grundsatz der Abschnittsbesteuerung. Danach sei bei jeder Veranlagung der Sachverhalt erneut zu ermitteln und rechtlich zu beurteilen, so dass die Finanzbehörde an die Sachbehandlung im früheren Veranlagungszeitraum nicht gebunden sei. Die Ausführungen in den Rz. 202 bis 205 des BMF-Schreibens vom 19. August 2013 seien nur anwendbar, wenn die betreffenden Altersbezüge sonstige Einkünfte im Sinne des § 22 EStG darstellten, nicht jedoch, wenn es sich wie im Streitfall um (nachträgliche) Einkünfte aus einer der in § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 EStG bezeichneten Einkunftsarten handele (vgl. § 22 Nr. 1 Satz 1 EStG).

    Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des übrigen Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie 1 Bd. Einkommensteuerakten und 1 Bd. Rechtsbehelfsakten Bezug genommen.
    Entscheidungsgründe

    Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der angefochtene Einkommensteuerbescheid für 2006 vom 17. Mai 2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18. August 2011 ist nicht rechtswidrig und verletzt die Kläger daher nicht in ihren Rechten; eine Aufhebung kommt somit nicht in Betracht (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).

    Sonstige Einkünfte sind gemäß § 22 Nr. 1 Satz 1 EStG Einkünfte aus wiederkehrenden Bezügen, soweit sie nicht zu den in § 2 Abs. 1 Nummer 1 bis 6 EStG bezeichneten Einkunftsarten gehören. Deshalb können zum Beispiel wiederkehrende Bezüge, die im Rahmen einer anderen Einkunftsart anfallen, etwa die Pensionsbezüge eines Arbeitnehmers (§ 24 Nr. 2 i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 4 und § 19 Abs. 1 EStG), nicht lediglich mit einem Ertragsanteil versteuert werden, wie das z.B. bei den Renten aus der gesetzlichen Angestelltenversicherung der Fall ist. Die unterschiedliche steuerrechtliche Behandlung von Pensionen einerseits und Angestelltenversicherungsrenten andererseits liegt darin begründet, dass nur die erstgenannten aus früheren Dienstleistungen resultieren, während den Versicherungsrenten unmittelbar nicht das frühere Dienstverhältnis, sondern das Versicherungsverhältnis zugrunde liegt. Die aus diesem Versicherungsverhältnis fließenden Renten sind daher nicht nachträgliches Entgelt für frühere Dienstleistungen, sondern die Gegenleistung der Versicherung an den Versicherungsnehmer für die von diesem oder für diesen geleisteten Prämien (BFH-Urteil vom 22.09.1976 IV R 112/71, BFHE 120, 197, BStBl II 1977, 29 [BFH 22.09.1976 - IV R 112/71]).

    Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) handelt es sich bei Zahlungen aus der sogenannten "erweiterten Honorarverteilung" um nachträgliche Einkünfte aus selbständiger Arbeit nach § 24 Nr. 2 EStG in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Nr. 3 und § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG und nicht um sonstige Einkünfte nach § 22 EStG. Bereits in seinem Urteil vom 06.03.1959 VI 130/55 U (BFHE 68, 604, BStBl III 1959, 231) hatte der BFH entschieden, dass in der Einbehaltung von Honoraren durch die Kassenärztliche Vereinigung zugunsten eines Honorarsonderfonds lediglich ein Verteilungsmodus zu sehen sei. Die dem Kassenarzt aus dem Honorarsonderfonds gewährten Leistungen seien betriebliche Einnahmen, auch wenn diese auch unter Umständen erst nach der Aufgabe der Praxis anfielen. Ein Zufluss der Leistungen liege erst im Zeitpunkt der Zahlungen aus dem Fonds vor. In seinem Urteil vom 14.04.1966 IV 335/65 (BFHE 85, 442, BStBl III 1966, 458), bei dem es um die Versteuerung solcher Leistungen ging, schloss sich der 4. Senat des BFH dem Urteil vom 06.03.1959 VI 130/55 U an und bejahte das Vorliegen von nachträglichen Einnahmen im Sinne von § 24 Nr. 2 EStG. Diese Rechtsprechung bekräftigte der BFH in seinem Urteil vom 22.09.1976 IV R 112/71 (BFHE 120, 197, BStBl II 1977, 29 [BFH 22.09.1976 - IV R 112/71]), das die Bezüge eines Kassenarztes aus der sogenannten "erweiterten Honorarverteilung" der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen betraf. Entscheidend sei, dass es sich hier, was auch das Urteil VI 130/55 U betont habe und worauf auch die Bezeichnung "erweiterte Honorarverteilung" hindeute, lediglich um einen Honorarverteilungsmodus handele. Dabei erscheine es wirtschaftlich sinnvoll und systemgerecht, den Kassenärzten erst das als Betriebseinnahmen zuzurechnen, was sie dereinst durch die erweiterte Honorarverteilung effektiv erhielten, und nicht das, was als Teil der Gesamtvergütung dem Sonderfonds zugeführt werde und was keineswegs beim einzelnen Arzt dem entspreche, was er unter Umständen später aus dem Fonds erhalte. Der Arzt habe zwar bei Erfüllung bestimmter Voraussetzungen auf Bezüge aus diesem Fonds einen Anspruch, nicht aber auf die von der Honorarverteilung ausgenommenen Gesamtvergütungsanteile. Daher seien nicht diese Anteile, sondern die (späteren) tatsächlichen Bezüge aus der erweiterten Honorarverteilung Betriebseinnahmen, und zwar, auch wenn der Arzt als Kassenarzt nicht mehr tätig sei, nach § 24 Nr. 2 i.V.m. § 2 Abs. 3 Nr. 3 und § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG 1965 im Rahmen der Einkünfte aus selbständiger Arbeit. Damit aber scheide eine Besteuerung als sonstige Einkünfte nach § 22 EStG aus (BFH-Urteil vom 22.09.1976 IV R 112/71, BFHE 120, 197, BStBl II 1977, 29 [BFH 22.09.1976 - IV R 112/71]).

    Das Schrifttum ist dieser Rechtsprechung gefolgt und hat auch nach Inkrafttreten des Alterseinkünftegesetzes keine Veranlassung gesehen, die Rechtslage abweichend zu beurteilen (vgl. Wacker in Schmidt, EStG, 33. Auflage, § 24 Rz. 58; Horn in Hermann/Heuer/Raupach, EStG, § 24 Rz. 73 und 76; Geserich in Kirchhof/Söhn, EStG, § 24 Rz. C 12; Görke in Frotscher, EStG, § 24 Rz. 69; Stuhrmann in Blümich, EStG, § 24 Rz. 61; Mellinghoff in Kirchhof, EStG, 12. Auflage, § 24 Rz. 30; Claßen in Lademann, EStG, § 24 Rz. 83).

    Ausgehend von den Grundsätzen der Rechtsprechung des BFH, der sich der Senat anschließt, handelt es sich im Streitfall bei den strittigen Zahlungen aus der sogenannten "erweiterten Honorarverteilung" um nachträgliche Einkünfte aus selbständiger Arbeit nach § 24 Nr. 2 EStG in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Nr. 3 und § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG und nicht um sonstige Einkünfte nach § 22 EStG. Nach § 2 der Vorschriften für die erweiterte Honorarverteilung als Berufsunfähigen- (Alters-) und Hinterbliebenenfürsorge der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein (AIHV) werden die zur Erfüllung der Ansprüche gemäß § 2 erforderlichen Mittel vierteljährlich durch einen festzusetzenden prozentualen Abzug von den über die Kassenzahnärztliche Vereinigung Schleswig-Holstein abgerechneten Honoraren und Festzuschüssen der gesetzlichen Krankenkassen und der sonstigen Kostenträger gewonnen und bereitgestellt. Gemäß § 3 und § 4 werden unter dort geregelten Voraussetzungen Zahlungen aus der erweiterten Honorarverteilung als Ruhegeld bzw. Witwen-, Witwer- und Waisengeld geleistet. Über Leistungen aus der AIHV entscheidet gemäß § 9 ein als Ausschuss gebildetes Kuratorium. Nach § 11 können keine Ansprüche auf Leistungen erhoben werden, sofern die erweiterte Honorarverteilung durch behördliche Maßnahmen oder Beschluss der Vertreterversammlung geändert oder eingestellt würden. Diese Vorschriften der AIHV regeln einen Honorarverteilungsmodus, worauf schon die Bezeichnung als "erweiterte Honorarverteilung" hinweist. Gestützt wird dies durch die Präambel der AIHV, wonach die Maßnahmen der AIHV zur Steuerung der dringendsten Not erforderlich seien. Es werde jedoch ausdrücklich erklärt, "dass es unser Ziel sein muss, auf möglichst breiter Basis unter Zusammenfassung aller freiberuflich Tätigen eine umfassende Versorgungseinrichtung zu schaffen."

    Der wirtschaftliche Zusammenhang mit der früheren Einkunftserzielung des Klägers aus seiner Zahnarztpraxis liegt vor, da die Einkünfte aus den Zahlungen der AIHV in wirtschaftlichem Zusammenhang mit der beendeten freiberuflichen Tätigkeit als Zahnarzt stehen. Die Bezüge haben auch nicht den Charakter von Versicherungsleistungen, weil sie nicht aus den Zahnärzten bereits zugeflossenen Betriebseinnahmen gespeist werden. Da somit nachträgliche Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 und § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG vorliegen, ist die Annahme von sonstigen Einkünften nach § 22 EStG, die subsidiär sind, ausgeschlossen.

    An dieser Rechtslage hat sich zur Überzeugung des Senats auch durch das Inkrafttreten des Alterseinkünftegesetzes zum 1. Januar 2005 nichts geändert. Denn § 22 EStG enthält weiterhin den Grundsatz der Subsidiarität, d.h. § 22 tritt grundsätzlich hinter alle anderen Einkunftsarten zurück (so § 22 Nr. 1 Satz 1 EStG, vgl. hierzu Weber-Grellet in Schmidt, EStG, 32. Auflage, § 22 Rz. 8). Dies gilt jedenfalls für die von den Klägern für anwendbar gehaltenen Regelungen des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe a.A. bzw. bb EStG, die hier nicht greifen, weil wiederkehrende Bezüge nach § 24 Nr. 2 i.V.m. § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG und damit vorrangig nach § 2 Abs. 1 EStG zu besteuernde Einkünfte vorliegen. Deshalb kommt es auf die von den Klägern angeführte Rechtsprechung des BFH, die sich auf Rechtsfragen zur Auslegung der Einzelregelungen des § 22 EStG bezieht, nicht an, da die strittigen Bezüge bereits keine Einkünfte nach § 22 EStG sind.

    Der Gleichheitssatz des Art. 3 des Grundgesetzes (GG) gebietet es nicht, den Kläger mit seinen Bezügen aus der erweiterten Honorarverteilung so zu behandeln, als wenn er eine Angestelltenversicherungsrente oder Leistungen aus einem berufsständischen Versorgungswerk erhalten würde. Dies ist schon deshalb unzutreffend, weil hier ungleiche Sachverhalte bestehen, da der Kläger Leistungen aus der erweiterten Honorarverteilung von der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein erhält und nicht aus dem Versorgungswerk der Zahnärztekammer Schleswig-Holstein. Im Übrigen wird der Kläger, ebenso behandelt wie die große Gruppe der pensionsbeziehenden Arbeitnehmer, bei denen gedanklich auch, wie beim Kläger, der Verdienst zum Teil (ohne Zufluss beim Arbeitnehmer) zurückbehalten und dann später als Versorgungsbezug im Rahmen der entsprechenden Einkunftsart versteuert wird (vgl. BFH-Urteil vom 22.09.1976 IV R 112/71, BFHE 120, 197, BStBl II 1977, 29 [BFH 22.09.1976 - IV R 112/71]).

    Ob der Kläger in der Vergangenheit während seiner aktiven Tätigkeit Honorareinbehalte seitens der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein als Betriebseinnahmen erfasst und versteuert hat, kann hier offen bleiben, weil es einer zutreffenden Besteuerung im Streitjahr nicht entgegenstünde. Denn es gilt das Prinzip der Abschnittsbesteuerung. Danach sind grundsätzlich in jedem Veranlagungszeitraum die Besteuerungsgrundlagen erneut zu prüfen und rechtlich zu würdigen. Eine als falsch erkannte Rechtsauffassung muss zum frühestmöglichen Zeitpunkt aufgegeben werden, selbst wenn sie schon über eine längere Zeitspanne vertreten worden ist und der Steuerpflichtige auf ihren Fortbestand vertraut und in diesem Vertrauen Dispositionen getroffen hat. Nur im Fall einer verbindlichen Zusage kann eine stärkere Bindung an ein früheres Verhalten der Finanzbehörde gegeben sein (Rüsken in Klein, AO, 11. Auflage, § 163 Rn. 58 m.w.N.). Es bestehen hier indes keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte den Klägern eine diesbezügliche Zusage gemacht hat. Dies wird auch von den Klägern nicht vorgetragen.

    Die Frage einer widerstreitenden Steuerfestsetzung gemäß § 174 AO stellt sich nicht in dem vorliegenden Klageverfahren, sondern betrifft allenfalls die Frage, inwieweit die früheren Einkommensteuerbescheide geändert werden könnten. Die Vorschrift enthält zudem kein Verbot, die zutreffende, jedoch hinsichtlich eines möglicherweise nicht mehr änderbaren anderen Bescheides widersprüchliche Steuerfestsetzung vorzunehmen (Rüsken in Klein, AO, 11. Auflage, § 174 Rn. 2 m.w.N.).

    Nach alledem war die Klage abzuweisen.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

    Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen.

    RechtsgebietEStGVorschriften§ 19 Abs. 1 EStG; § 22 Nr. 1 S. 1 EStG