24.06.2015 · IWW-Abrufnummer 177672
Bundesfinanzhof: Urteil vom 26.03.2015 – IV R 7/12
Tenor:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Hessischen Finanzgerichts vom 12. Dezember 2011 8 K 574/08 aufgehoben.
Die Sache wird an das Hessische Finanzgericht zurückverwiesen.
Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens übertragen.
Gründe
1
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine GmbH & Co. KG, deren alleinige Kommanditistin zunächst die Beigeladene zu 1. war. Komplementärin der Klägerin ohne kapitalmäßige Beteiligung ist die zur alleinigen Geschäftsführung und Vertretung berufene Beigeladene zu 3., eine GmbH, deren alleinige Gesellschafterin und Geschäftsführerin wiederum die Beigeladene zu 1. ist.
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Durch notariellen Vertrag vom ... Juli 2006 brachte die Beigeladene zu 1. ein seit über zehn Jahren zu ihrem Privatvermögen gehörendes und im Jahr 1963 mit einem mehrstöckigen Geschäftshaus bebautes Grundstück im Wege eines "tauschähnlichen Vorgangs" gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten durch Gutschrift auf dem Kapitalkonto I der einbringenden Gesellschafterin in das Gesamthandsvermögen der Klägerin ein. Nach dem Vertrag sollte die Einbringung "in Höhe des gemeinen Wertes (Verkehrswert) des eingebrachten Wirtschaftsgutes" erfolgen. Ausdrücklich hieß es im Vertrag, die Übertragung erfolge nicht in der Rechtsgestaltung einer Einlage oder verdeckten Einlage. Der Verkehrswert des eingebrachten Grundstücks war zuvor nach § 194 des Baugesetzbuchs (BauGB) unter Berücksichtigung der Wertermittlungsverordnung (WertV) gutachterlich auf XX € festgestellt worden. Entsprechend wurde das Festkapital um den genannten Betrag auf nunmehr ... € erhöht und der Beigeladenen zu 1. zugerechnet. Der Einbringungsvertrag enthielt in Teil B. XII. eine Wirksamkeitsklausel.
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Durch notariellen Vertrag vom ... Dezember 2006 übertrug die Beigeladene zu 1. u.a. ihre Kommanditbeteiligung zum 31. Dezember 2006, 15:00 Uhr, im Wege der vorweggenommenen Erbfolge unentgeltlich auf ihren Sohn, den Beigeladenen zu 2. Dabei behielt sie sich den lebenslänglichen und unentgeltlichen Nießbrauch an dem Kommanditanteil vor. Nach dem Willen der Vertragsparteien sollten sowohl der Erwerber als auch die Nießbraucherin des Kommanditanteils die Stellung eines Mitunternehmers an der Klägerin erhalten.
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Mit notariellem Kaufvertrag vom ... April 2007 veräußerte die Klägerin zum 1. Juli 2007 das Grundstück zu einem Preis von XXX € an eine GmbH.
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Durch Gesellschafterbeschluss vom 5. Juni 2007 wurde der Einbringungswert/Verkehrswert des bebauten Grundstücks in Abänderung der betragsmäßigen Angaben zur Einbringungsurkunde vom ... Juli 2006 auf XXX € festgestellt bzw. berichtigt, weil die Immobilie zwischenzeitlich für diesen Wert verkauft worden sei.
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In der ihrer Feststellungserklärung für 2006 (Streitjahr) beigefügten Gewinnermittlung vom 18. April 2007 ordnete die Klägerin die angesprochenen XXX € gemäß dem im Verkehrswertgutachten festgestellten Bodenwert in Höhe von ... € dem Wirtschaftsgut Grund und Boden sowie in Höhe des verbleibenden Restbetrags in Höhe von ... € dem Gebäude zu. Unter Berücksichtigung einer zeitanteiligen Abschreibung in Höhe von ... € (... € x 2 % x 5/12) erklärte die Klägerin einen laufenden Verlust aus Gewerbebetrieb in Höhe von ... €.
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Im Feststellungsbescheid für das Streitjahr vom 3. Januar 2008 ging der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) demgegenüber entsprechend dem Gutachten zum Einbringungsstichtag von einem Einbringungswert in Höhe von insgesamt XX € aus, welcher in Höhe von ... € auf das Gebäude entfiel. Bei einer rechnerisch unstreitigen Abschreibung in Höhe von ... € (... € x 2 % x 5/12) stellte das FA laufende Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von ... € fest, die es der Nießbraucherin zurechnete.
8
Nach erfolglosem Einspruchsverfahren wies das Finanzgericht (FG) die zuletzt gegen den aus hier nicht streitigen Gründen geänderten Feststellungsbescheid 2006 vom 23. November 2009 gerichtete Klage mit in Entscheidungen der Finanzgerichte 2012, 822 veröffentlichtem Urteil ab.
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Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin, mit der sie die Verletzung von Bundesrecht rügt.
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Die Klägerin beantragt, das Urteil des Hessischen FG vom 12. Dezember 2011 8 K 574/08 aufzuheben und den Bescheid für 2006 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen vom 23. November 2009 dahingehend zu ändern, dass die Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von ... € festgestellt werden.
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Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
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II. Die Revision ist begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils sowie zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG ( § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO —). Die bisher getroffenen Feststellungen reichen nicht aus, um die Bemessungsgrundlage für die im hiesigen Rechtsstreit allein streitige Absetzung für Abnutzung (AfA) des auf die Klägerin übertragenen Gebäudes zu bestimmen.
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1. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes in der für das Streitjahr geltenden Fassung (EStG) sind abnutzbare Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten vermindert um die AfA und ggf. weitere Abzüge zu bewerten. Bemessungsgrundlage der AfA für ein Gebäude sind nach § 7 Abs. 4 Satz 1 EStG die Anschaffungs- oder Herstellungskosten. Überträgt ein Gesellschafter ein Wirtschaftsgut seines Privatvermögens gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten in das Gesamthandsvermögen einer Personengesellschaft, wird dieser Vorgang nach ständiger Rechtsprechung als Anschaffung des Wirtschaftsguts zu einem dem gemeinen Wert des Wirtschaftsguts entsprechenden Preis beurteilt (vgl. etwa Urteil des Bundesfinanzhofs —BFH— vom 24. Januar 2008 IV R 37/06 , BFHE 220, 374, BStBl II 2011, 617, [BFH 24.01.2008 - IV R 37/06] m.w.N.). Gehört das eingebrachte Wirtschaftsgut bei der Personengesellschaft zu deren abnutzbarem Anlagevermögen, ergibt sich die Bemessungsgrundlage für die AfA folglich aus dem gemeinen Wert des Wirtschaftsguts. Bemessungsgrundlage der AfA des von der Beigeladenen zu 1. eingebrachten Gebäudes ist danach dessen gemeiner Wert im Zeitpunkt der Einbringung.
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Der gemeine Wert eines Grundstücks ist ein objektiver Wert (vgl. BFH-Urteil vom 4. Mai 2011 II R 55/09 , BFH/NV 2011, 1702). Dies folgt unmittelbar aus § 9 Abs. 2 Satz 1 des Bewertungsgesetzes (BewG) , wonach der gemeine Wert durch den Preis bestimmt wird, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit des Wirtschaftsguts bei einer Veräußerung zu erzielen wäre. Dabei sind nach Satz 2 der Vorschrift zwar alle Umstände zu berücksichtigen, die den Preis beeinflussen, ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse sind aber nach § 9 Abs. 2 Satz 3 BewG nicht zu berücksichtigen.
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2. Der gemeine Wert des eingebrachten Grundstücks war im Streitfall vom FG festzustellen bzw. zu überprüfen. Dabei hatte das FG zwar den Inhalt des zwischen der Beigeladenen zu 1. und der Klägerin geschlossenen Einbringungsvertrags vom ... Juli 2006 zu berücksichtigen. Dieser war aber —anders als das FG ausgeführt hat— nicht dahingehend auszulegen, dass sich die Vertragsbeteiligten verbindlich auf einen gemeinen Wert in Höhe von XX € geeinigt hätten. Vielmehr bestand ihre Einigung lediglich darin, dass das Grundstück zum im Einbringungszeitpunkt objektiv zutreffenden gemeinen Wert eingebracht werden sollte.
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a) Der Senat ist an die vom FG vorgenommene Auslegung des Einbringungsvertrags nicht gebunden, denn in der Revisionsinstanz ist die Auslegung von Verträgen durch das FG daraufhin zu prüfen, ob die gesetzlichen Auslegungsregeln sowie die Denkgesetze und Erfahrungssätze beachtet wurden. Weiterhin kann das Revisionsgericht nachprüfen, ob die Vorinstanz die für die Vertragsauslegung bedeutsamen Begleitumstände erforscht und rechtlich zutreffend gewürdigt hat ( BFH-Urteil vom 6. Juni 2013 IV R 28/10 , BFH/NV 2013, 1810).
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b) Nach den Auslegungsregeln für Willenserklärungen in §§ 133 , 157 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) enthielt der Einbringungsvertrag vom ... Juli 2006 entgegen der Rechtsauffassung des FG keine Einigung dahingehend, dass das Grundstück verbindlich zu einem gemeinen Wert in Höhe von XX € auf die Klägerin übergehen sollte.
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aa) Aus der von den Vertragsparteien zu Teil B des Einbringungsvertrags getroffenen Grundlagenvereinbarung ergibt sich zunächst nur, dass sie das Grundstück zum gemeinen Wert (= Verkehrswert) übertragen wollten.
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bb) Es ist zwar richtig, dass die Vertragsparteien davon ausgegangen sind, dass der Verkehrswert des Grundstücks mit XX /€ festzustellen sei (Teil A. I. des Einbringungsvertrags). Dagegen, dass es sich insoweit um die vertragliche Fixierung eines verbindlichen Werts gehandelt hat, sprechen aber gewichtige Umstände.
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(1) Zunächst ergibt sich bereits aus den Steuerakten, dass die Vertragsparteien ursprünglich einen über dem angesprochenen Wert liegenden Betrag als Einbringungswert festsetzen wollten. Allerdings hatte das FA gegenüber diesem höheren Wert Bedenken angemeldet, weshalb sich die Vertragsparteien eines von einer Wirtschaftsprüferin erstellten vereinfachten Gutachtens nach § 194 BauGB i.V.m. der WertV bedienten (Teil A. I. des Einbringungsvertrags). Bei der Gutachterin handelte es sich allerdings erkennbar um keine Expertin für Grundstücksbewertung, sondern das Gutachten sollte ausschließlich der Plausibilisierung eines Werts gegenüber dem FA dienen.
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Zudem lässt sich dem Einbringungsvertrag entnehmen, dass die Vertragsparteien den angesetzten Verkehrswert nur diesem Gutachten entnommen haben. Dies lässt den Schluss darauf zu, dass es den Vertragsparteien tatsächlich auf den "richtigen" Verkehrswert ankam und sie den Wertansatz nur mangels besserer Erkenntnisse einem vorliegenden Gutachten entnommen haben.
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(2) Diese Annahme stützt auch der Umstand, dass in Teil B. XII. des Vertrags eine Wirksamkeitsklausel aufgenommen worden ist, wonach für den Fall, dass eine Bestimmung des Vertrags oder ein Teil davon gegen gesetzliche Bestimmungen verstoßen oder aus sonstigen Gründen in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht unwirksam sein oder zu Zweifeln Anlass geben sollte, allenfalls die betroffene Bestimmung davon berührt sein sollte. Diese war danach durch eine solche zu ersetzen, die im Rahmen des rechtlich Zulässigen dem wirtschaftlich Gewollten am nächsten kam. Deshalb war nach dem Vertrag die Möglichkeit eröffnet, bei Vorliegen besserer tatsächlicher Erkenntnisse (auch) die angenommene Höhe des Verkehrswerts zu ändern.
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(3) Dafür, dass die Parteien des Einbringungsvertrags den von ihnen angesetzten Wert nicht als verbindlichen gemeinen Wert ansehen wollten, spricht schließlich maßgeblich, dass kein Grund dafür erkennbar ist, warum die Beigeladene zu 1. in dem Grundstück ruhende stille Reserven nur anteilig hätte aufdecken sollen, obwohl diese im Zeitpunkt der Einbringung nicht steuerverstrickt waren und, wie der Streitfall zeigt, bei einer Veräußerung des Grundstücks nach Einbringung auch diese stillen Reserven zu versteuern waren.
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c) Aus den vorstehenden Umständen ergibt sich, dass der Einbringungsvertrag dahingehend verstanden werden muss, dass die Einbringung zum im Einbringungszeitpunkt objektiv zutreffenden gemeinen Wert und also ohne spätere Aufdeckung von stillen Reserven im Betriebsvermögen durchgeführt werden sollte. Da das FG unter Verletzung der §§ 133 , 157 BGB zu einem anderen Auslegungsergebnis gelangt ist, war sein Urteil aufzuheben.
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3. Die Sache ist nicht spruchreif. Es fehlen —aus Sicht des FG konsequent— jegliche Feststellungen dazu, auf welche Höhe sich der gemeine Wert des Grundstücks und des davon auf das Gebäude entfallenden Teils im Einbringungszeitpunkt belaufen haben könnte. Eine weitere Sachaufklärung ist dabei auch nicht etwa deshalb überflüssig, weil die Einzelfallumstände für die Richtigkeit des von den Vertragsparteien im Einbringungsvertrag einvernehmlich festgelegten Werts in Höhe von XX € sprächen. Eine etwaige Vermutung für die Richtigkeit dieses Werts ist jedenfalls durch den zeitnah nach der Einbringung durchgeführten Verkauf des Grundstücks für XXX € erschüttert worden. Entsprechend ist das FG gehalten, die für die Bestimmung des gemeinen Werts des Grundstücks im Einbringungszeitpunkt erforderlichen tatsächlichen Feststellungen im zweiten Rechtsgang nachzuholen.
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4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 143 Abs. 2 FGO .