07.01.2002 · IWW-Abrufnummer 020013
Bundesfinanzhof: Urteil vom 13.09.2001 – IV R 13/01
Geht ein Steuerpflichtiger vor Einbringung seiner Einzelpraxis in eine neu gegründete Sozietät von der Einnahmen-Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG zum Bestandsvergleich nach § 4 Abs. 1 EStG über, so hat er jedenfalls bei Buchwerteinbringung keinen Anspruch auf Billigkeitsverteilung eines etwa dabei entstehenden Übergangsgewinns.
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) unterhielt als Steuerberater bis zum 30. Juni 1988 eine eigene Praxis und ermittelte seinen Gewinn daraus durch Einnahmen-Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Zum 1. Juli 1988 gründete er mit einem weiteren Steuerberater, seinem jetzigen Prozessbevollmächtigten, eine Sozietät, in die er seine Praxis zum Buchwert einbrachte. Forderungen und Verbindlichkeiten bis zur Einbringung standen dem Kläger weiterhin persönlich zu. Zur Abgeltung des hälftigen Praxiswerts und der materiellen Wirtschaftsgüter erbrachte der eintretende Sozius eine Bareinlage in Höhe von 415 000 DM. Nachdem die Sozietät zum 1. Juli und 31. Dezember 1988 sowie zum 31. Dezember 1989 bilanziert hatte, ging sie zum 1. Januar 1990 zur Einnahmen-Überschussrechnung über.
Der Kläger nahm eine Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG für das Rumpfwirtschaftsjahr vom 1. Januar bis 30. Juni 1988 vor und erstellte einen Jahresabschluss zum 30. Juni 1988. Den sich daraus ergebenden Übergangsgewinn von 382 018,70 DM beantragte er unter Hinweis auf Abschn. 19 Abs. 1 Satz 8 der Einkommensteuer-Richtlinien 1987 (EStR 1987) im Streitjahr lediglich mit einem Drittel zu versteuern. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) lehnte dies mit der Begründung ab, die Einbringung sei wirtschaftlich einer Praxisveräußerung gleichzustellen, für die eine Verteilung des Übergangsgewinns ebenfalls nicht in Betracht komme.
Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) vom 29. November 1999 ist in juris unter dem Az. XII 343/96 veröffentlicht.
Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verletzung formellen und materiellen Rechts und trägt im Wesentlichen vor: Die Zuzahlung des eintretenden Sozius habe nur den Praxiswert abgegolten, während die Forderungen zwar eingebracht, aber anschließend ihm, dem Kläger, allein "über Sonderbilanzen" zugerechnet worden seien. Er habe also praktisch seinen Betrieb in der Sozietät fortgeführt und daher Anspruch auf die Anwendung der Billigkeitsregelung des Abschn. 19 Abs. 1 Satz 8 EStR 1987, andernfalls die Besteuerungsgleichheit verletzt sei. Hilfsweise werde geltend gemacht, dass der Übergangsgewinn bei der Gewinnfeststellung der Sozietät zu berücksichtigen sei.
Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid 1988 mit der Maßgabe zu ändern, dass der Übergangsgewinn nur zu einem Drittel erfasst wird.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Während des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens änderte das FA den angefochtenen Bescheid zur Steuerfreistellung des Existenzminimums für die Kinder des Klägers gemäß § 53 EStG und ermäßigte die Einkommensteuer um 386 DM auf 227 593 DM.
Die Revision ist mit der Maßgabe unbegründet, dass die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage gegen den Einkommensteueränderungsbescheid 1988 vom 14. November 2000 abzuweisen war (§ 127 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
I. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der während des Verfahrens über die Nichtzulassungsbeschwerde ergangene Einkommensteueränderungsbescheid vom 14. November 2000, der zum Gegenstand des Verfahrens gemacht wurde. Darüber sind sich die Beteiligten einig.
1. Obwohl der Änderungsbescheid zum Gegenstand des Revisionsverfahrens geworden ist, bedarf es im Streitfall keiner Aufhebung des Urteils mit Zurückverweisung des Rechtsstreits zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 127 FGO), weil die Sache spruchreif ist. Hinsichtlich der Streitfrage, ob dem Kläger die Gewinnkorrekturen aus dem Übergang zum Bestandsvergleich auf drei Jahre zu verteilen sind, hat sich durch die Änderung des ursprünglich angefochtenen Bescheids kein neuer Sachverhalt ergeben. Die Entscheidung des Senats in der Sache selbst setzt aber voraus, dass er das FG-Urteil ungeachtet dessen aufhebt, dass es keinen Rechtsfehler erkennen lässt. Denn dieses Urteil betraf einen Verwaltungsakt, der nicht mehr Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens ist (s. etwa Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 29. Juli 1992 II R 39/89, BFHE 168, 431, BStBl II 1993, 63, m.w.N.).
2. Mit der Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils fallen die Feststellungen des FG allerdings nicht fort. Das finanzgerichtliche Verfahren leidet nicht an einem Verfahrensmangel, so dass die tatsächlichen Feststellungen des FG bis zur Beendigung des Prozesses bestehen bleiben und ungeachtet der Aufhebung der Vorentscheidung Grundlage der weiteren Entscheidung des Senats sind (BFH-Urteil vom 20. Juli 1988 II R 164/85, BFHE 154, 13, BStBl II 1988, 955). Der Senat hält den vom Kläger geltend gemachten Verfahrensmangel nicht für durchgreifend. Von einer Begründung wird gemäß § 126 Abs. 6 FGO insoweit abgesehen.
II. Der erkennende Senat entscheidet auf Grund seiner Befugnis aus den §§ 121 und 100 FGO in der Sache selbst. Die Klage ist als unbegründet abzuweisen. Im Ergebnis zutreffend hat das FA eine Verteilung der Gewinnzuschläge aus dem der Einbringung vorangegangenen Übergang zur Bilanzierung abgelehnt.
1. Geht ein Steuerpflichtiger von der Einnahmen-Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG zur Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich nach § 4 Abs. 1 oder § 5 EStG über, so erfordert der Wechsel vom Zu- und Abflussprinzip zum Realisationsprinzip die Vornahme von Zu- und Abrechnungen, damit sich Geschäftsvorfälle nicht doppelt oder (andererseits) überhaupt nicht auswirken (ständige Rechtsprechung seit dem Urteil des Reichsfinanzhofs --RFH-- vom 7. Dezember 1938 VI 774/37, RStBl 1939, 172; s. auch Senatsurteile vom 28. Mai 1968 IV R 202/67, BFHE 92, 555, BStBl II 1968, 650, und vom 24. Januar 1985 IV R 155/83, BFHE 143, 78, BStBl II 1985, 255, sowie aus jüngerer Zeit Senatsbeschluss vom 23. August 1995 IV B 78/94, BFH/NV 1996, 119).
a) Erfolgt der Übergang zum Bestandsvergleich im Zusammenhang mit der Einbringung eines Betriebs in eine Personengesellschaft, so erhöht ein dabei entstehender Übergangsgewinn den laufenden Gewinn des einbringenden Steuerpflichtigen im letzten Wirtschaftsjahr vor der Einbringung (s. Senatsurteil vom 13. Dezember 1979 IV R 69/74, BFHE 129, 380, BStBl II 1980, 239; a.A. BFH-Urteil vom 18. Dezember 1964 VI 236/63, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 1965, 311). Insofern wird der Übergangsgewinn nicht anders behandelt als die Zurechnungen, die sich aus dem vor der Aufgabe oder der Veräußerung eines Betriebs mit Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG gebotenen fiktiven Bestandsvergleich ergeben (Senatsurteil vom 23. November 1961 IV 98/60 S, BFHE 74, 535, BStBl III 1962, 199). Der Übergangsgewinn ist danach dem Einbringenden und nicht der Gesellschaft im Wege der Gewinnfeststellung zuzurechnen.
b) Das FA hat diese Parallele zur Betriebsveräußerung auch seiner Ablehnung einer Billigkeitsverteilung im Streitfall zugrunde gelegt. Für den Fall der Betriebsveräußerung vertritt der Senat in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass die Hinzurechnungen zum laufenden Gewinn nicht nach Abschn. 19 Abs. 1 Satz 8 EStR 1987 (jetzt R 17 Abs. 1 Satz 4 EStR 2001) auf drei Jahre verteilt werden können (Urteile vom 3. August 1967 IV 30/65, BFHE 90, 17, BStBl III 1967, 755, und vom 11. August 1983 IV R 156/80, nicht veröffentlicht --NV-- juris, sowie Beschluss vom 23. August 1991 IV B 69/90, BFH/NV 1992, 512).
Die EStR lehnen eine Billigkeitsverteilung für den Fall der Veräu ßerung oder Aufgabe des Betriebs nicht ausdrücklich ab, sondern regeln seit jeher nur den Fall, dass der Steuerpflichtige die Verteilung des Übergangsgewinns gewählt hat, den Betrieb aber vor Ablauf dieses Verteilungszeitraums veräußert oder aufgibt; dann erhöhen die noch nicht berücksichtigten Beträge den laufenden Gewinn des letzten Wirtschaftsjahrs (R 17 Abs. 1 Satz 5 EStR 2001; ebenso schon Abschn. 19 Abs. 1 Satz 9 EStR 1987).
c) Der Senat hat den Grund für diese Beschränkung der Billigkeitsmaßnahme darin gesehen, dass die infolge des Wechsels der Gewinnermittlungsart veranlasste Gewinnkorrektur die Existenz eines fortbestehenden Betriebs nicht gefährden soll; ein Billigkeitsgedanke, der bei der Veräußerung oder Aufgabe eines Betriebs aber nicht zum Zuge kommt (BFH in BFHE 90, 17, BStBl III 1967, 755, und BFH-Urteil IV R 156/80, NV). Ob diese Erwägungen auch auf den bislang noch nicht entschiedenen Fall von Gewinnkorrekturen anzuwenden sind, die im Zusammenhang mit der Erstellung einer Einbringungsbilanz anfallen, kann dahinstehen. Auch die Frage, ob die vom FG vorgenommene Gleichsetzung der Einbringung mit einer Betriebsveräußerung nach dem Beschluss des Großen Senats des BFH vom 18. Oktober 1999 GrS 2/98 (BFHE 189, 465, BStBl II 2000, 123) noch Bestand haben kann (s. etwa Offerhaus, in Festschrift für Widmann, S. 441, 450 ff.), bedarf im Streitfall keiner Entscheidung. Denn abgesehen davon, dass es dem Senat verwehrt ist, die Billigkeitsregelung in Abschn. 19 Abs. 1 Satz 8 EStR 1987 auf den Fall der Einbringung eines Betriebs in eine Personengesellschaft auszudehnen, fehlt es insoweit bereits an einer sachlichen Rechtfertigung für eine Billigkeitsmaßnahme.
2. Rechtsgrundlage der Gewinnkorrekturen beim Übergang zum Bestandsvergleich ist der Gewinnbegriff des § 4 Abs. 1 EStG (vgl. Kanzler, Finanz-Rundschau --FR-- 1999, 225, 227, m.w.N.), der es erfordert, den Steuerpflichtigen so zu stellen, als hätte er von Anfang an bilanziert (s. nur Senatsurteil vom 1. Oktober 1992 IV R 97/91, BFHE 169, 180, BStBl II 1993, 284). Der Übergang zum Bestandsvergleich dient daher nicht nur der Ermittlung eines Veräußerungs- oder Einbringungsgewinns, sondern "bezweckt auch eine dem Gewinnbegriff des Einkommensteuergesetzes entsprechende Erfassung des laufenden Gewinns" (BFH in BFHE 129, 380, BStBl II 1980, 239). Die sich daraus ergebenden Gewinnerhöhungen entsprechen dem Gesetzesplan, der Billigkeitsregelungen allenfalls rechtfertigen kann, wenn ein solcher Wechsel der Gewinnermittlungsart zwingend, d.h. auf Grund gesetzlicher Vorschriften, wie etwa des Eintritts in die Buchführungspflicht, vorzunehmen ist. Die EStR gehen insoweit darüber hinaus, als sie eine Billigkeitsverteilung der Gewinnhinzurechnungen auf zwei oder drei Jahre auch für den Fall eines freiwilligen Übergangs zum Bestandsvergleich zulassen, für den weder eine sachliche noch eine persönliche Härte zu bejahen ist.
Auch im Streitfall bedurfte es keines Übergangs zum Bestandsvergleich, weil die Einbringung zum Buchwert erfolgen sollte und für diesen Fall auf die Erstellung einer Einbringungs- und einer Übergangsbilanz verzichtet werden konnte (BFH in BFHE 189, 465, BStBl II 2000, 123, zu C. II. 1. der Entscheidungsgründe; s. auch Widmann, Deutsche Steuer-Zeitung 1985, 387). Wenn sich der Kläger gleichwohl für die Erstellung einer Einbringungsbilanz entschieden hatte, so, weil er die Sofortversteuerung seiner Honorarforderungen herbeiführen wollte. Unter diesen Umständen besteht kein Anspruch auf eine Billigkeitsmaßnahme, zumal eine Sofortversteuerung der dem Einbringenden zustehenden Honorare auch hätte vermieden werden können, wenn der Kläger diese von der Einbringung ausgenommen hätte (s. nur Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 24 UmwStG 1977 Rz. 157). Schließlich konnte der Senat nicht unberücksichtigt lassen, dass die Sozietät 18 Monate nach der Einbringung wieder zur Einnahmen-Überschussrechnung unter Ansatz eines Übergangsverlustes in beträchtlicher Höhe zurückgekehrt ist.