Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • 24.05.2007

    Bundesfinanzhof: Urteil vom 14.03.2007 – XI R 59/05

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Gründe:

    I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Krankengymnast und betreibt eine Praxis für Krankengymnastik. Im Streitjahr 1997 beschäftigte er einen angestellten Krankengymnasten. Außerdem waren fünf freie Mitarbeiter tätig. Der Kläger arbeitete auch selbst als Krankengymnast.

    Er erklärte im Streitjahr 1997 Einnahmen aus freiberuflicher Tätigkeit in Höhe von 555 835 DM und Aufwendungen für Löhne und Gehälter in Höhe von 58 589 DM sowie für freie Mitarbeiter in Höhe von 247 380 DM.

    Mit den freien Mitarbeitern hatte der Kläger einen Vertrag nach dem Muster des schriftlichen Vertrages mit X vom 1. Februar 1997 abgeschlossen. Darin heißt es u.a.:

    "1. Herr/Frau ... nimmt vom ... an in der vom Praxisinhaber selbständig geführten Krankengymnastikpraxis eine Tätigkeit als freier Mitarbeiter auf.

    2. Der freie Mitarbeiter bestimmt seine Tätigkeit in der Praxis bzw. im Rahmen von Hausbesuchen für die Praxis und auch seine Urlaubsnahme unter Absprache des Praxisinhabers. Es erfolgt eine Abstimmung mit dem Praxisinhaber im Rahmen der gesonderten Patientenbestellungen und der sich daraus ergebenden Belegungsmöglichkeiten der Behandlungsräume.

    ...

    4. Der Praxisinhaber gestattet dem freien Mitarbeiter die Nutzung der Praxisräume und ihrer Einrichtungen und übernimmt für den freien Mitarbeiter den Abrechnungsverkehr mit den Sozialversicherungsträgern und Privatpatienten..."

    Von den dem freien Mitarbeiter zustehenden Honoraren sollten 65 v.H. für die in der Praxis erbrachten Leistungen und 80 v.H. für die bei Hausbesuchen erbrachten Leistungen dem freien Mitarbeiter verbleiben. Weiter heißt es in dem Vertrag:

    "Nach Erhalt des Abrechnungsbetrages behält der Praxisinhaber diesen Anteil ein und bringt den verbleibenden Bruttobetrag unverzüglich an den freien Mitarbeiter zur Auszahlung. Die Abrechnung erfolgt auf der Grundlage der jeweils gültigen Gebührenordnung der Krankenkassenverbände für krankengymnastische Leistungen bzw. des im Einzelfall mit einem Patienten vereinbarten Privathonorars."

    Nach einer für die Jahre 1992 bis 1996 durchgeführten Betriebsprüfung unterwarf der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) den Anteil der Honorare der freien Mitarbeiter der Umsatzsteuer. Er qualifizierte die gesamte Tätigkeit des Klägers und den gesamten Gewinn als gewerblich und erließ einen entsprechenden Bescheid über die gesonderte Feststellung des Gewinns 1997 und über den einheitlichen Gewerbesteuermessbetrag für 1997.

    Zur Begründung der Klage, mit der der Kläger die Aufhebung des Bescheides über den Gewerbesteuermessbetrag und die Qualifizierung seiner Einkünfte als solche aus freiberuflicher Tätigkeit begehrte, machte er geltend: Die freien Mitarbeiter arbeiteten genauso wie seine Angestellten in der Praxis mit. Sie erbrächten keine selbstständigen Leistungen gegenüber den Patienten, sondern seine Praxis erbringe diese Leistungen, die auch von ihm als Praxisinhaber abgerechnet würden. Das sei auch gar nicht anders möglich, denn die freien Mitarbeiter hätten keine Kassenzulassung. Sie seien voll in den allgemeinen Praxisbetrieb integriert. Er, der Kläger, erbringe, auch soweit er hinsichtlich Organisation und Abrechnungsbetrieb an den krankengymnastischen Tätigkeiten der freien Mitarbeiter beteiligt sei, freiberufliche krankengymnastische Leistungen. Er sei gegenüber allen Patienten eigenverantwortlich tätig, indem er den gesamten Praxisbetrieb organisiere, einteile, überwache und die Behandlung der Patienten bestimme.

    Das Finanzgericht (FG) hat der Klage teilweise stattgegeben. Es hat entschieden, der Kläger sei insoweit freiberuflich tätig gewesen, als der Gewinn auf seiner eigenen krankengymnastischen Tätigkeit und der seines angestellten Krankengymnasten beruhe. Soweit der Gewinn aus den einbehaltenen Honoraranteilen der freien Mitarbeiter resultiere, handele es sich um gewerbliche Einkünfte. Der Kläger habe neben seiner freiberuflichen Praxis ein weiteres Unternehmen als Einzelunternehmen betrieben, indem er Räume und die Praxisorganisation zur Verfügung gestellt habe. Nach den mit den freien Mitarbeitern geschlossenen Verträgen sei die krankengymnastische Tätigkeit am Patienten allein deren Sache gewesen; der Kläger habe insoweit nur organisatorisch tätig werden und die Räume und die Praxisorganisation zur Verfügung stellen sowie die Abrechnungen für die freien Mitarbeiter durchführen sollen. Diese Leistungen seien gewerblich. Es bestehe kein Anlass, daran zu zweifeln, dass der Vertrag mit den freien Mitarbeitern so wie vereinbart durchgeführt worden sei. Nachdem der Kläger persönlich im Erörterungstermin erklärt habe, dass mit allen freien Mitarbeitern entsprechend dem schriftlichen Vertrag mit X verfahren worden sei, sei davon auszugehen, dass in der Praxis des Klägers zwischen freien und angestellten Krankengymnasten unterschieden worden sei und die freien Mitarbeiter selbstständig und nicht nach Weisung und unter Anleitung und Aufsicht des Klägers krankengymnastische Leistungen am Patienten erbracht hätten.

    Das Entgelt für die vom Kläger erbrachten organisatorischen Leistungen und die Überlassung der Praxisorganisation zum Mitgebrauch habe in Anteilen an den von den freien Mitarbeitern erwirtschafteten Honoraren bestanden. Daran vermöge nichts zu ändern, dass die freien Mitarbeiter nach dem Vortrag des Klägers nicht berechtigt gewesen seien, selbst mit den Kassen abzurechnen. Der Besteuerung seien die tatsächlichen Verhältnisse zugrunde zu legen. Danach habe bezüglich der abgerechneten Tätigkeiten der freien Mitarbeiter nicht der Kläger die entsprechenden krankengymnastischen Leistungen erbracht, sondern der jeweilige freie Mitarbeiter.

    Der Kläger rügt mit seiner Revision die Verletzung materiellen Rechts und hilfsweise mangelnde Sachaufklärung.

    Es sind während des Revisionsverfahrens geänderte Bescheide ergangen, in denen der Gewinn aus Gewerbebetrieb gemäß den Vorgaben des angefochtenen Urteils angesetzt worden ist.

    Der Kläger beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil aufzuheben, soweit das FG die Klage abgewiesen hat, und die Bescheide über den Gewerbesteuermessbetrag für 1997, zuletzt vom 31. März 2006, sowie die Einspruchsentscheidung vom 16. Januar 2001, soweit sie den Gewerbesteuermessbetrag betrifft, ersatzlos aufzuheben, und den geänderten Feststellungsbescheid für 1997 vom 23. März 2006 dahin zu ändern, dass der darin als gewerblich festgestellte Gewinn als solcher aus freiberuflicher Tätigkeit qualifiziert wird.

    Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

    II. Die Revision des Klägers ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung, soweit das FG die Klage abgewiesen hat. Die Vertragsauslegung des FG, der Kläger habe von den freien Mitarbeitern eine Vergütung für die Überlassung seiner Räume und Praxisorganisation und für die Übernahme von Abrechnungen erhalten, hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Die tatsächlichen Feststellungen des FG reichen für eine abschließende Entscheidung durch den Senat nicht aus, so dass die Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen ist (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

    1. Das FG hat die Verträge zwischen dem Kläger und den freien Mitarbeitern dahin ausgelegt, dass Letztere dem Kläger eine Vergütung für die Nutzung der Räume und der Praxisorganisation sowie für die Abrechnung mit den Kassen geschuldet haben. Danach wäre der Kläger als Dienstleister gegenüber den freien Mitarbeitern tätig geworden.

    a) Die tatrichterliche Auslegung eines Vertrages ist im Revisionsverfahren u.a. dann nicht bindend, wenn sie unter Missachtung der gesetzlichen Auslegungsregeln (§§ 133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) und der zu ihnen entwickelten, allgemein anerkannten Auslegungsgrundsätze vorgenommen worden ist. Zu den allgemein anerkannten Auslegungsregeln gehört auch der Grundsatz einer nach beiden Seiten hin interessengerechten Auslegung, durch die eine Abrede auf einen vertretbaren Sinngehalt zurückzuführen ist. Der Tatrichter ist gehalten, alle für die Auslegung erheblichen Umstände umfassend zu würdigen und zumindest die wichtigsten für und gegen eine bestimmte Auslegung sprechenden Umstände in ihrer Bedeutung für das Auslegungsergebnis zu erörtern und gegeneinander abzuwägen (vgl. z.B. Urteil des Bundesgerichtshofs vom 29. März 2000 VIII ZR 297/98, Neue Juristische Wochenschrift 2000, 1289, 2508). Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil nicht gerecht.

    b) Das FG hat den Vortrag des Klägers, die freien Mitarbeiter seien nicht berechtigt gewesen, ihre Leistungen mit den Kassen abzurechnen, zu Unrecht für nicht entscheidungserheblich gehalten. Denn wenn es zutreffen sollte, dass die freien Mitarbeiter von den Patienten bzw. deren Krankenkassen keine Zahlung verlangen konnten, bestand für sie keine Veranlassung, den Patienten gegenüber eine Verpflichtung zur Behandlung einzugehen. In diesem Fall hätte die Pflicht zur Behandlung der Patienten allein dem Kläger oblegen und allein dieser hätte einen Vergütungsanspruch gegenüber den Krankenkassen erworben. Bei diesem Sachverhalt wäre ungeachtet des Wortlauts des schriftlichen Vertrages mit X eine Vereinbarung, nach der die freien Mitarbeiter dem Kläger für die Abrechnung mit den Kassen und die Nutzung der Praxisräume eine Vergütung zahlen müssen, sinnwidrig gewesen. Damit widersprach --die Richtigkeit des klägerischen Vorbringens unterstellt-- die Auslegung des Vertrages zwischen den freien Mitarbeitern und dem Kläger durch das FG der beiderseitigen Interessenlage.

    2. Da das FG dies nicht berücksichtigt hat, ist das Urteil aufzuheben, soweit die Klage abgewiesen worden ist. Die Sache ist an das FG zurückzuverweisen, damit es aufklärt, ob die in der Praxis des Klägers tätigen freien Mitarbeiter zu einer Abrechnung mit den Kassen berechtigt waren oder nicht und mit wem die Patienten die Verträge über ihre Behandlung abgeschlossen haben.

    Sollte sich erweisen, dass die Patienten keine Verträge mit den freien Mitarbeitern, sondern nur mit dem Kläger abgeschlossen haben, kann die bisherige Auslegung der Verträge zwischen dem Kläger und den freien Mitarbeitern durch das FG keinen Bestand haben. Das FG wird in diesem Fall zu berücksichtigen haben, dass der Kläger nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes auch dann freiberuflich tätig sein kann, wenn er sich der Mithilfe fachlich vorgebildeter Arbeitskräfte bedient.

    Arbeitskräfte in diesem Sinne sind nicht nur die im Betrieb des Freiberuflers abhängig Beschäftigten, sondern auch Subunternehmer (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 23. Mai 1984 I R 122/81, BFHE 141, 505, BStBl II 1984, 823; vom 20. Dezember 2000 XI R 8/00, BFHE 194, 206, BStBl II 2002, 478) oder freie Mitarbeiter, die von dem Freiberufler zur Mithilfe in die Abwicklung der von ihm übernommenen Aufträge eingebunden werden (vgl. z.B. Brandt in Herrmann/Heuer/Raupach, § 18 EStG Rz 226; Schmidt/Wacker, EStG, 25. Aufl., § 18 Rz 23 und 25; Steinhauff in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 18 Rz 253).

    Fachlich vorgebildet ist sowohl der Mitarbeiter, der dieselbe berufliche Qualifikation wie der Betriebsinhaber erworben hat, als auch derjenige, der eine weniger qualifizierte Berufsausbildung aufzuweisen hat (z.B. BFH-Urteil in BFHE 194, 206, BStBl II 2002, 478, m.w.N.). Unter Mithilfe fachlich vorgebildeter Arbeitskräfte ist eine Tätigkeit zu verstehen, welche die Arbeit des Berufsträgers jedenfalls in Teilbereichen ersetzt und nicht nur von untergeordneter Bedeutung ist (BFH-Urteile vom 21. März 1995 XI R 85/93, BFHE 177, 377, BStBl II 1995, 732; vom 22. Januar 2004 IV R 51/01, BFHE 205, 151, BStBl II 2004, 509).

    Voraussetzung ist ferner, dass der Kläger aufgrund eigener Fachkenntnisse leitend und eigenverantwortlich tätig wird. Für einen selbstständig tätigen Krankenpfleger hat der BFH entschieden, er sei bei der Beschäftigung qualifizierter Arbeitskräfte nur dann leitend und eigenverantwortlich tätig, wenn er aufgrund seiner Fachkenntnisse durch regelmäßige und eingehende Kontrolle maßgeblich auf die Pflegetätigkeit der Mitarbeiter bei jedem einzelnen Patienten Einfluss nehme, so dass die Leistung den "Stempel der Persönlichkeit" des Steuerpflichtigen trage (BFH-Urteile vom 1. Februar 1990 IV R 140/88, BFHE 159, 535, BStBl II 1990, 507; vom 5. Juni 1997 IV R 43/96, BFHE 183, 424, BStBl II 1997, 681; vom 22. Januar 2004 IV R 51/01, BFHE 205, 151, BStBl II 2004, 509). Nach dem BFH-Beschluss vom 31. August 2005 IV B 205/03 (BFH/NV 2006, 48) sind die Grundsätze, die für die Annahme einer leitenden und eigenverantwortlichen Tätigkeit eines Krankenpflegers aufgestellt worden sind, auf den Katalogberuf des Krankengymnasten übertragbar.

    RechtsgebieteFGO, EStG, BGB