14.11.2007
Finanzgericht Köln: Beschluss vom 20.09.2007 – 10 V 1781/07
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Köln
10 V 1781/07
Tenor:
Der Antrag auf Aussetzung der Umsatzsteuerbescheide für 2001 und 2003 bis 2005 jeweils vom 2. März 2007 von der Vollziehung wird abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.
Die Beschwerde wird zugelassen.
Gründe:
I. Die Beteiligten streiten über die Umsatzsteuerpflicht von Fußpflege-Leistungen und darüber, ob die Antragstellerin in den Streitjahren noch unter die Kleinunternehmer-Regelung des § 19 UStG fiel.
Die Antragstellerin hat am ... in Baden-Württemberg eine staatlich anerkannte Ausbildung für Gesicht- und Körperpflege erfolgreich absolviert. Ausweislich einer Betriebsabmeldung vom 12. Mai 1997 hatte die Antragstellerin ihren Betrieb als Fußpflegerin und Visagistin im Mai 1997 eingestellt. Sie gab an, den Betrieb aus zeitlichen Gründen nicht fortführen zu können, weil sie alleinerziehend sei. Im Dezember 1997 eröffnete sie ein Studio für "kosmetische Behandlungen und den Verkauf von kosmetischen Produkten". Gleichzeitig bezog sie staatliche Transferleistungen. Im Jahr 2003 reichte sie eine Gewerbe-Ummeldung und bezeichnete den Inhalt ihres Unternehmens fortan mit "Kosmetikbehandlungen und medizinische Fußpflege und Verkauf von kosmetischen Produkten". In den Einnahme/Überschuss-Rechnungen der Jahre bis einschließlich 2004 differenzierte die Klägerin nicht zwischen umsatzsteuerfreien und steuerpflichtigen Erlösen. Erst in der Einnahme/Überschuss-Rechnung f ür das Jahr 2005 erklärte sie 7.539 EUR steuerfreie Umsätze und sonstige Umsätze von 14.650 EUR.
Vor dem Hintergrund des ab 2002 in Kraft getretenen PodG und der danach ab Januar 2003 nur noch eingeschränkten Berechtigung, die Berufsbezeichnung "Podologe" zu führen, hatte der Kreis S die Antragstellerin mit Schreiben vom 6. April 2005 (GA Bl. 68) auf die Unterschiede zwischen kosmetischer Fußpflege und der danach ohne besondere berufliche Qualifikation nicht mehr zulässigen medizinischen Fußpflege hingewiesen. Um auch künftig noch Leistungen der medizinischen Fußpflege erbringen zu können, unterzog sich die Antragstellerin (unter Ausnutzung der zulässigen Übergangsfristen) einer Fortbildung zur Heilpraktikerin. Mit Urkunde vom 30. Mai 2006 wurde ihr durch die Stadt L auf der Grundlage des Heilpraktikergesetzes die Erlaubnis erteilt, die Heilkunde ohne ärztliche Bestallung berufsmäßig auszuüben und die Berufsbezeichnung "Heilpraktiker" zu führen.
Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die Antragstellerin neben den Kosmetikbehandlungen, die den Hauptteil ihrer Umsätze ausmachten, zu einem geringeren Teil auch Fußpflege-Leistungen erbracht hat. Streitig ist zwischen den Beteiligten, in welchem Verhältnis die Antragstellerin (steuerbefreite) Leistungen der medizinischen Fußpflege erbracht hat und welcher Anteil auf lediglich kosmetische Fußpflege-Leistungen entfiel. Eine Kassenzulassung für medizinische Fußpflege nach § 124 SGB V hat die Antragstellerin nicht. Zur Begründung gibt sie an, sie habe die Beantragung einer solchen Zulassung seinerzeit nicht für erforderlich gehalten, weil es vor dem Hintergrund unklarer Regelungen und unangemessener Anspruchsvoraussetzungen zur Kostenübernahme kaum ein Arzt wage, medizinische Fußpflege-Leistungen zu verordnen.
Ende 2006 wurde bei der Antragstellerin eine Umsatzsteuersonderprüfung für die Jahre 2001 bis 2005 durchgeführt. Im Anschluss daran setzte der Antragsgegner die Umsatzsteuer für die Streitjahre auf der Grundlage der Einnahme/Überschuss-Rechnungen mit Bescheiden jeweils vom 2. März 2007 unter Berücksichtigung der folgenden Bemessungsgrundlagen fest:
Bemess.grdl. Erlöse lt.
§ 4-III-Rechnung
2000 --- 33.489 DM (zzgl. Privatanteile: 1.200 DM)
2001 27.417 DM 30.604 DM (zzgl. Privatanteile: 1.200 DM)
2002 --- 17.603 EUR (zzgl. Privatanteile: 600 EUR)
2003 15.888 EUR 17.470 EUR (zzgl. Privatanteile: 960 EUR)
2004 16.456 EUR 18.249 EUR (zzgl. Privatanteile: 840 EUR)
2005 18.965 EUR 22.189 EUR (zzgl. Privatanteile: 2.541 EUR)
Für das Jahr 2002 ergab sich nach Ansicht des Prüfers keine festzusetzende Steuer, weil die Umsätze des Jahres 2001 den maßgeblichen Grenzbetrag von 32.500 DM nicht überstiegen.
Das Einspruchsverfahren ist beim Antragsgegner anhängig, eine Entscheidung über die Einsprüche vom 5. April 2007 ist bisher allerdings noch nicht ergangen. Der Antragsgegner hat die bei ihm beantragte Aussetzung der Vollziehung mit Verfügung vom 19. April 2007 abgelehnt (GA Bl. 49). Zur Begründung führte der Beklagte aus: Die medizinische Fußpflege sei ab dem 1. Januar 2002 nur dann nach § 4 Nr. 14 UStG steuerbefreit, wenn die Leistung von Podologen ausgeführt werde, denen entweder eine einer Erlaubnis nach § 1 Nr. 1 PodG erteilt worden sei bzw. für die eine solche Erlaubnis als erteilt gelte. Des Weiteren müsse es sich bei der Leistung um eine Heilbehandlung handeln. Die Feststellungslast für die insoweit erforderliche ärztliche Verordnung trage der Steuerpflichtige. Da die Leistungen der Antragstellerin danach nicht steuerfrei seien, lägen die Voraussetzungen für eine Besteuerung ihrer Umsätze nach § 19 Abs. 1 UStG nicht vor.
Die Antragstellerin meint, sie habe in den Streitjahren steuerfreie Leistungen der medizinischen Fußpflege erbracht, die gemäß § 19 Abs. 3 UStG nicht in die Berechnung des Gesamtumsatzes einzubeziehen seien. Auch für das Jahr 2001 lägen die Voraussetzungen der Steuerbefreiung vor. Es sei unzutreffend, dass vor dem Inkrafttreten des PodG eine Steuerbefreiung für medizinische Fußpflege-Leistungen nicht zu gewähren sei. Nach dem BVerfG-Urteil vom 10. November 1999 2 BvR 1820/92, BStBl II 2000, 158, HFR 2000, 221 verbiete es der Gleichheitssatz, die Umsatzsteuerbefreiung für Leistungen der medizinischen Fußpflege nur deshalb abzulehnen, weil für diesen Berufszweig keine berufsrechtlichen Regelungen existierten. Die Leistungen der Antragstellerin enthielten Umsätze gegenüber der Firma N und der Firma C, für die die Antragstellerin jeweils medizinische Fußpflege ausgeübt habe, in folgender Höhe:
Firma N Firma C
Krankenpflege
2000 1.080 DM 2.982 DM
2002 870 EUR
2003 870 EUR
Diese Umsätze seien gemäß § 19 Abs. 3 UStG nicht in den Gesamtumsatz einzubeziehen. Deshalb sei für das jeweilige Folgejahr die jeweils maßgebliche Umsatzgrenze des Vorjahres nicht überschritten. Im Jahr 2004 habe die Antragstellerin als neuen Kunden das Altenheim "Haus X" gewinnen können. Wie sich aus der Bestätigung des Altenheims ergebe, habe die Antragstellerin dort ausschließlich medizinische Fußpflege-Leistungen erbracht, die sich auf 3.675 EUR beliefen. Weil somit der maßgebliche Gesamtumsatz für das Jahr 2004 ebenfalls unterschritten werde, komme die Kleinunternehmer-Regelung auch für das Jahr 2005 zur Anwendung. Auch für die Folgejahre werde die Umsatzgrenze des § 19 UStG nachhaltig nicht mehr überschritten, weil die Umsätze mit dem Altenheim sich positiv entwickelt hätten und bereits im Jahr 2005 über ein Drittel des Gesamtumsatzes ausgemacht hätten.
Im gerichtlichen Antragsverfahren hat die Antragstellerin eine Bestätigung des Altenheims "Haus X" vom 4. Mai 2007 vorgelegt, nach der die Antragstellerin "... ihre Dienstleistung als medizinische Fußpflegerin seit 2004 den Bewohnern im ...-Wohnhaus ..." anbietet und erbringt. Ebenfalls erst im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens wurde eine Bestätigung des Rechtsnachfolgers der Firma C vom 22. Mai 2007 vorgelegt, nach der die Anschrift der Antragstellerin in den Jahren 2000 bis 2003 "an unsere Patienten zwecks medizinischer Fußpflege weitergegeben" wurde.
Ergänzend führt die Antragstellerin aus, dass zwar grundsätzlich die Verordnung medizinischer Fußpflege möglich sei, dass die behandelnden Ärzte in der Praxis aber in aller Regel keine Verordnung ausstellten, weil die Frage der Kostenübernahme nicht gesichert sei. Das Ausführen von Leistungen medizinischer Fußpflege sei aber weder von einer ärztlichen Verordnung noch davon abhängig, dass eine Kassenzulassung erteilt sei. Die Führung der Nachweise betreffend die einzelnen Umsätze müsse dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. Sie habe die zulässigen Übergangsfristen genutzt und letztlich im Jahr 2006 die Erlaubnis erhalten, die Berufsbezeichnung "Heilpraktiker" zu führen.
Die Antragstellerin beantragt,
die Umsatzsteuerbescheide für 2001 und 2003 bis 2005 jeweils vom 2. März 2007 von der Vollziehung auszusetzen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Die Antragstellerin habe nicht nachgewiesen, dass sie in den Jahren 2001 bis 2005 Umsätze aus ärztlich verordneter medizinischer Fußpflege erbracht habe. Allein aus dem Anbieten von Leistungen in einem Altenheim ergebe sich nicht zwangsläufig, dass tatsächlich Leistungen der medizinischen Fußpflege erbracht worden seien. Insofern hätte es der Antragstellerin oblegen, entweder im Rahmen der Umsatzsteuersonderprüfung oder aber spätestens im Antragsverfahren präsente Beweismittel hinsichtlich der Art der Behandlung vorzulegen. Ohne ärztliche Verordnung seien keine steuerfreien Leistungen medizinischer Fußpflege denkbar. Die Antragstellerin habe in den Streitjahren außerdem nicht über eine hinreichend strukturierte Ausbildung verfügt, um Leistungen medizinischer Fußpflege zu erbringen. Die Erlaubnis, die Berufsbezeichnung "Heilpraktiker" zu führen, sei ihr erst im Jahr 2006 erteilt worden.
II. Der Antrag ist unbegründet.
1. Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kann das FG die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts u.a. dann aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an seiner Rechtmä ßigkeit bestehen. Ungeachtet der gesetzlichen Formulierung "kann" ist die Vollziehung in diesem Fall nach ständiger Rechtsprechung auszusetzen (grundlegend BFH-Beschluss vom 4. Dezember 1967 GrS 4/67, BFHE 90, 461, 466, BStBl II 1968, 199; ferner BFH-Urteil vom 10. November 1994 IV R 44/94, BFHE 176, 303; BFH-Beschluss vom 6. Juni 2002 V B 110/01, BFH/NV 2002, 1267).
2. Ernstliche Zweifel sind anzunehmen, wenn bei überschlägiger Prüfung des angefochtenen Verwaltungsakts im Aussetzungsverfahren neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Gründen gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Umstände zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der entscheidungserheblichen Rechtsfragen bewirken oder Unklarheiten in der Beurteilung der Tatfragen aufwerfen. Ist die Rechtslage nicht eindeutig, ist über die zu klärenden Fragen im summarischen Beschlussverfahren nicht abschließend zu entscheiden. Eine Aussetzung der Vollziehung setzt nicht voraus, dass die f ür die Rechtswidrigkeit sprechenden Gründe überwiegen (z.B. BFH-Beschlüsse vom 6. Juni 2002 V B 110/01, BFH/NV 2002, 1267, vom 10. Mai 2001 I S 3/01, BFHE 194, 360 , BFH/NV 2001, 957 und vom 30. November 2000 V B 187/00, BFH/NV 2001, 657, jeweils m.w.N.).
Bei der Beurteilung von Tatfragen trägt die Feststellungslast derjenige Beteiligte, der sie auch im Hauptsacheverfahren würde. Hinsichtlich des Prozessstoffs findet eine Beschränkung auf die dem Gericht vorliegenden Unterlagen (insbesondere die Steuerakten) und die präsenten Beweismittel statt. Andererseits braucht aber auch nicht der volle Beweis der behaupteten Tatsachen erbracht zu werden. Es genügt vielmehr deren Glaubhaftmachung; auch die Amtsermittlungspflicht ist insoweit begrenzt (BFH-Beschluss vom 15. Juni 1986 VIII B 30/86, BFH/NV 1987, 44; BFH-Urteil vom 14. Juli 1976 I R 138/74, BStBl II 1976, 682; Beschl. des BFH v. 04.05.19977 I R 162-163/76, BStBl II 1977, 765; BFH-Urt. v. 22.03.1988 VII R 39/84, BFH/NV 1990, 133).
3. Gleichwohl konnte dem Aussetzungsantrag im Streitfall nicht stattgegeben werden. Denn der beschließende Senat kann nicht mit dem für eine Aussetzung erforderlichen Grad an Wahrscheinlichkeit feststellen, dass die Antragstellerin im Jahr 2000 und in den Streitjahren im vorgetragenen Umfang Umsätze aus medizinischer Fußpflege erbracht hat.
a) Gemäß § 4 Nr. 14 UStG steuerfrei sind die Umsätze aus der Tätigkeit Arzt, Zahnarzt, Heilpraktiker, Physiotherapeut (Krankengymnast), Hebamme oder aus einer ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit i.S. § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Grundlage dieser Vorschrift war in den Streitjahren Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuer - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem, der eine Befreiung der Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin vorsah, die im Rahmen der Ausübung der von dem betreffenden Mitgliedstaat definierten ärztlichen und arztähnlichen Berufe erbracht werden (ab Januar 2007 Art. 132 Abs. 1 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie - 2006/112/EG: "... durchgeführt werden").
b) Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung fallen unter die Steuerbefreiung für humanmedizinische Leistungen nur Leistungen der Behandlungspflege. Denn der Begriff der "Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin" umfasst - angesichts des Grundsatzes, dass Bestimmungen zur Einführung einer Umsatzsteuerbefreiung eng auszulegen sind - nur solche medizinischen Eingriffe, die zum Zwecke der Diagnose, zu Behandlungszwecken und, soweit möglich, zur Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen vorgenommen werden; Leistungen, die keinem solchen therapeutischen Ziel dienen, fallen nicht unter die Befreiungsvorschrift (EuGH-Urteil vom 10. September 2002 C-141/00, BFH/NV 2003
Darüber hinaus schränkt die Rechtsprechung den Anwendungsbereich das Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG noch dahin ein, dass er nur solche Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin erfasst, die - auch als häusliche Leistungen - von qualifiziertem Krankenpflegepersonal im Rahmen der Ausübung der ärztlichen und arztähnlichen Berufe zum Zweck der Vorbeugung, Diagnose oder Therapie erbracht werden, nicht aber sonstige, die Grundpflege und die hauswirtschaftliche Versorgung betreffende Tätigkeiten (EuGH-Urteil vom 10. September 2002 C-141/00, BFH/NV 2003
c) Der steuerbefreite Bereich der Behandlungspflege umfasst danach etwa medizinische Hilfeleistungen wie z.B. Injektionen, Verbandswechsel, Dekubitusversorgung durch besonders geschultes Personal (BFH-Urteil vom 22. April 2004 V R 1/98, BFHE 205, 514, BStBl II 2004, 849, BFH/NV 2004, 1348, UR 2004, 475 m.w.N.). Nicht steuerbefreit ist hingegen der Bereich der Grundpflege, der etwa Leistungen Körperpflege, des Zubereitens und der Verabreichung der Nahrung sowie des An- und Auskleidens sowie beim Aufstehen und Zu-Bett-Gehen umfasst. Ebenso wenig steuerbefreit sind Leistungen durch hauswirtschaftliche Versorgung, also etwa das Einkaufen, Kochen, Reinigen der Wohnung und das Waschen der Kleidung (vgl. dazu § 37 Abs. 2 Satz 2 SGB V). Solche Leistungen sind, selbst wenn sie von "qualifiziertem Krankenpflegepersonal" ausgeführt und pflegebedürftigen Personen zugewendet werden, keine steuerfreien Heilbehandlungen i.S. von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG (BFH-Urteil vom 22. April 2004 V R 1/98, BFHE 205, 514, BStBl II 2004, 849, BFH/NV 2004, 1348, UR 2004, 475; EuGH-Urteil vom 10. September 2002 C-141/00, BFH/NV 2003
Dies bedeutet etwa für kosmetische Operationen, dass die Steuerbefreiung § 4 Nr. 14 UStG nur dann eingreift, wenn die jeweilige Operation der Behandlung und - soweit wie möglich - der Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen dient und deshalb zum Schutz der menschlichen Gesundheit medizinisch indiziert ist (BFH-Urteil vom 15. Juli 2004 V R 27/03, BFHE 206, 471, BStBl II 2004, 862, BFH/NV 2004, 1490: Steuerpflicht für medizinisch nicht indizierte Schönheitsoperationen). Eine ausdrückliche ärztliche Verordnung der jeweiligen Behandlungsmaßnahme fordert diese Rechtsprechung - entgegen der Ansicht des Antragsgegners - zwar nicht. Allerdings wird die medizinische Indikation einer Behandlungsmaßnahme im Streitfall nur durch einen Arzt festgestellt werden können.
d) Für Feststellungen zur hinreichenden Qualifikation der Pflegekräfte kann das Gesetz über die Berufe in der Krankenpflege - Krankenpflegegesetz - vom 4. Juni 1985 (BGBl I 1985, 893) und die Ausbildungs- und Prüfungsordnung für die Berufe in der Krankenpflege vom 16. Oktober 1985 (BGBl I 1985, 1973) herangezogen werden. Nicht examinierte Pflegekräfte sind zwar regelmäßig keine "qualifizierten" Personen in diesem Sinne, da zu den maßgebenden gemeinschaftsrechtlichen Befreiungsvoraussetzungen ein "erforderlicher beruflicher Befähigungsnachweis" für die "von dem betreffenden Mitgliedstaat definierten ärztlichen und arztähnlichen Berufe" gehört. Andererseits ist jedoch zu berücksichtigen, dass das Fehlen einer berufsrechtlichen Regelung für sich kein Hinderungsgrund für die Befreiung der Leistungen ist und dass die Zulassung des jeweiligen Unternehmers bzw. die regelmäßige Zulassung seiner Berufsgruppe gemäß § 124 Abs. 2 SGB V durch die zuständigen Stellen der gesetzlichen Krankenkassen ausreichendes Indiz für das Vorliegen einer ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit sein kann (BFH-Urteil vom 22. April 2004 V R 1/98, BFHE 205, 514, BStBl II 2004, 849, BFH/NV 2004, 1348, UR 2004, 475).
e) Für die im Streitfall maßgebliche Steuerbefreiung von Fußpflege-Leistungen kommt es danach einerseits darauf an, ob es sich um medizinisch indizierte Fußpflege-Leistungen handelt und andererseits darauf, ob der Leistende über eine hinreichende berufliche Qualifikation verfügt.
aa) Bis zum Jahre 2001 war der Beruf des medizinischen Fußpflegers (des Podologen) nur in wenigen Bundesländern gesetzlich geregelt. Erst durch das Gesetz über den Beruf der Podologin und des Podologen und zur Änderung anderer Gesetze ( PodG) vom 4. Dezember 2001, BGBl. I 2001, 3320 wurden der Beruf und seine Zulassungsvoraussetzungen allgemein definiert. Nach den am 1. August 2002 in Kraft getretenen neu überarbeiteten Heilmittelrichtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen zu § 124 SGB V vom Dezember 2003/16. März 2004 (Bundesanzeiger 2004, 12183) in der Fassung vom 21. Dezember 2004 (Bundesanzeiger 2005, 4995) wurde auch die Behandlung von näher beschriebenen krankhaften Veränderungen ohne Hautdefekt am Fuß mit ärztlicher Eignungsdiagnose verordnungsfähig und als Heilmittel anerkannt (vgl. dazu FG Brandenburg, Urteil vom 2. November 2005 1 K 2118/03, EFG 2006, 450).
bb) Leistungen der medizinischen Fußpflege können mithin nur dann von der Umsatzsteuer befreit sein, wenn und soweit es sich zumindest um medizinisch indizierte Fußpflege-Leistungen handelt, was in aller Regel nicht ohne ärztliche Eignungsdiagnose feststellbar ist (FG Nürnberg, Urteil vom 26. Oktober 2004 II 221/2003, II 221/03, EFG 2005, 1898 spricht von ärztlich veranlasste veranlassten Fußpflege-Leistungen, ohne allerdings eine konkrete ärztliche Verordnung zu fordern). Weitere Voraussetzung ist, dass der Erbringer der Leistungen den erforderlichen Befähigungsnachweis besitzt. Hinsichtlich dieser zweiten Frage ist der Normzweck des § 4 Nr. 14 UStG zu berücksichtigen, der erkennbar allein in der Entlastung der Sozialversicherungsträger von Umsatzsteuer liegt. Es geht nicht um einen berufsrechtlichen Lenkungszweck, der die Steuerbefreiung für Heil- und Heilhilfsberufe von ihrer beruflichen Qualifikation abhängig machen würde. Vor diesem Hintergrund kann "eine ähnliche heilberufliche Tätigkeit im Sinne von § 4 Nr. 14 UStG auch dann vorliegen, wenn es sich nicht um eine freiberufliche Tätigkeit nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG handelt (ebenso der Gesetzentwurf in BT-Drucks. 15/1562). Maßgebliches Abgrenzungsmerkmal ist dabei nicht die konkrete Kostenübernahme im Einzelfall, sondern die Frage, ob die Leistungen ihrer Art nach vom Sozialversicherungsträger getragen werden (BFH-Urteil vom 13. April 2000 V R 78/99, BFHE 191, 441, BFH/NV 2000, 1431 : Heileurythmist; ferner BFH-Urteil vom 19. Dezember 2002 V R 28/00, BFHE 201, 330, BStBl II 2003, 532: USt-Befreiung für Umsätze medizinischer Fußpfleger).
Bei regelmäßiger Zulassung der entsprechenden Berufsgruppe gemäß § 124 Abs. 2 SGB V durch die zuständigen Stellen der gesetzlichen Krankenkassen kann vom Vorliegen eines beruflichen Befähigungsnachweises grundsätzlich ausgegangen werden. Ist weder der jeweilige Unternehmer selbst noch - regelmäßig - seine Berufsgruppe durch die zuständige Stelle der gesetzlichen Krankenkassen zugelassen, kann die Aufnahme von Leistungen der betreffenden Art in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen ( § 92 SGB V) hinreichendes Indiz für das Vorliegen eines beruflichen Befähigungsnachweises sein (BFH-Urteile vom 11. November 2004 V R 34/02 BStBl II 2005, 315, BFHE 209, 65 und vom 28. August 2003 IV R 69/00, BStBl II 2004, 954, BFHE 203, 429, jeweils m.w.N.; ebenso FG Brandenburg, Urteil vom 2. November 2005 1 K 2118/03, EFG 2006, 450). Im Einzelfall muss der Berufsträger, der die Steuerfreiheit seiner Umsätze beansprucht, nachweisen, dass er die erforderliche berufliche Befähigung besitzt. Allein eine durch langjährige Tätigkeit erworbene Berufserfahrung ohne eine irgendwie geartete strukturierte Ausbildung ist nicht hinreichend (FG Brandenburg, Urteil vom 2. November 2005 1 K 2118/03, EFG 2006, 450).
f) Danach konnte der Antrag im Streitfall keinen Erfolg haben. Es kann offen bleiben, ob die Antragstellerin entgegen der Ansicht des Antragsgegners auch in den Streitjahren, also vor der Erteilung der Erlaubnis zur Führung der Berufsbezeichnung "Heilpraktiker" über die für eine Steuerbefreiung gemäß § 4 Nr. 14 erforderliche hinreichende berufliche Qualifikation verfügte. Selbst wenn man eine hinreichende berufliche Qualifikation der Antragstellerin annähme, wären nach den angeführten Rechtsgrundsätzen nur medizinisch indizierte Fußpflege-Leistungen als steuerfreie Umsätze gemäß § 4 Nr. 14 UStG zu beurteilen; die übrigen Umsätze sind steuerpflichtig. Der erkennende Senat kann nicht mit dem für eine Aussetzung der Vollziehung erforderlichen Grad an Wahrscheinlichkeit feststellen, dass die Antragstellerin im Jahr 2000 und in den Streitjahren im vorgetragenen Umfang Umsätze aus medizinischer Fußpflege erbracht hat.
aa) Zwar verbietet sich die Annahme einer Steuerbefreiung nicht bereits deshalb, weil die Klägerin ursprünglich die einzelnen Umsätze nicht getrennt entsprechend § 22 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG erfasst hatte. Denn das Führen solcher Aufzeichnungen ist nicht materielle Voraussetzung für eine Umsatzsteuerbefreiung (vgl. Wagner, in Sölch/Ringleb, a.a.O., § 22 Rz 44, 51, 54; FG Nürnberg, Urteil vom 26. Oktober 2004 II 221/2003, II 221/03, EFG 2005, 1898: das Fehlen entsprechender Aufzeichnungen bewirkt keinen Besteuerungsnachteil). Allerdings sieht der erkennende Senat ohne eine solche Trennung der Entgelte jedenfalls dann keine Anhaltspunkte für eine schätzweise Aufteilung, wenn - wie im Streitfall - überhaupt keine substanziierten Angaben zu den vom Bevollmächtigten im Aussetzungsantrag gemachten Zahlenangaben erfolgen (vgl. ebenso FG Brandenburg, Urteil vom 2. November 2005 1 K 2118/03, EFG 2006, 450).
Im Streitfall kann zwar nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Umsätze der Jahre 2002 und 2003 den Grenzbetrag von 17.500 EUR nur geringfügig überschritten haben, sodass dementsprechend gerade für die Jahre 2003 und 2004 eine nicht von der Hand zu weisende Möglichkeit besteht, dass die Antragstellerin unter die Kleinunternehmer-Regelung fällt. Andererseits fällt ins Gewicht, dass weder die Antragstellerin noch ihr Prozessvertreter auch nur ansatzweise Nachweise (etwa spezifizierte Rechnungen, aus denen sich die Art der Leistung im Einzelfall ergibt, oder nachprüfbare Beschreibungen der Behandlungen) dafür erbracht haben, ob und in welchem Umfang die Antragstellerin Leistungen medizinischer Fußpflege erbracht hat. Da die Antragstellerin die Feststellungslast dafür trägt, ob und in welchem Umfang ihre Leistungen als medizinische Fußpflege qualifiziert werden können, war eine Aussetzung der angefochtenen Bescheide nicht allein aufgrund der Zusage des Bevollmächtigten möglich, die notwendigen Nachweise im Hauptsacheverfahren vorzulegen, zumal eine ärztliche Eignungsdiagnose offensichtlich für keine der in Betracht kommenden Behandlungen erfolgt ist.
bb) Für das laufende Rechtsbehelfsverfahren gibt das Gericht folgenden Hinweis: Sollte die Antragstellerin entsprechende Unterlagen doch noch vorlegen, wird der Antragsgegner um deren dezidierte Prüfung nicht mit dem Hinweis umhingekommen, es habe bereits eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung stattgefunden. Im Rahmen dieser Prüfung könnte auch festgestellt werden, inwieweit die Antragstellerin den Vortrag hinsichtlich ihrer Befähigung noch weiter substanziieren kann. Der Sachverhalt ist insoweit nach Ansicht des Gerichts noch nicht abschließend ausermittelt und nachgeprüft, was dem Antragsgegner ohne die Vorlage der erforderlichen Nachweise durch die Antragstellerin hinsichtlich des Inhalts ihrer Tätigkeit allerdings auch nicht weiter möglich war. Maßgeblich für diesen Hinweis ist der Umstand, dass der Antragsgegner seiner Ermittlungspflicht zuletzt auch in anderen Prüfungsfällen nur eher zurückhaltend nachgekommen ist.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
5. Die Beschwerde wurde zugelassen, weil der Senat die Frage für grundsätzlich bedeutsam hält, ob es für eine Aussetzung der Vollziehung schon hinreicht, dass das Erbringen von bestimmten Leistungen in einem bestimmten Umfang nicht unwahrscheinlich ist, oder ob die Art der Leistungen durch präsente Beweismittel (etwa spezifizierte Rechnungen, aus denen sich die Art der Leistung im Einzelfall ergibt, oder nachprüfbare Behandlungsbeschreibungen) bereits im Aussetzungsverfahren darzulegen ist.