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  • 04.10.2023 · IWW-Abrufnummer 237635

    Finanzgericht Rheinland-Pfalz: Urteil vom 11.05.2022 – 2 K 1811/17

    1. Bei dem beherrschenden Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft gelten von der Gesellschaft eindeutig und unbestritten geschuldete Beträge einschließlich der in Rechnung gestellten Umsatzsteuer bei Zahlungsfähigkeit der Gesellschaft bereits im Zeitpunkt ihrer Fälligkeit als zugeflossen, sofern sie sich auf die Gewinnermittlung der Gesellschaft ausgewirkt haben.

    2. Ein Gesellschafter, der zwar nicht mehr als 50 % der Gesellschaftsanteile hält, aber mit anderen Gesellschaftern im gleichgerichteten wirtschaftlichen Interesse zusammenwirkt, ist einem beherrschenden Gesellschafter gleichgestellt.


    Finanzgericht Rheinland-Pfalz

    Urteil vom 11.05.2022

    2 K 1811/17

    In dem Finanzrechtsstreit
    xxx

    gegen
    das Finanzamt- Beklagter ‒
    wegen Einkommensteuer 2011 - 2013hat das Finanzgericht Rheinland-Pfalz - 2. Senat - aufgrund mündlicher Verhandlung vom 11.05.2022 durch xxx für Recht erkannt:

    Tenor:

    I.    Die Klage wird abgewiesen.
    II.    Die Kosten des Verfahrens haben die Kläger zu tragen.

    Tatbestand

    Streitig ist der Zeitpunkt des Zuflusses von Betriebseinnahmen.

    Die Kläger sind Ehegatten, die in den Jahren 2011 bis 2013 zusammen zur Einkommensteuer veran-lagt wurden. Der Kläger erzielte in den Streitjahren u.a. mit dem Betrieb eines Ingenieursbüros Ein-künfte aus selbständiger Tätigkeit. Die Gewinnermittlung erfolgte durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung nach § 4 Abs. 3 EStG.

    In den Einkommensteuerbescheiden für das Jahr 2011 vom 14.02.2011 (Bl. 41 ESt-Akte), für das Jahr 2012 vom 04.12.2013 (Bl. 80 ESt-Akte) und für das Jahr 2013 vom 29.07.2015 (Bl. 114 ESt-Akte) wurden die Gewinne erklärungsgemäß mit 189.160 € in 2011, mit 663.770 € in 2012 und mit 394.290 € in 2013 berücksichtigt. Die Einkommensteuer wurde auf 59.386 € für das Jahr 2011, auf 256.748 € für das Jahr 2012 und auf 153.480 € für das Jahr 2013 festgesetzt. Die Bescheide ergin-gen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

    Der Kläger war zudem neben Herrn B., Dipl.Ing. für Architektur, Gesellschafter der A. Architekten- und Ingenieursgesellschaft mbH (im Folgenden A GmbH). Gegenstand des Unternehmens der Gesell-schaft war die Durchführung aller Architekten- und Ingenieursaufgaben, die zu den Berufsaufgaben der freiberuflich (unabhängig und eigenverantwortlich) tätigen Architekten und Ingenieure im Bau-wesen gehören, insbesondere alle baulichen Planungs- und Beratungsaufgaben sowie die Leistung und Beaufsichtigung von Baumaßnahmen. Ausgeschlossen waren die gewerblichen Ausführungen von Bauten und die Übernahme von Bauträger- und Baubetreuungsaufgaben sowie die Vermittlung von Grundstücken und die Finanzierung von Bauvorhaben (Handelsregisterauszug Bl. 92 Gerichtsak-te). Am Stammkapital der Gesellschaft in Höhe von 100.000 DM waren der Kläger mit einem Ge-schäftsanteil von 49.000 DM und der Mitgesellschafter B. mit einem Geschäftsanteil von 51.000 DM beteiligt. Zu Geschäftsführern der Gesellschaft waren in den Streitjahren der Kläger und der Mitgesell-schafter B. bestellt. Die Gesellschaft wird nach den Regelungen im Gesellschaftsvertrag durch beide Geschäftsführer gemeinsam vertreten. Den Geschäftsführern ist es gestattet, mit sich in eigenem Namen oder als Vertreter eines Dritten Rechtsgeschäfte mit der Gesellschaft abzuschließen.

    Im Rahmen einer beim Kläger im Jahr 2015 für die Jahre 2011 bis 2013 durchgeführten Außenprü-fung (vgl. Außenprüfungsbericht vom 14.12.2015) wurde u.a. festgestellt, dass der Kläger in den Streitjahren jeweils kurz vor Jahresende an die A GmbH folgende Rechnungen über erbrachte Leis-tungen gestellt hatte (Bl. 39 ff. Gerichtsakte), die jeweils erst im Folgejahr beglichen wurden:

    Rechnung vom 14.12.2011 Projekt ...Netto 80.903,11 €A-Nr. ...USt 15.371,59 € Brutto96.274,70 €
    Rechnung vom 14.12.2011 Projekt ...Netto 82.029,67 €A-Nr. ...USt 15.585,64 € Brutto 97.615,31 €
    Rechnung vom 18.12.2012 Projekt ...Netto 33.000,00 €A-Nr. ...USt 6.270,00 € Brutto 39.270,00 €
    Rechnung vom 19.12.2013 Projekt ...Netto 74.685,21 €A-Nr. ...USt 14.190,19 € Brutto 88.875,40 €
    Rechnung vom 19.12.2013 Projekt ...Netto 21.270,26 €A-Nr. ...USt 4.041,34 € Brutto 25.311,60 €
    Rechnung vom 19.12.2013 Projekt ...Netto 59.391,89 €'A-Nr. ...USt 11.284,46 € Brutto 70.676,35 €

    Auch durch den Mitgesellschafter B. waren jeweils kurz vor Jahresende folgende Rechnungen an die A GmbH gestellt worden, die ebenfalls erst im Folgejahr beglichen wurden:

    Rechnung vom 28.12.2011 Projekt ...Netto 54.612,99 € USt 10.376,47 € Brutto 64.989,46 €
    Rechnung vom 28.12.2011 Projekt ...Netto 48.176,16 € USt 9.153,47 € Brutto 57.329,63 €
    Rechnung vom 17.12.2012 Projekt ...Netto 1.571,00 € USt 298,49 € Brutto 1.869,49 €
    Rechnung vom 20.12.2012 Projekt ...Netto 15.400,75 € USt 2.926,14 Brutto 18.326,89 €
    Rechnung vom 19.12.2013 Projekt ...Netto 62.567,11 € USt 11.887,75 € Brutto 74.454,86 €
    Rechnung vom 19.12.2013 Projekt ...Netto 40.092,01 € USt 7.617,48 € Brutto 47.709,49 €

    Die in Rechnung gestellten Beträge wurden durch den Kläger bei der Gewinnermittlung durch Ein-nahme-Überschuss-Rechnung für die Streitjahre 2011 bis 2013 jeweils im Jahr der Zahlung (Folge-jahr) als Betriebseinnahmen berücksichtigt.

    Die vom Kläger und dem Mitgesellschafter B. im Dezember 2011 und Dezember 2012 in Rechnung gestellten Beträge wurden von der A GmbH im jeweiligen Jahr 2011 bzw. 2012 erfolgswirksam als Aufwand (Konto # 3100 "Fremdleistungen") verbucht und sind in den Bilanzen der Gesellschaft zum 31.12.2011 und zum 31.12.2012 als Verbindlichkeiten erfasst. Die an den Auftraggeber S GmbH mit Rechnungen vom 14.12.2011 bzw. 17.12.2012 in gleicher Höhe weiterberechneten Beträge wurden bei der A GmbH im Jahr 2011 bzw. 2012 erfolgswirksam als Ertrag verbucht und sind den Bilanzen der Gesellschaft zum 31.12.2011 und zum 31.12.2012 als Forderungen erfasst (vgl. Bilanzen Bl. 81-86 Gerichtsakte; G+V Bl. 138-140 Gerichtsakte; Buchungsunterlagen Bl. 104-107,142-150 Gerichts-akte).

    Zwar wurden die vom Kläger und dem Mitgesellschafter B. im Dezember 2013 in Rechnung gestellten Beträge von der A GmbH im Jahr 2013 zunächst nicht erfolgswirksam als Aufwand erfasst. Gleiches gilt für erfolgswirksame Erfassung der an die Auftraggeber S GmbH und P GmbH & Co. KG mit Rech-nungen vom 16.12.2013 bzw. 18.12.2013 in gleicher Höhe weiterberechneten Beträge als Ertrag. Aufgrund der Feststellungen einer bei der Gesellschaft durchgeführten Außenprüfung für die Jahre 2011 bis 2013 wurden die betreffenden Beträge bei der A GmbH nachträglich im Jahr der jeweiligen Rechnungsstellung als Aufwand bzw. Ertrag erfasst (vgl. Anlage zum Protokoll der mündlichen Ver-handlung).

    Die Prüferin gelangte zu der Auffassung, die in Rechnung gestellten Beträge seien nach der Rechtspre-chung des Bundesfinanzhofs zum Zeitpunkt des Zuflusses von Forderungen gegen die Kapitalgesell-schaft bei einem beherrschenden Gesellschafter nicht im Jahr der Zahlung, sondern bereits im Jahr der Rechnungsstellung zu erfassen. Der Kläger sei in den Streitjahren einem beherrschenden Gesell-schafter gleichzustellen, da er mit anderen gleichgerichtete Interessen verfolgenden Gesellschaftern zusammenwirken könne, um eine ihren Gesellschafterinteressen entsprechende Willensbildung in der A GmbH herbeizuführen. Dies führe zu folgenden Gewinnverlagerungen (Tz. 1.1 und 1.2 Außenprü-fungsbericht):

    2011   2012   2013
    Erlöse lt. Erklärung 949.470,74 € 1.629.494,50 € 1.207.192,11 €
    zzgl. Rechnung vom 14.12.2011 A GmbH Projekt ...+ 80.903,11 €
    zzgl. Rechnung vom 14.12.2011 A GmbH Projekt ...+ 82.029,67 €
    abzgl. Rechnung vom 14.12.2011 A GmbH Projekt ...- 80.903,11 €
    abzgl. Rechnung vom 14.12.2011 A GmbH Projekt ...- 82.029,67 €
    zzgl. Rechnung vom 18.12.2012A GmbH Projekt ...+ 33.000,00 €
    abzgl. Rechnung vom 18.12.2012 A GmbH Projekt ...- 33.000,00 €
    zzgl. Rechnung vom 19.12.2013 A GmbH Projekt ...+ 74.685,21 €
    zzgl. Rechnung vom 19.12.2013 A GmbH Projekt ...+ 21.270,26 €
    zzgl. Rechnung vom 19.12.2013 A GmbH Projekt ...+ 59.391,89 €
    Erhöhung/Minderung Erlöse gesamt162.932,78 €- 129.932,78 € 122.347,36 €
    Erlöse lt. Prüfung 1.112.403,52 € 1.499.561,72 € 1.329.539,47 €
    Gewinn lt. Erklärung 189.160,00 € 663.770,00 € 394.290,00 €
    Korrektur Mehr-/Mindererlöse lt. Prüfung162.932,78 €- 129.932,78 €122.347,36 €Korrektur Um-satzsteuer auf Mehr-/Mindererlöse lt. Prüfung 30.957,23 €- 24.687,23 € 23.246,00 €
    Gewinn lt. Prüfung 383.050,00 € 509.150,00 € 539.883,00 €

    Mit geänderten Einkommensteuerbescheiden für die Jahre 2011 bis 2013 vom 12.02.2016 (Bl. 121 ESt-Akte 2013) setzte der Beklagte die Feststellungen der Außenprüfung um. Der Vorbehalt der Nachprüfung wurde aufgehoben. Die Änderungsfestsetzungen führten zu einer Erhöhung der festge-setzten Einkommensteuer für das Jahr 2011 auf 140.818 € (bisher: 59.386 €) und für das Jahr 2013 auf 215.412 € (bisher: 153.480 €) sowie für das Jahr 2012 zu einer Minderung der festgesetzten Einkommensteuer auf 188.284 € (bisher: 256.748 €). Zudem wurden Nachzahlungszinsen zur Ein-kommensteuer 2011 in Höhe von 13.838 € (bisher: 0 €) und 2013 in Höhe von 3.220 € (bisher: 125 €) sowie Erstattungszinsen zur Einkommensteuer 2012 in Höhe von 7.530 € (bisher: 0 €) festgesetzt.

    Gegen diese Änderungsbescheide legte der Kläger am 10.03.2016 Einspruch ein (Bl. 124 ESt-Akte), mit dem er sich gegen die vom Beklagten auf Grundlage einer Zuflussfiktion für die der A GmbH in Rechnung gestellten Beträge vorgenommenen Gewinnverlagerungen wendete.

    Mit geänderten Einkommensteuerbescheiden für die Jahre 2011 bis 2013 vom 07.11.2016 (Bl. 143, 149, 155 ESt-Akte), die Gegenstand des laufenden Einspruchsverfahrens wurden, machte der Be-klagte zunächst die Gewinnverlagerung hinsichtlich der in den Rechnungen an die A GmbH ausgewie-senen Umsatzsteuerbeträge rückgängig und setzte die Einkommensteuer unter Berücksichtigung folgender Gewinne abweichend für das Jahr 2011 auf 127.816 €, für das Jahr 2012 auf 198.652 € und für das Jahr 2013 auf 204.501 € fest:

    2011   2012   2013
    Gewinn lt. Prüfung 383.050,00 € 509.150,00 539.883,00 €
    Korrektur Umsatzsteuer auf Mehr-/Mindererlöse- 30.957,23 € + 24.687,23 € - 23.246,00 €
    Gewinn lt. Änderungsbescheiden vom 07.11.2016 352.093,00 € 533.838,00 € 516.637,00 €
    Gewinn lt. Erklärung 189.160,00 € 663.770,00 € 394.290,00 €
    Verbleibende Erhöhung/Minderung 162.932,78 € - 129.932,78 € 122.347,36 €

    Die mit den Änderungsbescheiden festgesetzten Nachzahlungs- bzw. Erstattungszinsen zur Einkom-mensteuer beliefen sich auf 11.288 € für 2011, - 5.926 € für 2012 und 2.697 € für 2013.

    Mit Schreiben vom 14.12.2016 (Bl. 164 ESt-Akte Rbh) wies der Beklagte den Kläger darauf hin, dass beabsichtigt sei, die mit Bescheiden vom 07.11.2016 erfolgte Änderung der Einkommensteuerfest-setzungen 2011 bis 2013 rückgängig zu machen. Im Rahmen der Gesamtfallüberprüfung sei aufgefal-len, dass die vorgenommenen Gewinnkorrekturen auf einer falschen ertragsteuerlichen Beurteilung des Sachverhalts basierten. Auch der Zufluss der Umsatzsteuer aus den Rechnungen an die A GmbH unterliege der Zuflussfiktion.

    Nach Hinzuziehung der Klägerin zum Einspruchsverfahren (Bl. 174 ESt-Akte) setzte der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 23.06.2017 (Bl. 177 ESt-Akte) die Einkommen- steuer nun wieder un-ter Ansatz der durch die Außenprüfung festgestellten Gewinne abweichend auf 140.818 € für 2011, 188.284 € für 2012 und 215.412 € für 2013 fest und wies die Einsprüche im Übrigen als unbegrün-det zurück. Die festgesetzten Nachzahlungs- bzw. Erstattungszinsen zur Einkommensteuer beliefen sich nunmehr auf 14.538 € für 2011, - 7.905 € für 2012 und 4.055 € für 2013. Zur Begründung wurde im Wesentlichen angeführt:

    Gemäß § 11 Abs. 1 EStG seien Einnahmen grundsätzlich in dem Kalenderjahr bezogen, in dem sie dem Steuerpflichtigen zugeflossen seien. Abweichend davon seien nach gefestigter Rechtsprechung Beträge, die die Gesellschaft dem Alleingesellschafter oder beherrschenden Gesellschafter einer Kapi-talgesellschaft schulde, bei Zahlungsfähigkeit der Gesellschaft bereits mit Fälligkeit zugeflossen. Dies gelte nicht nur für Gewinnanteile und Gehaltsbeträge, sondern auch für sonstige Ansprüche, z.B. Lizenzgebühren, Beratungsgebühren und Zinszahlungen. Zufluss liege selbst dann vor, wenn die fällige Schuld noch nicht gebucht/gutgeschrieben oder als Verbindlichkeit ausgewiesen sei. Die Frage des Zuflusses sei wegen der weitgehenden Identität der Interessen der Gesellschaft und der Gesell-schafter streng zu beurteilen, da es sonst den Gesellschaftern überlassen bliebe, den Gewinn der Ge-sellschaft um die Vergütungen zu kürzen, ohne die Vergütungen als Einkommen zu versteuern. Auf die Fälligkeit der Forderung sei abzustellen, weil der beherrschende Gesellschafter es in der Hand ha-be, sich die Beträge auszuzahlen oder im Betrieb der Gesellschaft stehenzulassen. Bei Zahlungsunfä-higkeit der Gesellschaft sei hingegen von der Zuflussfiktion abzusehen. Eine bloß vorübergehende Illiquidität der Gesellschaft führe demgegenüber nicht zur Zahlungsunfähigkeit, so dass der Zufluss in solchen Fällen im Fälligkeitszeitpunkt anzunehmen sei. Soweit die Kläger den Einspruch mit der be-haupteten Zahlungsunfähigkeit der A GmbH zum Zeitpunkt der Rechnungsstellung begründeten, handele es sich um eine vorübergehende Illiquidität, die nicht als Zahlungsunfähigkeit im Sinne der Rechtsprechung zu sehen sei. Dass keine dauerhafte Zahlungsunfähigkeit vorgelegen habe, werde bereits dadurch bestätigt, dass die A GmbH die Forderungen regelmäßig zu einem späteren Zeitpunkt beglichen habe und die in Rechnung gestellten Beträge nicht dauerhaft schuldig geblieben sei. Dar-über hinaus wäre der Kläger in der Lage gewesen, der Gesellschaft im Zeitpunkt der Rechnungsstel-lung gleichzeitig ein Darlehen in identischer Höhe zu gewähren, um so die vorübergehende Illiquidität zu überbrücken. Trotz des Vortrags des Klägers, er habe seine Forderung gegenüber der GmbH bis zur Begleichung durch den Endkunden nicht als fällig angesehen, seien die in Rechnung gestellten Beträge im Zeitpunkt der Rechnungsstellung fällig, da die Rechnungen keine anderslautende Vereinbarung über eine spätere Fälligkeit enthielten. Im Ergebnis sei von fälligen Forderungen gegenüber einer zah-lungsfähigen Gesellschaft auszugehen. Soweit geltend gemacht werde, die Zuflussfiktion komme nur zur Anwendung, wenn sich die maßgeblichen Forderungsbeträge bei der Ermittlung des Einkommens der Gesellschaft ausgewirkt hätten, sei dies im Streitfall der Fall. Der fiktive Zufluss habe sich in den Bilanzen der A GmbH ausgewirkt, da diese die Zahlungsverpflichtung im jeweiligen Streitjahr als Rückstellung oder als Verbindlichkeit hätte ausweisen müssen. Die mit Teilabhilfebescheiden vom 07.11.2016 zu Unrecht zurückgenommene Hinzurechnung der Umsatzsteuer auf die Erlöse aus den streitgegenständlichen Rechnungen sei zu korrigieren, da auch der Zufluss der Umsatzsteuer aus den Rechnungen an die A GmbH der Zuflussfiktion unterliege.

    Die Kläger haben am 25.07.2017 Klage erhoben und zur Begründung im Wesentlichen geltend ge-macht:

    Nach der Rechtsprechung setzte die Annahme eines fiktiven Zuflusses beim beherrschenden Gesell-schafter eine zahlungsfähige Gesellschaft und eine fällige Forderung voraus. Diese Voraussetzung sei der Gegenpart zu der Unterstellung, der beherrschende Gesellschafter habe den Zeitpunkt des Geld-flusses gestaltend in der Hand und nutze die Konstellation zu einer Vorteilnahme. Diese Vorteilnahme sei die Legitimation für die Durchbrechung des Zuflussprinzips als korrigierender Eingriff.

    Im Streitfall habe es nicht in der Hand des Klägers gelegen, sich die geschuldeten Beträge auszahlen zu lassen. Auch die Fälligkeit der Forderungen des Klägers mit Rechnungsstellung werde bestritten. Der Kläger habe zeitnah Leistungen an die A GmbH berechnet, die die Gesellschaft wiederum - in Bünde-lung von Architektur- und Ingenieurleistungen - dem Endkunden weiterberechnet habe. Die Zahlung des Endkunden an die A GmbH sei jeweils im Folgejahr erfolgt und habe zu einer umgehenden Beglei-chung der Forderung des Klägers geführt. Die A GmbH habe neben der Funktion der Leistungsbünde-lung kein eigenes Kerngeschäft und sei durch aufgelaufene Verluste mittellos und bilanziell überschul-det. Die unter anderer Ausgangskonstellation (verdeckte Gewinnausschüttung, Zufluss Vermögens-vorteil, Zufluss Darlehenszins, also Momente im geschlossenen Verhältnis Gesellschafter zu Gesell-schaft) in der Rechtsprechung definierte Einleitung eines Insolvenzverfahrens als Indiz für die Zah-lungsunfähigkeit werde durch die faktische Unmöglichkeit der Zahlung überschrieben. Es seien weder Mittel vorhanden oder hätten bereitgestellt werden können noch hätte sich die GmbH die zur Erfül-lung der Forderung notwendigen Mittel durch Kreditaufnahme beschaffen können. Die Zahlungsun-fähigkeit der Gesellschaft mit dem Hinweis auf die Möglichkeit einer Darlehensgewährung durch den Kläger zu verneinen, zeige, wie weit man sich in den Begründungen davon entfernt habe, eine latente Vorteilnahme zu korrigieren. In Anbetracht des offensichtlichen Zahlungsunvermögens der GmbH sei eher davon auszugehen, dass der Gesellschafter seine Forderungen bis zur Begleichung durch den Endkunden nicht als fällig angesehen habe. Der Zahlungszeitpunkt habe nicht in der Dispositionsbe-fugnis des Klägers gestanden. Dieser sei vielmehr durch die Zahlung durch den Endkunden bestimmt worden und habe damit außerhalb des Machtgefüges des Klägers als Gesellschafter und Geschäfts-führer gelegen.

    Ohne die als Leistungsbündelungselement zwischengeschaltete GmbH hätte der Zeitpunkt der ertrag-steuerlichen Erfassung beim Kläger nicht anders ausgesehen. Aus der Konstellation im Streitfall ergä-ben sich keine zu korrigierenden Vorteilsnahmen. Das Ergebnis der GmbH werde nicht davon beein-flusst, ob der Kläger seine Rechnungen noch vor Jahresende oder erst im Januar des Folgejahres stel-le. Denn die entsprechenden Beträge hätten entweder als Verbindlichkeiten oder als Rückstellungen Eingang in die Bilanz gefunden. Das steuerliche Ergebnis der GmbH sei vom dem Fakt bestimmt, dass die Gesellschaft ergebnisneutral die Ingenieur- und Architektenleistungen gebündelt durchreiche. Dem Kläger fließe seine Vergütung erst zu, wenn der Endkunde zahle. Die Fiktion eines Zuflusses zur Gegensteuerung beeinflusster Zuflussmomente zur Korrektur von Vorteilnahmen sei im Streitfall nicht gerechtfertigt. Der Gewinn der GmbH sei infolge der Rechnungsstellung zum Jahresende nicht verkürzt worden. Es habe keinerlei steuerliche Verpflichtung des Klägers gegeben, die Rechnungen noch im Dezember zu schreiben. Auf das Ergebnis der Gesellschaft wirke es sich nicht aus, ob eine Rechnung gestellt werde oder nicht. Liege eine Rechnung vor, passiviere die Gesellschaft eine Verbind-lichkeit, liege keine Rechnung vor, sei eine Rückstellung zu passivieren. Das Ergebnis sei damit unab-hängig von der Rechnungsstellung durch den Kläger. Der Unterschied zur legitimen Zugangsfiktion liege darin, dass kein im Gesellschafter-Gesellschaft-Verhältnis begründetes bilaterales Rechtsverhält-nis geschaffen worden sei. Als Korrektiv rage hier das exogene Leistungsverhältnis der Gesellschaft zum Endabnehmer in das Beziehungsgefüge. Die Vorteilnahme sei definiert als das Ausnutzen des zeitlichen Gefälles zwischen den Gewinnermittlungssystematiken des § 4 Abs. 1 EStG und des § 4 Abs. 3 EStG durch Macht- und Interessenskoherenz eines beherrschenden Gesellschafters. Eine Vor-teilsnahme bei der GmbH sei nicht gegeben. Nach den Grundsätzen der bilanzierenden Gewinner-mittlung der Gesellschaft habe diese unabhängig von der Disposition des Gesellschafter-Geschäftsführers und somit unabhängig von dessen Macht- und Interessensphäre die bezogenen Leistungen als Aufwand abzubilden. Es bestehe keine Verbindung zwischen dem Ergebnis der GmbH und dem Rechnungsstellungsmoment des Gesellschafters. Damit sei nicht dem Gesellschafter über-lassen, den Gewinn der Gesellschaft durch Fakturierung einer Rechnung zu kürzen und damit eine ertragsteuerliche Vorteilnahme zu generieren. Auch beim beherrschenden Gesellschafter liege eine Vorteilnahme nicht vor. Als Folge der fehlenden Einflussnahme auf den Aufwandserfassungsmoment bei der GmbH könne es keine im Machtgefüge des Gesellschafters verbleibende aktive Vorteilnahme geben, denn diese sei naturgemäß zweigleisig. Der Gesellschafter habe auch bei Rechnungsstellung zum Jahresende keine Chance eine Vorteilnahme zu gestalten, die auf der beherrschenden Stellung als Gesellschafter-Geschäftsführer basiere. Es sei unerheblich im Sinne einer Vorteilnahme, ob der Gesellschafter mit seinem Einzelunternehmen zum Jahresende oder im Folgejahr eine Rechnung schreibe, wenn dies keinen Einfluss auf den Rechnungsempfänger habe. Wenn bereits der Zeitpunkt der Rechnungsstellung unerheblich für die Feststellung einer Vorteilnahme sei, so gelte dies auch für die Unerheblichkeit der Einflussnahme auf den Zahlungszeitpunkt.

    Zudem stehe die Möglichkeit der Einflussnahme auf den Zuflusszeitpunkt der Vergütung nach der Rechtsprechung unter dem Vorbehalt des Könnens. Die Kapitalgesellschaft müsse zahlungsfähig sein. Eine simple Reduzierung auf die Insolvenzreife sei nicht angemessen. Im Streitfall handele es sich um eine reduzierte transparente Zahlungsunfähigkeit. Es gebe keine Substanz. Das Bankkonto der GmbH könne nur im Positiven geführt werden und weise an den Stichtagen geringe Guthaben aus. Eine Kre-ditaufnahme sei völlig ausgeschlossen. Es würden auch keine anderen Gläubiger bedient. Die Zah-lungsabwicklung sei systemimmanent und frei der Disposition durch die Gesellschafter. Alle vorgetra-genen Rahmenbedingungen, welche die faktische Zahlungsunfähigkeit der GmbH flankierten, ließen sich aus der Buchhaltung und den Jahresabschlüssen der GmbH ableiten. Das Geschäftsmodell der A GmbH sei die Leistungsbündelung und Haftungsbeschränkung gewesen, nicht die Vorfinanzierung gegenüber dem Endkunden. In Anbetracht dieses offensichtlichen Unvermögens sei davon auszuge-hen, dass der Kläger seine Forderungen bis zu Begleichung durch den Endkunden nicht als fällig ange-sehen habe. Oder negativ ausgedrückt: Eine Fälligstellung vor Eingang der sekundären Endkunden-zahlung hätte im Zusammenhang mit der bilanziellen Überschuldung zum notwendigen Antrag auf Insolvenz geführt. Die Durchbrechung des Zuflussprinzips sei nur ausnahmsweise gerechtfertigt. Die Ausnahme müsse durch die Umstände gerechtfertigt werden, die in der beherrschenden sachver-haltsgestaltenden Macht des beherrschenden Gesellschafters liege und sich in einem gleichgerichte-ten Interesse des Gesellschafters zu seiner Gesellschaft richte. Die fiktive Verlagerung sei das Korrektiv zur gestaltenden Verlagerung des Zahlungsmoments durch den Machteinfluss des beherrschenden Gesellschafters. Im Streitfall bestehe keine Notwendigkeit eines Korrektivs, da es dem Gesellschafter nicht in seiner gestaltenden Dominanz gegeben gewesen sei, die wirtschaftliche Verfügungsmacht über die Forderungen zu erhalten. Diese Unmöglichkeit liege nicht im gestaltbaren Gesellschafterver-hältnis, sondern werde durch den Zahlungsmoment eines fremden Dritten (Endkunden) diktiert. Die Argumentation, der Kläger hätte der GmbH ein Darlehen geben können, pervertiere den Grundge-danken des Korrektivs. Die zeitnahe Rechnungsstellung des Klägers habe weder Einfluss auf die Ge-winnermittlung der A GmbH gehabt noch hätte sich beim Kläger der Versteuerungsmoment geän-dert, wenn die A GmbH nicht zwischen ihn und den Endkunden geschaltet gewesen wäre. Die Zeit-punkte der tatsächlichen - durch den Endkunden geprägten - Zahlungszuflüsse seien daher ertrag-steuerlich anzuerkennen. Eine Rechtsgrundlage für die Durchbrechung der Ist-Versteuerung von Frei-beruflern sei nicht zu erkennen, insbesondere sei eine solche nicht in der Rechtsprechung zur ertrag-steuerlichen Zuflussfiktion zu sehen. Die Verlagerung der Umsatzsteuerschuld in die Vorjahre im Sin-ne einer Soll-Versteuerung sei daher aufzuheben.

    Die Kläger beantragen,
    die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2011 bis 2013 vom 12.02.2016 in der Änderungsfas-sung vom 07.11.2016 und die Einspruchsentscheidung vom 23.06.2017 aufzuheben.

    Der Beklagte beantragt,
    die Klage abzuweisen.

    Ergänzend zu den Ausführungen in der Einspruchsentscheidung wird geltend gemacht:

    Die Zuflussfiktion bei einem beherrschenden Gesellschafter komme nur bei Zahlungsfähigkeit der Gesellschaft zur Anwendung. Die Rechtsprechung setze für die Annahme der Zahlungsunfähigkeit einer Gesellschaft "das auf dem Mangel an Zahlungsmitteln beruhende dauernde Unvermögen des Schuldners voraus, seine sofort zu erfüllenden Geldschulden noch im Wesentlichen zu berichtigen". Dies sei vor dem "Zusammenbruch" des Schuldners im Regelfall zu verneinen, so lange ein Antrag auf Eröffnung des Konkurs- bzw. Insolvenzverfahrens nicht gestellt worden sei. Faktisch habe die A GmbH die Forderungen des Klägers - ohne Fremdmittel zu beanspruchen - erst nach Zahlungseingang durch den Endkunden begleichen können. Dabei handele es sich um aus der Systematik der Ge-schäftsabwicklung bei der GmbH herrührende, jährlich regelmäßig wiederkehrende und vorüberge-hende Zahlungsschwierigkeiten. Diese Zahlungsschwierigkeiten beruhten nicht auf einer dauerhaften Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft, sondern seien durch die Art der Tätigkeit der GmbH bedingt, die nach dem Klägervortrag lediglich in einer Leistungsbündelung und Inrechnungstellung dieser Leistun-gen bestehe. Soweit die Kläger vortragen, der GmbH hätten weder finanzielle Mittel zur Verfügungen gestanden, noch hätte solche (z.B. durch Kreditaufnahme) bereitgestellt werden können, sei auf die Möglichkeit eines Gesellschafterdarlehens zu verweisen. Im Übrigen spreche auch die Tatsache, dass für die A GmbH bis dato kein Insolvenzantrag gestellt worden sei, gegen eine dauerhafte Zahlungsun-fähigkeit.

    Dem Vortrag, der Kläger habe die Forderungen aufgrund der Zahlungsunfähigkeit der GmbH erst mit Zahlung durch den Endkunden als fällig angesehen, stehe § 15 Abs. 1 der Honorarordnung für Archi-tekten und Ingenieure (HOAI) entgegen, wonach das Honorar grundsätzlich fällig sei, wenn die Leis-tung abgenommen und eine prüffähige Honorarabschlussrechnung überreicht worden sei, es sei denn, dass etwas anderes schriftlich vereinbart worden sei. Die Rechnungsstellung ließe einen Rück-schluss auf eine abweichende Vereinbarung der Fälligkeit nicht zu. Da es dem Kläger freigestanden habe, die Zahlungsvereinbarungen in den Rechnungen so zu gestalten, dass diese erst im Zeitpunkt der Zahlung der Rechnung fällig gestellt worden wären, der Kläger eine solche Zahlungsvereinbarung aber nicht getroffen habe, sei von der gewollten Fälligkeit der Forderungen im Jahr der Rechnungs-stellung auszugehen. Im Übrigen habe die A GmbH die Rechnungsstellung an die Endkunden annä-hernd zeitgleich mit der Rechnungsstellung des Klägers vorgenommen.

    Entscheidungsgründe

    Die Klage hat in der Sache keinen Erfolg.

    I. Die Klage ist auch hinsichtlich des Jahres 2012 zulässig, obgleich die Kläger den Ansatz eines höhe-ren Gewinns und damit die Festsetzung einer höheren Einkommensteuer begehren. Es ist anerkannt, dass ein Steuerpflichtiger durch eine zu niedrige Steuerfestsetzung gemäß § 40 Abs. 2 FGO in seinen Rechten verletzt sein kann, wenn sich dies in einem anderen Veranlagungszeitraum zu seinem Nach-teil auswirken kann (z.B. BFH-Urteil vom 16.12.2021 IV R 7/19, BFHE nn, DStR 2022, 703). Dies ist hier der Fall. Denn mit der für den Kläger günstigen Nichtberücksichtigung der im Dezember 2011 in Rechnung gestellten Beträge im Zeitpunkt der Zahlung durch die A GmbH im Jahr 2012 ist der Ansatz der entsprechenden Beträge im Jahr der Rechnungsstellung 2011 verbunden und hat dort zum An-satz eines höheren Gewinns und damit zur Festsetzung einer höheren Einkommensteuer geführt. Die Kläger konnten deshalb auch die Einkommensteuerfestsetzung für das Jahr 2012 in ihr Klagebegeh-ren einbeziehen.

    II. Die angefochtenen Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2011 bis 2013 sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten (vgl. § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Der Beklagte hat zu Recht einen Zufluss der im Dezember des jeweiligen Jahres in Rechnung gestellten Beträge beim Kläger als beherrschendem Gesellschafter der A GmbH bereits mit Fälligkeit im Jahr der Rechnungsstellung an-genommen.

    1. Die der A GmbH im Dezember 2011, Dezember 2012 bzw. Dezember 2013 in Rechnung gestellten Beträge in Höhe von brutto 193.890,01 € (2011), 39.270,00 € (2012) bzw. 184.863,35 € (2013) sind dem Kläger nicht erst im Jahr der Zahlung (Folgejahr), sondern bereits im Jahr der Fälligkeit der Forderungen (Jahr der Rechnungsstellung) zugeflossen.

    a) Im Rahmen einer Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung gemäß § 4 Abs. 3 EStG sind Betriebseinnahmen gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG in dem Kalenderjahr zu berücksichtigen, in dem sie dem Steuerpflichtigen zugeflossen sind. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtspre-chung tritt der Zufluss mit der Erlangung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht ein. Das ist grund-sätzlich der Zeitpunkt des Eintritts des Leistungserfolgs. In der Regel fließen Geldbeträge dadurch zu, dass sie dem Empfänger bar ausbezahlt oder einem Konto des Empfängers bei einem Kreditinstitut gutgeschrieben werden (z.B. BFH-Urteile vom 22.02.2018 VI R 17/16, BFHE 260, 532, BStBl II 2019, 496; vom 28.04.2020 VI R 44/17, BFHE 269, 7, BFHE 269, 7, BStBl II 2021, 392; vom 12.07.2021 VI R 3/19, BFH/NV 2022, 9).

    Besonderheiten gelten nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs für Alleingesellschafter bzw. beherrschende Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft. Danach fließt dem alleinigen oder jeden-falls beherrschenden Gesellschafter eine eindeutige und unbestrittene Forderung gegen "seine" Kapi-talgesellschaft bereits mit deren Fälligkeit zu. Denn ein alleiniger bzw. beherrschender Gesellschafter hat es regelmäßig in der Hand, sich geschuldete Beträge auszahlen zu lassen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Anspruch eindeutig, unbestritten und fällig ist und sich gegen eine zahlungsfähige Gesell-schaft richtet (BFH-Urteile vom 28.04.2020 VI R 44/17, BFHE 269, 7, BStBl II 2021, 392; vom 12.07.2021 VI R 3/19, BFH/NV 2022, 9; vom 02.12.2014, VIII R 2/12, BStBl. II 2015, 333; vom 08.05.2007 VIII R 13/06, BFH/NV 2007, 2249). Von der Zuflussfiktion werden nur Forderungen erfasst, die die Kapitalgesellschaft den sie beherrschenden Gesellschaftern schuldet und die sich bei der Ermittlung des Einkommens der Kapitalgesellschaft ausgewirkt haben (BFH-Urteile vom 12.07.2021 VI R 3/19, BFH/NV 2022, 9; vom 03.02.2011 VI R 4/10, BFHE 232, 501, BStBl. II 2014, 493).

    2. Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist im Streitfall von einem Zufluss der vom Kläger im Dezember 2011, Dezember 2012 und Dezember 2013 in Rechnung gestellten Beträge bereits im Jahr der Fälligkeit der Forderungen (Jahr der Rechnungsstellung) auszugehen.

    a)    Der Kläger ist für die Frage des Zuflusses der von ihm abgerechneten Leistungen in den Streit-jahren 2011 bis 2013 nach Auffassung des Gerichts als einem beherrschenden Gesellschafter gleichgestellt anzusehen.

    Eine beherrschende Stellung eines GmbH-Gesellschafters liegt im Regelfall vor, wenn der Gesell-schafter die Mehrheit der Stimmrechte besitzt und deshalb bei Gesellschafterversammlungen entscheidenden Einfluss ausüben kann. Im Allgemeinen ist das erst der Fall, wenn der Gesell-schafter, der durch Leistungen der Kapitalgesellschaft Vorteile erhält, mehr als 50 % der Stimm-rechte hat. Hält ein Gesellschafter nicht mehr als 50 % der Gesellschaftsanteile, kann er nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs einem beherrschenden Gesellschafter gleichge-stellt werden, wenn er mit anderen gleichgerichtete materielle, d.h. finanzielle Interessen verfol-genden Gesellschaftern zusammenwirkt, um eine ihren Gesellschafterinteressen entsprechende Willensbildung der Kapitalgesellschaft herbeizuführen (z.B. BFH-Urteile vom 09.04.1997 I R 52/96, BFH/NV 1997, 808; vom 03.02.2011 VI R 4/10, BFHE 232, 501, BStBl II 2014, 493; vom 23.10.2013 I R 89/12, BFHE 244, 262, BStBl II 2015, 729 [BFH 21.01.2015 - XI R 5/13] und vom 05.03.2008 I R 12/07, BFH/NV 2008, 1273).

    Im Streitfall hielt der Kläger lediglich 49 % der Gesellschaftsanteile an der A GmbH und war damit un-streitig nicht beherrschender Gesellschafter kraft Stimmrechtsmehrheit. Jedoch liegen nach Auffas-sung des Gerichts gleichgerichtete Interessen des Klägers und des Mitgesellschafters B. vor, die eine Behandlung des Klägers als einem beherrschenden Gesellschafter gleichgestellt rechtfertigen. Denn auch der (aufgrund eines Stimmrechtsanteils von 51 % originär beherrschende) Mitgesellschafter B. hat in den Jahren 2011 bis 2013 kurz vor Jahresende Rechnungen über erbrachte Leistungen an die A GmbH gestellt. Bei beiden Gesellschaftern besteht damit ein übereinstimmendes Interesse an der Bestimmung des Auszahlungszeitpunkts der in Rechnung gestellten Beträge, wobei der Kläger im Zusammenwirken mit dem Mitgesellschafter B. die Auszahlung - jedenfalls bei entsprechender Liqui-dität der Gesellschaft - auch jederzeit hätte herbeiführen können.

    b)    Die im Dezember 2011, Dezember 2012 und Dezember 2013 auf Grundlage der Verordnung über die Honorare für Architekten- und Ingenieurleistungen (Honorarordnung für Architek-ten und Ingenieure - HOAI 2002/2009) abgerechneten und der A GmbH in Rechnung gestell-ten Beträge waren auch jeweils im Jahr der Rechnungsstellung fällig und wurden vom Rech-nungsempfänger nicht bestritten.

    Gemäß § 8 Abs. 1 HOAI 2002/§ 15 Abs. 1 HOAI 2009 wird das Honorar - soweit vertraglich nichts anderes vereinbart ist - fällig, wenn die Leistung vertragsgemäß erbracht und eine prüffähige Ho-norarschlussrechnung überreicht worden ist. Abschlagszahlungen können in angemessenen zeit-lichen Abständen für nachgewiesene Leistungen gefordert werden (§ 8 Abs. 2 HOAI 2002/§ 15 Abs. 2 HOAI 2009). Nach § 8 Abs. 4 HOAI 2002/§ 15 Abs. 4 HOAI 2009 können andere Zah-lungsweisen vereinbart werden.

    Nach diesen Regelungen ist die Fälligkeit der vom Kläger abgerechneten Beträge, gegen deren Höhe von der A GmbH keine Einwendungen erhoben wurden und die die Beträge in gleicher Höhe an die Auftraggeber weiterberechnet hat, mit Rechnungsstellung im Dezember des jeweiligen Jahres einge-treten. Die Rechnungen des Klägers vom 14.12.2011, 18.12.2012 und 19.12.2013 sind prüffähig i.S.v. § 8 Abs. 1 HOAI 2002/§ 15 Abs. 1 HOAI 2009. Eine prüffähige Rechnung muss diejenigen Anga-ben enthalten, die nach dem geschlossenen Vertrag und der HOAI objektiv unverzichtbar sind, um die sachliche und rechnerische Überprüfung des Honorars zu ermöglichen. Zwar wird in den vom Kläger an die A GmbH gestellten Rechnungen das Honorar lediglich als Gesamtbetrag ausgewiesen. Dass der A GmbH dennoch eine sachliche und rechtliche Prüfung der abgerechneten Leistungen mög-lich war, ergibt sich nach Auffassung des Gerichts hinreichend daraus, dass die Gesellschaft lediglich als "Abrechnungsstelle" zur gebündelten Weiterberechnung der von den Gesellschaftern erbrachten Leistungen fungierte und die A GmbH in den an die Auftraggeber gestellten Rechnungen, auf die der Kläger in seinen Rechnungen durch Angabe der Rechnungsnummer Bezug genommen hat, die Leis-tungen nach den Vorgaben der HOAI aufgeschlüsselt hat.

    Anhaltspunkte für die Vereinbarung einer abweichenden Fälligkeit ergeben sich nicht, insbesondere wurden in den im Dezember des jeweiligen Jahres ausgestellten Rechnungen des Klägers keine ab-weichenden Angaben zur Fälligkeit der Forderungen gemacht. Es mag zutreffen, dass der Kläger als Geschäftsführer im Interesse der Gesellschaft die Auszahlung seiner Ansprüche bis zur Entrichtung der von der A GmbH an die Auftraggeber in Rechnung gestellten Beträge hinausgezögert hat, weil er die Liquidität der Gesellschaft schonen wollte. Da aber eine klare und eindeutige Fälligkeitsabrede nicht getroffen worden ist, konnte der Kläger den Zufluss seiner Forderung nicht dadurch vermeiden, dass er seine Interessen als Gläubiger der Ansprüche hinter die Interessen der Gesellschaft zurücktre-ten ließ. Der vorübergehende Verzicht auf die Geltendmachung seiner Forderung ist ein Fall der Ge-sellschafterfinanzierung (Gewährung eines zinslosen Darlehens, Einlage eines Kapitalnutzungsrechts). Diese setzt den Zufluss des der Gesellschaft zur Verfügung gestellten Betrages voraus, der durch Ab-kürzung des Zahlungsweges bewirkt wird (BFH-Beschluss vom 20.12.2011 VIII B 46/11, BFH/NV 2012, 597; BFH-Urteil vom 05.10.2004 VIII R 9/03, BFH/NV 2005, 526).

    c) Soweit von der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs für die Annahme einer Zuflussfiktion gefor-dert wird, dass sich die Forderung des beherrschenden Gesellschafters bei der Ermittlung des Ein-kommens der Kapitalgesellschaft ausgewirkt hat (BFH-Urteile vom 12.07.2021 VI R 3/19, BFH/NV 2022, 9; vom 03.02.2011 VI R 4/10, BFHE 232, 501, BStBl. II 2014, 493), kann offen bleiben, ob dies auch dann gilt, wenn eine erfolgswirksame Berücksichtigung als Aufwand lediglich aufgrund einer unzutreffenden Verbuchung unterblieben ist. Denn im Streitfall wurden auch die im Dezember 2013 in Rechnung gestellten Beträge, die - anders als die im Dezember der Jahre 2011 und 2012 in Rech-nung gestellten Beträge - in der Buchführung der A GmbH im Jahr der Rechnungsstellung 2013 zu-nächst (zu Unrecht) unberücksichtigt geblieben waren, aufgrund der Feststellungen der bei der Ge-sellschaft durchgeführten Außenprüfung nachträglich als Aufwand erfasst.

    d) Der Zufluss der vom Kläger im Dezember 2011, Dezember 2012 und Dezember 2013 in Rechnung gestellten Beträge bereits mit Fälligkeit (Jahr der Rechnungsstellung) ist auch nicht unter dem Ge-sichtspunkt einer Zahlungsunfähigkeit der A GmbH zu verneinen.

    (1) Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ist ein Zufluss beim beherrschenden Gesellschafter trotz Fälligkeit der Forderung nicht anzunehmen, wenn die Gesellschaft zahlungsunfähig ist (z.B. BFH-Urteile vom 14.02.1984 VIII R 221/80, BFHE 140, 542, BStBl. II 1984, 480; vom 14.06.1985 VI R 127/81, BFHE 144, 409, BStBl. II 1986, 62; vom 10.05.1989 I R 159/85, BFH/NV 1990, 635; BFH-Beschluss vom 20.12.2011 VIII B 46/11, BFH/NV 2012, 597). In diesem Zusammenhang hat der Bundesfinanzhof in mehreren Entscheidungen dargelegt, dass vorübergehende Zahlungsschwierig-keit nicht mit Illiquidität der Gesellschaft zu verwechseln und dass eine Zahlungsunfähigkeit regelmä-ßig zu verneinen sei, solange noch kein Konkurs- bzw. Insolvenzverfahren eingeleitet wurde (BFH-Beschlüsse vom 20.12.2011 VIII B 46/11, BFH/NV 2012, 597; vom 08.05.2014 X B 105/13, 2014, 1213; vom 24.05.2005 VIII B 165/03, BFH/NV 2005, 1786; BFH-Urteile vom 30.10.2001 VIII R 15/01, BFHE 197, 126, BStBl II 2002, 138; vom 05.10.2004 VIII R 9/03, BFH/NV 2005, 526; vom 08.05.2007 VIII R 13/06, BFH/NV 2007, 2249). Zahlungsunfähigkeit liege insbesondere nicht vor, wenn sich die Gesellschaft die erforderlichen Geldmittel jederzeit beschaffen kann (BFH-Urteil vom 05.10.2004 VIII R 9/03, BFH/NV 2005, 526).

    (2) Nach Maßgabe dieser Grundsätze richtet sich der Anspruch des Klägers im Streitfall auch unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls - Zwischenschaltung der A GmbH aus-schließlich zum Zwecke der Leistungsbündelung und Weiterberechnung der Leistungen an die Auftraggeber - nicht gegen eine zahlungsunfähige Gesellschaft.

    Zwar ist den Klägern zuzugeben, dass die A GmbH im Zeitpunkt der Fälligkeit bei Rechnungsstellung im Dezember des jeweiligen Jahres nicht über ausreichend liquide Mittel verfügte, um die Ansprüche des Klägers in Höhe von brutto 193.890,01 € (2011), 39.270,00 € (2012) bzw. 184.863,35 € (2013) zu erfüllen. So beliefen sich Kassenbestand und Guthaben bei Kreditinstituten zum 31.12.2011 auf 5.949,88 €, zum 31.12.2012 auf 748,90 € und zum 31.12.2013 auf 2.166,04 € (Bilanzen Bl. 81-86 Gerichtsakte). Anhaltspunkte, dass die Guthaben im Zeitpunkt der jeweiligen Rechnungsstellung am 14.12.2011, 18.12.2012 bzw. 19.12.2013 höher gewesen sein könnten, ergeben sich im Hinblick auf das Geschäftsmodell der A GmbH nicht. Es handelt sich insoweit jedoch lediglich um vorübergehende Zahlungsschwierigkeiten der Gesellschaft. Denn nach Zahlung der von der A GmbH zeitnah (gebün-delt) an die Auftraggeber weiterberechneten Leistungen verfügte die Gesellschaft jeweils über die erforderlichen Mittel, um die Ansprüche des Klägers durch Zahlung zu befriedigen. Dass dies im Streitfall jeweils erst im Folgejahr der Fall war, führt nicht zu Annahme einer generellen Zahlungsun-fähigkeit der Gesellschaft, die eine Ausnahme von der Zuflussfiktion rechtfertigen würde. Im Übrigen muss sich der Kläger zwar nicht die Möglichkeit der Gewährung eines Gesellschafterdarlehens zur Beschaffung liquider Mittel entgegenhalten lassen. Jedoch war die A GmbH im Zeitpunkt der Rech-nungsstellung Inhaberin von Forderungen gegen die jeweiligen Auftraggeber in gleicher Höhe wie die vom Kläger und dem Mitgesellschafter B. in Rechnung gestellten Beträge, die als Sicherheit für einen Kredit zur Verfügung gestanden hätten.

    e. Es ist nicht zu beanstanden, dass der Beklagte von einem Zufluss beim Kläger in Höhe der Brutto-Rechnungsbeträge ausgegangen ist. Bei der Gewinnermittlung durch Einnahme-Überschuss-Rechnung nach § 4 Abs. 3 EStG handelt es sich bei Umsatzsteuerbeträgen, die der Unternehmer ei-nem Dritten in Rechnung stellt und von diesem erhält um in die Gewinnermittlung einzubeziehende Betriebseinnahmen (BFH-Beschluss vom 29.10.2020 VIII B 54/20, BFH/NV 2021, 310). Entspre-chend wird die vom Kläger in den Rechnungen aus Dezember 2011, Dezember 2012 und Dezember 2013 ausgewiesene Umsatzsteuer von der Zuflussfiktion erfasst. Ob die ertragsteuer-liche Fiktion des Zuflusses beim beherrschenden Gesellschafter umsatzsteuerlich bei Berechnung der Steuer nach vereinnahmten Entgelten (§ 20 UStG) zur Entstehung der Umsatzsteuer nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b UStG führt (vgl. FG Köln, Urteil vom 15.11.2017 - 9 K 1016/14, EFG 2018, 423), braucht vorliegend nicht entschieden werden.

    III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

    IV. Die Revision war nicht zuzulassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen gemäß § 115 Abs. 2 FGO nicht gegeben sind.

    RechtsgebietEStGVorschriften§ 11 Abs. 1 S. 1 EStG