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  • 21.06.2016 · IWW-Abrufnummer 186716

    Finanzgericht Baden-Württemberg: Urteil vom 10.02.2016 – 12 K 1205/14

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    FG Baden-Württemberg

    10.02.2016 - 12 K 1205/14

    In dem Finanzrechtsstreit
    - Kläger -
    gegen
    Finanzamt
    - Beklagter -

    wegen Einkommensteuer für 2010

    hat der 12. Senat des Finanzgerichts Baden-Württemberg aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 10. Februar 2016 durch
    Richterin am Finanzgericht als Vorsitzende
    Richter am Finanzgericht
    Richterin am Finanzgericht
    Ehrenamtliche Richter

    für Recht erkannt:
    Tenor:

    1. Die Klage wird abgewiesen.

    2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

    3. Die Revision wird zugelassen.

    Tatbestand

    Die Kläger sind Eheleute, die zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. Der Kläger, ein nicht selbstständig tätiger Steuerberater und Wirtschaftsprüfer, war im Streitjahr 2010 auch als ehrenamtlicher Richter (Schöffe) beim Landgericht X tätig und hat hierfür eine Vergütung nach dem Justizvergütungs- und Justizentschädigungsgesetz --JVEG-- erhalten. Ihm wurde u.a. eine Entschädigung i.H.v. 2.320 € für Verdienstausfall und i.H.v. 565 € für Zeitversäumnis bezahlt.

    Nach § 16 JVEG beträgt die Entschädigung für Zeitversäumnis 5 € je Stunde. § 18 JVEG sieht eine Entschädigung für Verdienstausfall vor. Danach wird für den Verdienstausfall neben der Entschädigung nach § 16 JVEG eine zusätzliche Entschädigung gewährt, die sich nach dem regelmäßigen Bruttoverdienst einschließlich der vom Arbeitgeber zu tragenden Sozialversicherungsbeiträge richtet, jedoch höchstens 20 € je Stunde beträgt. Die Entschädigung beträgt bis zu 39 € je Stunde für ehrenamtliche Richter, die in demselben Verfahren an mehr als 20 Tagen herangezogen oder innerhalb eines Zeitraums von 30 Tagen an mindestens sechs Tagen ihrer regelmäßigen Erwerbstätigkeit entzogen werden.

    Im Haushaltsplan Baden-Württemberg 2010/11 sind unter 0503 Gerichte der ordentlichen Gerichtsbarkeit und Staatsanwaltschaften Titel 412 01 FKZ 052 Entschädigungen an ehrenamtliche Richter u. dgl. ausgewiesen. Erläutert wird: Die bei Gerichten als ehrenamtliche Richter zugezogene Personen werden nach dem JVEG in der jeweils geltenden Fassung entschädigt.

    Die Kläger erklärten in ihrer Einkommensteuererklärung 2010 u.a. die Entschädigungen nach dem JVEG i.H.v. 2.860 € als Arbeitslohn ohne Steuerabzug (ohne den Fahrtkostenersatz und den Ersatz sonstiger Aufwendungen, wie z.B. Parkgebühren). Wegen der Einzelheiten wird auf die Abrechnungen des Landgerichts X Bezug genommen (Einkommensteuerakten, S. 47-53).

    Der Beklagte behandelte die Vergütungen nach dem JVEG (mit Ausnahme des Ersatzes von Fahrtkosten und sonstiger Aufwendungen) als steuerpflichtige Einnahmen (Einkommensteuerbescheid für 2010 vom 10. Juli 2012).

    Hiergegen legten die Kläger Einspruch ein. Sie führten im Wesentlichen aus, die Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit des Klägers seien um 2.860 € zu kürzen. Denn die Entschädigung für die Tätigkeit als ehrenamtlicher Richter (Schöffe) nach JVEG sei nicht steuerbar.
    Während des Einspruchsverfahrens fiel dem Beklagten auf, dass der Kläger insgesamt 2.885 € erhalten habe. Er änderte dennoch den Einkommensteuerbescheid nicht, da der Mehrbetrag von 25 € zu keiner höheren Einkommensteuer führt.

    Mit ihrer nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage machen die Kläger im Wesentlichen geltend, die ihm, dem Kläger, zugeflossenen Vergütungen gemäß §§ 16, 18 JVEG seien keine Einkünfte im Sinne des § 2 Abs. 2 S. 1 Nr. 1-7 Einkommensteuergesetz --EStG--. Die Entschädigungen für Verdienstausfall und Zeitversäumnis seien nicht steuerbar. Sie könnten keiner der sieben Einkunftsarten zugeordnet werden. Das Amt als ehrenamtlicher Richter bedeute gleichermaßen Ehre wie auch Verpflichtung. Wer ein solches Amt auszuüben habe, dürfe es nur aus gewichtigen Gründen ablehnen. Dieses Ehrenamt sei mit Einsatz von Zeit verbunden und könne auch, je nach Wohnort und persönlichen Verhältnissen, erheblichen Aufwand mit sich bringen. Als ehrenamtlicher Richter werde er für den zeitlichen Aufwand, den seine Dienste von ihm abverlangen, entschädigt. Denn der ehrenamtliche Richter stehe nicht, wie ein Berufsrichter, in einem festen Dienst- oder Arbeitsverhältnis. Der ehrenamtliche Richter erhalte eine Wiedergutmachung für einen staatlichen Eingriff, der darin bestehe, dass ihm hoheitlich das Schöffenamt auferlegt werde, ohne dass es dazu auf seine Einwilligung ankomme. Charakteristisch für die Entschädigung sei, dass sie nicht die tatsächlich entstandene Einbuße vollumfänglich kompensiere, sondern dem Betroffenen in der Regel nur einen angemessenen Ausgleich biete. Die Entschädigung für ehrenamtliche Richter sei im JVEG geregelt und setze sich aus mehreren Einzelpositionen, im Wesentlichen einer Entschädigung für Fahrtkostenersatz und sonstige Aufwendungen, einer Entschädigung für Zeitversäumnis sowie einer Entschädigung für konkrete erwerbsbedingte Nachteile, zusammen. Die Gelder nach §§ 16-18 JVEG würden dabei nicht für einen tatsächlich nachzuweisenden Verdienstausfall gewährt, sondern typisierend. Auch Warte- und Reisezeiten würden mit den vollen Beträgen entschädigt. Der Bundesfinanzhof --BFH-- habe bereits am 16. Dezember 1987 X R 7/82, Bundessteuerblatt --BStBl.-- II 1988,384, entschieden, dass diese Zahlungen keine Entlohnung, sondern ein Ersatz für einen entstandenen Schaden darstellen. Die Entschädigung gehöre nicht zu den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit, auch wenn ehrenamtliche Richter Ort und Zeit ihres Einsatzes bei Gericht nicht selbst bestimmen könnten und zumindest befristet während ihres Verbleibs auf der Liste der ehrenamtlichen Richter auch in den Gerichtsbetrieb eingegliedert seien. Hinsichtlich Einsatzort, Einsatzdauer und Anwesenheitspflicht seien die ehrenamtliche Richter einem Angestellten vergleichbar, da sie in der Regel keinen Einfluss auf die Terminierung ihrer Einsätze durch den oder die Berufsrichter haben. Die Reihenfolge der Heranziehung der ehrenamtliche Richter werde durch Auslosung oder Präsidiumsentscheidung festgelegt. Zumindest in der Hauptverhandlung erfüllten sie auch die gleichen Pflichten wie ein Berufsrichter, der unstreitig Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erziele. Unter Hinweis auf die fehlende Eingliederung in die Gerichtsorganisation werde jedoch in der Literatur teilweise die Arbeitnehmereigenschaft der ehrenamtlichen Richter abgelehnt. Auch wenn die Anforderungen an das Merkmal der organisatorischen Eingliederung nicht überspannt werden dürfe, sei zu beachten, dass das Amt des ehrenamtlichen Richters regelmäßig nur auf fünf Jahre und höchstens einmalige Wiederholung angelegt sei. Ferner handle es sich um ein Ehrenamt, dass zwingend übernommen werden müsse. Eine freiwillige und selbstbestimmte Entscheidung zur Erbringung einer Arbeitsleistung, wie sie für privatrechtliche Arbeitsverträge oder auch bei der Übernahme ins Richter- oder Beamtenverhältnis üblich sei, fehle im Amt des ehrenamtlichen Richters. Darin liege der wesentliche Unterschied des Amts der ehrenamtliche Richter zu anderen Ehrenämtern. Auf die innere Willensbildung des ehrenamtlichen Richters komme es bei seiner Bestellung nicht an. Die fehlende Freiwilligkeit sei deutliches Indiz für das Fehlen der Einnahmeerzielungsabsicht im subjektiven Tatbestand des ehrenamtlichen Richters. Das Vorhandensein der Überschusserzielungsabsicht sei jedoch für alle Überschusseinkunftsarten konstitutiv. Der ehrenamtliche Richter übe indes sein Amt nicht als Broterwerb oder um des lieben Geldes wegen aus. Habe der ehrenamtliche Richter einen Rechtsanspruch auf Ausgleich seiner Kosten und sonstiger entgangener Erwerbsmöglichkeiten, komme es auf seine subjektiven Merkmale nicht an. Werde mit einer ehrenamtlichen Tätigkeit nur der Ersatz von Aufwendungen erstrebt, verneinten Literatur und finanzgerichtliche Rechtsprechung die Einkünfteerzielungsabsicht. Hinzu komme, dass das Land als Träger der Gerichtsbarkeit und damit der einzige infrage kommende Arbeitgeber regelmäßig keine sozialversicherungsrechtlichen Folgen ziehe. Bezüglich der Verdienstausfallentschädigung könne eingewandt werden, dass der ehrenamtliche Richter für seine richterliche Tätigkeit einen Betrag erhalte, der sich an seiner regulären Gehalts- oder Verdienstmöglichkeit orientiere. Eine solche Vergleichsbetrachtung beim Einkommensteuerrecht sei jedoch unzulässig. Die bestehenden sieben Einkunftsarten würden zwar durch § 24 Nr. 1 EStG um Entschädigungen, die gewährt worden sind, als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen, erweitert.

    § 24 Nr. 1 EStG schaffe jedoch keine neue selbstständige achte Einkommensart. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung bildeten Einkünfte, die unter § 24 EStG fielen, vielmehr eine besondere Art von Einkünften innerhalb der Einkunftsart, zu der sie gehören. Die Rechtsprechung sei so zu verstehen, dass die Entschädigung mit einer der sieben Haupteinkunftsarten verknüpft sein müsse. Einnahmen eines Dritten würden grundsätzlich hiervon nicht erfasst. Die Entschädigungen nach dem JVEG seien nur ausnahmsweise Ersatzleistung eines Dritten (BFH vom 24. Februar 1981 VIII R 109/76, BStBl. II 1981, 707). § 24 EStG wirke prolongierend, nicht expandierend. Der Begriff Entschädigung sei gesetzlich nicht näher definiert. Nach H 24.1 EStR 2008 liege eine Entschädigung vor, wenn der Steuerpflichtige infolge einer Beeinträchtigung der durch einzelne Vorschriften geschützten Güter eine finanziellen Schaden erlitten habe und die Zahlung unmittelbar dazu bestimmt sei, diesen Schaden auszugleichen. Die Entschädigung sei nach der Rechtsprechung dadurch gekennzeichnet, dass sie durch den Verlust von steuerpflichtigen Einnahmen, mit denen der Steuerpflichtigen rechnen haben könne, unmittelbar bedingt sei und einen Schadensausgleich bewirke. Ein solcher Verlust sei bei der Tätigkeit als ehrenamtlicher Richter möglich, jedoch keinesfalls zwingend. In der Rechtsprechung werde in Auslegung des Tatbestandsmerkmals "entgangener oder entgehende Einnahmen" gefordert, dass die Rechtsgrundlage für eine Einnahme weggefallen und an ihre Stelle eine neue Rechts- und Billigkeitsgrundlage für Ersatzanspruch getreten sein müsse. Selbst wenn man diese Voraussetzungen nicht zu eng verstehe, werde ein Zusammenhang zwischen den Einkünften in der Einkunftsart der Haupttätigkeit des ehrenamtlichen Richters, hier die unselbständige Arbeit, und den Entschädigungen für die ehrenamtliche richterliche Tätigkeit bestehen müssen. Die Bestellung zum ehrenamtliche Richter sei aber vom bestehenden Arbeitsverhältnis gänzlich unabhängig. Lediglich der Höhe nach bilde das übrige regelmäßige Bruttoeinkommen des steuerpflichtigen ehrenamtlichen Richters eine Orientierung zur Bemessung der Höhe der aufgrund des JVEG zu zahlenden Entschädigung. Es bestehe weder ein mittelbarer noch unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Erzielung der Einkünfte dem Grunde nach aus § 19 Abs. 1 EStG und als ehrenamtlicher Richter.

    Die Tätigkeit sei auch kein Nebengeschäft zu einer nicht selbstständigen Tätigkeit, weil es an einem Bezug der beiden Aufgaben zueinander in aller Regel fehle und diese allenfalls zufällig bestehe (Finanzgericht --FG-- Berlin vom 6. Dezember 1979 IV 460/78, Entscheidungen --EFG-- 1980, 280). Die Einnahmen seien auch nicht als sonstige Einkünfte im Sinne des § 22 EStG zu versteuern. Diese Norm sei ein Auffangtatbestand, angesichts des Numerus clausus der Einkunftsarten jedoch nur, soweit die Zahlungen unter die enumerativ aufgeführten Fallgestaltungen subsumierbar seien. § 22 Nr. 4 EStG benenne ausdrücklich Entschädigungszahlungen als steuerbare sonstige Einkünfte, beschränke die Norm jedoch auf Zahlungen aufgrund eines Abgeordnetengesetzes und auf Entschädigungen der Legislative. Dies belege der enge zeitliche Zusammenhang mit dem am 1. April 1997 neu in Kraft getretenen Abgeordnetengesetz. Eine Ausweitung des Anwendungsbereichs contra legem auch auf Angehörige bzw. Mitwirkende in der Judikative würde gegen der Vorbehalt des Gesetzes verstoßen. Eine Analogie zulasten eines Steuerpflichtigen komme nicht in Betracht. Auch § 22 Nr. 3 EStG sei nicht einschlägig. Aufgrund seiner Konturlosigkeit sei diese Norm einschränkend auszulegen. Bereits das FG Berlin (vom 6. Dezember 1979 IV 460/78, EFG 1980, 280) habe entschieden, dass die Vergütung als ehrenamtlicher Richter nicht im Rahmen einer Einkunftsart zufließe und daher die Entschädigungen für Aufwand als auch für Zeit- und Verdienstausfall nach dem JVEG nicht steuerbar seien. Dieses Ergebnis sei sachgerecht.

    Die Ausübung der Tätigkeit als ehrenamtlicher Richter sei Ausdruck staatsbürgerlicher Pflichten und nicht der Verwirklichung einer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Der Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit verbiete einen Steuerzugriff da, wo Einnahmen nur deshalb entstehen, weil unvermeidbar und unfreiwillig staatliche Ausgaben im Rahmen einer der drei Staatsgewalten, hier der Judikative, übernommen werden. Leistungsfähigkeit bedeute nämlich auch, dass ein Zuwachs ein wirtschaftlicher Kraft vor allem aus eigenem Antrieb, mithin nicht unfreiwillig, eingetreten sei.

    Die Kläger beantragen,

    den Einkommensteuerbescheid 2010 vom 10. Juli 2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 6. März 2014 dahingehend zu ändern, dass die festgesetzten Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit des Klägers um 2.860 € gemindert werden;
    hilfsweise, die Revision zuzulassen.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Er macht im Wesentlichen unter Bezugnahme auf seine Einspruchsentscheidung geltend, die nach dem JVEG gewährten Zahlungen seien steuerbar und steuerpflichtig. Sie gehörten regelmäßig zu den Einkünften aus sonstiger selbstständiger Arbeit nach § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG.

    Könne der ehrenamtliche Richter infolge der Heranziehung zum Richteramt seiner gewöhnlichen Beschäftigung nicht nachgehen und erhalte er demgemäß eine Entschädigung für den erlittenen Verdienstausfall, handle es sich insoweit um eine Entschädigung im Sinne von § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG, die der Einkunftsart zuzuordnen sei, bei der der Verdienst- oder Einnahmeausfall eintrete. Daher seien die Einnahmen des Klägers bei dessen Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit erfasst worden. Eine andere steuerliche Auswirkung ergebe sich nicht, wenn die Einnahmen als Einkünfte aus selbstständiger Arbeit erfasst oder auf beide Einkunftsarten § 18 und § 19 EStG aufgeteilt würden und zwar dergestalt, dass die Entschädigung für Zeitversäumnis i.H.v. 565 € als sonstige selbstständige Einkünfte nach § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG und die Entschädigung für Verdienstausfall i.H.v. 2.320 € als Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit nach § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 i.V.m. § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG erfasst werde. Eine Steuerbefreiung der Entschädigungen nach § 3 Nr. 12 S. 1 EStG komme nicht in Betracht, da die Zahlungen im JVEG weder als Aufwandsentschädigung festgesetzt noch im Haushaltsplan als solche ausgewiesen seien. Steuerfrei seien lediglich nach § 3 Nr. 12 S. 2 EStG Entschädigungen für Fahrtkosten nach § 5 JVEG, für Aufwand, ohne Tagegelder, nach § 6 JVEG sowie der Ersatz für sonstige Aufwendungen nach § 7 JVEG. Eine Steuerbefreiung der Entschädigung nach § 3 Nr. 12 S. 2 komme nicht in Betracht. Denn Voraussetzung für eine Steuerbefreiung sei, dass die Entschädigung dazu bestimmt sei, die dem ehrenamtlichen Richter durch seine ehrenamtliche Tätigkeit entstehenden Aufwendungen abzugelten, die steuerlich als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abziehbar wären. Dabei bestimme sich der Umfang der als Betriebsausgaben oder Werbungskosten zu berücksichtigenden Aufwendungen nach den allgemeinen steuerlichen Vorschriften. Eine steuerfreie Aufwandsentschädigung liege mithin dann nicht vor, wenn die Entschädigung für Verdienstausfall nach § 18 JVEG oder Zeitverlust nach § 16 JVEG gezahlt werde oder dem Empfänger ein Aufwand nicht oder offenbar nicht in Höhe der gewährten Entschädigung erwachse. Eine Versteuerung entspreche der Rechtslage in Baden-Württemberg. Dies belege der Leitfaden für ehrenamtliche Richterinnen und Richter beim Finanzgericht, Stand September 2012, herausgegeben vom Justizministerium Baden-Württemberg.

    Die mündliche Verhandlung fand am 10. Februar 2016 statt. Wegen der Einzelheiten wird auf die in den Akten befindliche Niederschrift Bezug genommen.

    Entscheidungsgründe

    Die Klage ist unbegründet.

    Der angefochtene Einkommensteuerbescheid verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten. Die dem Kläger zugeflossenen streitigen Leistungen nach dem JVEG gehören zu den Einkünften aus selbständiger Arbeit (1.). Eine steuerliche Auswirkung ergibt sich aus der abweichenden Zuordnung jedoch nicht. Die streitgegenständlichen Einnahmen sind nicht nach § 3 Nr. 12 EStG oder § 3 Nr. 26 EStG steuerfrei (2.).

    1. Die Einnahmen des Klägers aus seiner Tätigkeit als ehrenamtlicher Richter sind als Einkünfte aus selbstständiger Arbeit nach § 18 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 EStG zu erfassen (a.A. FG Berlin vom 6. Dezember 1979 IV 460/78, EFG 1980, 280, wonach bei einer ehrenamtlichen Tätigkeit die Absicht, Gewinn zu erzielen, fehlt). Die sonstige selbständige Arbeit wird im Gesetz nicht näher umschrieben, sondern lediglich Beispiele genannt. Hierzu "ähnliche" Tätigkeiten sind insbesondere verwaltende Tätigkeiten (BFH vom 3. Dezember 1987 IV R 41/85, BStBl. II 1988, 266). Die Vorschrift enthält jedoch keinen abschließenden Katalog in Betracht kommender Einkünfte aus sonstiger selbstständiger Arbeit, sondern lediglich die Auflistung von Regelbeispielen. Weitere Tätigkeiten fallen danach in den Anwendungsbereich der Regelung, wenn sie ihrer Art nach diesen Regelbeispielen ähnlich sind. Das ist z.B. der Fall, wenn die Tätigkeit die Betreuung fremder Vermögensinteressen umfasst, aber darüber hinaus auch dann, wenn es sich um eine selbstständig ausgeübte fremdnützige Tätigkeit in einem fremden Geschäftskreis handelt (BFH vom 15. Juni 2010 VIII R 10/09, BStBl. II 2010, 906). Die genannten Regelbeispiele erschöpfen sich nicht in der bloßen Vermögensverwaltung, sondern umfassen zusätzliche Aufgaben, wie etwa die Leistung von Rechtsbeistand durch den Testamentsvollstrecker oder unternehmerische Kontrolle durch das Aufsichtsratsmitglied (BFH vom 15. Juni 2010 VIII R 10/09, BStBl. II 2010, 906). Infolgedessen ist die Anwendung von § 18 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 EStG nicht auf verwaltende Tätigkeiten (der Exekutive) beschränkt. Im Streitfall führt der Kläger seine Tätigkeit höchst persönlich aus und ist nicht persönlich abhängig vom Land Baden-Württemberg (als "Arbeitgeber"). Der Kläger als tätige Person steht in der Betätigung seines geschäftlichen Willens nicht unter der Leitung des "Arbeitgebers". Er ist nicht in dessen geschäftlichen Organismus dessen Weisungen zu folgen verpflichtet (vgl. Schmidt/Krüger, EStG, 34. Aufl. 2015, § 19 Rn. 35, Stichwort ehrenamtliche Tätigkeit). Der Kläger ist kraft Gesetzes zur Ausübung seiner Tätigkeit verpflichtet und unterliegt bei der Ausübung seiner Tätigkeit keinen inhaltlichen Weisungen dergestalt, dass ihm ein Ergebnis vorgegeben wird. Im Vordergrund steht nicht das Ableisten einer bestimmten Arbeitszeit.

    Dem steht nicht entgegen dass der Kläger "ehrenamtlich" tätig geworden ist und der Begriff ehrenamtliche Tätigkeit verfassungsrechtlichen Bezug zu staatsbürgerlichen Grundrechten und Grundpflichten hat (vgl. BFH vom 16. Dezember 1987 X R 7/82, BStBl. II 1988, 384 zur Umsatzsteuerfreiheit ehrenamtlich Tätiger). Zu den ehrenamtlichen Tätigkeiten gehören alle diejenigen Tätigkeiten, die in einem (anderen) Gesetz ausdrücklich oder im allgemeinen Sprachgebrauch herkömmlicherweise als solche bezeichnet werden (BFH vom 27. Juli 1972 V R 33/72, BStBl. II 1972, 844). Dies trifft auf unentgeltliche oder nur gegen Ersatz der Aufwendungen ausgeübte Tätigkeiten zu (BFH vom 27. Juli 1972 V R 33/72, BStBl. II 1972, 844). Der Begriff "ehrenamtlich" wird vor allem im Verwaltungs- und Sozialversicherungsrecht verwendet. Für den Bereich des Verwaltungsrechts setzt die ehrenamtliche Tätigkeit die Wahrnehmung eines bestimmt umgrenzten, institutionell geordneten Wirkungskreises im Bereich öffentlicher Gewalt voraus. Es geht um einen Dienst an der Sache im Sinne einer Unabhängigkeit von privaten und parteipolitischen Interessen. Voraussetzung ist ferner, dass die organschaftliche Funktion von ihren Träger neben dem eigentlichen Lebensberuf oder ohne einen solchen ausübt und durch einen Träger der öffentlichen Gewalt bestellt worden ist. Der ehrenamtlich Tätige hat mithin keinen Anspruch auf Besoldung, sondern allenfalls auf eine Entschädigung besonderer Art (BFH vom 16. Dezember 1987 X R 7/82, BStBl. II 1988, 384). Der ehrenamtlich Tätige handelt unentgeltlich, wobei eine "maßvolle" Aufwandsentschädigung oder ein Auslagenersatz der Unentgeltlichkeit nicht entgegenstehen. Dies gilt vor allem, wenn damit nur ein Zeitaufwand abgegolten wird (vgl. Köhler, Gesetzlicher Unfallversicherungsschutz im Rahmen der ehrenamtlichen Flüchtlingshilfe - Wer hilft den Helfern?-, Wege zur Sozialversicherung --WzS-- 2015, 299, 304). Nach dem Wortlaut des Gesetzes ist das Amt eines Schöffen ein Ehrenamt (§ 31 Gerichtsverfassungsgesetz --GVG--). Die hierfür gewährte Entschädigung, auch wenn sie den Verdienstausfall umfasst, bedeutet keine Entlohnung, sondern einen Ersatz des sonst entstehenden Schadens (vgl. BFH vom 16. Dezember 1987 X R7/82, BStBl. II 1988, 384). Dieser Ersatz wird steuerlich bei den Einkünften aus selbständiger Arbeit erfasst. Denn einerseits kommt es auf die Bezeichnung der Leistung als Entschädigung oder Schadensersatz nicht an. Andererseits schließt § 18 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 EStG ehrenamtliche Tätigkeiten nicht aus (BFH vom 3. Dezember 1987 IV R 41/85, BStBl. II 1988, 266). Die Ausübung eines Ehrenamts schließt eine Gewinnerzielungsabsicht nicht aus. Auch eine ehrenamtliche Tätigkeit kann der Erzielung positiver Einkünfte dienen. Für die Annahme einer Gewinnerzielungsabsicht ist eine positive Gesamtprognose erforderlich. Dies setzt indes nicht voraus, dass mit den Einnahmen der Lebensunterhalt bestritten werden kann. Die Voraussetzung einer Gewinnerzielungsabsicht ist danach bei der Tätigkeit eines ehrenamtlichen Richters erfüllt. Ein solcher hat Anspruch auf Ersatz des Verdienstausfalls sowie auf eine angemessene Aufwandsentschädigung wegen Zeitverlust. Die Höhe dieser Vergütungen im Einzelnen ist im JVEG geregelt. Auch wenn davon auszugehen ist, dass ein ehrenamtlicher Richter seine Tätigkeit in erster Linie deshalb ausübt, um seine staatsbürgerlichen Pflichten zu erfüllen und damit die Absicht, hierfür Vergütungen zu erzielen, in den Hintergrund tritt, reicht es für die Annahme einer selbstständigen Tätigkeit aus, dass die Gewinnerzielungsabsicht nur ein Nebenzweck ist. Hierzu stimmig ist die Gesetzesbegründung zum JVEG. Danach sollten die Entschädigungen bzw. die Höchstbeträge der zu gewährenden Entschädigungen der ehrenamtlichen Richter an die Entwicklung der Einkommen angepasst werden, die Entschädigung für Zeitversäumnis an die Entwicklung der Verbraucherpreise und die Verdienstausfallentschädigung entsprechend der Entwicklung des Tarifindex der Tariflöhne und -gehälter im produzierenden Gewerbe und im Dienstleistungsbereich angehoben werden (BT-Drs. 17/11471, S. 145, 262 f.).

    Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht dadurch, dass die Leistungen aus öffentlichen Kassen stammen. Auch aus öffentlichen Kassen gezahlte Entschädigungen können Einnahmen sein, die durch eine Erwerbstätigkeit veranlasst sind und in die einkommensteuerliche Bemessungsgrundlage einzubeziehen sind.

    Als Betriebseinnahmen sind alle Zugänge in Geld oder Geldeswert zu erfassen, die durch den Betrieb, also die ehrenamtliche Richtertätigkeit, veranlasst sind und damit auch die nach dem JVEG dem Kläger zugeflossenen Einnahmen.

    Entgegen der Ansicht des Beklagten sind die streitgegenständlichen Einnahmen nicht, auch nicht teilweise, bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit des Klägers zu erfassen (so Schmidt/Krüger, EStG, 34. Aufl. 2015, § 19 Rn. 35, Stichwort ehrenamtliche Tätigkeit, Pfab/Schießl, Besteuerung der Entschädigung für ehrenamtliche Richter (Schöffen), Finanzrundschau --FR-- 2011, 795, 796 ff.). Nach § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG gehören zu den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit Gehälter, Löhne, Gratifikationen, Tantiemen und andere Bezüge und Vorteile für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst. Nach § 1 Abs. 2 Lohnsteuerdurchführungsverordnung liegt ein Dienstverhältnis vor, wenn der Angestellte (Beschäftigte) dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft schuldet. Hieran fehlt es im Streitfall. Der Kläger schuldet nicht seine Arbeitskraft, sondern den Arbeitserfolg, die Mitwirkung an einer Entscheidung. Hierfür hält er keine festen Bezüge für das Ableisten einer bestimmten, zuvor vereinbarten Arbeitszeit. Der zeitliche Umfang der Dienstleistungen steht nicht fest. Der Kläger hat auch keinen Urlaubsanspruch. Eine Fortzahlung der Bezüge im Krankheitsfall oder ein Anspruch auf sonstige Sozialleistungen gibt es nicht. Sowohl das Land als auch der Kläger wollten eindeutig kein Arbeitsverhältnis mit den entsprechenden arbeitsrechtlichen und sozialversicherungsrechtlichen Folgen begründen (FG Berlin vom 6. Dezember 1979 IV 460/78, EFG 1980, 280).

    Etwas anderes ergibt sich nicht nach § 24 EStG. § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG kommt nicht zur Anwendung, da die Zahlungen nach dem JVEG vom bestehenden Arbeitsverhältnis unabhängig sind (Kirchhof/Mellinghoff, EStG, § 24 Rn. 12 Stichwort ehrenamtliche Richter (Schöffen); Pfab/Schießl, Besteuerung der Entschädigung für ehrenamtliche Richter (Schöffen), FR 2011, 795, 796 ff.). Einkünfte, die unter § 24 EStG fallen, bilden eine besondere Art von Einkünften innerhalb der Einkunftsart, zu der sie gehören (BFH vom 17. Dezember 1959 IV 223/58, BStBl. III 1960, 72). Infolgedessen muss die Entschädigung mit einer der sieben Haupteinkunftsarten verknüpft sein. Hierfür genügt es nicht, dass der Verdienstausfall dafür bezahlt wird, dass der Kläger bei Ausübung des ehrenamtlichen Richteramts nicht seiner Tätigkeit als Steuerberater und Wirtschaftsprüfer nachgehen kann und infolgedessen ggf. sein Arbeitgeber den Arbeitslohn mindert. Damit kann dahin gestellt bleiben, ob die Einkunftsart zur Wahrung einer gleichmäßigen Besteuerung nach Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz --GG-- davon abhängen kann, ob der ehrenamtliche Richter einen nichtselbständigen Hauptberuf ausübt. Denn Vergütungen nach dem JVEG werden auch Nichtberufstätigen gezahlt.

    Die Vergütung ist auch nicht als sonstige Einkünfte zu erfassen (vgl. FG Berlin vom 6. Dezember 1979 IV 460/78, EFG 1980, 280).

    2. Die streitgegenständlichen Einnahmen sind nicht steuerfrei.

    Sie sind nicht nach § 3 Nr. 12 S. 1 EStG steuerfrei. Die Aufwandsentschädigung muss aus einer Bundes- oder Landeskasse gezahlt, gesetzlich geregelt oder aufgrund einer gesetzlichen Ermächtigung als Aufwandsentschädigung festgesetzt sein (Schmidt/Heinicke, EStG, 34. Aufl. 2015, § 3 ABC Aufwandsentschädigungen). Die an den Kläger nach dem JVEG ausgezahlte Entschädigung erfüllt diese Voraussetzung nicht. Zwar mussten nach dem Gesetzeswortlaut des § 3 Nr. 12 S. 1 EStG in der für das Streitjahr gültigen Fassung Aufwandsentschädigungen, die in einem Gesetz festgesetzt waren, nicht auch noch im Haushaltsplan als eigener Titel Aufwandsentschädigungen mit Empfänger und Höhe ausgewiesen sein (BFH vom 17. Oktober 2012 VIII R 57/09, BStBl. II 2013, 799). Allerdings verwendet das JVEG den Begriff "Entschädigung" und nicht das Wort "Aufwandsentschädigung". Die formelle Bezeichnung als "Aufwandsentschädigung" ist in diesem Zusammenhang entscheidend (HHR/Bergkemper, EStG, § 3 Nr. 12 Rn. 9).

    Hinzu kommt, dass aus Gründen einer gleichmäßigen Besteuerung die Rechtsprechung § 3 Nr. 12 verfassungsgemäß dahin gehend auslegt, dass nur die Erstattung solcher Aufwendungen von der Steuer befreit ist, die als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abziehbar sind (vgl. BFH vom 29. November 2006 VI R 3/04, BStBl. II 2007, 308; BFH vom 17. August 2013 VIII R 34/11, BStBl. II 2014, 248). Es muss sich also um Bezüge handeln, die ausdrücklich zu dem Zweck gewährt werden, einen steuerlich anzuerkennenden Aufwand abzugelten, der durch die Ausübung im öffentlichen Dienst veranlasst ist (HHR/Bergkemper, § 3 Nr. 12 Rn. 9, 17). Geht es um den Begriff Aufwand, ist dieser als beruflich bedingter Aufwand im Sinne des Begriffs Betriebsausgaben oder Werbungskosten zu verstehen (BFH vom 27. Mai 1994 VI R 67/92, BStBl.II 1995, 17). Um solche handelt es sich bei den streitgegenständlichen Einnahmen nicht (a.A.: HHR/Bergkemper, EStG, § 3 Nr. 12 Rn. 26 Stichwort Ehrenamtlicher Richter). Diese werden nicht für tatsächlich entstandenen Aufwand des Klägers geleistet, auch nicht aus Vereinfachungsgründen typisierend / pauschalierend. Die Reisekosten sowie den Ersatz von sonstigen Aufwendungen, wie z.B. Parkgebühren, hat der Beklagte zu Recht nicht in die Bemessungsgrundlage einbezogen. Insoweit kann dahin gestellt bleiben, ob diese Leistungen nach § 3 Nr. 12 S. 1 oder S. 2 EStG oder § 3 Nr. 13 EStG steuerfrei sind.

    Es handelt sich nicht um eine begünstigte Tätigkeit im Sinne des § 3 Nr. 26 EStG.

    3. Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger (§ 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung)

    4. Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.

    RechtsgebieteEStG, JVEGVorschriften§ 2 Abs. 2 S. 1 Nr. 1-7 EStG, § 16 JVEG, § 18 JVEG