15.06.2016 · IWW-Abrufnummer 186612
Bundesfinanzhof: Urteil vom 17.02.2016 – X R 26/13
Aufwendungen für Küche, Bad und Flur, die in die häusliche Sphäre eingebunden sind und zu einem nicht unerheblichen Teil privat genutzt werden, können auch dann nicht als Betriebsausgaben/Werbungskosten berücksichtigt werden, wenn ein berücksichtigungsfähiges häusliches Arbeitszimmer existiert.
Tenor:
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 4. Juni 2013 10 K 734/11 E wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Gründe
I.
1
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) erzielt als selbständige Lebensberaterin Einkünfte aus Gewerbebetrieb, die sie durch Einnahmen-Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ermittelt. Sie übt ihre Tätigkeit ausschließlich in einem Zimmer ihrer Mietwohnung aus, in dem sie nach eigener Angabe Kunden telefonisch berät, Arbeitsvorbereitungen trifft, Fachliteratur sichtet und Berechnungen im Rahmen astrologischer Faktoren durchführt. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) berücksichtigte die Aufwendungen für dieses Zimmer nach Maßgabe dessen Flächenanteils an der gesamten Wohnung als Betriebsausgaben. Diese stehen nicht mehr im Streit.
2
Mit Einspruch und Klage machte die Klägerin erfolglos außerdem die hälftigen Kosten für die Küche, das Bad und den Flur geltend. Das Finanzgericht (FG) ist mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2013, 1023 veröffentlichten Urteil davon ausgegangen, dass Küche, Bad und Flur ihrer Ausstattung nach keine Arbeitszimmer seien. Vielmehr handele es sich bei den Aufwendungen hierfür um solche für den Haushalt des Steuerpflichtigen i.S. des § 12 Nr. 1 EStG und damit für die Lebensführung. Auch ein teilweiser Abzug sei nicht möglich. Die Nutzung von Küche und Bad habe mit der Berufsausübung nichts zu tun. Die berufliche Mitnutzung des Flurs liege allenfalls darin, das Arbeitszimmer zu erreichen. Dafür fehle jedoch ein verlässlicher Aufteilungsmaßstab. Auch der Beschluss des Großen Senats des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 21. September 2009 GrS 1/06 (BFHE 227, 1, BStBl II 2010, 672) erlaube die Aufteilung gemischter Aufwendungen dann nicht, wenn private und berufliche Gründe so zusammenwirken, dass eine Trennung nicht möglich ist.
3
Mit der Revision vertritt die Klägerin unter Hinweis auf das BFH-Urteil vom 24. Februar 2011 VI R 12/10 (BFHE 233, 123, BStBl II 2011, 796) sowie das Urteil des FG Köln vom 19. Mai 2011 10 K 4126/09 (EFG 2011, 1410) die Auffassung, Schwierigkeiten der Aufteilung stünden der Berücksichtigung der Aufwendungen für Küche, Bad und Flur nicht entgegen, da bei Fehlen eines anderen Aufteilungsmaßstabs eine hälftige Aufteilung vorzunehmen sei. Hätte sie zusätzlich zu ihrer Wohnung Büroräume für ihre Tätigkeit angemietet, wären die Kosten für die darin enthaltenen Nebenräume ohne Weiteres vollen Umfangs als Betriebsausgaben abziehbar.
4
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das FG-Urteil aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid vom 8. Oktober 2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10. Februar 2011 dahin zu ändern, dass weitere Raumkosten in Höhe von 1.162 € als Betriebsausgaben berücksichtigt werden.
5
Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen
und schließt sich dem FG an.
6
Mit Beschluss vom 24. März 2014 hat der Senat nach § 155 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 251 der Zivilprozessordnung das Ruhen des Verfahrens im Hinblick auf das bei dem Großen Senat des BFH anhängige Verfahren GrS 1/14 (Vorlagebeschluss des IX. Senats des BFH vom 21. November 2013 IX R 23/12, BFHE 243, 563, BStBl II 2014, 312) angeordnet. Der Große Senat des BFH hat mit Beschluss vom 27. Juli 2015 GrS 1/14 (BFHE 251, 408) über die Vorlagefrage entschieden.
II.
7
Nach der Entscheidung des Großen Senats des BFH über die Vorlagefrage ist die Verfahrensruhe beendet und das Verfahren fortzusetzen. Die Revision ist unbegründet und nach § 126 Abs. 2 FGO zurückzuweisen. Die anteiligen Aufwendungen für Küche, Bad und Flur sind keine Betriebsausgaben.
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1. Nach § 4 Abs. 4 EStG sind Betriebsausgaben die Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlasst sind. Aufwendungen für einen in die häusliche Sphäre des Steuerpflichtigen eingebundenen Raum, der sowohl zur Erzielung von Einkünften als auch —in mehr als nur untergeordnetem Umfang— zu privaten Zwecken genutzt wird, sind jedoch insgesamt auch nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG nicht abziehbar (Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 251, 408, unter D.).
9
2. Nach diesen Maßstäben können anteilige Aufwendungen für Küche, Bad und Flur der Wohnung der Klägerin nicht als Betriebsausgaben berücksichtigt werden. Sie hat diese Räume, deren Natur sowie den nach § 118 Abs. 2 FGO bindenden Feststellungen des FG entsprechend, jedenfalls auch zu einem nicht unerheblichen Anteil privat genutzt.
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a) Das gilt unabhängig davon, ob diese Räume als unselbständige Nebenräume der Wohnung oder von vornherein für sich zu betrachten sind. In beiden Fällen fehlt es an der Voraussetzung (nahezu) ausschließlicher betrieblicher Nutzung. Selbst bei Einstufung als Nebenraum (auch) zu dem Arbeitszimmer könnte auf die Nutzungsvoraussetzung nicht verzichtet werden, auch dann nicht, wenn, wie hier, das eigentliche Arbeitszimmer dieser entspricht. Ob der Nutzungsvoraussetzung genügt ist, ist für jeden abgeschlossenen Raum individuell zu entscheiden. Der Große Senat des BFH hat in seinem Beschluss (in BFHE 251, 408, unter D.2.b cc (3) zur "Arbeitsecke") verdeutlicht, dass ein abgeschlossener Raum die maßgebende Einheit ist, deren Nutzungsverhältnisse zu beurteilen sind. Im Übrigen wäre die Klägerin mit einer solchen Einbeziehung sogar schlechter gestellt. Wenn Arbeitszimmer, Küche, Bad und Flur als einheitlicher Raumkomplex zu behandeln wären, wäre die unzweifelhafte nicht unerhebliche private Mitnutzung der Nebenräume für den gesamten Raumkomplex schädlich, das Arbeitszimmer dadurch "infiziert". Im Ergebnis entfiele damit der Betriebsausgabenabzug auch für das eigentliche Arbeitszimmer. Es kann deshalb offenbleiben, inwieweit die Nutzung dieser Nebenräume, insbesondere der Küche, durch einen Steuerpflichtigen, der seine Arbeit im häuslichen Arbeitszimmer erledigt, überhaupt einen ausreichenden betrieblichen oder beruflichen Bezug haben kann, ob nicht vielmehr das Aufsuchen der Küche zur Mittags- oder Kaffee–/ Teepause den Zusammenhang zur betrieblichen oder beruflichen Tätigkeit unterbricht und stets als privat zu bewerten ist.
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b) Im Streitfall ist lediglich zu beurteilen, ob der der Fläche der streitigen Räume entsprechende Anteil an den allgemeinen Wohnungskosten steuerlich zu berücksichtigen ist. Offenbleiben kann hier daher die davon zu unterscheidende Frage, inwieweit Renovierungs- und Umbaukosten, die sich auf derartige Nebenräume beziehen, ihrerseits Eingang in die allgemeinen Wohnungskosten finden und so mittelbar die zu berücksichtigenden Aufwendungen des häuslichen Arbeitszimmers erhöhen können (vgl. dazu Urteil des FG Münster vom 18. März 2015 11 K 829/14 E, EFG 2015, 1073; Revision eingelegt unter VIII R 16/15).
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c) Die Überlegung der Klägerin, entsprechende Nebenräume in einem gesondert angemieteten Bürotrakt wären steuerlich zu berücksichtigen, rechtfertigt keine abweichende Beurteilung. Derartige Räume würden schon aufgrund ihrer räumlichen Trennung von der eigenen Wohnung tatsächlich lediglich betrieblich oder beruflich genutzt. Das Problem der gemischten Nutzung stellt sich dort nicht.
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d) Der Senat weicht mit dieser Beurteilung nicht von der Entscheidung des VI. Senats des BFH in BFHE 233, 123, BStBl II 2011, 796 ab. In jener Entscheidung ging es um den Aufteilungsmaßstab für Aufwendungen, die dem Grunde nach aufteilbar sind (Reisekosten). Wie der Große Senat des BFH erkannt hat, unterliegen die Aufwendungen für Räume, die in die häusliche Sphäre eingebunden sind, davon abweichenden Rechtsgrundsätzen. Das nicht rechtskräftige Urteil des FG Köln in EFG 2011, 1410 (Revision anhängig unter X R 32/11) beruht in diesem Punkte auf Überlegungen, denen der Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 251, 408 die Grundlage entzogen hat.
14
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.