13.02.2015 · IWW-Abrufnummer 143851
Finanzgericht Schleswig-Holstein: Urteil vom 01.10.2014 – 2 K 272/12
Liposuktion ist eine wissenschaftlich nicht anerkannte Behandlungsmethode i. S. d. § 64 Abs. 1 Nr. 2 f. EStDV i. d. F. des StVeinfG 2011.
Aufwendungen für Liposuktionen sind nicht als außergewöhnliche Belastung abziehbar, da die medizinische Notwendigkeit nicht durch ein zuvor erstelltes amtsärztliches Attest oder ein Zeugnis des Medizinischen Dienstes der Krankenkasse nachgewiesen wurde.
Finanzgericht Schleswig-Holstein
Urt. v. 01.10.2014
Az.: 2 K 272/12
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Inhaltsübersicht
In dem Rechtsstreit
wegen Einkommensteuer 2010
hat der 2. Senat des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 01. Oktober 2014
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Kläger begehren die Berücksichtigung von Aufwendungen für die Beseitigung von Lipödemen (Fettabsaugung an den Beinen) als Krankheitskosten bei den außergewöhnlichen Belastungen nach § 33 Einkommensteuergesetz (EStG).
Die Kläger sind verheiratet und werden zusammen zur Einkommensteuer (ESt) veranlagt. Im Rahmen der ESt-Erklärung für 2010 machten sie u. a. Aufwendungen für die Beseitigung von Lipödemen in Höhe von 5.500,00 € als außergewöhnliche Belastung geltend. Die Krankenkasse teilte der Klägerin mit Schreiben vom 13. September 2012 mit, dass sie sich nicht an den Kosten der Liposuktion im Jahre 2010 beteiligen könne. "Die Therapie ist keine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherungen". Das Finanzamt folgte diesem Antrag nicht und setzte die ESt für 2010 mit Bescheid vom 15. Oktober 2012 auf 10.500,00 fest. Mit fristgerechtem Einspruch wurde vorgetragen, dass die Erkrankung der Klägerin an einem Lipödem erblich bedingt sei. Die von der Krankenkasse empfohlene Therapie hätte nicht zur Beseitigung der Ursache geführt. Ihr Arzt habe ihr daher zu einer Operation geraten. Die Entfernung der Fettzellen sei die einzige Methode, die Erkrankung zu beseitigen. Eine schriftliche Empfehlung aus dieser Zeit gebe es nicht, da die Operation ohnehin privat bezahlt worden sei. Ein amtsärztliches Zeugnis oder ein Zeugnis des Medizinischen Dienstes der Krankenkasse wurde weder vor den Operationen noch danach eingeholt. Fotos vor der ersten Operation liegen nicht (mehr) vor. Eine Szintigraphie nach der zweiten OP würde den bekannten Zustand (Lipödem) bestätigen. Die Klägerin reichte die Berichte der A vom 02. November 2010 und der B vom 18. November 2010, die Atteste des Arztes C vom 12. Oktober 2012 und vom 23. Oktober 2012, sowie das Attest der Ärztin D vom 12. November 2012 ein. Weiter wurde ein fachärztliches Gutachten von Herrn Dr. E vom 12. Januar 2011 vorgelegt. Danach sei die Erstvorstellung am 26. Oktober 2009 erfolgt und als Diagnose "schmerzhaftes Lipödem der Beine Stad. II (Mb. Derkum)" bestätigt worden.
Mit Teil-Einspruchsentscheidung vom 30. November 2012 wurde der Einspruch insoweit als unbegründet zurückgewiesen. Offen blieb die Verfassungsmäßigkeit des Abzugs einer zumutbaren Belastung (§ 33 Abs. 3 EStG) bei der Berücksichtigung von Aufwendungen für Krankheit oder Pflege als außergewöhnliche Belastung. Der Erlass einer Teil-Einspruchsentscheidung sei sachdienlich im Sinne des § 367 Abs. 2a Satz 1 Abgabenordnung (AO).
Nach § 33 Abs. 1 EStG werde, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands erwachsen (außergewöhnliche Belastung), auf Antrag die ESt dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung übersteige, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen.
Nach § 64 Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) habe der Steuerpflichtige den Nachweis der Zwangsläufigkeit von Aufwendungen im Krankheitsfall zu erbringen. In den Fällen des § 64 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe a-f durch ein amtsärztliches Gutachten oder eine ärztliche Bescheinigung eines Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (§ 275 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch). Der nach Satz 1 zu erbringende Nachweis müsse vor Beginn der Heilmaßnahme oder dem Erwerb des medizinischen Hilfsmittels ausgestellt worden sein.
Der BFH habe in seinem Urteil vom 11. November 2010 zwar seine bisherige Rechtsprechung aufgegeben, wonach Aufwendungen nach § 33 EStG nur abzugsfähig seien, wenn die medizinische Indikation der ihnen zugrunde liegenden Behandlung durch ein amtsärztliches oder vertrauensärztliches Gutachten oder ein Attest eines anderen öffentlich-rechtlichen Trägers nachgewiesen sei. In einem weiteren Urteil vom 19. April 2012 (VI R 74/10) habe er jedoch die Neuregelung des § 64 EStDV bestätigt und als verfassungsrechtlich unbedenklich eingestuft. Nach § 64 EStDV sei der Nachweis für Arznei-, Heil- und Hilfsmittel durch Verordnung eines Arztes oder Heilpraktikers zu führen, bei Kuren, psychotherapeutischen Behandlungen, medizinisch erforderlichen auswärtigen Unterbringung von Kindern, Betreuung des Steuerpflichtigen durch eine Begleitperson sowie wissenschaftlich nicht anerkannte Behandlungsmethoden durch Vorlage eines vor Beginn der Maßnahme ausgestellten amtsärztlichen Attests.
Die Entfernung des Lipödems sei weder dem Bereich des § 64 Abs. 1 Nr. 1 noch dem Bereich des Nr. 2 EStDV zuzuordnen. Da eine Regelung in § 64 EStDV damit nicht vorliege, sei die bisherige Rechtsprechung des BFH anzuwenden (BFH-Urteil vom 19. April 2012, a.a.O.). Die Beseitigung von Lipödemen sei eine Art der Operation, die häufig nur aus kosmetischen Gründen durchgeführt werde. Weil die medizinische Erforderlichkeit solcher Maßnahmen schwer zu beurteilen sei, sei daher ein vor der Behandlung ausgestelltes amtsärztliches oder vertrauensärztliches Gutachten bzw. eine ärztliche Bescheinigung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung erforderlich, aus der sich die Krankheit und die medizinische Notwendigkeit der den Aufwendungen zugrunde liegenden Behandlung zweifelsfrei ergebe. Aufwendungen für ärztliche Maßnahmen, bei denen nicht eindeutig feststehe, ob sie zur Heilung oder Linderung einer Krankheit erforderlich seien, habe daher der BFH seit jeher nur als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt, wenn durch ein amtsärztliches Gutachten vor der Behandlung die medizinische Indikation nachgewiesen worden sei. In seinem Beschluss vom 24. November 2006 (III B 57/06) führe er aus, dass bei Operationen, die häufig nur aus kosmetischen Gründen durchgeführt würden, es dem Steuerpflichtigen zuzumuten sei, fachlichen Rat einzuholen, unter welchen Voraussetzungen Aufwendungen für derartige Operationen steuerlich berücksichtigt würden. In diesem Fall sei wie in dem vom BFH am 24. November 2006 entschiedenen Fall der besondere Charakter der Behandlung für die Klägerin dadurch erkennbar, dass die Krankenkasse die Aufwendungen hierfür nicht übernommen habe. Aus den von der Klägerin vorgelegten Unterlagen und Bestätigungen der behandelnden Ärzte könne eine Zwangsläufigkeit der Aufwendungen nicht erkannt werden.
Hiergegen richtet sich die vorliegende Klage. Wie das Finanzamt in seiner Teil-Einspruchsentscheidung vom 30. November 2012 zutreffend festhalte, sei die Entfernung des Lipödems weder dem Bereich des § 64 Abs. 1 Nr. 1 noch dem Bereich der Nr. 2 EStDV zuzuordnen. Aus § 64 EStDV ergebe sich mithin das Erfordernis der vorherigen Einholung eines amtsärztlichen Gutachtens nicht. Nach Auffassung des Finanzamts finde die Rechtsprechung des BFH, wie sie vor der Änderung des § 64 EStDV gegolten habe, Anwendung. Letzteres treffe indes nicht zu. In seinem Urteil vom 19. April 2012 (XI R 74/10, BStBl II 2012, 577 [BFH 19.04.2012 - VI R 74/10]) habe der BFH sich nicht von seiner bisherigen Rechtsprechung, soweit es nicht die nunmehr in § 64 EStDV geregelten Fälle betreffe, abgewandt. Mit Urteil vom 11. November 2010 (XI R 16/09, BStBl II 2011, 966 [BFH 11.11.2010 - VI R 16/09]) habe der BFH die Rechtsprechung zum formalisierten Nachweisverlangen aufgegeben. Diese Rechtsprechung finde auf die nicht in § 64 EStDV geregelten Fälle weiterhin Anwendung, wie sich aus dem Urteil des BFH vom 29. März 2012 (VI R 21/11, DStR 2012, 1174) ergebe. Danach sei nach allgemeinen Beweisregeln über die Zwangsläufigkeit zu entscheiden. Ob eine Maßnahme zwangsläufig im Sinne des § 33 Abs. 1 EStG sei, unterliege der freien Beweiswürdigung des Gerichts. Ein Gutachten sei daher nicht zwingend im Vorwege zu erstellen, sondern könne noch während des finanzgerichtlichen Verfahrens eingeholt werden. Eine sachliche Notwendigkeit für ein vor Beginn der Behandlung erstelltes Gutachten sei zudem nicht erkennbar, da der Steuerpflichtige ohnehin die Beweislast trage. Es komme hinzu, dass ein Vorab-Nachweis der Angemessenheit von steuerlich abzugsfähigen Kosten wesensfremd, die Regelung des § 64 EStDV im ESt-Recht wohl beispiellos sei (Haupt, DStR 2012, 1541).
Vorliegend seien die Operationen zwangsläufig gewesen. Es habe sich nicht um eine bloß kosmetische Operation gehandelt, sondern diese sei erforderlich und medizinisch zur Linderung des erblichen Leidens der Klägerin indiziert sowie zur Vermeidung einer (weiteren) Verschlechterung der gesundheitlichen Situation dringend angezeigt gewesen, nachdem konventionelle Behandlungsmethoden keinen Erfolg gezeigt hätten.
Das Finanzamt vertrete die Auffassung, dass sich aus dem bisherigen Sachvortrag der Klägerin nicht ergebe, dass der vorliegende mit dem vom 5. Senat des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichtes (Urteil vom 14. August 2013 5 K 238/12) entschiedenen Fall vergleichbar sei, insbesondere dass das Lipödem der Klägerin Krankheitswert gehabt habe. Richtig sei, dass die Klägerin nicht an einem Lymphödem leide. Dieses sei erst Folgeerkrankung eines Lipödems und der Lipohypertrophie, wenn man nicht rechtzeitig Abhilfe schaffe. Die trete als Folge der Lipödems nach vielen Jahren auf. Das Finanzamt merke an, dass auch nach der durchgeführten Operation keine Besserung eingetreten sei, also nicht auszuschließen sei, dass die Schmerzen der Klägerin eine ganz andere Ursache hätten. Hierzu sei darauf hinzuweisen, dass die Behandlung abschnittsweise erfolgen müsse. Bei der Operation seien großflächig Gewebebereiche verletzt worden, die erst abheilen müssten, bevor der nächste Schritt operiert werden könne. Die Abheilung dauere Monate. Jede Operation dauere für sich bereits mehrere Stunden und müsse auch verkraftet werden. Eine Verbesserung sei erst spürbar, wenn die Absaugung komplett erfolgt sei und nicht bereits nach der ersten Operation. Vor der Operation am 28. März 2011 sei die Hinterseite der Oberschenkel bereits zweimal und Teilbereiche der Vorderseite einmal abgesaugt worden. Die gekennzeichneten Bereiche würden zeigen, dass es im Wesentlichen um die Vorderseite und die Unterschenkel gegangen sei. Dies dürfte genügen, um nachzuweisen, dass die Klägerin nicht aus kosmetischen Gründen Übergewicht verlieren wollte. Vor der Operation habe die Klägerin - wie heute noch - zwischen X und Y kg bei einer Größe von 1,68 m gewogen. Die letzte Operation der Klägerin sei am 21. Oktober 2013 erfolgt.
In der mündlichen Verhandlung trug die Klägerin vor, dass die gesetzliche Krankenkasse mittlerweile die Kosten für derartige Operation übernehmen würde. Private Krankenkassen hätten bei medizinischer Indikation bereits früher gezahlt. Sie sei bis zum Jahr 2000 falsch behandelt worden. Nach den Operationen sei sie jetzt austherapiert.
Die Kläger beantragen,
den ESt-Bescheid für 2010 vom 15. Oktober 2012 in Gestalt der Teil-Einspruchsentscheidung vom 30. November 2012 dahingehend zu ändern, dass daraus weitere 5.500,00 € als außergewöhnliche Belastung in Ansatz gebracht werden.
Das Finanzamt beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Finanzamt verbleibe bei der bereits bekannten Rechtsauffassung, dass durch das Urteil des BFH vom 19. April 2012 (VI R 74/10) bestätigt werde, dass der Nachweis der Zwangsläufigkeit der Aufwendungen für die Fettabsaugung durch Vorlage eines amtsärztlichen Attestes zu erfolgen habe. Der Verordnungsgeber habe das formalisierte Nachweisverlangen rückwirkend anordnen dürfen. Damit habe der Gesetzgeber die Rechtslage auch mit Wirkung für die Vergangenheit so geregelt, wie sie bis zur Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung durch die Urteile des BFH (BFHE 232, 34, [BFH 11.11.2010 - VI R 16/09] BStBl II 2011, 966 [BFH 11.11.2010 - VI R 16/09] und in BFHE 232, 40, [BFH 11.11.2010 - VI R 17/09] BStBl II 2011 969 [BFH 11.11.2010 - VI R 17/09]) einer gefestigten Rechtsprechung (BFH-Urteile vom 14. Februar 1980 VI R 218/77, BFHE 130, 54, BStBl II 1980, 295 [BFH 14.02.1980 - VI R 218/77]; in BFHE 133, 545, [BFH 17.07.1981 - VI R 77/78] BStBl II 1981, 711 [BFH 17.07.1981 - VI R 77/78]; vom 11. Januar 1991 III R 70/88, BFH/NV 1991, 386; vom 11. Dezember 1987 III R 95/85, BFHE 152, 131, BStBl II 1988, 275 [BFH 11.12.1987 - III R 95/85]; in BFHE 149, 222, [BFH 13.02.1987 - III R 208/81] BStBl II 1987, 427 [BFH 13.02.1987 - III R 208/81]; vom 09. August 1991 III R 54/90, BFHE 165, 272, BStBl II 1991, 920 [BFH 09.08.1991 - III R 54/90]; in BFHE 195, 144, [BFH 01.02.2001 - III R 22/0] BStBl II 2001, 543 [BFH 01.02.2001 - III R 22/0]; vom 09. August 2001 III R 6/01, BFHE 196, 492, BStBl II 2002, 240 [BFH 09.08.2001 - III R 6/01]; vom 23. Mai 2002 III R 52/99, BFHE 199, 287, BStBl II 2002, 592 [BFH 23.05.2002 - III R 52/99]; vom 21. April 2005 III R 45/03, BFHE 209, 365, BStBl II 2005, 602 [BFH 21.04.2005 - III R 45/03]; vom 15. März 2007 III R 28/06, BFH/NV 2007, 1841; BFH-Beschlüsse vom 10. Dezember 2004 III B 56/04, [...]; vom 24. November 2006 III B 57/06, BFH/NV 2007, 438 und vom 15. November 2007 III B 205/06, BFH/NV 2008, 368) und der einhelligen Praxis der Finanzverwaltung (R 33.4 Abs. 1 EStR) und damit allgemeiner Rechtsanwendungspraxis auch auf Seiten des Steuerpflichtigen entsprochen habe. In dem Fall des BFH-Beschlusses vom 24. November 2006 habe der BFH die Notwendigkeit eines vor Beginn der Behandlung ausgestellten amtsärztlichen Attestes zur Berücksichtigung von Aufwendungen für eine Fettabsaugung ausdrücklich bestätigt. Aus dem eingereichten Zeugnis von Herrn Dr. E lasse sich ableiten, dass die Klägerin im Gegensatz zur Klägerin des vom 5. Senat entschiedenen Streitfalls übergewichtig gewesen sei. Zudem sei es sehr allgemein gehalten und lasse aus Sicht des Finanzamtes keine Rückschlüsse darauf zu, dass das Lipödem bereits Krankheitswert gehabt habe. Zusammenfassend stehe nach Überzeugung des Finanzamts nicht fest, ob die durchgeführten Operationen aus kosmetischen Gründen oder aus ausschließlich medizinischen Gründen durchgeführt worden seien.
In der mündlichen Verhandlung vertrat die Vertreterin des Finanzamts die Auffassung, dass der Streitfall unter § 64 Abs. 1 Nr. 2f EStDV falle. An der gegenteiligen Äußerung in der Einspruchsentscheidung halte sie nicht mehr fest.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Der angefochtene Verwaltungsakt ist rechtmäßig und verletzt die Kläger daher nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung -FGO-). Der Abzug der geltend gemachten Aufwendungen für die Liposuktion als außergewöhnliche Belastung nach § 33 Abs. 1 EStG wurde zu Recht versagt, weil die medizinische Notwendigkeit dieser Maßnahme nicht durch ein zuvor erstelltes amtsärztliches Attest oder ein Zeugnis des Medizinischen Dienstes der Krankenkasse nachgewiesen wurde.
Nach § 33 Abs. 1 EStG wird die Einkommensteuer auf Antrag ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung) erwachsen. Zwangsläufig erwachsen dem Steuerpflichtigen Aufwendungen dann, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umst änden nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG). Ziel des § 33 EStG ist es, zwangsläufige Mehraufwendungen für den existenznotwendigen Grundbedarf zu berücksichtigen, die sich wegen ihrer Außergewöhnlichkeit einer pauschalen Erfassung in allgemeinen Freibeträgen entziehen. Aus dem Anwendungsbereich des § 33 EStG ausgeschlossen sind dagegen die üblichen Aufwendungen der Lebensführung, die in Höhe des Existenzminimums durch den Grundfreibetrag abgegolten sind (u.a. BFH-Urteil vom 29. September 1989 III R 129/86, BFHE 158, 380, BStBl II 1990, 418 [BFH 29.09.1989 - III R 129/86]).
1. In ständiger Rechtsprechung geht der BFH davon aus, dass Krankheitskosten -ohne Rücksicht auf die Art und die Ursache der Erkrankung- dem Steuerpflichtigen aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig erwachsen. Allerdings werden nur solche Aufwendungen als Krankheitskosten berücksichtigt, die zum Zwecke der Heilung einer Krankheit (z.B. Medikamente, Operation) oder mit dem Ziel getätigt werden, die Krankheit erträglich zu machen, beispielsweise Aufwendungen für einen Rollstuhl (BFH-Urteile vom 17. Juli 1981 VI R 77/78, BFHE 133, 545, BStBl II 1981, 711 [BFH 17.07.1981 - VI R 77/78]; vom 13. Februar 1987 III R 208/81, BFHE 149, 222, BStBl II 1987, 427, [BFH 13.02.1987 - III R 208/81] und vom 20. März 1987 III R 150/86, BFHE 149, 539, BStBl II 1987, 596 [BFH 20.03.1987 - III R 150/86]).
2. Aufwendungen für die eigentliche Heilbehandlung werden typisierend als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt, ohne dass es im Einzelfall der nach § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG an sich gebotenen Prüfung der Zwangsläufigkeit des Grundes und der Höhe nach bedarf (BFH-Urteile vom 1. Februar 2001 III R 22/00, BFHE 195, 144, BStBl II 2001, 543, [BFH 01.02.2001 - III R 22/0] und vom 3. Dezember 1998 III R 5/98, BFHE 187, 503, BStBl II 1999, 227, [BFH 03.12.1998 - III R 5/98] m.w.N.). Eine derart typisierende Behandlung der Krankheitskosten ist zur Vermeidung eines unzumutbaren Eindringens in die Privatsphäre geboten (BFH-Urteil in BFHE 195, 144, [BFH 01.02.2001 - III R 22/0] BStBl II 2001, 543 [BFH 01.02.2001 - III R 22/0]). Dies gilt aber nur dann, wenn die Aufwendungen nach den Erkenntnissen und Erfahrungen der Heilkunde und nach den Grundsätzen eines gewissenhaften Arztes zur Heilung oder Linderung der Krankheit angezeigt (vertretbar) sind und vorgenommen werden (vgl. BFH-Urteil vom 18. Juni 1997 III R 84/96, BFHE 183, 476, BStBl II 1997, 805 [BFH 18.06.1997 - III R 84/96]), also medizinisch indiziert sind (BFH-Urteil vom 19. April 2012 VI R 74/10, BFHE 237, 156, BStBl II 2012, 577 [BFH 19.04.2012 - VI R 74/10]).
3. Allerdings hat der Steuerpflichtige die Zwangsläufigkeit von Aufwendungen im Krankheitsfall in einer Reihe von Fällen formalisiert nachzuweisen. Bei krankheitsbedingten Aufwendungen für Arznei-, Heil- und Hilfsmittel (§§ 2, 23, 31 bis 33 SGB V) ist dieser Nachweis nach § 64 Abs. 1 Nr. 1 EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 durch eine Verordnung eines Arztes oder Heilpraktikers zu führen; bei Aufwendungen für Maßnahmen, die ihrer Art nach nicht eindeutig nur der Heilung oder Linderung einer Krankheit dienen können und deren medizinische Indikation deshalb schwer zu beurteilen ist, verlangt § 64 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchst. a bis f EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 in einer abschließenden Aufzählung (vgl. BFH-Urteile vom 6. Februar 2014 VI R 61/12, BStBl II 2014, 458 und vom 29. März 2012 VI R 21/11, BFHE 237, 93, BStBl II 2012, 574 [BFH 29.03.2012 - VI R 21/11]; Schmidt/Loschelder, EStG, 33. Aufl., § 33 Rz 34) ein vor Beginn der Heilmaßnahme oder dem Erwerb des medizinischen Hilfsmittels ausgestelltes amtsärztliches Gutachten oder eine vorherige ärztliche Bescheinigung eines Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (§ 275 SGB V; BFH-Urteil vom 26. Februar 2014 VI R 27/13, BB 2014, 1622), aus dem sich die Krankheit und die medizinische Notwendigkeit der den Aufwendungen zugrunde liegenden Behandlung zweifelsfrei ergibt (BFH-Urteil vom 1. Februar 2001 III R 22/00, BFHE 195, 144, BStBl II 2001, 543 [BFH 01.02.2001 - III R 22/0]). Hinsichtlich des Erfordernisses einer vorherigen amtsärztlichen Begutachtung ist dem Steuerpflichtigen die Inanspruchnahme fachlicher Beratung grundsätzlich zuzumuten (BFH-Urteile vom 14. August 1997 III R 67/96, BFHE 183, 561, BStBl II 1997, 732 [BFH 14.08.1997 - III R 67/96] und vom 10. Oktober 1996 III R 118/95, BFH/NV 1997, 337). Dass die Anleitung der Finanzverwaltung zur Einkommensteuererklärung keinen Hinweis auf die Notwendigkeit einer vorherigen amtsärztlichen Begutachtung enthält, rechtfertigt es nicht, von diesem Erfordernis abzusehen. Ein nachträglich erstelltes amtsärztliches Gutachten hat der BFH nur ausnahmsweise dann als Nachweis ausreichen lassen, wenn das Erfordernis einer vorherigen amtlichen Begutachtung für bestimmte Aufwendungen erstmals höchstrichterlich aufgestellt worden war und vom Steuerpflichtigen deshalb nicht erwartet werden konnte, dass er dieses Erfordernis kennt (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteil vom 21. April 2005 III R 45/03, BFHE 209, 365, BStBl II 2005, 602, [BFH 21.04.2005 - III R 45/03] und BFH-Beschluss vom 20. November 2003 III B 44/03, BFH/NV 2004, 335).
Ein solcher qualifizierter Nachweis ist -aufgrund der in § 84 Abs. 3f EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 angeordneten verfassungsrechtlich unbedenklichen rückwirkenden Geltung des § 64 EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 (BFH-Urteil vom 6. Februar 2014 VI R 61/12, BStBl II 2014, 458 m.w.N.) auch im Streitjahr- beispielsweise bei Bade- und Heilkuren (§ 64 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchst. a EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011) sowie bei wissenschaftlich nicht anerkannten Behandlungsmethoden, wie z.B. Frisch- und Trockenzellenbehandlungen, Sauerstoff-, Chelat- und Eigenbluttherapie (§ 64 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchst. f EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011), erforderlich.
Mit der aufgrund des § 33 Abs. 4 EStG i.d.F. des StVereinfG 2011 ergangenen Regelung des § 64 Abs. 1 EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 hat der Gesetzgeber die bisherige Verwaltungsauffassung zum Nachweis der Zwangsläufigkeit von Krankheitskosten in R 33.4 Abs. 1 der Einkommensteuer-Richtlinien in das EStG bzw. die EStDV übertragen. Hierzu sah er sich aus Gründen der Rechtssicherheit und zur Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens veranlasst (BRDrucks 54/11, 12 f.; BTDrucks 17/6105, 2), nachdem der BFH mit Urteilen vom 11. November 2010 (VI R 16/09, BFHE 232, 34, BStBl II 2011, 966 [BFH 11.11.2010 - VI R 16/09] und in BFHE 232, 40, [BFH 11.11.2010 - VI R 17/09] BStBl II 2011, 969 [BFH 11.11.2010 - VI R 17/09]) entschieden hat, dass das formalisierte Nachweisverlangen mangels gesetzlicher Grundlage keinen Bestand haben könne. Das Anliegen des Gesetzgebers, durch die "Neuregelung" Rechtssicherheit zu schaffen, spricht für eine wortgetreue Auslegung der Vorschrift (BFH-Urteil vom 6. Februar 2014 VI R 61/12, BStBl II 2014, 458).
a) Nach § 64 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 hat der Steuerpflichtige den Nachweis der Zwangsläufigkeit von Aufwendungen im Krankheitsfall für wissenschaftlich nicht anerkannte Behandlungsmethoden durch ein vor Beginn der Heilmaßnahme ausgestelltes amtsärztliches Gutachten oder eine vor Beginn der Heilma ßnahme ausgestellte ärztliche Bescheinigung eines Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung zu erbringen.
aa) Nach dem Wortlaut der gesetzlichen Regelung ist zu unterscheiden zwischen wissenschaftlich nicht anerkannten Behandlungsmethoden und wissenschaftlich anerkannten Behandlungsmethoden.
(1) Geserich (Der Nachweis der Zwangsläufigkeit von Krankheitskosten nach der Neuregelung im StVereinfG 2011, a.a.O.) vertritt zwar die Auffassung, die gesetzliche Neuregelung in § 64 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f durch das StVereinfG 2011 fordere den strengen amtlichen Nachweis nur bei wissenschaftlich nicht anerkannten Behandlungsmethoden, nicht aber bei wissenschaftlich umstrittenen Behandlungsmethoden, so dass auch zukünftig zwischen wissenschaftlich umstrittenen und wissenschaftlich nicht anerkannten Methoden zu unterscheiden sei, da nur letztere dem strengen amtlichen Nachweiserfordernis nach § 64 Abs. 1 Buchst. f EStDV unterlägen. Er stützt seine Auffassung darauf, dass der BFH bislang lediglich zwischen allgemein anerkannten (schul)medizinischen und wissenschaftlich umstrittenen Behandlungsmethoden differenziere und hierzu nicht nur sog. Außenseitermethoden, sondern im Ergebnis alle alternativen Behandlungsmethoden zähle. Diese pauschale Betrachtung greife jedoch zu kurz, da auch die Behandlungsmethoden, Arzneimittel und Heilmittel der besonderen Therapierichtungen -in § 2 Abs. 1 Satz 2 SGB V; hierzu zählen die Homöopathie, Anthroposophie und Phytotherapie [Pflanzenheilkunde]-, wissenschaftlich anerkannte Heilmethoden seien, die nach festgelegten Regeln in der Praxis individuell angewandt und kontinuierlich mit modernen wissenschaftlichen Methoden weiter entwickelt werden. Nach Auffassung von Geserich sei ein erster Schritt auf dem Weg zu einer differenzierteren Betrachtungsweise bereits vollbracht, da der BFH in seiner neuesten Rechtsprechung (BFH-Urteil vom 2. September 2010, VI R 11/09, BStBl. II 2011, 119) eine Außenseitermethode -immunbiologische Krebsabwehrtherapie mit Ukrain- von den anerkannten schulmedizinischen und naturheilkundlichen Behandlungen abgegrenzt habe.
Im Streitfall war die Erkrankung der Klägerin aber nicht derart lebensbedrohlich wie die schwerwiegende Erkrankung der verstorbenen Ehefrau des dortigen Klägers, der dem Fall des BFH (Urteil vom 2. September 2010 VI R 11/09, BStBl. II 2011, 119) zugrunde lag. Für einen solchen Fall bestimmt zudem die Regelung des § 2 Abs. 1a SGB V, dass Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, auch eine von § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V abweichende Leistung beanspruchen können, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Zudem hat der BFH in dem Urteil vom 2. September 2010 (VI R 11/09, a.a.O.) ausdrücklich offengelassen, ob bei Behandlungen mit wissenschaftlich umstrittenen Methoden der Nachweis der medizinischen Indikation durch eine amts- oder vertrauensärztliche Begutachtung unerlässlich ist. Der BFH hat in dem dort entschiedenen Fall zudem darauf abgestellt, dass es sich bei der immunbiologischen Krebsabwehrtherapie um eine gezielte therapeutische Maßnahme handelte, die durch eine gesetzlich zur Ausübung der Heilkunde zugelassene Person, einen Facharzt für Allgemeinmedizin, Chirotherapie und Naturheilverfahren, durchgeführt worden ist. Allein dieses Abgrenzungskriterium führt nach Ansicht des Senats im Streitfall aber nicht weiter, da auch die in § 64 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 als Beispiele für wissenschaftlich nicht anerkannte Behandlungsmethoden aufgeführten therapeutischen Maßnahmen, wie z.B. Frisch- und Trockenzellenbehandlungen, Sauerstoff-, Chelat- und Eigenbluttherapie, regelmäßig von gesetzlich zur Ausübung der Heilkunde zugelassenen Personen als sog. "Igel"-Leistungen zur gezielten Therapie für verschiedene Beeinträchtigungen des Gesundheitszustandes eingesetzt werden. Hinzu kommt, dass der Vorbehalt des § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V gilt, wonach neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zu Lasten der Krankenkassen erst nach Empfehlung durch die Bundesausschüsse der Ärzte und Krankenkassen erbracht werden dürfen.
(2) Der BGH hat in seiner Rechtsprechung zur Unwirksamkeit der leistungsbeschränkenden Wissenschaftlichkeitsklausel in privaten Krankenversicherungsbedingungen eine klare Unterscheidung zwischen wissenschaftlich anerkannten und wissenschaftlich nicht anerkannten Behandlungsmethoden vorgenommen. "Wissenschaftlich allgemein anerkannt" bezieht sich allein auf die Schulmedizin (vgl. BGH-Urteil vom 23. Juni 1993 IV ZR 135/92, NJW 1993, 2369; FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 20. September 2013 3 K 1443/12, EFG 2014, 279). Auch diese Rechtsprechung spricht daher dafür, dass die gesetzliche Regelung des in § 64 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 nach dem Wortlaut allein zwischen wissenschaftlich nicht anerkannten Behandlungsmethoden und wissenschaftlich anerkannten Behandlungsmethoden unterscheidet.
(3) Allein der Umstand, dass es Anhänger der Methode gibt, die deren Wirksamkeit behaupten, kann jedenfalls nicht dazu führen, dass es sich um eine "nur" wissenschaftlich umstrittene Behandlungsmethode handelt, welche nach Ansicht von Geserich (Der Nachweis der Zwangsläufigkeit von Krankheitskosten nach der Neuregelung im StVereinfG 2011, a.a.O.) nicht unbedingt dem Nachweiserfordernis des § 64 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStDV unterfällt. Denn wollte man dies ausreichen lassen, so wäre diese Voraussetzung für jede abweichende medizinische Behandlungsmethode erfüllt, da jedenfalls der nach dieser Methode behandelnde Arzt deren Unwirksamkeit bestreitet und deren Wirksamkeit behauptet. Auch führt der Umstand, dass eine Behandlungsmethode im Einzelfall zu dem gewünschten therapeutischen Ergebnis f ührt, nicht dazu, diese als "nur" wissenschaftlich umstrittene Behandlungsmethode und nicht als wissenschaftlich nicht anerkannte Behandlungsmethode anzusehen (vgl. Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 12. Februar 1998 - L 4 KR 67/96, a.a.O.; Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße, Urteil vom 14. Dezember 2011 - 1 K 592/11.NW, [...]).
bb) Für eine wortgetreue Auslegung spricht auch die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG). Das BSG entschied, dass ein Anspruch auf Kostenerstattung von der Krankenkasse für eine ambulante ärztliche Liposuktion daran scheitert, dass der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) die neue Methode der Fettabsaugung nicht positiv empfohlen hat (1) und kein Ausnahmefall vorliegt, in welchem dies entbehrlich ist (2).
(1) Eine Kostenerstattung ist bei neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung gemäß § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V nur dann der Fall, wenn der GBA in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V eine positive Empfehlung über den diagnostischen und therapeutischen Nutzen der Methode abgegeben hat. Durch Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 i.V.m. § 135 Abs. 1 SGB V wird nämlich nicht nur geregelt, unter welchen Voraussetzungen die zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Leistungserbringer (Ärzte, Zahnärzte usw.) neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zu Lasten der Krankenkassen erbringen und abrechnen dürfen. Vielmehr wird durch diese Richtlinien auch der Umfang der den Versicherten von den Krankenkassen geschuldeten ambulanten Leistungen verbindlich festgelegt (vgl. BSG, Urteil vom 16. Dezember 2008 B 1 KR 11/08 R, SozR 4-2500 § 13 Nr 19 / [...] m.w.N.).
Ärztliche "Behandlungsmethoden" im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) sind medizinische Vorgehensweisen, denen ein eigenes theoretisch-wissenschaftliches Konzept zugrunde liegt, das sie von anderen Therapieverfahren unterscheidet und das ihre systematische Anwendung in der Behandlung bestimmter Krankheiten rechtfertigen soll (vgl. BSG-Urteil vom 16. Dezember 2008, a.a.O.). "Neu" ist eine Methode, wenn sie - wie die Liposuktion - zum Zeitpunkt der Leistungserbringung nicht als abrechnungsfähige ärztliche Leistung im Einheitlichen Bewertungsmaßstab für vertragsärztliche Leistungen (EBM-Ä) enthalten ist (vgl. BSG-Urteil vom 16. Dezember 2008, a.a.O., m.w.N.). Als nicht vom GBA empfohlene neue Methode ist die ambulante Fettabsaugung bei Lipödemen mithin grundsätzlich kein Leistungsgegenstand der GKV (vgl. auch BSG, Beschluss vom 12. Februar 2014 B 1 KR 30/13, [...]).
Von einer wissenschaftlich allgemein anerkannten Behandlungsmethode kann nur dann ausgegangen werden, wenn eine ausreichende Zahl zuverlässiger und wissenschaftlich nachprüfbarer Aussagen aus der Fachwelt vorliegt. Diese Aussagen müssen wiederum auf einer ausreichenden Anzahl von qualitativ überzeugend dokumentierten Behandlungsfällen beruhen, die den Erfolg der Behandlungsmethode objektivierbar machen. Zum Nachweis besonders geeignet sind deshalb methodisch hochwertige, kontrollierte klinische Studien. Liegen derartige Studien nicht vor, können andere, hinreichend aussage- und beweiskräftige Studien herangezogen werden. Schließlich sind im Sinne einer Gesamtbetrachtung wissenschaftlich fundierte Expertenmeinungen zu berücksichtigen (so OVG Lüneburg, Urteil vom 22. Januar 2013 5 LB 50/11, [...] - keine Beihilfe). Nach dem OVG Lüneburg kann die Liposuktion gemessen daran zur Behandlung des Lipödems nicht als wissenschaftlich allgemein anerkannt angesehen werden. Es fehle an klinischen Untersuchungen und Studien, die hinsichtlich ihrer Methodik wissenschaftlichen Ansprüchen genügen. Das OVG Lüneburg stützt seine Einschätzung auf ein eingeholtes Sachverständigengutachten vom 9. Juni 2009 sowie auf das "Gutachten Liposuktion bei Lip- und Lymphödemen" der Sozialmedizinischen Expertengruppe 7 des Medizinischen Dienstes des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen e.V. vom 6. Oktober 2011. Nach dem Sachverständigengutachten sei die Liposuktion als Behandlungsmethode des Lipödems keine anerkannte Standardtherapie. Auch die Leitlinien würden von einer konservativen Therapie als Standardtherapie ausgehen. Die Liposuktion reduziere das Fettgewebe, es sei aber wissenschaftlich nicht hinreichend bewiesen, dass damit auch eine nachhaltige Reduktion der Lipödembeschwerden einhergehe. Diese Einschätzung würde das - zu einer sozialversicherungsrechtlichen Fragestellung erstellte - Gutachten der Sozialmedizinischen Expertengruppe 7 bestätigen. Das Gutachten zeige, dass es bislang keine kontrollierte klinische Studie zur Liposuktion zur Behandlung von Lipödemen gebe. Es würden lediglich Leitlinien bestehen, z.B. die Leitlinie "Lipödem der Beine" der Deutschen Gesellschaft für Phlebologie in der letzten Fassung vom 25. Juni 2009. Darin werde auf zwei Untersuchungen mit 19 Patientinnen über acht Jahre bzw. 75 Patientinnen über maximal viereinhalb Jahre Bezug genommen. Derartige Nachbeobachtungen bzw. Untersuchungen mit kleinen Fallzahlen bzw. von geringem zeitlichem Umfang seien nicht geeignet, eine Therapie als wissenschaftlich allgemein anerkannt gelten zu lassen (OVG Lüneburg, Urteil vom 22. Januar 2013, a.a.O.).
Mangels hinreichender Daten ist die Wirksamkeit der Methode somit nicht ausreichend nachgewiesen (so auch SG Dortmund, Urteil vom 29. Januar 2014 S 40 KR 1359/11 und Thüringer Landessozialgericht, Beschluss vom 29. August 2012 L 6 KR 49/12 B, [...] m.w.N.). Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der GBA mit Beschluss vom 22. Mai 2014 nunmehr ein Beratungsverfahren zur Bewertung der Liposuktion bei Lipödem eingeleitet hat.
(2) Ein Ausnahmefall, in dem es keiner Empfehlung des GBA bedarf, liegt hier nicht vor. Eine verfassungskonforme Auslegung setzt u.a. voraus, dass eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende (vgl. BSGE 96, 170 [BSG 04.04.2006 - B 1 KR 7/05 R] = SozR 4-2500 § 31 Nr. 4, jeweils RdNr. 21 und 30 m.w.N. - Tomudex) oder eine zumindest wertungsmäßig damit vergleichbare Erkrankung vorliegt (vgl. BSGE 96, 153 [BSG 04.04.2006 - B 1 KR 12/04 R] = SozR 4-2500 § 27 Nr. 7, jeweils RdNr. 31 - D-Ribose; FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 20. September 2013 3 K 1443/12, EFG 2014, 279; Joussen in Beck'scher Online-Kommentar, Sozialrecht, § 2 SGB V Rn. 4 ff.). Daran fehlt es. Mit dem Kriterium einer Krankheit, die zumindest mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung in der Bewertung vergleichbar ist, ist eine strengere Voraussetzung umschrieben, als sie etwa mit dem Erfordernis einer "schwerwiegenden" Erkrankung für die Eröffnung des sog. Off-Label-Use (vgl dazu BSGE 89, 184 ff. [BSG 19.03.2002 - B 1 KR 37/0 R] = SozR 3-2500 § 31 Nr. 8 - Sandoglobulin) formuliert ist (vgl. BSG SozR 4-2500 § 31 Nr. 8 RdNr. 17 - Mnesis; BSG SozR 4-2500 § 27 Nr. 10 RdNr. 34 - Neuropsychologische Therapie). Einen solchen Schweregrad erreichen die - wenn auch schmerzhaften - Lipödeme der Klägerin nach dem gesamten Vorbringen nicht.
Schließlich hat auch die Techniker Krankenversicherung eine Erstattung der Aufwendungen für die Behandlungsmethode abgelehnt, da die Therapie in 2010 keine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherungen war.
cc) Insgesamt ist daher nach Auffassung des Senats eine wortgetreue Auslegung des § 64 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 vorzunehmen.
(4) Unter Anwendung dieser Grundsätze können die Aufwendungen für die Liposuktion im Streitjahr nicht als außergewöhnliche Belastungen nach § 33 EStG abgezogen werden, da es sich um eine wissenschaftlich nicht anerkannte Behandlungsmethode im Sinne des § 64 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchst. f EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 handelt und unstreitig kein vor Beginn der Heilmaßnahme ausgestelltes amtsärztliches Gutachten oder eine vorherige ärztliche Bescheinigung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung vorliegt. Nach § 64 Abs. 2 EStDV haben die zuständigen Gesundheitsbehörden auf Verlangen des Steuerpflichtigen die für steuerliche Zwecke erforderlichen Gesundheitszeugnisse, Gutachten oder Bescheinigungen auszustellen. Nach der ausdrücklichen Gesetzesfassung der EStDV muss nach § 64 Abs. 1 Satz 2 EStDV der nach Satz 1 zu erbringende Nachweis vor Beginn der Heilmaßnahme oder dem Erwerb des medizinischen Hilfsmittels ausgestellt worden sein. Der Einholung eines Sachverständigen-Gutachtens im Finanzgerichtsverfahren bedurfte es daher nicht.
(5) Es besteht kein Vertrauensschutz. Aufwendungen für ärztliche Maßnahmen, bei denen nicht eindeutig feststeht, ob sie zur Heilung oder Linderung einer Krankheit erforderlich sind, hat der BFH seit jeher nur als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt, wenn durch ein amtsärztliches Gutachten vor der Behandlung die medizinische Indikation nachgewiesen war. Bei Operationen, die häufig nur aus kosmetischen Gründen durchgeführt werden, ist es daher dem Steuerpflichtigen zuzumuten, fachlichen Rat einzuholen, unter welchen Voraussetzungen Aufwendungen für derartige Operationen steuerlich berücksichtigt werden. Im Streitfall war der besondere Charakter der Behandlungen für die Kläger auch erkennbar, weil sie von vornherein wussten, dass die Krankenkasse die Aufwendungen hierfür nicht übernimmt; sie haben deshalb auch keinen Antrag vor der Operation gestellt (vgl. BFH-Beschluss vom 24. November 2006 III B 57/06, BFH/NV 2007, 438).
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 135 FGO.
Die Revision war zuzulassen, da der BFH im Verfahren VI R 51/13 die Revision zugelassen hat.