03.06.2008 · IWW-Abrufnummer 081705
Finanzgericht Rheinland-Pfalz: Urteil vom 09.04.2008 – 2 K 2649/07
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Rheinland-Pfalz
2 K 2649/07
Gesonderte Feststellung von Einkünften aus selbstständiger Arbeit 2002/ 2003
In dem Finanzrechtsstreit
...
hat das Finanzgericht Rheinland-Pfalz - 2. Senat -
am 9. April 2008
durch
den Vorsitzenden Richter am Finanzgericht xxx
den Richter am Finanzgericht xxx
die Richterin am Finanzgericht xxx
die ehrenamtliche Richterin xxx
den ehrenamtlichen Richter xxx
für Recht erkannt:
Tenor:
I. Der geänderte Feststellungsbescheid 2002 vom 04. Juli 2007 in der Fassung der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 31. Oktober 2007 wird dahin geändert, dass unter Abzug einer AfA von 24.542,51 EUR für den Praxiswert ein freiberuflicher Gewinn von 102.265,00 EUR festgestellt wird.
II. Der geänderte Feststellungsbescheid 2003 vom 27. Juli 2007 in der Fassung der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 31. Oktober 2007 wird aufgehoben.
III. Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.
IV. Das Urteil ist wegen der vom Beklagten zu tragenden Kosten zugunsten des Klägers vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der noch festzusetzenden Kosten abwenden, sofern nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.
V. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob beim Erwerb einer Facharztpraxis ein Teil des Kaufpreises - wie das Finanzamt meint - auf ein nicht abnutzbares immaterielles Wirtschaftsgut: "Wirtschaftlicher Vorteil einer Vertragsarztzulassung" entfällt.
Der 1962 geborene Kläger - inzwischen geschieden; 3 Kinder - ist Facharzt für Orthopädie. Mit Vertrag vom 06. Juni 1997 erwarb er mit Wirkung zum 01. April 1998 in Anlehnung an eine Schätzwertermittlung des stellvertretenden Geschäftsführers der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) vom 01. April 1997 (Bl. 23 - 32 Rechtsbehelfsakte) - dort Praxiswert zwischen 420.000,00 DM und 440.000,00 DM - und Ergänzung vom 11. April 1997 - dort: Erhöhung um 100.000,00 DM (Bl. 33 - 35 der Rb-Akte) - zu einem Gesamtkaufpreis von 498.000,00 DM eine eingef ührten Facharztpraxis in Z, mit Ausnahme der Privatpraxis des Übergebers (Vertrag, Bl. 15 - 21 Rb-Akte). Diese wollte der Übergeber in einer von ihm neu einzurichtenden Praxis in Z fortführen. In diesem Zusammenhang bestimmt Punkt 7 des "Praxis-Übernahmevertrags" (Bl. 15 ff., 18 Rb-Akte):
"Die Parteien sind sich einig, dass die Patientenkartei im Besitz des Praxisübergebers verbleibt. Der Praxisübergeber gibt an den Praxisübernehmer die Unterlagen derjenigen Patienten heraus, die sich in die Behandlung des Praxisübernehmers begeben und mit einer Herausgabe der Patientenkartei an diesen einverstanden sind".
Vom Gesamtkaufpreis sollten 440.000,00 DM auf den "ideellen Wert der Arztpraxis" entfallen.
Neben dem Inventar (angesetzt mit 58.000,00 DM) übernahm der Kläger "die laufenden Fälle der RVO und Ersatzkassen zur sachgemäßen Weiterbehandlung". Unter Punkt 6 des Vertrags heißt es u.a.:
"Sollte der Praxisübernehmer aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen die Zulassung zur Kassenpraxis nicht erhalten (Vertragsarztsitz), entfällt die Geschäftsgrundlage dieses Praxisübernahmevertrages. ... wird der Vertrag mangels unverschuldeter Nichtzulassung zur Kassenpraxis obsolet, hat der Praxisübernehmer diese Kosten (des Übernahmevertrags) endgültig allein zu tragen und keinen Anspruch auf Rückerstattung".
Für den Fall der Kassenzulassung, die als solche gem. Punkt 13 des Vertrags nicht dessen Gegenstand war, sondern sich nach den dafür maßgeblichen Vorschriften richten sollte, hatte sich die den Gesamtkaufpreis finanzierende Bank unter Bürgschaftsgestellung unwiderruflich zu verpflichten, die Auszahlung an den Veräußerer vorzunehmen.
Die Kassenzulassung wurde erteilt; der Kläger begann zum 01. April 1998 seine freiberufliche Tätigkeit in der erworbenen Praxis, und zwar bis Ende 2000 in Praxisgemeinschaft mit einem Facharzt für Anästhesie. Dieser entrichtete seinerseits am 13. März 1998 an den Kläger 200.000,00 DM als Gegenleistung für den von diesem zum 01. April 1998 für 440.000,00 DM erworbenen "Praxiswert". Der Anästhesist sollte Patienten des Klägers schmerztherapeutisch weiterbehandeln.
In seinen Gewinnermittlungen nach § 4 Abs. 3 EStG nahm der Kläger - ausgehend von dem ihm zuzurechnenden und verbleibenden Praxiswert von 240.000,00 DM - auf 5 Jahre jährliche Abschreibungen von 48.000,00 DM (für 1998 zeitanteilig: 9/12 = 36.000,00 DM) vor; zum 31. Dezember 2001 verblieb dieserhalb ein Restwert von 60.000,00 DM (= 30.677,51 EUR). Für die hier streitbefangenen Jahre zog er 24.542,51 EUR in 2002 und 6.135.00 EUR in 2003 als Betriebsausgaben gewinnmindernd ab.
Im Anschluss an eine u.a. diese Jahre umfassende Außenprüfung gelangte das Finanzamt zu der Auffassung, dass die Hälfte des vom Kläger entrichteten Betrags von 440.000,00 DM für den "ideellen Anteil der Arztpraxis" laut Punkt 2 des "Praxis-Übernahmevertrags" vom 06. Juni 1997 auf den "wirtschaftlichen Vorteil einer Vertragsarztzulassung" entfalle, der als ein nicht abnutzbares immaterielles - vom Praxiswert zu trennenden eigenes - Wirtschaftsgut anzusehen sei. Da die vom Kläger jährlich vorgenommenen Abschreibungen auf dem ihm nach Abzug der erhaltenen Zahlung von 200.000,00 DM verbliebenen Praxiswert von 240.000,00 DM die abschreibbare Hälfte von 120.000,00 DM bereits überschritten hätten, seien für weitere Abschreibungen u.a. in den Jahren 2002 und 2003 kein Raum mehr (Bp-Bericht vom 23. November 2006, Bl. 5 ff. Rb-Akte).
Dementsprechend ergingen nach § 164 Abs. 2 AO geänderte Feststellungsbescheide am 04. Juli 2007 für 2002 und 27. Juli 2007 für 2003.
Mit seinen hiergegen eingelegten Einsprüchen machte der Kläger geltend, dass die von ihm geleistete Zahlung von 440.000,00 DM bzw. - verbleibend - 240.000,00 DM ausschließlich dem Praxiswert zuzurechnen sei. Ein "Vorteil aus der Vertragsarztzulassung" sei keiner eigenständigen Bewertung zugänglich, da der Kläger insoweit keinen Anspruch gegenüber dem Ver äußerer gehabt habe. Vielmehr sei es allein Sache des Klägers gewesen, seine Zulassung entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen herbeizuführen. Dementsprechend habe sich auch die Ermittlung des immateriellen Praxiswerts ausschließlich an den Umsätzen/Gewinnen der letzten drei Jahre vor der Veräußerung orientiert, gemindert um den nicht übergegangenen privatärztlichen Anteil und erhöht um eigene - geschätzte - Privaterlöse von 10% des Kassenumsatzes.
Demgegenüber verblieb das Finanzamt in seiner die Einsprüche als unbegründet zurückweisenden Einspruchsentscheidung vom 31. Oktober 2007 (Bl. 82 Rb-Akte) unter Hinweis auf § 103 Abs. 4 SGB V bei seiner Auffassung, dass für den ausscheidenden Arzt die Möglichkeit geschaffen worden sei, den wirtschaftlichen Wert der Vertragsarztpraxis in Folge eines entsprechenden Nachfolgervorschlags zu verwerten. Diese wirtschaftliche Verwertungsmöglichkeit sei ein eigenständiges Wirtschaftsgut. Dieses unterliege - vergleichbar mit Güterfernverkehrs- und Lizenzgenehmigungen - keinem Wertverzehr beim Erwerber.
Hiergegen richtet sich die vorliegende Klage.
Im Jahr 2004 wurde der Kläger infolge eines Motorradunfalls erwerbsunfähig; er bezieht seit dem 01. Juli 2004 u.a. eine Erwerbsunfähigkeitsrente. Zum 01. Juli 2004 brachte er seine Einzelpraxis in eine Gemeinschaftspraxis von Berufskollegen in P ein, die die ärztliche Vertretung in Z sicherstellen (im Einzelnen: Präambel des Praxisübergabevertrags vom 09. Dezember 2005, Bl. 66 - 74 Rb-Akte). Mit Wirkung zum 01. März 2006 veräußerte der Kläger seine gesamte Praxis unter gleichzeitiger Rückverlegung nach Z an einen Berufskollegen zu einem Gesamtpreis von 60.000,00 EUR unter der Bedingung, dass der Berufskollege die Zulassung zur Fortführung des Vertragsarztsitzes erhalte.
Klagebegründend hält der Kläger daran fest, dass er kein Entgelt für einen selbständig bewertbaren Vorteil "Vertragsarztzulassung" entrichtet gehabt habe. Dem anders lautenden Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 28. September 2004 (13 K 412/01) lägen andere Sachverhaltsgegebenheiten zugrunde. Daher fände auch die im Anschluss an das vorgenannte finanzgerichtliche Urteil ergangene Verfügung der OFD Koblenz vom 12. Dezember 2005 (jeweils [...]) auf den vorliegenden Streitfall keine Anwendung. Entgegen finanzamtlicher Auffassung habe der Praxisveräußerer gemäß §§ 103 ff. SGB V keine Möglichkeit, den wirtschaftlichen Wert einer Vertragsarztpraxis zu realisieren. Vielmehr müsse der Erwerber selbst die gesetzlichen Voraussetzungen herbeiführen.
Der Kläger hat schriftsätzlich sinngemäß beantragt,
den geänderten Feststellungsbescheid 2002 vom 04. Juli 2007 in der Fassung der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 31. Oktober 2007 dahin zu ändern, dass unter Abzug einer AfA von 24.542,51 EUR für den Praxiswert ein freiberuflicher Gewinn von 102.265,00 EUR festgestellt wird sowie den geänderten Feststellungsbescheid 2003 vom 27. Juli 2007 in der Fassung der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 31. Oktober 2007 aufzuheben,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Er hält unter Hinweis auf seine Einspruchsentscheidung an seiner Auffassung fest.
Die Beteiligten haben übereinstimmend auf mündliche Verhandlung verzichtet (§ 90 Abs. 2 FGO).
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist begründet.
Der Senat vermag die finanzamtliche Auffassung nicht zu teilen, dass der "wirtschaftliche Vorteil einer Vertragsarztzulassung" ein gesondert zu bewertendes Wirtschaftsgut darstellt. Es handelt sich vielmehr um einen wertbildenden Faktor des Wirtschaftsguts "Praxiswerts" im Rahmen des Gesamtkaufpreises zum Erwerb der Vertragsarztpraxis (vgl. auch Michels, Ketteler-Eising in DStR 2008, 314 sowie in DStR 2006, 961).
Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung umfasst der gesetzlich nicht definierte Begriff "Wirtschaftsgut" zwar alle Sachen und Rechten sowie sonstigen wirtschaftlichen, den Wert des Unternehmens erhöhende Vorteile, die selbständig bewertbar und - über das Wirtschaftsjahr hinaus - nutzungsfähig sind (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 20. März 2003 - IV R 27/01, BStBl. II 2003, 878; 22. Juli 1988 - III R 175/85, BStBl. II 1988, 995, jeweils m.w.N.). Der Begriff ist weit gespannt. So wird zwar die Übertragbarkeit verlangt; es genügt jedoch, dass der Vorteil zusammen mit dem Betrieb übertragen werden kann. Eine Verkehrsfähigkeit i.S. einer Einzelveräußerbarkeit ist nicht erforderlich. Ein vermögenswerter Vorteil i.S.d. Grundsätze zum Wirtschaftsgut ist dann "selbständig bewertbar", wenn ein Erwerber des gesamten Unternehmens darin einen greifbaren Wert sehen würde, für den er im Rahmen des Gesamtkaufpreises ein ins Gewicht fallendes besonderes Entgelt ansetzen würde (BFH-Urteile vom 10. August 1989 - X R 176-177/87, BStBl II 1990, 15, m.w.N.).
Der Begriff des Wirtschaftsguts kann jedoch nicht soweit gehen, dass er auch Einzelbestandteile dessen umfasst, was als solches überhaupt den Begriff "Firmen-, Geschäfts- oder Praxiswert" bzw. "good will" eines Unternehmens ausmacht. Denn dieser wiederum ist eigenständiges, immaterielles Wirtschaftsgut, das sich aus vielen Einzelkomponenten zusammensetzt, wie Kundenkreis, Ruf, Organisation, Personal etc. Zwar hat die Rechtsprechung insoweit auch Einzelpositionen hieraus als "firmen- bzw. geschäftswertähnliche", also eigenständige, Wirtschaftsgüter definiert, wie ein Kundenstamm, ein Verlagswert oder eine Güterfernverkehrsgenehmigung (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 28. Mai 1998 - IV R 48/97, BStBl II 1998, 268, m.w.N.). Voraussetzung aber ist stets das Vorhandensein von Rechtspositionen oder faktischen Verhältnissen, die - ähnlich wie der Geschäftswert als solcher - zwar mit dem Unternehmen und seinen Gewinnchancen unmittelbar verknüpft sind, die aber losgelöst von dem Unternehmen oder Unternehmensteil als selbständige Wirtschaftsgüter übertragbar sind. In diesen Fällen verselbständigt sich in Folge Einzelverwertungsmöglichkeit die an sich unselbständige Komponente - der wertbildende Faktor - des Geschäftswerts zu einem "ähnlichen" Wirtschaftsgut.
Im Streitfall kann von einer diesbezüglichen Verselbständigung - anders als in dem vom Niedersächsischen Finanzgericht unter 13 K 412/01 (EFG 2005, 420) entschiedenen Fall und hieraus folgend: Verfügung der OFD Koblenz vom 12. Dezember 2005 (DStR 2006, 610 [BFH 17.11.2005 - III R 44/04]) - keine Rede sein.
Die Vertragsparteien hatten zwar den klägerischen Erwerb der (nur) Kassenpraxis davon abhängig gemacht (als "Geschäftsgrundlage"), dass dem Kläger der Vertragsarztsitz des Übergebers gemäß §§ 95 SGB V, 24 der Zulassungsordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) im "gesperrten Gebiet" im Nachbesetzungsverfahren (§ 103 Abs. 4 und 5 SGB V in der Fassung vom 23. Juni 1997) zugeteilt wird, nachdem der Übergeber seinen diesbezüglichen Verzicht (§ 103 Abs. 4 Satz 1 SGB V) gegenüber dem Zulassungsausschuss erklärt hat. Eine gesonderte Vergütung hierfür ist jedoch - anders in dem vom Niedersächsischen Finanzgericht entschiedenen Fall - nicht erfolgt. Der dortige Kläger (zu 2.) war an der Praxis des Veräußerers und dessen Patientenstamm nicht interessiert; nach Erhalt der Zulassung verlegte er den Vertragssitz an einen anderen Ort. Das an den Ausscheidenden entrichtete Entgelt bezog sich demzufolge ausschließlich auf den Vertragsarztsitz.
Im Streitfall dagegen hatten die Vertragsparteien das Entgelt für den Praxiswert (440.000,00 DM) ausschließlich am erzielten Umsatz/Gewinn orientiert. Dieser hängt zwar unmittelbar mit der Kassenzulassung im Planungsbereich zusammen, da die Privatpraxis nicht veräußert wurde. Jedoch kommt dem diesbezüglichen wirtschaftlichen Vorteil gegenüber dem Praxiswert als solchen keine eigenständige Bedeutung zu. Der Vertragsarztsitz, also die öffentlich-rechtliche Erlaubnis, am Ort der Niederlassung als Arzt auf einem bestimmten Sachgebiet an der vertragsärztlichen Versorgung teilzunehmen, hat im Gegensatz zur Praxis als solcher keinen eigenen Vermögenswert; er ist höchstpersönlich und kann weder übertragen noch gepfändet werden (BSG-Urteil vom 10. Mai 2000 - B 6 KA 67/98 R, MedR 2001, 159). Die Zulassung endet u.a. durch - gleichfalls höchstpersönlichen und nicht widerrufbaren - Verzicht (§ 103 Abs. 4 Satz 1 SGB V). Dieser löst zwar auf Antrag des Verzichtenden das Nachbesetzungsverfahren aus; jedoch entscheidet der Zulassungsausschuss über den Nachfolger nach Ausschreibung der Praxis nach pflichtgemäßem Ermessen. Zwar ist das Nachbesetzungsverfahren zum 1. Januar 1993 auch eingeführt worden, um dem Inhaber einer Kassenpraxis deren wirtschaftliche Verwertung zu ermöglichen und so den grundgesetzlich geschützten Besitzstand des Vertragsarztes im gesperrten Gebiet zu wahren (Klapp, Abgabe und Übernahme einer Arztpraxis, 3. Aufl. 2005, Nr. 4.1; Niedersächsisches Finanzgericht in EFG 2005, 420 m.w.N.). Dem Übergeber wird auch großen Einfluss auf die Auswahl des Nachfolgers eingeräumt. Denn zum einen wird das Nachbesetzungsverfahren nur auf Antrag des ausscheidenden Arztes eingeleitet (§ 103 Abs. 4 Satz 1 SGB V); zum anderen müssen auch dessen wirtschaftliche Interessen beachtet werden (vgl. letzter Satz der vorgenannten Bestimmung). Dem Praxisveräußerer wird es daher in aller Regel möglich sein, den Erwerber - soweit fachlich kompetent - "durchzudrücken".
Jedoch bezweckt die Vorschrift nicht, dass Zulassungen zu einem "Handelsgut" verkommen, sondern ausschließlich die Fortführung der Praxis. Steht daher für den Erwerber die Praxis bzw. deren Fortführung klar im Vordergrund und orientiert sich der zu zahlende Kaufpreis ausschließlich an der Ertragskraft dieser Praxis auf Grund deren Patientenstruktur, so stellt die (fortgeführte) Praxis zusammen mit dem bisherigen Patientenstamm eine - auch steuerlich - untrennbare Einheit mit der Kassenzulassung dar; letztere bildet den Praxiswert (Michels/Ketteler-Eising, a.a.O.). Dieser ist in besonderem Maße gekennzeichnet durch das persönliche Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient; der Übernehmer muss sich in dieses einfinden.
Im Streitfall stand die Fortführung der Praxis durch den Kläger klar im Vordergrund. Er übernahm mit Ausnahme der Privatpatienten den gesamten Patientenstamm/die Patientenkartei sowie die materiellen Wirtschaftsgüter der Praxis. Der Vertragsarztsitz blieb bestehen; eine Wegverlegung war auch nicht beabsichtigt. Zwar hat die höchstrichterliche Rechtsprechung bspw. Güterfernverkehrskonzessionen auch dann noch als "firmenwertähnliche", also vom Firmenwert abzuspaltende, eigenständige, immaterielle und nicht abschreibbare Wirtschaftsgüter behandelt, nachdem ab dem 9. Juli 1979 durch (in der damaligen Fassung) für neu zu erteilende Genehmigungen ein Vergabeverfahren durch öffentliche Ausschreibung eingeführt worden waren (vgl. BFH-Urteil vom 22. März 1989 - 2 R 15/86, BStBl II 1989, 644, m.w.N.). Allerdings wurde dort durch das vereinfachte Verfahren nach § 10 Abs. 4 GüKG sichergestellt, dass ein Erwerber eines ganzen Speditionsunternehmens in Absicht der Betriebsfortführung die dem Veräußerer bislang erteilten Genehmigungen übernehmen konnte; sie wurden für den Einzelnachfolger/Konzessionsbewerber "bereitgehalten". Eine dem (damaligen) § 10 Abs. 4 GüKG vergleichbare Regelung enthält § 103 SGB V aber nicht; der Vertragsarztsitz ist immer auszuschreiben und der Nachfolger ist "nach pflichtgemäßem Ermessen" auszuwählen. Wenn gleich der Übergeber - wie ausgeführt - erheblichen Einfluss hinsichtlich der Auswahl des Praxisnachfolgers hat, bleibt es doch dabei, dass der potentielle Praxiserwerber keinen Anspruch auf Auswahl im Nachbesetzungsverfahren hat. Ein dort nicht berücksichtigter Erwerber könnte bei einem vorrangigen Eintrag seiner Person in der Warteliste (§ 103 Abs. 5 SGB V) und ggfs. gleicher oder besserer Qualifikation ggfs. Schadensersatzansprüche gegen den Zulassungsausschuss geltend machen.
Die Revision wird gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO zugelassen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO; der Ausspruch über deren vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.