05.07.2022 · IWW-Abrufnummer 230061
Finanzgericht Thüringen: Urteil vom 23.11.2021 – 3 K 308/18
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Thüringen
In dem Rechtsstreit
- Kläger -
gegen Finanzamt
- Beklagter -
Tatbestand
Die Kläger sind nach den §§ 26, 26b Einkommensteuergesetz (EStG) zusammenveranlagte Ehegatten. Sie erzielten in den Streitjahren Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit.
Die Klägerin betrieb ab dem 1. Mai 2000 bis zum 30. September 2004 in B ein gewerbliches Einzelunternehmen, welches unter anderem auch die Tätigkeiten von Malern und Lackierern umfasste. Dieses hatte sie von V übernommen.
Das Arbeitsgericht C verurteilte die Klägerin am 3. September 2003, an die A 46.813,86 € zu zahlen, da es sich bei der Klägerin um eine tarifunterworfene Arbeitgeberin handele und sie damit zur Zahlung von Sozialkassenbeiträgen betreffend das Maler- und Lackiererhandwerk für den Zeitraum Januar bis Dezember 2002 i. H. v. 46.813,86 € verpflichtet sei. Die von der Klägerin dagegen eingelegte Berufung wies das Landesarbeitsgericht D mit Versäumnisurteil vom 28. Februar 2005 zurück.
Mit weiterem Urteil ebenfalls vom 3. September 2003 verurteilte das Arbeitsgericht C die Klägerin, aus den vorgenannten Gründen betreffend den Zeitraum Mai 2000 bis Dezember 2001 45.881,20 € an die A zu zahlen. Die von der Klägerin dagegen eingelegte Berufung wies das Landesarbeitsgericht D mit Urteil vom 28. Februar 2005 zurück.
Darüber hinaus erging am 11. März 2005 ein Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts C gegen die Klägerin, mit der diese verurteilt wurde, an die A einen Betrag in Höhe von 92.721,64 € zu zahlen.
Außerdem nahm die A durch eine am 17. Oktober 2005 vor dem Arbeitsgericht C erhobene Klage die Klägerin auf Auskunft in Anspruch. Nachdem die Klägerin sich bereit erklärte, die begehrte Auskunft zu erteilen und bei der A am 20. Dezember 2005 vollständig ausgefüllte Beitragsmeldungen für den Zeitraum von Januar 2002 bis einschließlich September 2004 eingingen, nahm die A die Auskunftsklage zurück.
In Folge der daraufhin am 21. Dezember 2006 beim Arbeitsgericht C erhobenen Klage wegen Beitragsverpflichtungen auf der Grundlage der vorgenannten Meldungen machte die A rückständige Beiträge für den Zeitraum vom 1. Januar 2002 bis zum 30. September 2004 gegenüber der Klägerin und ihrem Vater als Gesamtschuldner geltend. Das Arbeitsgericht C verurteilte die Klägerin und V als Gesamtschuldner im vorgenannten Verfahren zunächst durch Versäumnisurteil vom 2. März 2007 zur Zahlung eines Betrages in Höhe von 104.848,22 € an die A und erhielt dieses Urteil anschließend mit Urteil vom 7. Januar 2009 aufrecht. Mit Berufungsurteil des Landesarbeitsgerichts D vom 3. März 2010 wurde das Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts C vom 2. März 2007 lediglich dahingehend abgeändert, dass die Verurteilung des V als Gesamtschuldner aufgehoben wurde.
Diese Sachverhalte fanden weder in der von der Klägerin zum 31. Dezember 2003 aufgestellten Bilanz vom 15. August 2005 noch in der zum 30. September 2004 aufgestellten Bilanz vom 10. Februar 2006 Berücksichtigung. Aufgrund der beiden vorgenannten Bilanzen sind bereits bestandskräftige Veranlagungen der Kläger für die Veranlagungszeiträume 2003 und 2004 erfolgt.
Mit Wirkung zum 1. Oktober 2004 übertrug die Klägerin ihr oben genanntes Einzelunternehmen unentgeltlich mit sämtlichen Aktiva und Passiva auf V. Entsprechend der zwischen der Klägerin und V getroffenen Vereinbarung vom 1. Oktober 2004 übernahm V mit "dem Betriebsübergang sämtliche Rechte und Pflichten betreffs des Betriebes, ggf. auch nur im Innenverhältnis." Des Weiteren wurde vereinbart, dass die Übertragung unter Ausschluss jeglicher Gewährleistung erfolgt, weil V bereits im Unternehmen tätig ist und ihm die rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bekannt sind. Die Vertragsparteien einigten sich weiterhin dahingehend, dass sämtliche Arbeitsverhältnisse auf den neuen Betriebsinhaber übergehen sollen. Laut Bilanz der Klägerin zum 30. September 2004 betrug das Kapital 2.695,34 €.
In der Folgezeit leistete V entsprechende Zahlungen an die A. Durch Beschluss des Amtsgerichts E vom 1. Dezember 2016 wurde das Insolvenzverfahren über die BBS B UG (haftungsbeschränkt) eröffnet. Darüber hinaus wurde durch Beschluss des Amtsgerichts E vom 5. September 2018 auch das Insolvenzverfahren über das Vermögen des V eröffnet. Nach Einstellung der Zahlungen des V an die A leistete die Klägerin aufgrund der ergangenen Urteile im Kalenderjahr 2014 Zahlungen in Höhe von insgesamt 5.994,00 € und in den Kalenderjahren 2015 und 2016 jeweils in Höhe von 12.000,00 €.
In den für die Streitjahre eingereichten Steuererklärungen erklärte die Klägerin Verluste aus Einkünften aus Gewerbebetrieb (Einzelunternehmen, Bauberatung und Service) i. H. v. 4.000 € für das Jahr 2014, 12.000 € für das Jahr 2015 und 12.000 € für das Jahr 2016. Mit Bescheiden vom 16. Februar 2016, 21. Dezember 2016 und 28. September 2017 wurden die Kläger zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Dabei fanden die geltend gemachten Verluste aus Gewerbebetrieb keine Berücksichtigung. Mit Bescheid vom 9. Januar 2018 erfolgte eine Änderung der Steuerfestsetzung für 2015 nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO aufgrund der Korrektur von elektronisch übermittelten Lohndaten durch F.
Mit den gegen die Einkommensteuerbescheide eingelegten Einsprüchen machten die Kläger weiterhin die Berücksichtigung von "nachgelagerten" Betriebsausgaben für das Jahr 2014 i. H. v. 6.000 € und für die Jahre 2015 und 2016 jeweils i. H. v. 12.000 € geltend. Zur Begründung führten sie aus, dass die vorgenannten Beträge aus diversen Rechtsstreitigkeiten der Klägerin mit der A resultierten und die Klägerin dabei verurteilt worden sei, Beiträge sowie Verzugszinsen nachzuzahlen.
Nachdem der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 12. April 2018 die Steuerfestsetzung auch für 2014 nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO aufgrund der Korrektur von elektronisch übermittelten Lohndaten durch die F geändert und die Einsprüche im Übrigen als unbegründet zurückgewiesen hat, verfolgen die Kläger ihr Begehren mit der vorliegenden Klage weiter und machen die Berücksichtigung nachträglicher Betriebsausgaben der Klägerin in den Jahren 2014, 2015 sowie 2016 geltend.
Nach der Übertragung des Einzelunternehmens zum 1. Oktober 2004 habe zunächst V die rückständigen Beiträge an die A gezahlt, sodass die Klägerin faktisch freigestellt gewesen sei. Diese faktische Freistellung habe jedoch mit der Insolvenz des Unternehmens zu Beginn des Jahres 2017 bzw. mit Eintritt der wirtschaftlichen Schwierigkeiten, welche sich bereits im Jahr 2014 einstellten, geendet. Schon in diesem Jahr habe V, mit dem Unternehmen die vereinbarte Ratenzahlung mit der A nicht mehr erfüllen können, weswegen die A an die Klägerin herangetreten sei und die Vollstreckung angekündigt habe. Hierfür sei mit der A eine Ratenzahlung vereinbart worden, welche eine monatliche Rate von 1.000 € vorgesehen habe. Diese Ratenzahlungen seien bei der Einkommensteuer der Klägerin als nachträgliche Betriebsausgaben zu berücksichtigen.
Die Voraussetzungen für die Anerkennung der Beiträge als nachträgliche Betriebsausgaben lägen vor. Grundsätzlich unterlägen nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 EStG Einkünfte aus Gewerbebetrieb der Einkommensteuer. Zu diesen Einkünften zählten nach § 24 Nr. 2 EStG auch Einkünfte aus einer ehemaligen Tätigkeit. Einkünfte aus einer ehemaligen Tätigkeit umfassten zum einen nachträgliche positive Einkünfte. Diese lägen dann vor, wenn ein wirtschaftlicher Zusammenhang mit der ehemaligen Tätigkeit bestehe. Zum anderen seien jedoch auch die streitgegenständlichen nachträglichen Betriebsausgaben, also die negativen Einkünfte erfasst, soweit auch hier ein wirtschaftlicher Zusammenhang mit der ehemaligen Tätigkeit bestehe. Die jetzige Ratenzahlung stehe in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit der früheren Arbeitgebereigenschaft der Klägerin. Denn sie sei in der Zeit vom 1. Mai 2000 bis zum 1. Oktober 2004 als Arbeitgeberin tätig gewesen. In ihrer Eigenschaft als Arbeitgeberin habe sie die - nachträglich gerichtlich festgestellte - rechtliche Pflicht gehabt, Beiträge an die A abzuführen. Da sie dieser Pflicht während ihrer Zeit als Arbeitgeberin aus Unwissenheit nicht nachgekommen sei, müsse sie diese Beiträge nun bezahlen.
Nachträglich eintretende Umstände, die den Veräußerungsgewinn betreffen, wirkten grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Veräußerung des Betriebes zurück und führten damit zwar eigentlich nicht zum Vorliegen von nachträglichen Betriebsausgaben im Sinne von § 24 Nr. 2 EStG. Der Veräußerungsgewinn könne sich also rückwirkend ändern, wenn beispielsweise die Zusage eines Betriebserwerbers, den Veräußerer von der Haftung für die übernommenen Betriebsschulden freizustellen, nicht eingehalten werde.
Genau dies sei im vorliegenden Fall geschehen, jedoch mit atypischen Auswirkungen. Da V den Betrieb mit sämtlichen Aktiva und Passiva übernommen habe, habe er auch die rückständigen Beiträge bei der A übernommen. Damit sei die Klägerin von der Betriebsübernahme bis zur Insolvenz bzw. dem Eintreten der wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Betriebes freigestellt gewesen. Der - seinerzeit nicht ermittelte - Veräußerungsgewinn der Klägerin habe sich also rückwirkend geändert. Folglich sei hier eine Berücksichtigung nach § 24 Nr. 2 EStG nicht möglich. Allerdings könnten Einkünfte gemäß § 24 Nr. 2 EStG trotz allem dann vorliegen, wenn eine bestimmte Vermögensposition nicht oder fehlerhaft bilanziert worden sei. Im vorliegenden Fall seien die Ansprüche der A bei der Übernahme des Betriebes nicht bilanziert worden. Vermutlich sei sogar keine Aufgabebilanz erstellt worden.
Bei der Übernahme des Betriebes im Jahre 2004 sei eine Bilanzierung überdies auch nicht möglich gewesen, da zu diesem Zeitpunkt noch nicht wirklich festgestanden habe, ob und wenn ja, in welcher Höhe die Ansprüche der A tatsächlich bestehen. Dies sei erst mit dem Urteil im Jahr 2009 final festgestellt worden.
In die Bilanz seien auch keine Rückstellungen hinsichtlich der Ansprüche der A aufgenommen worden. Somit sei allenfalls eine Bilanz ohne eine Berücksichtigung der Ansprüche der A erstellt worden, weshalb hier mit den nun notwendigen Zahlungen auch Einkünfte im Sinne des § 24 Nr. 2 EStG vorlägen.
Dieses Ergebnis sei auch richtig. Bei Weiterführung des Betriebes und nicht erfolgter Übergabe des Unternehmens im Jahr 2004 an V oder Einstellung des Betriebes im Jahr 2004, wäre es der Klägerin auch dann möglich gewesen, nach der Verurteilung im Jahr 2009, die dann ebenfalls vorzunehmenden Zahlungen als Verluste steuerlich geltend zu machen. Es könne tatsächlich keinen Unterschied machen, dass die Klägerin für einen gewissen Zeitraum durch die Freistellung nicht selbst die Beiträge gezahlt habe. Vielmehr sei der Eintritt der wirtschaftlichen Unfähigkeit des übernehmenden V als rückwirkendes Ereignis anzusehen.
Die Klägerin habe anlässlich der Übergabe des Unternehmens, die eventuell zukünftig zu erfüllenden Verpflichtungen weder als Verbindlichkeiten noch als Rückstellungen steuerlich verwertet. Demzufolge könnten in den später erfolgten Zahlungen auch keine "erfolgsneutralen" Vermögensumschichtungen gesehen werden, denn die Zahlungen seien eben nicht "erfolgsneutral".
Es handele sich hier um eine Konstellation, bei welcher die Vermögensminderung gerade nicht bereits in der Steuerbilanz berücksichtigt worden sei. Diesbezüglich sei auch die Entscheidung des BFH vom 28. Februar 1990 (I R 205/85 I, BFHE 159, 523, BStBl II 1990, 537 [BFH 28.02.1990 - I R 205/85]) zu beachten, wonach zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 24 Nr. 2 EStG auch Vermögensmehrungen oder Vermögensminderungen gehörten, die durch eine ehemalige gewerbliche Tätigkeit veranlasst sind und die in der auf den Zeitpunkt der Betriebsaufgabe oder Betriebsveräußerung zu erstellenden Steuerbilanz und während der sich möglicherweise anschließenden weiteren Liquidationsphase noch nicht oder nicht hinreichend steuerrechtlich berücksichtigt werden konnten.
Die Entscheidung des Beklagten basiere wohl auf einem Missverständnis des Sachverhaltes, soweit von "erfolgsneutralen Umschichtungen" die Rede sei. Schon die Auslegung der hier einschlägigen Regelungen gebiete vor dem Hintergrund des Leistungsfähigkeitsprinzips die steuerliche Verwertung der geltend gemachten Zahlungen. Danach müsse im Interesse der verfassungsrechtlich gebotenen steuerlichen Lastengleichheit darauf abgezielt werden, Steuerpflichtige bei gleicher Leistungsfähigkeit auch gleich hoch zu besteuern. Da sich die Klägerin der Inanspruchnahme nicht habe entziehen können, seien die Zahlungen auch zu berücksichtigen. Es lägen nachträgliche Betriebsausgaben vor, die bisher noch nicht in anderer Form steuerrechtlich verwertet worden seien. Diese seien nur deswegen ab dem Jahr 2014 von der Klägerin zu zahlen gewesen, weil nachträglich ein rückwirkendes Ereignis eingetreten sei, nämlich der Zusammenbruch des übernommenen Unternehmens. Daher seien die Zahlungen der Steuerpflichtigen in den angegriffenen Einkommensteuerbescheiden zu berücksichtigen.
Aus dem Urteil des BFH vom 23. April 1971 (IV 201/65, BFHE 102, 488, BStBl II 1971, 686) ergebe sich, dass das Einkommensteuerrecht die unentgeltliche Betriebsübertragung nicht unter dem Gesichtspunkt der Beendigung des Gewerbebetriebs des Rechtsvorgängers und der Eröffnung des Gewerbebetriebs durch den Rechtsnachfolger betrachte, sondern steuerlich als eine unveränderte Fortführung des Betriebs. Es wechsele zwar der Inhaber des Betriebes, der betriebliche Organismus bestehe aber unverändert fort.
Dass die streitgegenständlichen Zahlungsverpflichtungen der Klägerin betrieblich veranlasst seien und dass sie sich den Zahlungsverpflichtungen nicht im Sinne einer schuldbefreienden Schuldübernahme durch einen Dritten habe entledigen können, dürfe außer Frage stehen. Es handele sich also faktisch um nichts anderes als eine Verpflichtung der Klägerin, die ihren Rechtsgrund in einer fehlerhaften Beurteilung während der Ausübung ihrer Tätigkeit gehabt habe. Wären die Verpflichtungen durch die Klägerin, welche zum damaligen Zeitpunkt noch eine junge, geschäftlich unerfahrene Frau gewesen sei, zutreffend beurteilt und die Zahlungen vorgenommen worden, so hätte es sich bei diesen Zahlungen zwanglos um Betriebsausgaben gehandelt. Dass die Klägerin diese Beträge nun heute zahlen müsse, ändere nichts an dieser Beurteilung, es lägen - vollumfänglich - nachträgliche Betriebsausgaben und damit nachträgliche (negative) Einkünfte aus Gewerbebetrieb vor.
Die Norm des § 24 Nr. 2 EStG erfasse gerade Sachverhalte wie den vorliegenden, bei denen nämlich ursprünglich eine Freistellung des Steuerpflichtigen von Verbindlichkeiten erfolgt sei, er aber gleichwohl später für diese in Anspruch genommen werde. Diesbezüglich werde auf das BFH-Urteil vom 30. November 1977 (I R 27/75, BFHE 124, 56, StBl II 1978, 149) verwiesen. In diesem Urteil habe der BFH ausgeführt, dass bei Ausscheiden eines Gesellschafters mit negativem Kapitalkonto aus einer OHG und Freistellung von den Gesellschaftsverbindlichkeiten durch die übrigen Gesellschafter ohne Gegenleistung im Innenverhältnis, der ausscheidende Gesellschafter dadurch grundsätzlich einen Gewinn verwirkliche, es sei denn, dass er wegen der schlechten wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft und der verbleibenden Gesellschafter nach wie vor mit seiner Inanspruchnahme durch die Gesellschaftsgläubiger rechnen müsse. Trete eine Gewinnverwirklichung ein, werde der ausscheidende Gesellschafter aber später wider Erwarten von den Gesellschaftsgläubigern für die Gesellschaftsschulden in Anspruch genommen, so könne insoweit ein nachträglicher Verlust aus Gewerbebetrieb entstehen. Dies gelte unabhängig davon, ob die Gewinnverwirklichung im Jahr des Ausscheidens des Gesellschafters vom Finanzamt bejaht und der Besteuerung zugrunde gelegt worden sei oder nicht.
Darüber hinaus sei auf die Vorschrift des § 25 Handelsgesetzbuch zu verweisen. Bei der unentgeltlichen Übertragung des hier streitgegenständlichen Unternehmens von der Klägerin auf V handele es sich um einen dem Handelsrecht unterliegenden Vorgang nach § 25 Handelsgesetzbuch. Unabhängig vom Willen und den vertraglichen Vereinbarungen der Parteien unterliege dabei "der Übertragende stets der Nachhaftung für einen Zeitraum von 5 Jahren". Mit der erst später erfolgten rechtskräftigen Verurteilung der Klägerin habe sich diese Nachhaftung realisiert.
Die Kläger beantragen,
1.
den Einkommensteuerbescheid 2014 vom 16.02.2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12.04.2018 dahingehend abzuändern, dass nachträgliche Betriebsausgaben in Höhe von 5.994 € berücksichtigt werden;
2.
den Einkommensteuerbescheid 2015 vom 21.12.2016 in der Fassung des geänderten Bescheids vom 09.01.2018 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12.04.2018 dahingehend abzuändern, dass nachträgliche Betriebsausgaben in Höhe von 12.000 € berücksichtigt werden;
3.
den Einkommensteuerbescheid 2016 vom 28.09.2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12.04.2018 dahingehend abzuändern, dass nachträgliche Betriebsausgaben in Höhe von in Höhe von 12.000 € berücksichtigt werden;
4.
hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist er im Wesentlichen auf seine Einspruchsentscheidung.
Die Klägerin habe mit Vereinbarung vom 1. Oktober 2004 den von ihr geführten Gewerbebetrieb mit Wirkung zum 1. Oktober 2004 mit sämtlichen Aktiv- und Passivposten unentgeltlich auf V übertragen. Diese unentgeltliche Betriebsübertragung stelle keine Betriebsaufgabe dar, denn der betriebliche Organismus bleibe unverändert bestehen. Es wechsele nur der Betriebsinhaber. Auch eine Betriebsveräußerung im Sinne des § 16 Abs. 1 EStG liege nicht vor, da darunter nur entgeltliche Vorgänge fielen. Die Übernahme von Verbindlichkeiten des übertragenen Betriebs stelle kein Veräußerungsentgelt dar. Dies gelte grundsätzlich auch bei der Übertragung eines Betriebs, dessen steuerliches Kapitalkonto negativ ist (BFH, Urteile vom 23. April 1971 IV 201/65, BFHE 102, 488, BStBl II 1971, 686 und vom 24. August 1972 VIII R 36/66, BFHE 107, 365, BStBl II 1973, 111). Selbst wenn die Klägerin die ungewisse Verbindlichkeit gegenüber der A zum 30. September 2004 passiviert hätte und damit ein negatives Kapitalkonto entstanden sei, läge nach der o. g. Rechtsprechung des BFH eine unentgeltliche Betriebsübertragung vor.
Entscheidend sei, dass hinsichtlich der Verbindlichkeiten gegenüber der A zum Zeitpunkt der Aufstellung der Bilanz zum 31. Dezember 2003 spätestens zum 30. September 2004 (Übertragung des Gewerbebetriebes auf V) ein Passivierungsgebot bestanden habe. Hiergegen sei im Streitfall verstoßen worden. Dies sei erst mit Urteil im Jahr 2009 final festgestellt worden. Gerade für den Fall, ob und in welcher Höhe Ansprüche wie im Streitfall der A bestehen, habe der Gesetzgeber die Regelungen zur Einstellung von Rückstellungen geschaffen.
Gemäß § 249 Abs. 1 Satz 1 Handelsgesetzbuch (HGB) seien in der Handelsbilanz Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten zu bilden. Die daraus folgende Passivierungspflicht gehöre zu den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung und sei gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG auch für die Steuerbilanz zu beachten. Die Verbindlichkeitsrückstellung sei Ausfluss des sogenannten Vorsichtsprinzips und des hieraus abgeleiteten Realisationsprinzips. Sie solle im Interesse eines periodengerechten Gewinnausweises gewährleisten, dass am Bilanzstichtag verursachte potenziell gewinnmindernde Faktoren in der Bilanz berücksichtigt werden. Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten setzten entweder das Bestehen einer ihrer Höhe nach ungewissen Verbindlichkeit oder die überwiegende Wahrscheinlichkeit des Entstehens einer Verbindlichkeit dem Grunde nach voraus, deren Höhe zudem ungewiss sein könne.
Das Arbeitsgericht C habe bereits mit Urteil vom 3. September 2003 entschieden, dass es sich bei der Klägerin um eine tarifunterworfene Arbeitgeberin handele und sie damit zur Zahlung von Sozialkassenbeiträgen betreffend das Maler- und Lackiererhandwerk für den Zeitraum Januar bis Dezember 2002 in Höhe von 46.813,86 € verpflichtet gewesen sei. Das Gericht sei zu der Überzeugung gelangt, dass die Arbeitnehmer der Klägerin arbeitszeitrechtlich gesehen überwiegend Tätigkeiten im Sinne des Verfahrenstarifvertrages, wie Maler- und Verputzarbeiten, durchgeführt hätten. Aufgrund dieses Urteils sei die Wahrscheinlichkeit einer Inanspruchnahme der Klägerin sehr hoch gewesen. Zum Zeitpunkt der Bilanzaufstellung für das Jahr 2003 am 15. August 2005 habe die Klägerin jedenfalls damit rechnen müssen, in Anspruch genommen zu werden, denn die nächsthöhere Instanz, das Landesarbeitsgericht D, habe mit Urteil vom 28. Februar 2005 die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Zudem sei die Klägerin mit Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts C vom 11. März 2005 verurteilt worden, an die A 92.721,64 € zu zahlen. Spätestens am Bilanzstichtag zum 30. September 2004 (Aufstellung der Bilanz am 10. Februar 2006) habe die Klägerin einen entsprechenden Passivposten einstellen müssen. Der Hinweis auf die Unkenntnis der damals jungen und unerfahrenen Klägerin spiele insoweit keine Rolle, denn sie sei damals schon steuerrechtlich vertreten gewesen.
Dass V aufgrund des Urteils des Landesarbeitsgerichts D vom 3. März 2010 nicht mehr als Gesamtschuldner gegenüber der A in Anspruch genommen werden könne, spiele insoweit keine Rolle. Zum Zeitpunkt der Bilanzaufstellung zum 30. September 2004 am 10. Februar 2006 habe die Klägerin sowohl aufgrund der Urteile des Arbeitsgerichts C vom 3. September 2003 und des Landesarbeitsgerichts D vom 28. Februar 2005 als auch aufgrund der in Folge am 17. Oktober 2005 vor dem Arbeitsgericht C erhobenen Auskunftsklage erfolgten Beitragsmeldungen vom 20. Dezember 2005 damit rechnen müssen, dass die A die Beiträge einfordern werde. Auch die Höhe sei ihr aufgrund der erfolgten Beitragsmeldungen bekannt gewesen.
Laut dem Tatbestand des Urteils des Landesarbeitsgerichts D vom 3. März 2010 seien die Klägerin und V der Ansicht gewesen, dass V im Oktober 2004 den Betrieb nicht erworben, sondern lediglich die bis zum Übertragungszeitpunkt (1. Oktober 2004) bekannten Verbindlichkeiten übernommen habe und er deshalb nicht als Betriebserwerber gegenüber der A hafte. Das Landesarbeitsgericht D habe mit dem vorgenannten Urteil entschieden, dass V nicht als Gesamtschuldner gegenüber der A hafte. Im Ergebnis sei daher festzustellen, dass die Verbindlichkeiten gegenüber der A bei der Klägerin zurückgeblieben seien und nicht im Rahmen der unentgeltlichen Betriebsübertragung zum 1. Oktober 2004 auf V übertragen worden seien. Für die Zurückbehaltung seien nur private Gründe ersichtlich, sodass die Verbindlichkeiten gegenüber der A in der Folge als privat einzustufen seien und keine nachträglich entstandenen Betriebsausgaben darstellten.
Weitere Gründe dafür, dass in den Bilanzen zum 31. Dezember 2003 und zum 30. September 2004 keine Passivposten eingestellt worden seien, seien nicht ersichtlich. Aber gerade dies sei Voraussetzung für die Berücksichtigung der von der Klägerin getragenen Kosten nach den Regelungen des § 2 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 24 Nr. 2 EStG. Nachträgliche Einkünfte im Sinne des § 24 Nr. 2 EStG könnten nur bei Zahlungen auf Forderungen und Verbindlichkeiten vorliegen, deren Aktivierung oder Passivierung ausgeschlossen gewesen sei. Zahlungen, die der Steuerpflichtige später auf in der Steuerbilanz auszuweisende Verbindlichkeiten leiste, stellten erfolgsneutrale Vermögensumschichtungen dar. Es könne nicht Sinn und Zweck des § 24 Nr. 2 EStG sein, für Aufwendungen, die fälschlicherweise unter Verstoß gegen das Passivierungsgebot des § 249 Abs. 1 HGB nicht im Jahr ihrer wirtschaftlichen Zugehörigkeit erfasst worden, eine Abzugsmöglichkeit zu schaffen.
Entscheidungsgründe
Der Beklagte ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Kläger keinen Anspruch auf Berücksichtigung der von der Klägerin in den Streitjahren geleisteten Zahlungen an die A haben.
I. Die Klägerin hat aufgrund der mit V getroffenen Vereinbarung vom 1. Oktober 2004 ihren Betrieb mit Wirkung zum 1. Oktober 2004 unentgeltlich i. S. V. § 6 Abs. 3 EStG auf V übertragen.
Wird ein Betrieb, ein Teilbetrieb oder der Anteil eines Mitunternehmers an einem Betrieb unentgeltlich übertragen, so sind nach § 6 Abs. 3 Satz 1 EStG bei der Ermittlung des Gewinns des bisherigen Betriebsinhabers (Mitunternehmers) die Wirtschaftsgüter mit den Werten anzusetzen, die sich nach den Vorschriften über die Gewinnermittlung ergeben. Der Rechtsnachfolger ist gemäß § 6 Abs. 3 Satz 3 EStG an die vorgenannten Werte gebunden.
Bei der vorgenannten Übertragung handelt es sich um eine unentgeltliche Betriebsübertragung i.S. von § 6 Abs. 3 EStG.
Die Klägerin hat bei der mit V zum 1. Oktober 2004 vereinbarten unentgeltlichen Übertragung ihres Einzelunternehmens, keine Verbindlichkeiten gegenüber der A zurückbehalten. Zwar ergibt sich diesbezüglich aus dem Tatbestand des Urteils des Landesarbeitsgerichts D vom 3. März 2010, dass die Klägerin und V der Ansicht gewesen seien, dass V im Oktober 2004 den Betrieb nicht erworben, sondern lediglich die bis zum Übertragungszeitpunkt (1. Oktober 2004) bekannten Verbindlichkeiten übernommen habe. Allerdings widerspricht dieser Vortrag der Klägerin und des V in dem vorgenannten Verfahren vor dem Landesarbeitsgericht D der tatsächlich zwischen der Klägerin und V am 1. Oktober 2004 getroffenen Vereinbarung zur unentgeltlichen Übertragung des Betriebs der Klägerin. Laut dieser Vereinbarung übertrug die Klägerin mit Wirkung zum 1. Oktober 2004 ihr Einzelunternehmen unentgeltlich mit "sämtlichen Passiva" auf V, so dass von V nicht lediglich die bis zum Übertragungszeitpunkt (1. Oktober 2004) bekannten Verbindlichkeiten übernommen worden sind.
Auch die Übernahme von Verbindlichkeiten des übertragenen Betriebs stellt kein Veräußerungsentgelt dar, sondern sie mindert vielmehr lediglich den Wert des übertragenen Vermögens. Dies gilt grundsätzlich auch bei der Übertragung eines Betriebs, dessen steuerliches Kapitalkonto negativ ist (BFH-Urteile vom 23. April 1971 IV 201/65, BFHE 102, 488, BStBl II 1971, 686 und vom 24. August 1972 VIII R 36/66, BFHE 107, 365, BStBl II 1973, 111). Selbst wenn die Klägerin die Verbindlichkeiten gegenüber der A zum 30. September 2004 in ihrer Bilanz passiviert hätte und damit ein negatives Kapitalkonto entstanden wäre, läge nach der vorgenannten Rechtsprechung des BFH auch dann eine unentgeltliche Betriebsübertragung vor.
Da der Rechtsnachfolger nach § 6 Abs. 3 Satz 3 EStG an die in § 6 Abs. 3 Satz 1 EStG genannten Werte (Buchwerte) gebunden ist, nimmt die Vorschrift des § 6 Abs. 3 EStG insoweit eine Sonderstellung im System des vom Grundsatz der Individualbesteuerung geprägten Einkommensteuerrechts ein, als diese ausnahmsweise und im Widerstreit zur personalen Struktur des Einkommensteuerrechts eine interpersonelle Übertragung der stillen Reserven auf den Rechtsnachfolger anordnet. Der Vorschrift liegt eine streng objekt- und einkunftsquellenbezogene Konzeption zugrunde. Dementsprechend gehen die stillen Reserven im Falle des § 6 Abs. 3 EStG zusammen mit den übertragenen Wirtschaftsgütern ausschließlich und allein auf den unentgeltlichen Betriebserwerber über (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 17. Dezember 2007 GrS 2/04, BFHE 220, 129, BStBl II 2008, 608).
II. Aus dem Grundsatz des formellen Bilanzenzusammenhangs folgt, dass fehlerhafte Bilanzansätze, die einer bestandskräftigen Veranlagung oder Gewinnfeststellung zugrunde liegen (sogenannte Veranlagungsbilanz) als Teil des Betriebsvermögens im Sinne von § 4 Abs. 1 EStG lückenlos im Folgejahr fortzuführen und regelmäßig zum Ende dieser Periode erfolgswirksam richtigzustellen sind (BFH-Urteile vom 28. April 1998 VIII R 46/96, BFHE 185, 492, BStBl II 1998, 443 und vom 30. März 2006 IV R 25/04, BFHE 213, 315, BStBl II 2008, 171).
Dieser Grundsatz gilt nach der BFH-Rechtsprechung in Fällen der unentgeltlichen Übertragung eines Betriebs, Teilbetriebs oder Mitunternehmeranteils auch gegenüber dem Rechtsnachfolger, so dass unrichtige Bilanzansätze, die in die letzte Veranlagung des Rechtsvorgängers mit Auswirkungen auf dessen Gewinn (oder Verlust) Eingang gefunden haben, in der Bilanz des Rechtsnachfolgers ergebniswirksam zu korrigieren sind. Der BFH hat dies aus § 7 Abs. 1 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung 1955 (EStDV a.F.) abgeleitet, nach der im Falle der Übertragung der genannten betrieblichen Einheiten die Wirtschaftsgüter mit den Werten anzusetzen sind, die sich nach den Vorschriften über die Gewinnermittlung ergeben (Satz 1) und der Rechtsnachfolger an diese Werte (Buchwerte) gebunden ist (Satz 2). Dabei hat der BFH betont, dass der Rechtsnachfolger nach diesen Regelungen (auch im Hinblick auf die tatsächlich der Veranlagung zugrunde liegenden Bilanzansätze) in die Rechtsposition des bisherigen Unternehmers hineinwächst (BFH-Urteil vom 9. Juni 1964 I 287/63 U, BFHE 81, 135 [BFH 09.06.1964 - I 287/63 U], BStBl III 1965, 48). Entsprechendes gilt nach dem insoweit mit § 7 Abs. 1 EStDV a.F. übereinstimmenden Wortlaut des § 6 Abs. 3 EStG (BFH-Beschluss vom 21. August 2012 I B 179/11, BFH/NV 2013, 21).
Da der Rechtsnachfolger im Falle des unentgeltlichen Betriebsübergangs nach § 6 Abs. 3 EStG, soweit es sich um die Übernahme der Bilanzansätze handelt, in die Rechtsposition des früheren Betriebsinhabers hineinwächst, bedeutet dies, dass der Rechtsnachfolger die Folgerungen zu tragen hat, die sich aus dem Bilanzenzusammenhang für die Jahre seiner Besitzzeit ergeben (BFH, Urteil vom 9. Juni 1964 I 287/63 U, BFHE 81, 135 [BFH 09.06.1964 - I 287/63 U], BStBl III 1965, 48).
Ein falscher Bilanzansatz kann in der Regel nur dann mit Wirkung für ein früheres Jahr berichtigt werden, wenn er einer Veranlagung noch nicht zugrunde liegt oder wenn die auf ihm beruhende Veranlagung nach allgemeinen Grundsätzen berichtigt werden kann und berichtigt worden ist. Ist dies nicht möglich, muss der falsche Bilanzansatz in der Schlussbilanz eines Jahres richtiggestellt werden, für das eine Veranlagung noch nicht stattgefunden hat oder für das die bereits vorliegende Veranlagung berichtigt werden kann (BFH-Urteil vom 5. Juli 1963 VI 333/61 U, BFHE 77, 472, BStBl III 1963, 492). Dabei macht es keinen Unterschied, dass der falsche Bilanzansatz auf Jahre zurückgeht, in denen der Betriebsübergeber (bisheriger Betriebsinhaber) noch Inhaber des Gewerbebetriebs gewesen ist. Hat die Bilanz des Rechtsvorgängers Fehler enthalten, die sich gewinnerhöhend ausgewirkt haben, sind also z.B. Rückstellungen oder Wertberichtigungen, die gerechtfertigt gewesen wären, unterblieben und ist eine Änderung der entsprechenden Veranlagungen des Rechtsvorgängers nicht mehr möglich, hat aufgrund des Grundsatzes des formellen Bilanzenzusammenhangs die Berichtigung in der Schlussbilanz eines späteren, noch nicht verjährten Steuerabschnitts des Rechtsnachfolgers mit Auswirkungen auf dessen Gewinn zu erfolgen (BFH, Urteil vom 9. Juni 1964 I 287/63 U, BFHE 81, 135 [BFH 09.06.1964 - I 287/63 U], BStBl III 1965, 48).
1. Das handelsrechtliche Passivierungsgebot von Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten (§ 249 Abs. 1 Satz 1 HGB) gehört zu den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung, die nach § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG für die Steuerbilanz gelten (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 3. Februar 1969 GrS 2/68, BFHE 95, 31 [BFH 03.02.1969 - Gr. S. 2/68], BStBl II 1969, 291; BFH-Urteile vom 8. September 2011 IV R 5/09, BFHE 235, 241, BStBl II 2012, 122 sowie vom 17. Oktober 2013 IV R 7/11, BFHE 243, 256, BStBl II 2014, 302).
Voraussetzung für die Bildung einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten ist das Bestehen einer nur ihrer Höhe nach ungewissen Verbindlichkeit oder die hinreichende Wahrscheinlichkeit des künftigen Entstehens einer Verbindlichkeit dem Grunde nach (deren Höhe zudem ungewiss sein kann) sowie ihre wirtschaftliche Verursachung in der Zeit vor dem Bilanzstichtag. Weitere Voraussetzung ist, dass der Schuldner ernsthaft mit seiner Inanspruchnahme rechnen muss (BFH-Urteil vom 17. Oktober 2013 IV R 7/11, BFHE 243, 256, BStBl II 2014, 302).
2. Dabei steht es nicht im Ermessen des Kaufmanns, ob er von einer Belastung ausgeht und eine Rückstellung bildet. Eine bloß subjektive Einschätzung würde dem Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit widersprechen. Daher ist das Vorhandensein der Belastung nach objektiven Gesichtspunkten zu beurteilen (BFH-Urteil vom 25. April 2006 VIII R 40/04, BFHE 213, 364, BStBl II 2006, 749).
Ob das Bestehen oder Entstehen der Verbindlichkeit wahrscheinlich und mit der Inanspruchnahme hieraus zu rechnen ist, richtet sich nach den objektiven Verhältnissen des jeweiligen Bilanzstichtags unter Berücksichtigung der bis zur Bilanzaufstellung oder spätestens bis zu dem Zeitpunkt, zu dem die Bilanz im ordnungsgemäßen Geschäftsgang (§§ 243 Abs. 3, 264 Abs. 1 HGB) aufzustellen gewesen wäre, bekannt werdenden wertaufhellenden Umständen (BFH-Urteil vom 22. August 2012 X R 23/10, BFHE 238, 173, BStBl II 2013, 76; BFH-Beschluss vom 12. Dezember 2012 I B 27/12, BFH/NV 2013, 545). Als "wertaufhellend" nach der ständigen BFH-Rechtsprechung sind jedoch nur die Umstände zu berücksichtigen, die zum Bilanzstichtag bereits objektiv vorlagen und nach dem Bilanzstichtag, aber vor dem Tag der Bilanzerstellung lediglich bekannt oder erkennbar wurden (BFH, Urteil vom 16. Dezember 2014 VIII R 45/12, BFHE 249, 83, BStBl II 2015, 759).
3. Die für die Rückstellungsbildung erforderliche Wahrscheinlichkeit der tatsächlichen Inanspruchnahme des Kaufmanns muss einzelfallbezogen im Wege einer Prognose anhand der erkennbaren tatsächlichen Verhältnisse beurteilt werden. Es müssen aus der Sicht des Bilanzstichtages mehr objektive Gründe für eine überwiegende Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme als dagegen sprechen. Dies ist regelmäßig dann der Fall, wenn der vermeintliche Gläubiger am Bilanzstichtag bereits im Klagewege gegen den Steuerpflichtigen vorgeht. Die "Gefahr" der Inanspruchnahme besteht dann so lange fort, bis der Anspruch nicht rechtskräftig abgewiesen ist (BFH, Urteil vom 16. Dezember 2014 VIII R 45/12, BFHE 249, 83, BStBl II 2015, 759).
4. Die darüber hinaus erforderliche Prognose, ob das Bestehen der gerichtlich geltend gemachten Forderung überwiegend wahrscheinlich ist, bezieht sich auf ein von der Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme zu unterscheidendes Risiko. Es ist anhand der Umstände des Einzelfalls zu beurteilen, ob die Verpflichtung dem Grunde nach rechtlich besteht. Dieses rechtliche Bestehen ist überwiegend wahrscheinlich, wenn nach allen am Bilanzstichtag objektiv gegebenen (und bis zur Aufstellung der Bilanz subjektiv erkennbaren) Umständen mehr Gründe für als gegen das Bestehen der Verbindlichkeit sprechen (BFH-Urteil vom 16. Dezember 2014 VIII R 45/12, BFHE 249, 83, BStBl II 2015, 759). Eine Verbindlichkeit, auch eine ungewisse, muss bereits eine wirtschaftliche Belastung darstellen (BFH-Urteil vom 19. Oktober 2005 XI R 64/04, BFHE 211, 475, BStBl II 2006, 371).
III. Unter Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall lag die für die Bildung von Rückstellungen erforderliche hinreichende Wahrscheinlichkeit für das Bestehen einer Verbindlichkeit aufgrund der bis zum Zeitpunkt der Aufstellung der Bilanz (am 10. Februar 2006) zum 30. September 2004 infolge der bereits erfolgten Verurteilungen bekannten Umstände hinsichtlich der Beitragspflicht der Klägerin gegenüber der A für den Zeitraum ihrer Betriebsinhaberschafft von Mai 2000 bis 30. September 2004 vor. Die Klägerin musste auch ernsthaft mit ihrer Inanspruchnahme rechnen.
Die Klägerin betrieb ab 1. Mai 2000 bis zum 30. September 2004 in B ein gewerbliches Einzelunternehmen, welches unter anderem auch die Tätigkeiten von Malern und Lackierern umfasste. Das Arbeitsgericht C verurteilte die Klägerin am 3. September 2003 an die A 46.813,86 € zu zahlen, da es sich bei der Klägerin um eine tarifunterworfene Arbeitgeberin handele und sie damit zur Zahlung von Sozialkassenbeiträgen betreffend das Maler- und Lackiererhandwerk für den Zeitraum Januar bis Dezember 2002 i. H. v. 46.813,86 € verpflichtet sei. Die von der Klägerin dagegen eingelegte Berufung wies das Landesarbeitsgericht D mit Versäumnisurteil vom 28. Februar 2005 zurück. Mit weiterem Urteil ebenfalls vom 3. September 2003 verurteilte das Arbeitsgericht C die Klägerin aus den vorgenannten Gründen betreffend den Zeitraum Mai 2000 bis Dezember 2001 an die A 45.881,20 € zu zahlen. Die von der Klägerin dagegen eingelegte Berufung wies das Landesarbeitsgericht D mit Urteil vom 28. Februar 2005 zurück. Darüber hinaus erging am 11. März 2005 ein weiteres Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts C gegen die Klägerin, mit der diese verurteilt wurde an die A einen Betrag in Höhe von 92.721,64 € zu zahlen. Außerdem nahm die A mit einer am 17. Oktober 2005 vor dem Arbeitsgericht C erhobenen Klage die Klägerin auf Auskunft in Anspruch. Nachdem die Klägerin sich bereit erklärte, die begehrte Auskunft zu erteilen und bei der A am 20. Dezember 2005 vollständig ausgefüllte Beitragsmeldungen für den Zeitraum von Januar 2002 bis einschließlich September 2004 eingingen, nahm die A die Auskunftsklage zurück. Mit einer weiteren am 21. Dezember 2006 beim Arbeitsgericht C erhobenen Klage wegen Beitragsverpflichtungen auf der Grundlage der vorgenannten Meldungen machte die A rückständige Beiträge für den Zeitraum vom 1. Januar 2002 bis zum 30. September 2004 gegenüber der Klägerin und V als Gesamtschuldner geltend. Aufgrund der vorgenannten Klage verurteilte das Arbeitsgericht C die Klägerin und V als Gesamtschuldner durch Versäumnisurteil vom 2. März 2007 zur Zahlung eines Betrages in Höhe von 104.848,22 € an die A. Das vorgenannte Urteil wurde durch Urteil des Arbeitsgerichts C vom 7. Januar 2009 aufrechterhalten. Mit Berufungsurteil des Landesarbeitsgerichts D vom 3. März 2010 wurde das Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts C vom 2. März 2007 dahingehend abgeändert, dass die Verurteilung des V als Gesamtschuldner aufgehoben wurde. Hinsichtlich der Verurteilung der Klägerin zur Zahlung in Höhe von 104.848,22 € wurde das vorgenannte Urteil des Arbeitsgerichts C durch das Landesarbeitsgericht D mit Urteil vom 3. März 2010 hinsichtlich der Klägerin aufrechterhalten.
Diese Sachverhalte fanden weder in der von der Klägerin zum 31. Dezember 2003 aufgestellten Bilanz vom 15. August 2005 noch in der zum 30. September 2004 aufgestellten Bilanz vom 10. Februar 2006 Berücksichtigung.
Aufgrund der vorgenannten Urteile war die Klägerin verpflichtet, zumindest Rückstellungen wegen ungewisser Verbindlichkeiten hinsichtlich der Zahlung von Sozialkassenbeiträgen für den Zeitraum von Mai 2000 bis zum 30. September 2004 (Zeitraum, währenddessen die Klägerin das gewerbliche Einzelunternehmen betrieben hat) betreffend das Maler- und Lackiererhandwerk an die A in ihrer am 10. Februar 2006 zum 30. September 2004 aufgestellten Bilanz zu bilden, denn es war sogar schon zu Verurteilungen hinsichtlich der streitgegenständlichen Verbindlichkeiten gekommen. Darüber hinaus waren diese auch schon wirtschaftlich verursacht, denn sie entfielen auf den Zeitraum der Betriebsinhaberschafft der Klägerin bis zum 30. September 2004.
Da aufgrund der Bilanzen bereits bestandskräftige Veranlagungen der Kläger für die Veranlagungszeiträume 2003 und 2004 erfolgt sind, müssen die falschen Bilanzansätze in der Schlussbilanz eines Jahres richtiggestellt werden, für das eine Veranlagung noch nicht stattgefunden hat oder für das eine bereits vorliegende Veranlagung berichtigt werden kann (BFH-Urteil vom 5. Juli 1963 VI 333/61 U, BFHE 77, 472, BStBl III 1963, 492). Dabei macht es keinen Unterschied, dass der falsche Bilanzansatz auf Jahre zurückgeht, in denen der Betriebsübergeber (die Klägerin) noch Inhaber des Gewerbebetriebs gewesen ist. Hat die Bilanz des Rechtsvorgängers Fehler enthalten, die sich gewinnerhöhend ausgewirkt haben, sind also z.B. Rückstellungen oder Wertberichtigungen, die gerechtfertigt gewesen wären, unterblieben und ist eine Änderung der entsprechenden Veranlagungen des Rechtsvorgängers nicht mehr möglich, hat aufgrund des Grundsatzes des formellen Bilanzenzusammenhangs die Berichtigung in der Schlussbilanz eines späteren, noch nicht verjährten Steuerabschnitts des Rechtsnachfolgers mit Auswirkungen auf dessen Gewinn zu erfolgen (BFH-Urteil vom 9. Juni 1964 I 287/63 U, BFHE 81, 135 [BFH 09.06.1964 - I 287/63 U], BStBl III 1965, 48).
Daher hat eine Berichtigung der falschen Bilanzansätze nicht im Rahmen einer Bilanz der Klägerin, sondern allenfalls beim Rechtsnachfolger (V) zu erfolgen. Eine Berücksichtigung der von der Klägerin in den Streitjahren an die A geleisteten Zahlungen als nachträgliche Betriebsausgaben der Klägerin nach § 24 Nr. 2, § 2 Abs. 1 Satz Nr. 2 EStG ist damit ausgeschlossen.
Selbst in den hier nicht vorliegenden Fallgestaltungen der Betriebsveräußerung (§ 16 Abs. 1 EStG) bzw. der Betriebsaufgabe (§ 16 Abs. 3 EStG) können sich nachträgliche Einkünfte aus Zahlungen auf Verbindlichkeiten grundsätzlich nur dann ergeben, wenn deren Passivierung im Zeitpunkt der Betriebsveräußerung oder Aufgabe nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung ausgeschlossen war (Schiffers in: Korn, Einkommensteuergesetz, 1. Aufl. 2000, 132. Lieferung, § 24, Rn. 50; Horn in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, 307. Lieferung 11.2021, § 24 Rn. 75). Da im Rahmen der Schlussbilanz alle aktiven und passiven Vermögenswerte des Betriebs anzusetzen sind, werden die durch die laufende Betriebstätigkeit verursachten Erträge und Aufwendungen unabhängig vom Zeitpunkt ihrer Vereinnahmung oder Verausgabung spätestens als Gewinn des letzten Wirtschaftsjahres erfasst, so dass Zahlungen, die später auf die in der Schlussbilanz auszuweisenden Forderungen oder Verbindlichkeiten erfolgen, grundsätzlich erfolgsneutrale Vermögensumschichtungen darstellen und nicht zu nachträglichen Einkünften aus der früheren Tätigkeit führen (BFH-Urteil vom 28. Juli 1999 X R 63/95, BFH/NV 2000, 40). Wie bereits ausgeführt, hätte die Klägerin nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung zumindest Rückstellungen wegen ungewisser Verbindlichkeiten bilden müssen.
Auch das von den Klägern zitierte Urteil des BFH vom 30. November 1977 (I R 27/75, BFHE 124, 56, BStBl II 1978, 149) führt zu keinem anderen Ergebnis. In diesem Urteil hat der BFH festgestellt, dass bei Ausscheiden eines Gesellschafters mit negativem Kapitalkonto aus einer OHG und Freistellung von den Gesellschaftsverbindlichkeiten durch die übrigen Gesellschafter ohne Gegenleistung im Innenverhältnis, der ausscheidende Gesellschafter dadurch grundsätzlich einen Gewinn verwirkliche, es sei denn, dass er wegen der schlechten wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft und der verbleibenden Gesellschafter nach wie vor mit seiner Inanspruchnahme durch die Gesellschaftsgläubiger rechnen müsse. Trete eine Gewinnverwirklichung ein, werde der ausscheidende Gesellschafter aber später wider Erwarten von den Gesellschaftsgläubigern für die Gesellschaftsschulden in Anspruch genommen, so könne ein nachträglicher Verlust aus Gewerbebetrieb entstehen. Dies gelte unabhängig davon, ob die Gewinnverwirklichung im Jahr des Ausscheidens des Gesellschafters vom Finanzamt bejaht und der Besteuerung zugrunde gelegt worden sei oder nicht.
Bei dem dem vorgenannten Urteil zugrunde liegenden Sachverhalt handelte es sich - anders als im vorliegenden Verfahren - nicht um eine unentgeltliche Betriebsübertragung im Sinne von § 6 Abs. 3 EStG, bei der der den Betrieb Übertragende keinen Gewinn verwirklicht, sondern, aufgrund des Ausscheidens des Gesellschafters mit negativem Kapitalkonto und der Freistellung von den Gesellschaftsverbindlichkeiten durch die übrigen Gesellschafter ohne Gegenleistung, um einen entgeltlichen Veräußerungsvorgang im Sinne des § 16 EStG bei dem ein nachträglicher Verlust aus Gewerbebetrieb entstehen kann, wenn der im Innenverhältnis von den übrigen Gesellschaftern ohne Gegenleistung freigestellte Gesellschafter wider Erwarten von den Gesellschaftsgläubigern für die Gesellschaftsschulden in Anspruch genommen wird.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) zugelassen.
Urtiel vom 23.11.2021
In dem Rechtsstreit
- Kläger -
gegen Finanzamt
- Beklagter -
wegen Einkommensteuer 2014, 2015, 2016
hat der III. Senat des Thüringer Finanzgerichts auf Grund mündlicher Verhandlung am 23. November 2021 für Recht erkannt:
Tatbestand
Streitig ist der Abzug nachträglicher Betriebsausgaben für in den Jahren 2014, 2015 und 2016 von der Klägerin geleisteten Zahlungen an die A.
Die Kläger sind nach den §§ 26, 26b Einkommensteuergesetz (EStG) zusammenveranlagte Ehegatten. Sie erzielten in den Streitjahren Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit.
Die Klägerin betrieb ab dem 1. Mai 2000 bis zum 30. September 2004 in B ein gewerbliches Einzelunternehmen, welches unter anderem auch die Tätigkeiten von Malern und Lackierern umfasste. Dieses hatte sie von V übernommen.
Das Arbeitsgericht C verurteilte die Klägerin am 3. September 2003, an die A 46.813,86 € zu zahlen, da es sich bei der Klägerin um eine tarifunterworfene Arbeitgeberin handele und sie damit zur Zahlung von Sozialkassenbeiträgen betreffend das Maler- und Lackiererhandwerk für den Zeitraum Januar bis Dezember 2002 i. H. v. 46.813,86 € verpflichtet sei. Die von der Klägerin dagegen eingelegte Berufung wies das Landesarbeitsgericht D mit Versäumnisurteil vom 28. Februar 2005 zurück.
Mit weiterem Urteil ebenfalls vom 3. September 2003 verurteilte das Arbeitsgericht C die Klägerin, aus den vorgenannten Gründen betreffend den Zeitraum Mai 2000 bis Dezember 2001 45.881,20 € an die A zu zahlen. Die von der Klägerin dagegen eingelegte Berufung wies das Landesarbeitsgericht D mit Urteil vom 28. Februar 2005 zurück.
Darüber hinaus erging am 11. März 2005 ein Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts C gegen die Klägerin, mit der diese verurteilt wurde, an die A einen Betrag in Höhe von 92.721,64 € zu zahlen.
Außerdem nahm die A durch eine am 17. Oktober 2005 vor dem Arbeitsgericht C erhobene Klage die Klägerin auf Auskunft in Anspruch. Nachdem die Klägerin sich bereit erklärte, die begehrte Auskunft zu erteilen und bei der A am 20. Dezember 2005 vollständig ausgefüllte Beitragsmeldungen für den Zeitraum von Januar 2002 bis einschließlich September 2004 eingingen, nahm die A die Auskunftsklage zurück.
In Folge der daraufhin am 21. Dezember 2006 beim Arbeitsgericht C erhobenen Klage wegen Beitragsverpflichtungen auf der Grundlage der vorgenannten Meldungen machte die A rückständige Beiträge für den Zeitraum vom 1. Januar 2002 bis zum 30. September 2004 gegenüber der Klägerin und ihrem Vater als Gesamtschuldner geltend. Das Arbeitsgericht C verurteilte die Klägerin und V als Gesamtschuldner im vorgenannten Verfahren zunächst durch Versäumnisurteil vom 2. März 2007 zur Zahlung eines Betrages in Höhe von 104.848,22 € an die A und erhielt dieses Urteil anschließend mit Urteil vom 7. Januar 2009 aufrecht. Mit Berufungsurteil des Landesarbeitsgerichts D vom 3. März 2010 wurde das Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts C vom 2. März 2007 lediglich dahingehend abgeändert, dass die Verurteilung des V als Gesamtschuldner aufgehoben wurde.
Diese Sachverhalte fanden weder in der von der Klägerin zum 31. Dezember 2003 aufgestellten Bilanz vom 15. August 2005 noch in der zum 30. September 2004 aufgestellten Bilanz vom 10. Februar 2006 Berücksichtigung. Aufgrund der beiden vorgenannten Bilanzen sind bereits bestandskräftige Veranlagungen der Kläger für die Veranlagungszeiträume 2003 und 2004 erfolgt.
Mit Wirkung zum 1. Oktober 2004 übertrug die Klägerin ihr oben genanntes Einzelunternehmen unentgeltlich mit sämtlichen Aktiva und Passiva auf V. Entsprechend der zwischen der Klägerin und V getroffenen Vereinbarung vom 1. Oktober 2004 übernahm V mit "dem Betriebsübergang sämtliche Rechte und Pflichten betreffs des Betriebes, ggf. auch nur im Innenverhältnis." Des Weiteren wurde vereinbart, dass die Übertragung unter Ausschluss jeglicher Gewährleistung erfolgt, weil V bereits im Unternehmen tätig ist und ihm die rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bekannt sind. Die Vertragsparteien einigten sich weiterhin dahingehend, dass sämtliche Arbeitsverhältnisse auf den neuen Betriebsinhaber übergehen sollen. Laut Bilanz der Klägerin zum 30. September 2004 betrug das Kapital 2.695,34 €.
In der Folgezeit leistete V entsprechende Zahlungen an die A. Durch Beschluss des Amtsgerichts E vom 1. Dezember 2016 wurde das Insolvenzverfahren über die BBS B UG (haftungsbeschränkt) eröffnet. Darüber hinaus wurde durch Beschluss des Amtsgerichts E vom 5. September 2018 auch das Insolvenzverfahren über das Vermögen des V eröffnet. Nach Einstellung der Zahlungen des V an die A leistete die Klägerin aufgrund der ergangenen Urteile im Kalenderjahr 2014 Zahlungen in Höhe von insgesamt 5.994,00 € und in den Kalenderjahren 2015 und 2016 jeweils in Höhe von 12.000,00 €.
In den für die Streitjahre eingereichten Steuererklärungen erklärte die Klägerin Verluste aus Einkünften aus Gewerbebetrieb (Einzelunternehmen, Bauberatung und Service) i. H. v. 4.000 € für das Jahr 2014, 12.000 € für das Jahr 2015 und 12.000 € für das Jahr 2016. Mit Bescheiden vom 16. Februar 2016, 21. Dezember 2016 und 28. September 2017 wurden die Kläger zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Dabei fanden die geltend gemachten Verluste aus Gewerbebetrieb keine Berücksichtigung. Mit Bescheid vom 9. Januar 2018 erfolgte eine Änderung der Steuerfestsetzung für 2015 nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO aufgrund der Korrektur von elektronisch übermittelten Lohndaten durch F.
Mit den gegen die Einkommensteuerbescheide eingelegten Einsprüchen machten die Kläger weiterhin die Berücksichtigung von "nachgelagerten" Betriebsausgaben für das Jahr 2014 i. H. v. 6.000 € und für die Jahre 2015 und 2016 jeweils i. H. v. 12.000 € geltend. Zur Begründung führten sie aus, dass die vorgenannten Beträge aus diversen Rechtsstreitigkeiten der Klägerin mit der A resultierten und die Klägerin dabei verurteilt worden sei, Beiträge sowie Verzugszinsen nachzuzahlen.
Nachdem der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 12. April 2018 die Steuerfestsetzung auch für 2014 nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO aufgrund der Korrektur von elektronisch übermittelten Lohndaten durch die F geändert und die Einsprüche im Übrigen als unbegründet zurückgewiesen hat, verfolgen die Kläger ihr Begehren mit der vorliegenden Klage weiter und machen die Berücksichtigung nachträglicher Betriebsausgaben der Klägerin in den Jahren 2014, 2015 sowie 2016 geltend.
Nach der Übertragung des Einzelunternehmens zum 1. Oktober 2004 habe zunächst V die rückständigen Beiträge an die A gezahlt, sodass die Klägerin faktisch freigestellt gewesen sei. Diese faktische Freistellung habe jedoch mit der Insolvenz des Unternehmens zu Beginn des Jahres 2017 bzw. mit Eintritt der wirtschaftlichen Schwierigkeiten, welche sich bereits im Jahr 2014 einstellten, geendet. Schon in diesem Jahr habe V, mit dem Unternehmen die vereinbarte Ratenzahlung mit der A nicht mehr erfüllen können, weswegen die A an die Klägerin herangetreten sei und die Vollstreckung angekündigt habe. Hierfür sei mit der A eine Ratenzahlung vereinbart worden, welche eine monatliche Rate von 1.000 € vorgesehen habe. Diese Ratenzahlungen seien bei der Einkommensteuer der Klägerin als nachträgliche Betriebsausgaben zu berücksichtigen.
Die Voraussetzungen für die Anerkennung der Beiträge als nachträgliche Betriebsausgaben lägen vor. Grundsätzlich unterlägen nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 EStG Einkünfte aus Gewerbebetrieb der Einkommensteuer. Zu diesen Einkünften zählten nach § 24 Nr. 2 EStG auch Einkünfte aus einer ehemaligen Tätigkeit. Einkünfte aus einer ehemaligen Tätigkeit umfassten zum einen nachträgliche positive Einkünfte. Diese lägen dann vor, wenn ein wirtschaftlicher Zusammenhang mit der ehemaligen Tätigkeit bestehe. Zum anderen seien jedoch auch die streitgegenständlichen nachträglichen Betriebsausgaben, also die negativen Einkünfte erfasst, soweit auch hier ein wirtschaftlicher Zusammenhang mit der ehemaligen Tätigkeit bestehe. Die jetzige Ratenzahlung stehe in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit der früheren Arbeitgebereigenschaft der Klägerin. Denn sie sei in der Zeit vom 1. Mai 2000 bis zum 1. Oktober 2004 als Arbeitgeberin tätig gewesen. In ihrer Eigenschaft als Arbeitgeberin habe sie die - nachträglich gerichtlich festgestellte - rechtliche Pflicht gehabt, Beiträge an die A abzuführen. Da sie dieser Pflicht während ihrer Zeit als Arbeitgeberin aus Unwissenheit nicht nachgekommen sei, müsse sie diese Beiträge nun bezahlen.
Nachträglich eintretende Umstände, die den Veräußerungsgewinn betreffen, wirkten grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Veräußerung des Betriebes zurück und führten damit zwar eigentlich nicht zum Vorliegen von nachträglichen Betriebsausgaben im Sinne von § 24 Nr. 2 EStG. Der Veräußerungsgewinn könne sich also rückwirkend ändern, wenn beispielsweise die Zusage eines Betriebserwerbers, den Veräußerer von der Haftung für die übernommenen Betriebsschulden freizustellen, nicht eingehalten werde.
Genau dies sei im vorliegenden Fall geschehen, jedoch mit atypischen Auswirkungen. Da V den Betrieb mit sämtlichen Aktiva und Passiva übernommen habe, habe er auch die rückständigen Beiträge bei der A übernommen. Damit sei die Klägerin von der Betriebsübernahme bis zur Insolvenz bzw. dem Eintreten der wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Betriebes freigestellt gewesen. Der - seinerzeit nicht ermittelte - Veräußerungsgewinn der Klägerin habe sich also rückwirkend geändert. Folglich sei hier eine Berücksichtigung nach § 24 Nr. 2 EStG nicht möglich. Allerdings könnten Einkünfte gemäß § 24 Nr. 2 EStG trotz allem dann vorliegen, wenn eine bestimmte Vermögensposition nicht oder fehlerhaft bilanziert worden sei. Im vorliegenden Fall seien die Ansprüche der A bei der Übernahme des Betriebes nicht bilanziert worden. Vermutlich sei sogar keine Aufgabebilanz erstellt worden.
Bei der Übernahme des Betriebes im Jahre 2004 sei eine Bilanzierung überdies auch nicht möglich gewesen, da zu diesem Zeitpunkt noch nicht wirklich festgestanden habe, ob und wenn ja, in welcher Höhe die Ansprüche der A tatsächlich bestehen. Dies sei erst mit dem Urteil im Jahr 2009 final festgestellt worden.
In die Bilanz seien auch keine Rückstellungen hinsichtlich der Ansprüche der A aufgenommen worden. Somit sei allenfalls eine Bilanz ohne eine Berücksichtigung der Ansprüche der A erstellt worden, weshalb hier mit den nun notwendigen Zahlungen auch Einkünfte im Sinne des § 24 Nr. 2 EStG vorlägen.
Dieses Ergebnis sei auch richtig. Bei Weiterführung des Betriebes und nicht erfolgter Übergabe des Unternehmens im Jahr 2004 an V oder Einstellung des Betriebes im Jahr 2004, wäre es der Klägerin auch dann möglich gewesen, nach der Verurteilung im Jahr 2009, die dann ebenfalls vorzunehmenden Zahlungen als Verluste steuerlich geltend zu machen. Es könne tatsächlich keinen Unterschied machen, dass die Klägerin für einen gewissen Zeitraum durch die Freistellung nicht selbst die Beiträge gezahlt habe. Vielmehr sei der Eintritt der wirtschaftlichen Unfähigkeit des übernehmenden V als rückwirkendes Ereignis anzusehen.
Die Klägerin habe anlässlich der Übergabe des Unternehmens, die eventuell zukünftig zu erfüllenden Verpflichtungen weder als Verbindlichkeiten noch als Rückstellungen steuerlich verwertet. Demzufolge könnten in den später erfolgten Zahlungen auch keine "erfolgsneutralen" Vermögensumschichtungen gesehen werden, denn die Zahlungen seien eben nicht "erfolgsneutral".
Es handele sich hier um eine Konstellation, bei welcher die Vermögensminderung gerade nicht bereits in der Steuerbilanz berücksichtigt worden sei. Diesbezüglich sei auch die Entscheidung des BFH vom 28. Februar 1990 (I R 205/85 I, BFHE 159, 523, BStBl II 1990, 537 [BFH 28.02.1990 - I R 205/85]) zu beachten, wonach zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 24 Nr. 2 EStG auch Vermögensmehrungen oder Vermögensminderungen gehörten, die durch eine ehemalige gewerbliche Tätigkeit veranlasst sind und die in der auf den Zeitpunkt der Betriebsaufgabe oder Betriebsveräußerung zu erstellenden Steuerbilanz und während der sich möglicherweise anschließenden weiteren Liquidationsphase noch nicht oder nicht hinreichend steuerrechtlich berücksichtigt werden konnten.
Die Entscheidung des Beklagten basiere wohl auf einem Missverständnis des Sachverhaltes, soweit von "erfolgsneutralen Umschichtungen" die Rede sei. Schon die Auslegung der hier einschlägigen Regelungen gebiete vor dem Hintergrund des Leistungsfähigkeitsprinzips die steuerliche Verwertung der geltend gemachten Zahlungen. Danach müsse im Interesse der verfassungsrechtlich gebotenen steuerlichen Lastengleichheit darauf abgezielt werden, Steuerpflichtige bei gleicher Leistungsfähigkeit auch gleich hoch zu besteuern. Da sich die Klägerin der Inanspruchnahme nicht habe entziehen können, seien die Zahlungen auch zu berücksichtigen. Es lägen nachträgliche Betriebsausgaben vor, die bisher noch nicht in anderer Form steuerrechtlich verwertet worden seien. Diese seien nur deswegen ab dem Jahr 2014 von der Klägerin zu zahlen gewesen, weil nachträglich ein rückwirkendes Ereignis eingetreten sei, nämlich der Zusammenbruch des übernommenen Unternehmens. Daher seien die Zahlungen der Steuerpflichtigen in den angegriffenen Einkommensteuerbescheiden zu berücksichtigen.
Aus dem Urteil des BFH vom 23. April 1971 (IV 201/65, BFHE 102, 488, BStBl II 1971, 686) ergebe sich, dass das Einkommensteuerrecht die unentgeltliche Betriebsübertragung nicht unter dem Gesichtspunkt der Beendigung des Gewerbebetriebs des Rechtsvorgängers und der Eröffnung des Gewerbebetriebs durch den Rechtsnachfolger betrachte, sondern steuerlich als eine unveränderte Fortführung des Betriebs. Es wechsele zwar der Inhaber des Betriebes, der betriebliche Organismus bestehe aber unverändert fort.
Dass die streitgegenständlichen Zahlungsverpflichtungen der Klägerin betrieblich veranlasst seien und dass sie sich den Zahlungsverpflichtungen nicht im Sinne einer schuldbefreienden Schuldübernahme durch einen Dritten habe entledigen können, dürfe außer Frage stehen. Es handele sich also faktisch um nichts anderes als eine Verpflichtung der Klägerin, die ihren Rechtsgrund in einer fehlerhaften Beurteilung während der Ausübung ihrer Tätigkeit gehabt habe. Wären die Verpflichtungen durch die Klägerin, welche zum damaligen Zeitpunkt noch eine junge, geschäftlich unerfahrene Frau gewesen sei, zutreffend beurteilt und die Zahlungen vorgenommen worden, so hätte es sich bei diesen Zahlungen zwanglos um Betriebsausgaben gehandelt. Dass die Klägerin diese Beträge nun heute zahlen müsse, ändere nichts an dieser Beurteilung, es lägen - vollumfänglich - nachträgliche Betriebsausgaben und damit nachträgliche (negative) Einkünfte aus Gewerbebetrieb vor.
Die Norm des § 24 Nr. 2 EStG erfasse gerade Sachverhalte wie den vorliegenden, bei denen nämlich ursprünglich eine Freistellung des Steuerpflichtigen von Verbindlichkeiten erfolgt sei, er aber gleichwohl später für diese in Anspruch genommen werde. Diesbezüglich werde auf das BFH-Urteil vom 30. November 1977 (I R 27/75, BFHE 124, 56, StBl II 1978, 149) verwiesen. In diesem Urteil habe der BFH ausgeführt, dass bei Ausscheiden eines Gesellschafters mit negativem Kapitalkonto aus einer OHG und Freistellung von den Gesellschaftsverbindlichkeiten durch die übrigen Gesellschafter ohne Gegenleistung im Innenverhältnis, der ausscheidende Gesellschafter dadurch grundsätzlich einen Gewinn verwirkliche, es sei denn, dass er wegen der schlechten wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft und der verbleibenden Gesellschafter nach wie vor mit seiner Inanspruchnahme durch die Gesellschaftsgläubiger rechnen müsse. Trete eine Gewinnverwirklichung ein, werde der ausscheidende Gesellschafter aber später wider Erwarten von den Gesellschaftsgläubigern für die Gesellschaftsschulden in Anspruch genommen, so könne insoweit ein nachträglicher Verlust aus Gewerbebetrieb entstehen. Dies gelte unabhängig davon, ob die Gewinnverwirklichung im Jahr des Ausscheidens des Gesellschafters vom Finanzamt bejaht und der Besteuerung zugrunde gelegt worden sei oder nicht.
Darüber hinaus sei auf die Vorschrift des § 25 Handelsgesetzbuch zu verweisen. Bei der unentgeltlichen Übertragung des hier streitgegenständlichen Unternehmens von der Klägerin auf V handele es sich um einen dem Handelsrecht unterliegenden Vorgang nach § 25 Handelsgesetzbuch. Unabhängig vom Willen und den vertraglichen Vereinbarungen der Parteien unterliege dabei "der Übertragende stets der Nachhaftung für einen Zeitraum von 5 Jahren". Mit der erst später erfolgten rechtskräftigen Verurteilung der Klägerin habe sich diese Nachhaftung realisiert.
Die Kläger beantragen,
1.
den Einkommensteuerbescheid 2014 vom 16.02.2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12.04.2018 dahingehend abzuändern, dass nachträgliche Betriebsausgaben in Höhe von 5.994 € berücksichtigt werden;
2.
den Einkommensteuerbescheid 2015 vom 21.12.2016 in der Fassung des geänderten Bescheids vom 09.01.2018 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12.04.2018 dahingehend abzuändern, dass nachträgliche Betriebsausgaben in Höhe von 12.000 € berücksichtigt werden;
3.
den Einkommensteuerbescheid 2016 vom 28.09.2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12.04.2018 dahingehend abzuändern, dass nachträgliche Betriebsausgaben in Höhe von in Höhe von 12.000 € berücksichtigt werden;
4.
hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist er im Wesentlichen auf seine Einspruchsentscheidung.
Die Klägerin habe mit Vereinbarung vom 1. Oktober 2004 den von ihr geführten Gewerbebetrieb mit Wirkung zum 1. Oktober 2004 mit sämtlichen Aktiv- und Passivposten unentgeltlich auf V übertragen. Diese unentgeltliche Betriebsübertragung stelle keine Betriebsaufgabe dar, denn der betriebliche Organismus bleibe unverändert bestehen. Es wechsele nur der Betriebsinhaber. Auch eine Betriebsveräußerung im Sinne des § 16 Abs. 1 EStG liege nicht vor, da darunter nur entgeltliche Vorgänge fielen. Die Übernahme von Verbindlichkeiten des übertragenen Betriebs stelle kein Veräußerungsentgelt dar. Dies gelte grundsätzlich auch bei der Übertragung eines Betriebs, dessen steuerliches Kapitalkonto negativ ist (BFH, Urteile vom 23. April 1971 IV 201/65, BFHE 102, 488, BStBl II 1971, 686 und vom 24. August 1972 VIII R 36/66, BFHE 107, 365, BStBl II 1973, 111). Selbst wenn die Klägerin die ungewisse Verbindlichkeit gegenüber der A zum 30. September 2004 passiviert hätte und damit ein negatives Kapitalkonto entstanden sei, läge nach der o. g. Rechtsprechung des BFH eine unentgeltliche Betriebsübertragung vor.
Entscheidend sei, dass hinsichtlich der Verbindlichkeiten gegenüber der A zum Zeitpunkt der Aufstellung der Bilanz zum 31. Dezember 2003 spätestens zum 30. September 2004 (Übertragung des Gewerbebetriebes auf V) ein Passivierungsgebot bestanden habe. Hiergegen sei im Streitfall verstoßen worden. Dies sei erst mit Urteil im Jahr 2009 final festgestellt worden. Gerade für den Fall, ob und in welcher Höhe Ansprüche wie im Streitfall der A bestehen, habe der Gesetzgeber die Regelungen zur Einstellung von Rückstellungen geschaffen.
Gemäß § 249 Abs. 1 Satz 1 Handelsgesetzbuch (HGB) seien in der Handelsbilanz Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten zu bilden. Die daraus folgende Passivierungspflicht gehöre zu den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung und sei gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG auch für die Steuerbilanz zu beachten. Die Verbindlichkeitsrückstellung sei Ausfluss des sogenannten Vorsichtsprinzips und des hieraus abgeleiteten Realisationsprinzips. Sie solle im Interesse eines periodengerechten Gewinnausweises gewährleisten, dass am Bilanzstichtag verursachte potenziell gewinnmindernde Faktoren in der Bilanz berücksichtigt werden. Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten setzten entweder das Bestehen einer ihrer Höhe nach ungewissen Verbindlichkeit oder die überwiegende Wahrscheinlichkeit des Entstehens einer Verbindlichkeit dem Grunde nach voraus, deren Höhe zudem ungewiss sein könne.
Das Arbeitsgericht C habe bereits mit Urteil vom 3. September 2003 entschieden, dass es sich bei der Klägerin um eine tarifunterworfene Arbeitgeberin handele und sie damit zur Zahlung von Sozialkassenbeiträgen betreffend das Maler- und Lackiererhandwerk für den Zeitraum Januar bis Dezember 2002 in Höhe von 46.813,86 € verpflichtet gewesen sei. Das Gericht sei zu der Überzeugung gelangt, dass die Arbeitnehmer der Klägerin arbeitszeitrechtlich gesehen überwiegend Tätigkeiten im Sinne des Verfahrenstarifvertrages, wie Maler- und Verputzarbeiten, durchgeführt hätten. Aufgrund dieses Urteils sei die Wahrscheinlichkeit einer Inanspruchnahme der Klägerin sehr hoch gewesen. Zum Zeitpunkt der Bilanzaufstellung für das Jahr 2003 am 15. August 2005 habe die Klägerin jedenfalls damit rechnen müssen, in Anspruch genommen zu werden, denn die nächsthöhere Instanz, das Landesarbeitsgericht D, habe mit Urteil vom 28. Februar 2005 die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Zudem sei die Klägerin mit Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts C vom 11. März 2005 verurteilt worden, an die A 92.721,64 € zu zahlen. Spätestens am Bilanzstichtag zum 30. September 2004 (Aufstellung der Bilanz am 10. Februar 2006) habe die Klägerin einen entsprechenden Passivposten einstellen müssen. Der Hinweis auf die Unkenntnis der damals jungen und unerfahrenen Klägerin spiele insoweit keine Rolle, denn sie sei damals schon steuerrechtlich vertreten gewesen.
Dass V aufgrund des Urteils des Landesarbeitsgerichts D vom 3. März 2010 nicht mehr als Gesamtschuldner gegenüber der A in Anspruch genommen werden könne, spiele insoweit keine Rolle. Zum Zeitpunkt der Bilanzaufstellung zum 30. September 2004 am 10. Februar 2006 habe die Klägerin sowohl aufgrund der Urteile des Arbeitsgerichts C vom 3. September 2003 und des Landesarbeitsgerichts D vom 28. Februar 2005 als auch aufgrund der in Folge am 17. Oktober 2005 vor dem Arbeitsgericht C erhobenen Auskunftsklage erfolgten Beitragsmeldungen vom 20. Dezember 2005 damit rechnen müssen, dass die A die Beiträge einfordern werde. Auch die Höhe sei ihr aufgrund der erfolgten Beitragsmeldungen bekannt gewesen.
Laut dem Tatbestand des Urteils des Landesarbeitsgerichts D vom 3. März 2010 seien die Klägerin und V der Ansicht gewesen, dass V im Oktober 2004 den Betrieb nicht erworben, sondern lediglich die bis zum Übertragungszeitpunkt (1. Oktober 2004) bekannten Verbindlichkeiten übernommen habe und er deshalb nicht als Betriebserwerber gegenüber der A hafte. Das Landesarbeitsgericht D habe mit dem vorgenannten Urteil entschieden, dass V nicht als Gesamtschuldner gegenüber der A hafte. Im Ergebnis sei daher festzustellen, dass die Verbindlichkeiten gegenüber der A bei der Klägerin zurückgeblieben seien und nicht im Rahmen der unentgeltlichen Betriebsübertragung zum 1. Oktober 2004 auf V übertragen worden seien. Für die Zurückbehaltung seien nur private Gründe ersichtlich, sodass die Verbindlichkeiten gegenüber der A in der Folge als privat einzustufen seien und keine nachträglich entstandenen Betriebsausgaben darstellten.
Weitere Gründe dafür, dass in den Bilanzen zum 31. Dezember 2003 und zum 30. September 2004 keine Passivposten eingestellt worden seien, seien nicht ersichtlich. Aber gerade dies sei Voraussetzung für die Berücksichtigung der von der Klägerin getragenen Kosten nach den Regelungen des § 2 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 24 Nr. 2 EStG. Nachträgliche Einkünfte im Sinne des § 24 Nr. 2 EStG könnten nur bei Zahlungen auf Forderungen und Verbindlichkeiten vorliegen, deren Aktivierung oder Passivierung ausgeschlossen gewesen sei. Zahlungen, die der Steuerpflichtige später auf in der Steuerbilanz auszuweisende Verbindlichkeiten leiste, stellten erfolgsneutrale Vermögensumschichtungen dar. Es könne nicht Sinn und Zweck des § 24 Nr. 2 EStG sein, für Aufwendungen, die fälschlicherweise unter Verstoß gegen das Passivierungsgebot des § 249 Abs. 1 HGB nicht im Jahr ihrer wirtschaftlichen Zugehörigkeit erfasst worden, eine Abzugsmöglichkeit zu schaffen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist nicht begründet. Die angegriffenen Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre 2014 bis 2016 sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung -FGO-).
Der Beklagte ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Kläger keinen Anspruch auf Berücksichtigung der von der Klägerin in den Streitjahren geleisteten Zahlungen an die A haben.
I. Die Klägerin hat aufgrund der mit V getroffenen Vereinbarung vom 1. Oktober 2004 ihren Betrieb mit Wirkung zum 1. Oktober 2004 unentgeltlich i. S. V. § 6 Abs. 3 EStG auf V übertragen.
Wird ein Betrieb, ein Teilbetrieb oder der Anteil eines Mitunternehmers an einem Betrieb unentgeltlich übertragen, so sind nach § 6 Abs. 3 Satz 1 EStG bei der Ermittlung des Gewinns des bisherigen Betriebsinhabers (Mitunternehmers) die Wirtschaftsgüter mit den Werten anzusetzen, die sich nach den Vorschriften über die Gewinnermittlung ergeben. Der Rechtsnachfolger ist gemäß § 6 Abs. 3 Satz 3 EStG an die vorgenannten Werte gebunden.
Bei der vorgenannten Übertragung handelt es sich um eine unentgeltliche Betriebsübertragung i.S. von § 6 Abs. 3 EStG.
Die Klägerin hat bei der mit V zum 1. Oktober 2004 vereinbarten unentgeltlichen Übertragung ihres Einzelunternehmens, keine Verbindlichkeiten gegenüber der A zurückbehalten. Zwar ergibt sich diesbezüglich aus dem Tatbestand des Urteils des Landesarbeitsgerichts D vom 3. März 2010, dass die Klägerin und V der Ansicht gewesen seien, dass V im Oktober 2004 den Betrieb nicht erworben, sondern lediglich die bis zum Übertragungszeitpunkt (1. Oktober 2004) bekannten Verbindlichkeiten übernommen habe. Allerdings widerspricht dieser Vortrag der Klägerin und des V in dem vorgenannten Verfahren vor dem Landesarbeitsgericht D der tatsächlich zwischen der Klägerin und V am 1. Oktober 2004 getroffenen Vereinbarung zur unentgeltlichen Übertragung des Betriebs der Klägerin. Laut dieser Vereinbarung übertrug die Klägerin mit Wirkung zum 1. Oktober 2004 ihr Einzelunternehmen unentgeltlich mit "sämtlichen Passiva" auf V, so dass von V nicht lediglich die bis zum Übertragungszeitpunkt (1. Oktober 2004) bekannten Verbindlichkeiten übernommen worden sind.
Auch die Übernahme von Verbindlichkeiten des übertragenen Betriebs stellt kein Veräußerungsentgelt dar, sondern sie mindert vielmehr lediglich den Wert des übertragenen Vermögens. Dies gilt grundsätzlich auch bei der Übertragung eines Betriebs, dessen steuerliches Kapitalkonto negativ ist (BFH-Urteile vom 23. April 1971 IV 201/65, BFHE 102, 488, BStBl II 1971, 686 und vom 24. August 1972 VIII R 36/66, BFHE 107, 365, BStBl II 1973, 111). Selbst wenn die Klägerin die Verbindlichkeiten gegenüber der A zum 30. September 2004 in ihrer Bilanz passiviert hätte und damit ein negatives Kapitalkonto entstanden wäre, läge nach der vorgenannten Rechtsprechung des BFH auch dann eine unentgeltliche Betriebsübertragung vor.
Da der Rechtsnachfolger nach § 6 Abs. 3 Satz 3 EStG an die in § 6 Abs. 3 Satz 1 EStG genannten Werte (Buchwerte) gebunden ist, nimmt die Vorschrift des § 6 Abs. 3 EStG insoweit eine Sonderstellung im System des vom Grundsatz der Individualbesteuerung geprägten Einkommensteuerrechts ein, als diese ausnahmsweise und im Widerstreit zur personalen Struktur des Einkommensteuerrechts eine interpersonelle Übertragung der stillen Reserven auf den Rechtsnachfolger anordnet. Der Vorschrift liegt eine streng objekt- und einkunftsquellenbezogene Konzeption zugrunde. Dementsprechend gehen die stillen Reserven im Falle des § 6 Abs. 3 EStG zusammen mit den übertragenen Wirtschaftsgütern ausschließlich und allein auf den unentgeltlichen Betriebserwerber über (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 17. Dezember 2007 GrS 2/04, BFHE 220, 129, BStBl II 2008, 608).
II. Aus dem Grundsatz des formellen Bilanzenzusammenhangs folgt, dass fehlerhafte Bilanzansätze, die einer bestandskräftigen Veranlagung oder Gewinnfeststellung zugrunde liegen (sogenannte Veranlagungsbilanz) als Teil des Betriebsvermögens im Sinne von § 4 Abs. 1 EStG lückenlos im Folgejahr fortzuführen und regelmäßig zum Ende dieser Periode erfolgswirksam richtigzustellen sind (BFH-Urteile vom 28. April 1998 VIII R 46/96, BFHE 185, 492, BStBl II 1998, 443 und vom 30. März 2006 IV R 25/04, BFHE 213, 315, BStBl II 2008, 171).
Dieser Grundsatz gilt nach der BFH-Rechtsprechung in Fällen der unentgeltlichen Übertragung eines Betriebs, Teilbetriebs oder Mitunternehmeranteils auch gegenüber dem Rechtsnachfolger, so dass unrichtige Bilanzansätze, die in die letzte Veranlagung des Rechtsvorgängers mit Auswirkungen auf dessen Gewinn (oder Verlust) Eingang gefunden haben, in der Bilanz des Rechtsnachfolgers ergebniswirksam zu korrigieren sind. Der BFH hat dies aus § 7 Abs. 1 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung 1955 (EStDV a.F.) abgeleitet, nach der im Falle der Übertragung der genannten betrieblichen Einheiten die Wirtschaftsgüter mit den Werten anzusetzen sind, die sich nach den Vorschriften über die Gewinnermittlung ergeben (Satz 1) und der Rechtsnachfolger an diese Werte (Buchwerte) gebunden ist (Satz 2). Dabei hat der BFH betont, dass der Rechtsnachfolger nach diesen Regelungen (auch im Hinblick auf die tatsächlich der Veranlagung zugrunde liegenden Bilanzansätze) in die Rechtsposition des bisherigen Unternehmers hineinwächst (BFH-Urteil vom 9. Juni 1964 I 287/63 U, BFHE 81, 135 [BFH 09.06.1964 - I 287/63 U], BStBl III 1965, 48). Entsprechendes gilt nach dem insoweit mit § 7 Abs. 1 EStDV a.F. übereinstimmenden Wortlaut des § 6 Abs. 3 EStG (BFH-Beschluss vom 21. August 2012 I B 179/11, BFH/NV 2013, 21).
Da der Rechtsnachfolger im Falle des unentgeltlichen Betriebsübergangs nach § 6 Abs. 3 EStG, soweit es sich um die Übernahme der Bilanzansätze handelt, in die Rechtsposition des früheren Betriebsinhabers hineinwächst, bedeutet dies, dass der Rechtsnachfolger die Folgerungen zu tragen hat, die sich aus dem Bilanzenzusammenhang für die Jahre seiner Besitzzeit ergeben (BFH, Urteil vom 9. Juni 1964 I 287/63 U, BFHE 81, 135 [BFH 09.06.1964 - I 287/63 U], BStBl III 1965, 48).
Ein falscher Bilanzansatz kann in der Regel nur dann mit Wirkung für ein früheres Jahr berichtigt werden, wenn er einer Veranlagung noch nicht zugrunde liegt oder wenn die auf ihm beruhende Veranlagung nach allgemeinen Grundsätzen berichtigt werden kann und berichtigt worden ist. Ist dies nicht möglich, muss der falsche Bilanzansatz in der Schlussbilanz eines Jahres richtiggestellt werden, für das eine Veranlagung noch nicht stattgefunden hat oder für das die bereits vorliegende Veranlagung berichtigt werden kann (BFH-Urteil vom 5. Juli 1963 VI 333/61 U, BFHE 77, 472, BStBl III 1963, 492). Dabei macht es keinen Unterschied, dass der falsche Bilanzansatz auf Jahre zurückgeht, in denen der Betriebsübergeber (bisheriger Betriebsinhaber) noch Inhaber des Gewerbebetriebs gewesen ist. Hat die Bilanz des Rechtsvorgängers Fehler enthalten, die sich gewinnerhöhend ausgewirkt haben, sind also z.B. Rückstellungen oder Wertberichtigungen, die gerechtfertigt gewesen wären, unterblieben und ist eine Änderung der entsprechenden Veranlagungen des Rechtsvorgängers nicht mehr möglich, hat aufgrund des Grundsatzes des formellen Bilanzenzusammenhangs die Berichtigung in der Schlussbilanz eines späteren, noch nicht verjährten Steuerabschnitts des Rechtsnachfolgers mit Auswirkungen auf dessen Gewinn zu erfolgen (BFH, Urteil vom 9. Juni 1964 I 287/63 U, BFHE 81, 135 [BFH 09.06.1964 - I 287/63 U], BStBl III 1965, 48).
1. Das handelsrechtliche Passivierungsgebot von Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten (§ 249 Abs. 1 Satz 1 HGB) gehört zu den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung, die nach § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG für die Steuerbilanz gelten (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 3. Februar 1969 GrS 2/68, BFHE 95, 31 [BFH 03.02.1969 - Gr. S. 2/68], BStBl II 1969, 291; BFH-Urteile vom 8. September 2011 IV R 5/09, BFHE 235, 241, BStBl II 2012, 122 sowie vom 17. Oktober 2013 IV R 7/11, BFHE 243, 256, BStBl II 2014, 302).
Voraussetzung für die Bildung einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten ist das Bestehen einer nur ihrer Höhe nach ungewissen Verbindlichkeit oder die hinreichende Wahrscheinlichkeit des künftigen Entstehens einer Verbindlichkeit dem Grunde nach (deren Höhe zudem ungewiss sein kann) sowie ihre wirtschaftliche Verursachung in der Zeit vor dem Bilanzstichtag. Weitere Voraussetzung ist, dass der Schuldner ernsthaft mit seiner Inanspruchnahme rechnen muss (BFH-Urteil vom 17. Oktober 2013 IV R 7/11, BFHE 243, 256, BStBl II 2014, 302).
2. Dabei steht es nicht im Ermessen des Kaufmanns, ob er von einer Belastung ausgeht und eine Rückstellung bildet. Eine bloß subjektive Einschätzung würde dem Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit widersprechen. Daher ist das Vorhandensein der Belastung nach objektiven Gesichtspunkten zu beurteilen (BFH-Urteil vom 25. April 2006 VIII R 40/04, BFHE 213, 364, BStBl II 2006, 749).
Ob das Bestehen oder Entstehen der Verbindlichkeit wahrscheinlich und mit der Inanspruchnahme hieraus zu rechnen ist, richtet sich nach den objektiven Verhältnissen des jeweiligen Bilanzstichtags unter Berücksichtigung der bis zur Bilanzaufstellung oder spätestens bis zu dem Zeitpunkt, zu dem die Bilanz im ordnungsgemäßen Geschäftsgang (§§ 243 Abs. 3, 264 Abs. 1 HGB) aufzustellen gewesen wäre, bekannt werdenden wertaufhellenden Umständen (BFH-Urteil vom 22. August 2012 X R 23/10, BFHE 238, 173, BStBl II 2013, 76; BFH-Beschluss vom 12. Dezember 2012 I B 27/12, BFH/NV 2013, 545). Als "wertaufhellend" nach der ständigen BFH-Rechtsprechung sind jedoch nur die Umstände zu berücksichtigen, die zum Bilanzstichtag bereits objektiv vorlagen und nach dem Bilanzstichtag, aber vor dem Tag der Bilanzerstellung lediglich bekannt oder erkennbar wurden (BFH, Urteil vom 16. Dezember 2014 VIII R 45/12, BFHE 249, 83, BStBl II 2015, 759).
3. Die für die Rückstellungsbildung erforderliche Wahrscheinlichkeit der tatsächlichen Inanspruchnahme des Kaufmanns muss einzelfallbezogen im Wege einer Prognose anhand der erkennbaren tatsächlichen Verhältnisse beurteilt werden. Es müssen aus der Sicht des Bilanzstichtages mehr objektive Gründe für eine überwiegende Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme als dagegen sprechen. Dies ist regelmäßig dann der Fall, wenn der vermeintliche Gläubiger am Bilanzstichtag bereits im Klagewege gegen den Steuerpflichtigen vorgeht. Die "Gefahr" der Inanspruchnahme besteht dann so lange fort, bis der Anspruch nicht rechtskräftig abgewiesen ist (BFH, Urteil vom 16. Dezember 2014 VIII R 45/12, BFHE 249, 83, BStBl II 2015, 759).
4. Die darüber hinaus erforderliche Prognose, ob das Bestehen der gerichtlich geltend gemachten Forderung überwiegend wahrscheinlich ist, bezieht sich auf ein von der Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme zu unterscheidendes Risiko. Es ist anhand der Umstände des Einzelfalls zu beurteilen, ob die Verpflichtung dem Grunde nach rechtlich besteht. Dieses rechtliche Bestehen ist überwiegend wahrscheinlich, wenn nach allen am Bilanzstichtag objektiv gegebenen (und bis zur Aufstellung der Bilanz subjektiv erkennbaren) Umständen mehr Gründe für als gegen das Bestehen der Verbindlichkeit sprechen (BFH-Urteil vom 16. Dezember 2014 VIII R 45/12, BFHE 249, 83, BStBl II 2015, 759). Eine Verbindlichkeit, auch eine ungewisse, muss bereits eine wirtschaftliche Belastung darstellen (BFH-Urteil vom 19. Oktober 2005 XI R 64/04, BFHE 211, 475, BStBl II 2006, 371).
III. Unter Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall lag die für die Bildung von Rückstellungen erforderliche hinreichende Wahrscheinlichkeit für das Bestehen einer Verbindlichkeit aufgrund der bis zum Zeitpunkt der Aufstellung der Bilanz (am 10. Februar 2006) zum 30. September 2004 infolge der bereits erfolgten Verurteilungen bekannten Umstände hinsichtlich der Beitragspflicht der Klägerin gegenüber der A für den Zeitraum ihrer Betriebsinhaberschafft von Mai 2000 bis 30. September 2004 vor. Die Klägerin musste auch ernsthaft mit ihrer Inanspruchnahme rechnen.
Die Klägerin betrieb ab 1. Mai 2000 bis zum 30. September 2004 in B ein gewerbliches Einzelunternehmen, welches unter anderem auch die Tätigkeiten von Malern und Lackierern umfasste. Das Arbeitsgericht C verurteilte die Klägerin am 3. September 2003 an die A 46.813,86 € zu zahlen, da es sich bei der Klägerin um eine tarifunterworfene Arbeitgeberin handele und sie damit zur Zahlung von Sozialkassenbeiträgen betreffend das Maler- und Lackiererhandwerk für den Zeitraum Januar bis Dezember 2002 i. H. v. 46.813,86 € verpflichtet sei. Die von der Klägerin dagegen eingelegte Berufung wies das Landesarbeitsgericht D mit Versäumnisurteil vom 28. Februar 2005 zurück. Mit weiterem Urteil ebenfalls vom 3. September 2003 verurteilte das Arbeitsgericht C die Klägerin aus den vorgenannten Gründen betreffend den Zeitraum Mai 2000 bis Dezember 2001 an die A 45.881,20 € zu zahlen. Die von der Klägerin dagegen eingelegte Berufung wies das Landesarbeitsgericht D mit Urteil vom 28. Februar 2005 zurück. Darüber hinaus erging am 11. März 2005 ein weiteres Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts C gegen die Klägerin, mit der diese verurteilt wurde an die A einen Betrag in Höhe von 92.721,64 € zu zahlen. Außerdem nahm die A mit einer am 17. Oktober 2005 vor dem Arbeitsgericht C erhobenen Klage die Klägerin auf Auskunft in Anspruch. Nachdem die Klägerin sich bereit erklärte, die begehrte Auskunft zu erteilen und bei der A am 20. Dezember 2005 vollständig ausgefüllte Beitragsmeldungen für den Zeitraum von Januar 2002 bis einschließlich September 2004 eingingen, nahm die A die Auskunftsklage zurück. Mit einer weiteren am 21. Dezember 2006 beim Arbeitsgericht C erhobenen Klage wegen Beitragsverpflichtungen auf der Grundlage der vorgenannten Meldungen machte die A rückständige Beiträge für den Zeitraum vom 1. Januar 2002 bis zum 30. September 2004 gegenüber der Klägerin und V als Gesamtschuldner geltend. Aufgrund der vorgenannten Klage verurteilte das Arbeitsgericht C die Klägerin und V als Gesamtschuldner durch Versäumnisurteil vom 2. März 2007 zur Zahlung eines Betrages in Höhe von 104.848,22 € an die A. Das vorgenannte Urteil wurde durch Urteil des Arbeitsgerichts C vom 7. Januar 2009 aufrechterhalten. Mit Berufungsurteil des Landesarbeitsgerichts D vom 3. März 2010 wurde das Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts C vom 2. März 2007 dahingehend abgeändert, dass die Verurteilung des V als Gesamtschuldner aufgehoben wurde. Hinsichtlich der Verurteilung der Klägerin zur Zahlung in Höhe von 104.848,22 € wurde das vorgenannte Urteil des Arbeitsgerichts C durch das Landesarbeitsgericht D mit Urteil vom 3. März 2010 hinsichtlich der Klägerin aufrechterhalten.
Diese Sachverhalte fanden weder in der von der Klägerin zum 31. Dezember 2003 aufgestellten Bilanz vom 15. August 2005 noch in der zum 30. September 2004 aufgestellten Bilanz vom 10. Februar 2006 Berücksichtigung.
Aufgrund der vorgenannten Urteile war die Klägerin verpflichtet, zumindest Rückstellungen wegen ungewisser Verbindlichkeiten hinsichtlich der Zahlung von Sozialkassenbeiträgen für den Zeitraum von Mai 2000 bis zum 30. September 2004 (Zeitraum, währenddessen die Klägerin das gewerbliche Einzelunternehmen betrieben hat) betreffend das Maler- und Lackiererhandwerk an die A in ihrer am 10. Februar 2006 zum 30. September 2004 aufgestellten Bilanz zu bilden, denn es war sogar schon zu Verurteilungen hinsichtlich der streitgegenständlichen Verbindlichkeiten gekommen. Darüber hinaus waren diese auch schon wirtschaftlich verursacht, denn sie entfielen auf den Zeitraum der Betriebsinhaberschafft der Klägerin bis zum 30. September 2004.
Da aufgrund der Bilanzen bereits bestandskräftige Veranlagungen der Kläger für die Veranlagungszeiträume 2003 und 2004 erfolgt sind, müssen die falschen Bilanzansätze in der Schlussbilanz eines Jahres richtiggestellt werden, für das eine Veranlagung noch nicht stattgefunden hat oder für das eine bereits vorliegende Veranlagung berichtigt werden kann (BFH-Urteil vom 5. Juli 1963 VI 333/61 U, BFHE 77, 472, BStBl III 1963, 492). Dabei macht es keinen Unterschied, dass der falsche Bilanzansatz auf Jahre zurückgeht, in denen der Betriebsübergeber (die Klägerin) noch Inhaber des Gewerbebetriebs gewesen ist. Hat die Bilanz des Rechtsvorgängers Fehler enthalten, die sich gewinnerhöhend ausgewirkt haben, sind also z.B. Rückstellungen oder Wertberichtigungen, die gerechtfertigt gewesen wären, unterblieben und ist eine Änderung der entsprechenden Veranlagungen des Rechtsvorgängers nicht mehr möglich, hat aufgrund des Grundsatzes des formellen Bilanzenzusammenhangs die Berichtigung in der Schlussbilanz eines späteren, noch nicht verjährten Steuerabschnitts des Rechtsnachfolgers mit Auswirkungen auf dessen Gewinn zu erfolgen (BFH-Urteil vom 9. Juni 1964 I 287/63 U, BFHE 81, 135 [BFH 09.06.1964 - I 287/63 U], BStBl III 1965, 48).
Daher hat eine Berichtigung der falschen Bilanzansätze nicht im Rahmen einer Bilanz der Klägerin, sondern allenfalls beim Rechtsnachfolger (V) zu erfolgen. Eine Berücksichtigung der von der Klägerin in den Streitjahren an die A geleisteten Zahlungen als nachträgliche Betriebsausgaben der Klägerin nach § 24 Nr. 2, § 2 Abs. 1 Satz Nr. 2 EStG ist damit ausgeschlossen.
Selbst in den hier nicht vorliegenden Fallgestaltungen der Betriebsveräußerung (§ 16 Abs. 1 EStG) bzw. der Betriebsaufgabe (§ 16 Abs. 3 EStG) können sich nachträgliche Einkünfte aus Zahlungen auf Verbindlichkeiten grundsätzlich nur dann ergeben, wenn deren Passivierung im Zeitpunkt der Betriebsveräußerung oder Aufgabe nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung ausgeschlossen war (Schiffers in: Korn, Einkommensteuergesetz, 1. Aufl. 2000, 132. Lieferung, § 24, Rn. 50; Horn in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, 307. Lieferung 11.2021, § 24 Rn. 75). Da im Rahmen der Schlussbilanz alle aktiven und passiven Vermögenswerte des Betriebs anzusetzen sind, werden die durch die laufende Betriebstätigkeit verursachten Erträge und Aufwendungen unabhängig vom Zeitpunkt ihrer Vereinnahmung oder Verausgabung spätestens als Gewinn des letzten Wirtschaftsjahres erfasst, so dass Zahlungen, die später auf die in der Schlussbilanz auszuweisenden Forderungen oder Verbindlichkeiten erfolgen, grundsätzlich erfolgsneutrale Vermögensumschichtungen darstellen und nicht zu nachträglichen Einkünften aus der früheren Tätigkeit führen (BFH-Urteil vom 28. Juli 1999 X R 63/95, BFH/NV 2000, 40). Wie bereits ausgeführt, hätte die Klägerin nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung zumindest Rückstellungen wegen ungewisser Verbindlichkeiten bilden müssen.
Auch das von den Klägern zitierte Urteil des BFH vom 30. November 1977 (I R 27/75, BFHE 124, 56, BStBl II 1978, 149) führt zu keinem anderen Ergebnis. In diesem Urteil hat der BFH festgestellt, dass bei Ausscheiden eines Gesellschafters mit negativem Kapitalkonto aus einer OHG und Freistellung von den Gesellschaftsverbindlichkeiten durch die übrigen Gesellschafter ohne Gegenleistung im Innenverhältnis, der ausscheidende Gesellschafter dadurch grundsätzlich einen Gewinn verwirkliche, es sei denn, dass er wegen der schlechten wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft und der verbleibenden Gesellschafter nach wie vor mit seiner Inanspruchnahme durch die Gesellschaftsgläubiger rechnen müsse. Trete eine Gewinnverwirklichung ein, werde der ausscheidende Gesellschafter aber später wider Erwarten von den Gesellschaftsgläubigern für die Gesellschaftsschulden in Anspruch genommen, so könne ein nachträglicher Verlust aus Gewerbebetrieb entstehen. Dies gelte unabhängig davon, ob die Gewinnverwirklichung im Jahr des Ausscheidens des Gesellschafters vom Finanzamt bejaht und der Besteuerung zugrunde gelegt worden sei oder nicht.
Bei dem dem vorgenannten Urteil zugrunde liegenden Sachverhalt handelte es sich - anders als im vorliegenden Verfahren - nicht um eine unentgeltliche Betriebsübertragung im Sinne von § 6 Abs. 3 EStG, bei der der den Betrieb Übertragende keinen Gewinn verwirklicht, sondern, aufgrund des Ausscheidens des Gesellschafters mit negativem Kapitalkonto und der Freistellung von den Gesellschaftsverbindlichkeiten durch die übrigen Gesellschafter ohne Gegenleistung, um einen entgeltlichen Veräußerungsvorgang im Sinne des § 16 EStG bei dem ein nachträglicher Verlust aus Gewerbebetrieb entstehen kann, wenn der im Innenverhältnis von den übrigen Gesellschaftern ohne Gegenleistung freigestellte Gesellschafter wider Erwarten von den Gesellschaftsgläubigern für die Gesellschaftsschulden in Anspruch genommen wird.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) zugelassen.
RechtsgebietEStGVorschriften§ 6 Abs. 3 EStG