18.10.2005 · IWW-Abrufnummer 052985
Bundesgerichtshof: Urteil vom 21.04.2005 – I ZR 201/02
Ein Laborarzt handelt unlauter i.S. von §§ 3, 4 Nr. 1 UWG, wenn er niedergelassenen Ärzten die Durchführung von Laboruntersuchungen, die diese selbst gegenüber der Kasse abrechnen können, unter Selbstkosten in der Erwartung anbietet, dass die niedergelassenen Ärzte ihm im Gegenzug Patienten für Untersuchungen überweisen, die nur von einem Laborarzt vorgenommen werden können. Einem solchem Angebot unter Selbstkosten steht es gleich, wenn die günstigen Preise für die von den niedergelassenen Ärzten abzurechnenden Laboruntersuchungen dadurch ermöglicht werden, dass der Laborarzt einer von ihm betreuten Laborgemeinschaft der niedergelassenen Ärzte freie Kapazitäten seines Labors unentgeltlich oder verbilligt zur Verfügung stellt (im Anschluss an BGH GRUR 1989, 758 = WRP 1990, 319 - Gruppenprofil).
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 201/02
Verkündet am:
21. April 2005
in dem Rechtsstreit
Quersubventionierung von Laborgemeinschaften
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 21. April 2005 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann und die Richter Prof. Dr. Bornkamm, Pokrant, Dr. Büscher und Dr. Bergmann
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 18. Juli 2002 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Parteien sind Ärzte für Laboratoriumsmedizin (im Folgenden: Laborärzte). Die Kläger betreiben in Hamburg, die Beklagten in Bremerhaven jeweils eine entsprechende Gemeinschaftspraxis. Die Kläger wenden sich dagegen, dass sich die Beklagten mit einem Schreiben vom 13. April 2000 an niedergelassene Ärzte in Uelzen gewandt und Leistungen einer Arbeitsgemeinschaft Labor und Diagnostik zu Preisen angeboten haben, die unter den Sätzen des von den gesetzlichen Krankenkassen zugrunde gelegten einheitlichen Bewertungsmaßstabs und nach Darstellung der Kläger auch unter den Selbstkosten der Beklagten lagen.
Ärztliche Laborleistungen werden in der gesetzlichen Krankenversicherung - wie andere ärztliche Leistungen auch - nach einem einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) honoriert, den die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen mit den Spitzenverbänden der Krankenkassen durch Bewertungsausschüsse vereinbaren (§ 87 SGB V). Abschnitt O dieses einheitlichen Bewertungsmaßstabs regelt die Laboratoriumsuntersuchungen, und zwar unter I. und II. die allgemeinen und unter III. die speziellen Untersuchungen. Entsprechend wird allgemein nach O-I-, O-II- und O-III-Leistungen unterschieden: O-I- und O-II-Leistungen können auch niedergelassene Ärzte, die nicht Laborärzte sind (im Folgenden: niedergelassene Ärzte), selbst erbringen und gegenüber der Krankenkasse abrechnen; O-III-Leistungen sind Laborärzten vorbehalten und können nur von diesen abgerechnet werden. Soweit niedergelassene Ärzte eigene Laborleistungen erbringen, tun sie dies in der Regel nicht in der eigenen Praxis. Vielmehr schließen sie sich zu Laborgemeinschaften zusammen. Diese Laborgemeinschaften sind häufig bei einer Laborarztpraxis angesiedelt, die für die ihr angeschlossenen niedergelassenen Ärzte die O-I- und O-II-Leistungen zu Selbstkosten erbringt. Soweit Untersuchungen der Kategorie O III erforderlich sind, müssen die niedergelassenen Ärzte die Patienten an einen Laborarzt überweisen. Ist bei dieser Laborarztpraxis eine Laborgemeinschaft angesiedelt, wird der Laborarzt in zwei Funktionen tätig: Zum einen erbringt er O-III-Leistungen aufgrund von Überweisungen von niedergelassenen Ärzten; zum zweiten betreibt er für die Laborgemeinschaft niedergelassener Ärzte das Labor, in dem die O-I- und O-II-Leistungen erbracht werden. Auch bei der Gemeinschaftspraxis der Beklagten ist eine solche Laborgemeinschaft, die oben genannte Arbeitsgemeinschaft Labor und Diagnostik, angesiedelt. Die Beklagten sind - wie die ihr angehörenden niedergelassenen Ärzte - Gesellschafter dieser Gesellschaft bürgerlichen Rechts; in der Zeit, als das beanstandete Schreiben versandt wurde, waren sie auch deren Geschäftsführer.
Zwischen Laborärzten herrscht hinsichtlich der O-III-Leistungen ein reger Wettbewerb, der nicht zuletzt dadurch gefördert wird, dass viele Laborärzte ihre Leistungen nicht nur lokal, sondern regional oder gar überregional anbieten. Üblich ist, dass die Laborärzte die zu untersuchenden Proben bei den niedergelassenen Ärzten abholen lassen, ohne hierfür Kosten in Rechnung zu stellen.
Die Kläger haben in der Versendung des Schreibens vom 13. April 2000 durch die Beklagten einen Wettbewerbsverstoß gesehen, und zwar unter dem Gesichtspunkt des übertriebenen Anlockens, der allgemeinen Marktstörung und des Rechtsbruchs. Bei dem Vorwurf des Rechtsbruchs geht es um das in allen ärztlichen Berufsordnungen enthaltene Provisionsverbot; danach dürfen Ärzte für die Zuweisung von Patienten oder Untersuchungsmaterial weder eine Gegenleistung gewähren noch sich selbst eine solche Gegenleistung gewähren lassen (vgl. die gleich lautenden Bestimmungen in § 31 der Berufsordnung der Ärztekammer Niedersachsen, in § 31 der Berufsordnung für Ärztinnen und Ärzte im Lande Bremen und in § 31 der Musterberufsordnung für die deutschen Ärztinnen und Ärzte in der Fassung der Beschlüsse des 100. Deutschen Ärztetages 1997 in Eisenach - MBO-Ä 1997 -).
Die Kläger haben behauptet, die von den Beklagten angebotenen, die Sätze des einheitlichen Bewertungsmaßstabs unterschreitenden Preise für O-I- und O-II-Untersuchungen lägen unter den Selbstkosten. Der den niedergelassenen Ärzten hierdurch entstehende Gewinn - die der Laborgemeinschaft angeschlossenen niedergelassenen Ärzte werden für diese Leistungen von den Krankenkassen nach dem einheitlichen Bewertungsmaßstab honoriert - werde den niedergelassenen Ärzten als verdeckter Vorteil zugewendet, um sie dazu zu bewegen, ihnen Patienten für O-III-Untersuchungen zu überweisen.
Soweit in der Revisionsinstanz noch von Bedeutung, haben die Kläger beantragt, es der Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verbieten, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs niedergelassenen Ärzten entweder selbst oder unter der Bezeichnung "Arbeitsgemeinschaft Labor und Diagnostik" Laboruntersuchungen der Bereiche O I und O II zu Preisen anzubieten, die unterhalb der Honorarsätze für technische Laborleistungen der EBM liegen, und/oder für derartige Laboruntersuchungen Preise zu berechnen, die unterhalb der vorbezeichneten Honorarsätze liegen.
Die Beklagten sind der Klage entgegengetreten.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Beklagten dagegen antragsgemäß zur Unterlassung verurteilt (OLG Celle GRUR-RR 2002, 336). Hiergegen richtet sich die (vom Senat zugelassene) Revision der Beklagten, mit der sie ihren Klageabweisungsantrag weiterverfolgen. Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe:
I. Das Berufungsgericht hat in dem Verhalten der beklagten Laborärzte ein übertriebenes Anlocken nach § 1 UWG (a.F.) gesehen. Zur Begründung hat es ausgeführt:
Das Angebot einzelner Waren oder Leistungen unter Einstandspreis sei zwar grundsätzlich nicht zu beanstanden. Sittenwidrig sei ein solches Verhalten erst, wenn besondere Umstände hinzuträten. Mit den Regeln des lauteren Wettbewerbs unvereinbar sei es, Nachfrager mit leistungsfremden Mitteln unzulässig zu beeinflussen. Wer Kunden durch übermäßige Kaufanreize anlocke und sie auf diese Weise davon abhalte, das gesamte Angebot sachgerecht und kritisch zu prüfen, handele wettbewerbswidrig. Dieser Tatbestand sei im Streitfall erfüllt. Der Kern des beanstandeten Verhaltens sei nicht die Preisunterbietung an sich, sondern das Unterbieten mit Hilfe von Quersubventionen, durch die die Nachfrage nach O-III-Leistungen angeregt werden solle. In den die Sätze des einheitlichen Bewertungsmaßstabes erheblich unterschreitenden Preisen der Beklagten liege ein starker Anreiz für die niedergelassenen Ärzte, Laborleistungen der Kategorien O I und O II von der bei den Beklagten angesiedelten Arbeitsgemeinschaft ausführen zu lassen. Es liege nahe, dass viele Ärzte dann auch gleich Untersuchungen der Kategorie O III durch die in denselben Räumen beheimatete Gemeinschaftspraxis der Beklagten ausführen ließen, ohne weitere Angebote für solche Leistungen zu prüfen. Das gelte umso mehr, als Arbeitsgemeinschaft und Gemeinschaftspraxis das Untersuchungsmaterial durch denselben für die Ärzte kostenlosen Fahrdienst abholen ließen.
Dass die von den Beklagten für O-I- und O-II-Leistungen verlangten Preise nicht leistungsgerecht seien, ergebe sich aus dem Vortrag der Kläger. Danach sei die Arbeitsgemeinschaft nur deswegen in der Lage, die - auf Selbstkostenbasis kalkulierten - Sätze des einheitlichen Bemessungsmaßstabs zu unterschreiten, weil sie von den Beklagten subventioniert werde. Dieses Vorbringen sei von den Beklagten nicht hinreichend substantiiert bestritten worden. Das von ihnen vorgelegte, ein ausgeglichenes Ergebnis bescheinigende Wirtschaftsprüfertestat sei unzureichend, weil das zugrunde liegende Zahlenwerk nicht im Einzelnen offen gelegt sei. Der Aufforderung, das Zahlenwerk darzustellen, seien die Beklagten in der hierfür gesetzten Frist nicht nachgekommen. In der anschließenden mündlichen Verhandlung hätten sie sich darauf berufen, es sei ihnen nicht zuzumuten, ihre Kalkulationsgrundlagen gegenüber den mit ihnen im Wettbewerb stehenden Klägern zu offenbaren; deshalb komme nur die Offenlegung gegenüber einem zur Verschwiegenheit verpflichteten Sachverständigen in Betracht. Das Zahlenwerk hätten sie aber im Termin nicht bereitgehalten. Unter diesen Umständen sei eine Vertagung nicht in Betracht gekommen. Auch wenn die Beklagten schon in erster Instanz darauf hingewiesen hätten, dass sie das entsprechende Zahlenwerk nur gegenüber einem vom Gericht bestimmten Sachverständigen offenbaren könnten, sei es nicht Sache des Gerichts gewesen, entsprechende Maßnahmen anzuordnen; vielmehr hätten die Beklagten rechtzeitig entsprechende Maßnahmen zur Geheimhaltung des Zahlenwerks beantragen müssen.
Die Beklagten seien auch passivlegitimiert, weil sie als geschäftsführende Gesellschafter der Arbeitsgemeinschaft Labor und Diagnostik deren Preisgestaltung maßgeblich beeinflusst hätten. Durch ihre Abberufung als Geschäftsführer sei die Wiederholungsgefahr nicht entfallen.
II. Diese Beurteilung hält den Angriffen der Revision nicht stand. Sie führen zur Aufhebung und Zurückverweisung.
1. Die Beurteilung des mit der Klage geltend gemachten Unterlassungsanspruchs richtet sich nach dem im Zeitpunkt der Entscheidung geltenden Recht (vgl. BGHZ 158, 236, 245 - Internet-Versteigerung; BGH, Urt. v. 11.11.2004 - I ZR 213/01, GRUR 2005, 353, 354 - Testamentsvollstreckung durch Banken). Es sind daher die Bestimmungen des am 8. Juli 2004 in Kraft getretenen Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) vom 3. Juli 2004 (BGBl. I S. 1414) anzuwenden. Allerdings kann ein auf Wiederholungsgefahr gestützter Unterlassungsanspruch nur bestehen, wenn das beanstandete Verhalten auch zur Zeit der Begehung wettbewerbswidrig war.
2. Mit Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass die Beklagten auf Unterlassung in Anspruch genommen werden können, wenn sich das beanstandete Verhalten als wettbewerbswidrig erweist. Für die Bejahung der Passivlegitimation bedarf es freilich nicht des Rückgriffs auf die Störerhaftung. Denn das beanstandete Schreiben ist von den Beklagten als den Geschäftsführern der Arbeitsgemeinschaft veranlasst worden. Daher steht ihre täterschaftliche Haftung in Rede.
3. Der Vorwurf, den die Kläger gegen die Beklagten erheben, richtet sich im Kern dagegen, dass die Beklagten den niedergelassenen Ärzten für die Überweisung von Patienten für O-III-Untersuchungen eine Zuwendung gewähren, die darin liegt, dass den niedergelassenen Ärzten durch die von den Beklagten betreute Laborgemeinschaft (Arbeitsgemeinschaft Labor und Diagnostik) O-I- und O-II-Untersuchungen zu Preisen angeboten werden, die unter den Selbstkosten liegen. Allerdings kommt dieser Vorwurf, insbesondere der Bezug zu der Überweisung von Patienten für O-III-Untersuchungen, in dem Unterlassungsantrag nur unvollkommen zum Ausdruck. Dem ergänzend zur Auslegung des Klageantrags heranzuziehenden Klagevorbringen lässt sich indessen das mit der Klage verfolgte Begehren unzweifelhaft entnehmen.
4. Das Berufungsgericht ist mit Recht davon ausgegangen, dass das beanstandete Verhalten wettbewerbswidrig ist, wenn die Beklagten die O-I- und O-II-Leistungen der Arbeitsgemeinschaft unter Selbstkosten - etwa durch Quersubventionierung der Laborgemeinschaft - angeboten und dadurch die niedergelassenen Ärzte veranlasst haben, ihnen Patienten für O-III-Untersuchungen zu überweisen (dazu a). Die Feststellung, dass die angebotenen Preise unter den Selbstkosten liegen, hat das Berufungsgericht jedoch - wie die Revision mit Erfolg rügt - verfahrensfehlerhaft getroffen (dazu b). Im Übrigen enthält das Berufungsurteil keine hinreichenden Feststellungen dazu, dass sich niedergelassene Ärzte durch die günstigen Preise für O-I- und O-II-Leistungen dazu verleiten lassen, den Beklagten in ihrer Eigenschaft als Laborfachärzten Patienten für O-III-Untersuchungen zu überweisen (dazu c).
a) Unter der Voraussetzung eines Angebots von Preisen, die unter den Selbstkosten liegen, und unter der weiteren Voraussetzung eines dadurch bewirkten Einflusses auf das Überweisungsverhalten der niedergelassenen Ärzte hinsichtlich von O-III-Untersuchungen verstößt das beanstandete Verhalten gegen das Verbot der Ausübung eines unangemessenen unsachlichen Einflusses auf das Nachfrageverhalten anderer Marktteilnehmer (§ 4 Nr. 1 UWG).
aa) Das Berufungsgericht ist mit Recht davon ausgegangen, dass eine unsachliche Beeinflussung der niedergelassenen Ärzte durch besonders günstige Sätze für O-I- und O-II-Untersuchungen nur insoweit in Betracht zu ziehen ist, als es um die Überweisung von Patienten für O-III-Untersuchungen geht. Dagegen scheidet eine unsachliche Beeinflussung der Nachfrageentscheidung der niedergelassenen Ärzten nach O-I- und O-II-Leistungen schon deshalb aus, weil die Anlockwirkung, die von einem besonders günstigen Angebot ausgeht, niemals wettbewerbswidrig, sondern gewollte Folge des Leistungswettbewerbs ist (vgl. BGHZ 151, 84, 87 - Kopplungsangebot I). Das besonders günstige Angebot einer Ware oder Leistung kann lediglich ausnahmsweise eine unsachliche Beeinflussung begründen, wenn die Abgabe der besonders günstigen Ware oder Leistung rechtlich oder faktisch an die Abnahme eines anderen Produkts gekoppelt ist.
bb) Ebenfalls mit Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass ein Angebot von Waren oder Leistungen unter den Selbstkosten für sich genommen nicht wettbewerbswidrig ist. Auch der Einsatz von Preisen unter den Selbstkosten zur Förderung des Absatzes anderer, auskömmlich kalkulierter Produkte ist wettbewerbsrechtlich nicht generell untersagt. Insbesondere kann nicht davon ausgegangen werden, dass der durchschnittlich informierte und verständige Verbraucher durch das Angebot einzelner Waren oder Leistungen zu einem besonders günstigen Preis dazu verleitet wird, auf andere Angebote desselben Anbieters ungeprüft einzugehen (dazu Köhler in Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 23. Aufl., § 4 Rdn. 1.36 m.w.N.).
cc) Im Streitfall werden von der beanstandeten Werbung niedergelassene Ärzte angesprochen, bei denen die Gefahr einer irrationalen, nicht von sachlichen Kriterien getragenen Nachfrageentscheidung noch weniger wahrscheinlich ist. Allerdings sind Ärzte gehalten, die Entscheidung darüber, an wen sie einen Patienten verweisen oder wem sie Untersuchungsmaterial zur Laboruntersuchung überlassen, allein nach ärztlichen Gesichtspunkten zu treffen. Ihre Nachfrageentscheidung darf nicht nach den eigenen Interessen des Arztes als Nachfrager oder Nachfragedisponent des Patienten getroffen werden, insbesondere darf der Arzt die Entscheidung, an welchen Facharzt er einen Patienten überweist, nicht davon abhängig machen, ob ihm für die Überweisung eine Gegenleistung zufließt oder nicht. Dieser Gesichtspunkt kommt in dem für Ärzte geltenden berufsrechtlichen Verbot zum Ausdruck, sich für die Zuweisung von Patienten oder für die Zuweisung von Untersuchungsmaterial eine Gegenleistung gewähren zu lassen oder selbst eine solche Gegenleistung zu gewähren (vgl. § 31 der Berufsordnung der Ärztekammer Niedersachsen, § 31 der Berufsordnung für Ärztinnen und Ärzte im Lande Bremen und § 31 der Musterberufsordnung für die deutschen Ärztinnen und Ärzte; ferner BGH, Urt. v. 22.6.1989 - I ZR 120/87, GRUR 1989, 758, 760 = WRP 1990, 319 - Gruppenprofil). Ein ähnlicher Zweck liegt dem heilmittelwerberechtlichen Zugabeverbot zugrunde, das auch nach dem Wegfall der Zugabeverordnung das Gewähren oder Annehmen von Zugaben untersagt, weil Ärzte und Apotheker die Entscheidung darüber, welches Medikament sie verschreiben oder empfehlen, allein im Interesse des Patienten treffen sollen und sich dabei nicht davon leiten lassen sollen, ob ihnen bei der Empfehlung oder Verschreibung eines bestimmten Präparats ein persönlicher Vorteil zufließt (vgl. BGH, Urt. v. 30.1.2003 - I ZR 142/00, GRUR 2003, 624, 626 = WRP 2003, 886 - Kleidersack; Köhler in Baumbach/Hefermehl aaO § 4 Rdn. 1.84).
Ob der Verbotstatbestand des § 31 der ärztlichen Berufsordnung im Streitfall eingreift, ist allerdings nicht nur wegen der Frage, ob wirklich unter Selbstkosten angeboten worden ist, sondern auch deswegen zweifelhaft, weil die Beklagten die Gewährung der günstigen Preise für O-I- und O-II-Leistungen nicht von der Zuwendung von Patienten oder von Untersuchungsmaterial abhängig gemacht haben. Jedenfalls im Rahmen des § 4 Nr. 1 UWG kommt es auf eine rechtliche Kopplung nicht an. Ein unangemessener unsachlicher Einfluss kann vielmehr schon dann zu bejahen sein, wenn die niedergelassenen Ärzte, die sich im Hinblick auf die günstigen, unter dem einheitlichen Bewertungsmaßstab liegenden Preise für O-I- und O-II-Leistungen der bei der Laborarztpraxis der Beklagten angesiedelten Laborgemeinschaft anschließen, sich auch ohne rechtliche Kopplung veranlasst sehen, dieser Laborarztpraxis die Patienten zu überweisen, für die O-III-Leistungen zu erbringen sind.
b) Die Feststellung, dass die von den Beklagten angebotenen Preise unter den Selbstkosten liegen, hat das Berufungsgericht verfahrensfehlerhaft getroffen. Für das Merkmal eines Angebots unter den Selbstkosten sind im Streitfall grundsätzlich die Kläger darlegungs- und beweispflichtig. Sie sind ihrer Darlegungslast - wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat - dadurch nachgekommen, dass sie sich auf Untersuchungen einer Unternehmensberatung berufen haben, wonach die S ätze des einheitlichen Bemessungsmaßstabs auf Selbstkostenbasis berechnet worden seien. Dieses Vorbringen ist ausreichend, weil die Kläger nähere Angaben zur Kalkulation der bei der Praxis der Beklagten angesiedelten Arbeitsgemeinschaft naturgemäß nicht machen können. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht jedoch angenommen, die Beklagten könnten die Behauptung der Kläger nur durch Vorlage ihrer Kalkulationsgrundlagen substantiiert bestreiten. An diesen Unterlagen besteht - was keiner näheren Ausf ührung bedarf - ein erhebliches Geheimhaltungsinteresse der Beklagten. Dieses schützenswerte Interesse führt dazu, dass die Beklagten den Klägervortrag auch ohne detaillierte Angaben zu den Kalkulationsgrundlagen bestreiten konnten. Ohne Beweisaufnahme hätte das Berufungsgericht daher nicht von einem Angebot unter Selbstkosten ausgehen dürfen.
Im Rahmen einer Beweisaufnahme hätte das Berufungsgericht den Beklagten aufgeben können, einem zu bestimmenden Sachverständigen die Kalkulationsgrundlagen vorzulegen (§ 144 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Den berechtigten Geheimhaltungsinteressen der Beklagten hätte dabei in der Weise Rechnung getragen werden können, dass der Sachverständige sich auf die Beantwortung der Frage beschränkt, ob eine Quersubventionierung der Laborgemeinschaft durch die Beklagten - sei es in der Form direkter Zahlungen oder sei es in der Form der Überlassung vorhandener freier Kapazitäten (Personal, Laborräume, Laboreinrichtung) - stattgefunden hat.
c) Wie bereits dargelegt, stellt es ein unlauteres Wettbewerbsverhalten nach §§ 3, 4 Nr. 1 UWG dar, wenn die Beklagten niedergelassene Ärzte dadurch zu einer Überweisung von Patienten für O-III-Untersuchungen veranlassen, dass sie ihnen - über die Arbeitsgemeinschaft Labor und Diagnostik - O-I- und O-II-Leistungen unter Selbstkosten anbieten. Im Streitfall kann eine Verbindung der beiden Vorgänge nicht geleugnet werden, wenn die niedergelassenen Ärzte üblicherweise die Patienten für O-III-Untersuchungen stets an diejenigen Laborärzte überweisen, bei denen sie für O-I- und O-II-Leistungen eine Laborgemeinschaft unterhalten. Dies mag - wie das Berufungsgericht angenommen hat - nahe liegen. Hierin liegt jedoch zunächst nicht mehr als eine Vermutung. Ebenfalls denkbar, wenn auch weniger wahrscheinlich erscheint es, dass die niedergelassenen Ärzte die Entscheidung über die Überweisung von Patienten für O-III-Untersuchungen unabhängig davon treffen, mit welchem Laborarzt sie in einer Laborgemeinschaft zusammenarbeiten. Auch in diesem Punkt bedarf es daher noch zusätzlicher Feststellungen.
III. Das angefochtene Urteil ist danach aufzuheben. Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Im wiedereröffneten Berufungsverfahren kann der streitige Sachverhalt gegebenenfalls durch das Gutachten eines Sachverständigen geklärt werden, dem die Kalkulationsunterlagen der Beklagten zur Verfügung gestellt werden, wobei berechtigte Geheimhaltungsinteressen der Beklagten gewahrt bleiben müssen. Zur Frage der Verbindung der beiden Vorgänge - O-I- und O-II-Leistungen einerseits und O-III-Leistungen andererseits - können die Parteien ergänzend vortragen.