09.12.2008 · IWW-Abrufnummer 083929
Bundesverfassungsgericht: Urteil vom 09.12.2008 – 2 BvL 1/07
Zu den Anforderungen an eine folgerichtige Abgrenzung von Erwerbsaufwendungen im Einkommensteuerrecht.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 2 BvL 1/07 -
- 2 BvL 2/07 -
- 2 BvL 1/08 -
- 2 BvL 2/08 -
Verkündet am 9. Dezember 2008
Im Namen des Volkes
In den Verfahren
zu den verfassungsrechtlichen Prüfungen,
ob § 9 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes in der Fassung des Steueränderungsgesetzes 2007 vom 19. Juli 2006 ( BGBl I S. 1652) mit dem Grundgesetz unvereinbar und deshalb ungültig oder nichtig ist,
- Aussetzungs- und Vorlagebeschluss des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 27. Februar 2007 - 8 K 549/06 -
- 2 BvL 1/07 -,
1. ob die durch Art. 1 des Steueränderungsgesetzes 2007 vom 19. Juli 2006 (BGBl I S. 1652) eingeführte Vorschrift des § 9 Abs. 2 Satz 1 Einkommensteuergesetz - EStG - mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist,
2. ob die durch Art. 1 des Steueränderungsgesetzes 2007 vom 19. Juli 2006 (BGBl I S. 1652) eingeführte Vorschrift des § 9 Abs. 2 Satz 1 EStG mit Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG vereinbar ist, soweit sie zu einer Beschränkung der Steuerfreiheit des Existenzminimums führen kann,
3. ob die durch Art. 1 des Steueränderungsgesetzes 2007 vom 19. Juli 2006 (BGBl I S. 1652) eingeführte Vorschrift des § 9 Abs. 2 Satz 1 EStG mit Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 6 Abs. 1 GG vereinbar ist, soweit sie für beiderseits beruftätige Ehegatten Geltung beansprucht,
- Aussetzungs- und Vorlagebeschluss des Finanzgerichts des Saarlandes vom 22. März 2007 - 2 K 2442/06 -
- 2 BvL 2/07 -,
ob § 9 Abs. 2 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes i. d. F. des Steueränderungsgesetzes 2007 vom 19. Juli 2006 (BGBl I S. 1652) insoweit mit dem Grundgesetz vereinbar ist, als danach Aufwendungen des Arbeitnehmers für seine Wege zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte keine Wer-
bungskosten sind und keine weiteren einkommensteuerrechtlichen Regelungen bestehen, nach denen die vom Abzugsverbot betroffenen Aufwendungen ansonsten die einkommensteuerliche Bemessungsgrundlage mindern,
- Aussetzungs- und Vorlagebeschluss des Bundesfinanzhofs vom 10. Januar 2008 - VI R 27/07 -
- 2 BvL 1/08 -,
ob § 9 Abs. 2 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes i. d. F. des Steueränderungsgesetzes 2007 vom 19. Juli 2006 (BGBl I S. 1652) insoweit mit dem Grundgesetz vereinbar ist, als danach Aufwendungen des Arbeitnehmers für Wege zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte keine Werbungskosten sind und keine weiteren einkommensteuerrechtlichen Regelungen bestehen, nach denen die vom Abzugsverbot betroffenen Aufwendungen ansonsten die einkommensteuerliche Bemessungsgrundlage mindern,
- Aussetzungs- und Vorlagebeschluss des Bundesfinanzhofs vom 10. Januar 2008 - VI R 17/07 -
- 2 BvL 2/08 -
hat das Bundesverfassungsgericht - Zweiter Senat - unter Mitwirkung der Richterinnen und Richter
Vizepräsident Voßkuhle,
Broß,
Osterloh,
Di Fabio,
Mellinghoff,
Lübbe-Wolff,
Gerhardt,
Landau
aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 10. September 2008 durch
Urteil
für Recht erkannt:
§ 9 Absatz 2 Satz 1 und Satz 2 des Einkommensteuergesetzes in der seit Inkrafttreten des Steueränderungsgesetzes 2007 vom 19. Juli 2006 (Bundesgesetzblatt I Seite 1652) geltenden Fassung ist mit Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes unvereinbar.
Bis zu einer gesetzlichen Neuregelung ist § 9 Absatz 2 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes im Wege vorläufiger Steuerfestsetzung (§ 165 Abgabenordnung) sowie entsprechend im Lohnsteuerverfahren, hinsichtlich der Einkommensteuervorauszahlungen und in sonstigen Verfahren, in denen das zu versteuernde Einkommen zu bestimmen ist, mit der Maßgabe anzuwenden, dass die tatbestandliche Beschränkung auf „erhöhte“ Aufwendungen „ab dem 21. Entfernungskilometer“ entfällt.
Gründe:
A.
Die zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen Normenkontrollverfahren betreffen die Frage, ob § 9 Abs. 2 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der seit 2007 geltenden Fassung, wonach die Aufwendungen des Arbeitnehmers für die Wege zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte und für Familienheimfahrten keine Werbungskosten sind, mit dem Grundgesetz, insbesondere mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, vereinbar ist.
I.
1. Aufwendungen eines Arbeitnehmers für die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte konnten erstmals seit dem ersten Reichseinkommensteuergesetz - EStG - vom 29. März 1920 (RGBl 1920 S. 359) als Werbungskosten abgezogen werden (§ 13 Nr. 1 Buchst. d EStG). Dies galt im Grundsatz bis zum Veranlagungszeitraum 2006. Nach der bis zum 31. Dezember 2006 geltenden Rechtslage konnten die Fahrtaufwendungen gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG a.F. unter den dort genannten Voraussetzungen als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit (§ 2 Abs. 1 Nr. 4, § 19 Abs. 1 EStG) abgezogen werden und minderten somit den Überschuss der Einnahmen (§ 8 EStG) über die Werbungskosten (§§ 9, 9a EStG; § 2 Abs. 2 Nr. 2 EStG). Abgesehen von den Fällen, in denen die Werbungskosten den Arbeitnehmer-Pauschbetrag nach § 9a Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG nicht überstiegen, wirkten sich Fahrtaufwendungen danach steuermindernd aus. Eine entsprechende Regelung bestand in § 4 Abs. 5 Nr. 6 EStG für Steuerpflichtige, die Gewinneinkünfte im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 3, Abs. 2 Nr. 1 EStG erzielten.
2. Mit der ab dem 1. Januar 2007 geltenden Vorschrift des § 9 Abs. 2 Satz 1 EStG hat der Gesetzgeber angeordnet, dass Aufwendungen eines Arbeitnehmers für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte keine Werbungskosten sind. Dagegen können nach § 9 Abs. 2 Satz 2 EStG in der Fassung des Steueränderungsgesetzes 2007 Aufwendungen, die für Wege zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte ab dem 21. Entfernungskilometer entstehen, wie Werbungskosten abgezogen werden, jedoch, soweit der Arbeitnehmer keinen Kraftwagen benutzt, wie auch zuvor nur bis zu einer Höhe von 4.500 Euro im Kalenderjahr. Eine entsprechende Regelung enthält § 4 Abs. 5a EStG für den Bereich der Gewinneinkünfte im Sinne von § 2 Abs. 2 Nr. 1 EStG.
Die einschlägigen Vorschriften des Einkommensteuergesetzes in der Fassung des Steueränderungsgesetzes 2007 lauten wie folgt:
§ 9 Werbungskosten
(1) Werbungskosten sind Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Sie sind bei der Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen sind. Werbungskosten sind auch
(…)
5. notwendige Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer wegen einer aus beruflichem Anlass begründeten doppelten Haushaltsführung entstehen, und zwar unabhängig davon, aus welchen Gründen die doppelte Haushaltsführung beibehalten wird. Eine doppelte Haushaltsführung liegt nur vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes, in dem er einen eigenen Hausstand unterhält, beschäftigt ist und auch am Beschäftigungsort wohnt.
(...)
(2) Keine Werbungskosten sind die Aufwendungen des Arbeitnehmers für die Wege zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte und für Familienheimfahrten. Zur Abgeltung erhöhter Aufwendungen für die Wege zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte ist ab dem 21. Entfernungskilometer für jeden Arbeitstag, an dem der Arbeitnehmer die Arbeitsstätte aufsucht, für jeden vollen Kilometer der Entfernung eine Entfernungspauschale von 0,30 Euro wie Werbungskosten anzusetzen, höchstens jedoch 4.500 Euro im Kalenderjahr; ein höherer Betrag als 4.500 Euro ist anzusetzen, soweit der Arbeitnehmer einen eigenen oder ihm zur Nutzung überlassenen Kraftwagen benutzt. Die Entfernungspauschale gilt nicht für Flugstrecken und Strecken mit steuerfreier Sammelbeförderung nach § 3 Nr. 32; in diesen Fällen sind Aufwendungen des Arbeitnehmers wie Werbungskosten anzusetzen, bei Sammelbeförderung der auf Strecken ab dem 21. Entfernungskilometer entfallende Teil. Für die Bestimmung der Entfernung ist die kürzeste Straßenverbindung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte maßgebend; eine andere als die kürzeste Straßenverbindung kann zugrunde gelegt werden, wenn diese offensichtlich verkehrsgünstiger ist und vom Arbeitnehmer regelmäßig für die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte benutzt wird. Nach § 8 Abs. 3 steuerfreie Sachbezüge für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte mindern den nach Satz 2 abziehbaren Betrag; ist der Arbeitgeber selbst der Verkehrsträger, ist der Preis anzusetzen, den ein dritter Arbeitgeber an den Verkehrsträger zu entrichten hätte. Hat ein Arbeitnehmer mehrere Wohnungen, so sind die Wege von einer Wohnung, die nicht der Arbeitsstätte am nächsten liegt, nur zu berücksichtigen, wenn sie den Mittelpunkt der Lebensinteressen des Arbeitnehmers bildet und nicht nur gelegentlich aufgesucht wird. Aufwendungen für die Wege vom Beschäftigungsort zum Ort des eigenen Hausstands und zurück (Familienheimfahrten) können jeweils nur für eine Familienheimfahrt wöchentlich wie Werbungskosten abgezogen werden. Zur Abgeltung der Aufwendungen für eine Familienheimfahrt ist eine Entfernungspauschale von 0,30 Euro für jeden vollen Kilometer der Entfernung zwischen dem Ort des eigenen Hausstands und dem Beschäftigungsort anzusetzen; die Sätze 3 bis 5 sind entsprechend anzuwenden. Aufwendungen für Familienheimfahrten mit einem dem Steuerpflichtigen im Rahmen einer Einkunftsart überlassenen Kraftfahrzeug werden nicht berücksichtigt. Durch die Entfernungspauschalen sind sämtliche Aufwendungen abgegolten, die durch die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte und durch die Familienheimfahrten veranlasst sind. Behinderte Menschen,
1. deren Grad der Behinderung mindestens 70 beträgt,
2. deren Grad der Behinderung von weniger als 70, aber mindestens 50 beträgt und die in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt sind, können an Stelle der Entfernungspauschalen die tatsächlichen Aufwendungen für die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte und für die Familienheimfahrten ansetzen. Die Voraussetzungen der Nummern 1 und 2 sind durch amtliche Unterlagen nachzuweisen.
(3) Absatz 1 Satz 3 Nr. 5 und Absatz 2 gelten bei den Einkunftsarten im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 bis 7 entsprechend.
(…)
§ 52 Anwendungsvorschriften
(1) Diese Fassung des Gesetzes ist, soweit in den folgenden Absätzen nichts anderes bestimmt ist, erstmals für den Veranlagungszeitraum 2007 anzuwenden. Beim Steuerabzug vom Arbeitslohn gilt Satz 1 mit der Maßgabe, dass diese Fassung erstmals auf den laufenden Arbeitslohn anzuwenden ist, der für einen nach dem 31. Dezember 2006 endenden Lohnzahlungszeitraum gezahlt wird, und auf sonstige Bezüge, die nach dem 31. Dezember 2006 zufließen.
(…)
II.
1. a) Die Kläger im Ausgangsverfahren, das dem Normenkontrollverfahren 2 BvL 1/07 zugrunde liegt, sind Eheleute und erzielen jeweils Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit nach § 19 EStG. Die Arbeitsstelle des Klägers liegt 41 km, die der Klägerin in der Gegenrichtung 54 km vom gemeinsamen Wohnort der Ehegatten entfernt. Mit ihrem Antrag auf Lohnsteuerermäßigung beantragten die Kläger jeweils die Eintragung eines Freibetrages nach § 39a Abs. 1 Nr. 1 EStG auf der Lohnsteuerkarte. Sie erklärten Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte entsprechend der ungekürzten Zahl der Entfernungskilometer als Werbungskosten. Das Finanzamt berücksichtigte die Fahrten für beide Ehegatten jeweils erst ab dem 21. Kilometer und trug den daraus folgenden Freibetrag unter Anrechnung des Werbungskostenpauschbetrags nach § 9a Satz 1 Nr. 1 EStG jeweils auf der Lohnsteuerkarte ein. Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage wegen der Nichtberücksichtigung der Aufwendungen für die ersten 20 Kilometer der Wegstrecken zum Arbeitsplatz führte zur Vorlage des Niedersächsischen Finanzgerichts nach Art. 100 Abs. 1 GG.
b) Die Kläger im Ausgangsverfahren, das dem Verfahren 2 BvL 2/07 zugrunde liegt, sind nichtselbständig tätige, zusammenveranlagte Eheleute, deren Arbeitsstätten in unterschiedlichen Richtungen 60 km bzw. 75 km von ihrem gemeinsamen Wohnort entfernt liegen. Auf ihren Antrag auf Lohnsteuerermäßigung für das Jahr 2007 wegen der Fahrtkosten für die Wege von und zum Arbeitsplatz - für den Kläger in Höhe von 3. 960 Euro und für die Klägerin in Höhe von 4. 950 Euro - berechnete das Finanzamt entsprechend der ab dem Jahr 2007 geltenden Neufassung des § 9 Abs. 2 EStG unter Kürzung um den Werbungskostenpauschbetrag von jeweils 920 Euro (§ 9a Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG) einen Freibetrag für den Kläger von 1. 720 Euro und von 2. 710 Euro für die Klägerin. Nach erfolglosem Einspruch erhoben die Kläger Klage vor dem Finanzgericht des Saarlandes und begehrten jeweils die Eintragung eines weiteren Freibetrags in Höhe von 1. 320 Euro.
c) Der Kläger im Ausgangsverfahren zum Verfahren 2 BvL 1/08 ist ledig und wohnt 75 km von seiner arbeitstäglich aufgesuchten Arbeitsstätte entfernt. Mit seinem Antrag auf Lohnsteuer-Ermäßigung begehrte er für das Jahr 2007 die Eintragung eines steuerfreien Jahresbetrages in Höhe von 4. 255 Euro. Das beklagte Finanzamt berücksichtigte nur einen Freibetrag in Höhe von 2. 875 Euro, da es nur 55 Entfernungskilometer zugrunde legte. Die hiergegen mit Zustimmung des Finanzamts erhobene Sprungklage, mit welcher der Kläger die Eintragung eines weiteren steuerfreien Jahresbetrages in Höhe von 1. 380 Euro begehrte, wies das Finanzgericht Mecklenburg-Vorpommern mit seinem Urteil vom 23. Mai 2007 - 1 K 497/06 - (EFG 2007, 1783) ab und ließ die Revision zu. Die Revision des Klägers führte zum Aussetzungs- und Vorlagebeschluss des Bundesfinanzhofs vom 10. Januar 2008 - VI R 27/07 -.
d) Der Kläger im Ausgangsverfahren, das dem Verfahren 2 BvL 2/08 zugrunde liegt, ist verheiratet und erzielt Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit an einer Arbeitsstätte, die 70 km von seinem Wohnort entfernt liegt. Seine ebenfalls nichtselbständig tätige Ehefrau hat einen Weg von 37 km zur Arbeitsstätte. Mit seinem Antrag auf Lohnsteuer-Ermäßigung für das Jahr 2007 beantragte der Kläger, seine Aufwendungen für die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte in Höhe von 4. 620 Euro als Freibetrag auf der Lohnsteuerkarte einzutragen, worauf das beklagte Finanzamt entsprechend der um 20 km gekürzten Entfernung lediglich 2. 380 Euro berücksichtigte. Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage wies das Finanzgericht Baden-Württemberg mit Urteil vom 7. März 2007 - 13 K 283/06 - (DStRE 2007, 538) als unbegründet zurück und ließ die Revision zu. Die Revision führte zum Aussetzungs- und Vorlagebeschluss des Bundesfinanzhofs vom 10. Januar 2008 - VI R 17/07 -.
2. Die vorlegenden Gerichte sind davon überzeugt, dass § 9 Abs. 2 Satz 1 EStG in der Fassung des Steueränderungsgesetzes 2007 verfassungswidrig ist, und stimmen im Ergebnis und in der Begründung in den wesentlichen Punkten überein; die Gründe sind vom VI. Senat des Bundesfinanzhofs im Beschluss zum Verfahren 2 BvL 2/08 eingehend ausgeführt worden.
a) § 9 Abs. 2 Satz 1 EStG sei wegen Verstoßes gegen das in Art. 3 Abs. 1 GG verankerte Prinzip der Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit und gegen das Gebot der Folgerichtigkeit verfassungswidrig.
aa) Im Interesse der verfassungsrechtlich gebotenen Lastengleichheit habe sich der Gesetzgeber dafür entschieden, im Einkommensteuerrecht die objektive finanzielle Leistungsfähigkeit nach dem Saldo aus den Erwerbseinnahmen einerseits und den Erwerbsaufwendungen andererseits zu bemessen (objektives Nettoprinzip). Diese Grundentscheidung des Einkommensteuerrechts für das objektive Nettoprinzip werde durch die Neuregelung in ihrem Kern nicht in Frage gestellt. Nach wie vor unterliege der Einkommensteuer nur der Saldo aus dem Erwerbseinkommen und den Erwerbsaufwendungen. Daher seien Aufwendungen für die Erwerbstätigkeit nach § 2 Abs. 2 Nr. 2, § 9 EStG steuerlich abziehbar. Gegenüber dem Werkstorprinzip sei das Nettoprinzip als „Grundentscheidung“ vorrangig. Zu prüfen sei deshalb, ob das Werkstorprinzip mit dem objektiven Nettoprinzip vereinbar sei.
Kosten für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte seien die einkommensteuerliche Bemessungsgrundlage mindernde Erwerbsausgaben und gehörten deshalb zu den im Rahmen des objektiven Nettoprinzips abzugsfähigen Aufwendungen. Sie seien nicht wesentlich privat motiviert, sondern allein beruflich veranlasst und deshalb als Werbungskosten im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG zu qualifizieren. Der Weg zur Arbeitsstätte sei notwendige Voraussetzung zur Erzielung von Einkünften. Denke man sich die Erwerbstätigkeit weg, entfielen die für den Weg zur Arbeitsstätte erforderlichen Aufwendungen. Der beruflich bedingte Veranlassungszusammenhang werde nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Erwerbstätigkeit grundsätzlich erst an der Arbeitsstätte ausgeübt werde. Denn auch Aufwendungen, die, wie die Fahrtkosten, der Vorbereitung der Erwerbstätigkeit dienten, seien Werbungskosten im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG. Selbst wenn der Steuerpflichtige noch keine Einnahmen erziele, lägen (vorab entstandene) Werbungskosten vor, sofern die Aufwendungen in einem hinreichend konkreten, objektiv feststellbaren Zusammenhang mit späteren Einnahmen stünden.
Bei den Aufwendungen für die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte handele es sich auch nicht um so genannte gemischte Aufwendungen. Eine erhebliche private Mitveranlassung könne nicht schon darauf gestützt werden, dass das Wohnen grundsätzlich in den Bereich der privaten Lebensführung falle. Die der privaten Lebensführung zuzurechnende Wahl des Wohnorts sei ein der Anwendung des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG vorgelagerter Sachverhalt, der den Veranlassungszusammenhang zwischen Einnahmen und Aufwendungen nicht wesentlich beeinflusse. Der Zugehörigkeit des Wohnens zur privaten Lebensführung werde dadurch Rechnung getragen, dass die Kosten des Wohnens nicht als Werbungskosten abziehbar seien. Der Abzug von erwerbsbedingten Fahrtkosten könne nicht mit der Begründung verneint werden, dass dem Arbeitnehmer diese Kosten nicht entstanden wären, wenn er seine Wohnung an der Arbeitsstätte genommen hätte. Eine erhebliche private Mitveranlassung könne auch nicht damit begründet werden, dass zwar die Hinfahrt zur Arbeitsstätte beruflich, die Rückfahrt zur Wohnung dagegen aus privatem Anlass erfolge. Die Rückfahrt sei lediglich die Umkehrung eines beruflich veranlassten Zustands und deshalb ebenfalls erwerbsbedingt.
Aus allem folge, dass das Abzugsverbot von Fahrtkosten gemäß § 9 Abs. 2 Satz 1 EStG eine Ausnahme von der folgerichtigen Umsetzung der mit dem objektiven Nettoprinzip getroffenen Belastungsentscheidung darstelle. Die sich insoweit ergebende Ungleichbehandlung überschreite die Grenze zulässiger Typisierung. § 9 Abs. 2 Satz 1 EStG enthalte keine quantifizierende Regelung, sondern eine (qualifizierende) Bestimmung, die den Abzug von Erwerbsaufwand schon dem Grunde nach verbiete. Die durch die Regelung eintretende ungerechtfertigte Belastung betreffe auch nicht nur eine kleine Zahl, sondern die große Mehrheit der Pendler, und es sei nicht erkennbar, dass die Härte nur unter Schwierigkeiten zu vermeiden wäre.
bb) Der Gesetzgeber habe das Werkstorprinzip nicht hinreichend folgerichtig, sondern nur partiell umgesetzt. Die mit der behaupteten neuen Grundentscheidung notwendigerweise verbundenen Folgeänderungen seien ausgeblieben. Gemäß § 9 Abs. 2 Sätze 2 und 3 EStG dürften abweichend von § 9 Abs. 2 Satz 1 EStG die Fahrtaufwendungen ab dem 21. Entfernungskilometer im Rahmen der Einkünfteermittlung (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 EStG) in Abzug gebracht werden. Danach sei demjenigen, der bis zu 20 km von seiner Arbeitsstätte entfernt wohne, jeglicher Abzug von Fahrtaufwendungen versagt, während dem Mitglied einer Fernpendler-Fahrgemeinschaft der Abzug einer Entfernungspauschale zugebilligt werde, die möglicherweise seine tatsächlichen Kosten übersteige. Ein Verständnis der Bestimmung in § 9 Abs. 2 Satz 2 EStG als Härteregelung bzw. Billigkeitsmaßnahme könne dem nicht entgegengehalten werden. Auch die schon ab dem ersten Entfernungskilometer bestehende Abzugsmöglichkeit der Kosten bei Familienheimfahrten im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung (vgl. § 9 Abs. 2 Satz 8 EStG) sei mit dem Übergang zum so genannten Werkstorprinzip nicht vereinbar. Warum diese Familienheimfahrten gegenüber anderen Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte privilegiert würden, sei nicht erkennbar, da hinsichtlich der Mobilitätskosten für die ersten 20 Entfernungskilometer zwischen beiden Fällen kein sachlich begründeter Unterschied bestehe.
Eine folgerichtige Verwirklichung des so genannten Werkstorprinzips müsse zudem zum Ausschluss der tatsächlichen Fahrtaufwendungen von Behinderten (§ 9 Abs. 2 Satz 11 EStG) sowie der notwendigen Mehraufwendungen wegen einer aus beruflichem Anlass begründeten doppelten Haushaltsführung (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 1 EStG) führen. Dasselbe gelte für zahlreiche weiterhin abziehbare Mobilitätskosten in Form von Aufwendungen für sonstige Fahrten des Steuerpflichtigen von seiner Wohnung zum Ort der Erwerbstätigkeit und zurück, etwa im Zusammenhang mit einer Reisetätigkeit oder für Fahrten zu Vorstellungsgesprächen, Fortbildungsveranstaltungen oder Kongressen. Dazu gehörten auch die Aufwendungen für beruflich veranlasste auswärtige Übernachtungen am Ort der regelm äßigen Arbeitsstätte sowie beruflich bedingte Umzugskosten. Schließlich dürften nach dem Werkstorprinzip entgegen § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG auch sämtliche vorweggenommenen und nachträglichen Erwerbsaufwendungen nicht mehr erwerbsmindernd berücksichtigt werden.
cc) Selbst für den Fall, dass von gemischt veranlassten Aufwendungen auszugehen wäre, fehle es angesichts der Beschränkung der Neuregelung auf die Aufwendungen für die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte an einer hinreichend folgerichtigen Umsetzung des Werkstorprinzips, denn für die steuerliche Behandlung sonstiger gemischt veranlasster Aufwendungen sei die Rechtslage unverändert geblieben. Aus der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zu § 12 Nr. 1 EStG folge, dass unter einschränkenden Voraussetzungen der Werbungskostenabzug auch gemischt veranlasster Aufwendungen ganz oder teilweise zulässig sei. Es sei nicht sachgerecht, von dieser Abzugsmöglichkeit allein die Aufwendungen für die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte auszunehmen.
dd) Als Ausnahme von der mit dem objektiven Nettoprinzip getroffenen Belastungsentscheidung sei § 9 Abs. 2 Satz 1 EStG nicht durch einen besonderen sachlichen Grund gerechtfertigt. Die Haushaltskonsolidierung allein liefere f ür sich genommen noch keinen sachlichen Grund für Ungleichbehandlungen und rechtfertige deshalb die Sonderbelastung der Pendler nicht. Der völlige Ausschluss des Werbungskostenabzugs für die ersten 20 Entfernungskilometer könne auch nicht umweltpolitisch gerechtfertigt werden. Ebenso wenig sei ein sachlicher Grund in Form von allgemeinen verkehrspolitischen Erwägungen erkennbar.
b) Gehe man trotz allem mit dem Gesetzgeber davon aus, dass die Aufwendungen für die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte keine Werbungskosten im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG seien, verstoße die Neuregelung gegen den allgemeinen Gleichheitssatz in der Ausprägung des Grundsatzes der Besteuerung nach der subjektiven Leistungsfähigkeit. Dieser Grundsatz verlange, dass unvermeidbare Ausgaben, die in der privaten Sphäre anfallen, die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer minderten. Fahrtaufwendungen entstünden zwar nicht mit der gleichen Zwangsläufigkeit wie Leistungen, die der Sicherung des Existenzminimums dienten. Dennoch könnten sich ihnen die Steuerpflichtigen nicht beliebig entziehen, wie dies bei anderen privaten Aufwendungen der Fall sei. Denn ohne Fahrt zur Arbeitsstätte könne der Steuerpflichtige regelmäßig nicht arbeiten und folglich keine Einnahmen erzielen. Die Fahrtkosten seien somit zur Existenzsicherung unvermeidlich. Sie könnten nur dadurch vermieden werden, dass die erwerbstätigen Steuerpflichtigen stets dorthin zögen, wo sie eine Erwerbstätigkeit gefunden hätten. Das zu erwarten und zuzumuten, verletze das Grundrecht der Freizügigkeit (Art. 11 GG); erwartet werde dadurch auch eine Unmöglichkeit. Es könne nicht jeder in oder in der Nähe seiner Arbeitsstätte wohnen. Der Wohnort könne nicht regelmäßig frei gewählt werden. Zu berücksichtigen seien der Wohnungsmarkt, die finanziellen Verhältnisse, die Bedürfnisse der Familie und andere Zwänge. Die Forderung, trotz dieser Zwänge an das Werkstor zu ziehen, könne den Steuerpflichtigen veranlassen, den Beruf oder Arbeitgeber zu wechseln oder sogar seine Erwerbstätigkeit einzustellen. Dies bedeute jedoch eine Einschränkung der von Art. 12 GG geschützten Berufswahlfreiheit. Soweit der Steuerpflichtige wegen seiner Familie in größerer Entfernung von seiner Arbeitsst ätte wohne und deshalb entsprechende Fahrtaufwendungen auf sich nehmen müsse, habe dem der Steuergesetzgeber im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 GG Rechnung zu tragen. Die Zwangsläufigkeit der Fahrtaufwendungen sei vor allem dann offenkundig, wenn der Arbeitnehmer mehrere Berufstätigkeiten an verschiedenen Orten ausübe (zum Beispiel Nebenerwerbslandwirt), wenn er seine Arbeitsstelle verliere oder der Betriebssitz des Arbeitgebers wechsele und mangels Alternativen an einem auswärtigen Ort eine neue Arbeit aufgenommen werden müsse. Entsprechendes gelte in den Fällen befristeter Beschäftigungsverhältnisse oder Kettenabordnungen.
Der Befund, dass Fahrtkosten zwangsläufiger pflichtbestimmter Aufwand seien, könne nicht mit dem Hinweis auf die so genannte Härteregelung für die Fernpendler (§ 9 Abs. 2 Satz 2 ff. EStG) in Frage gestellt werden. Denn das Einkommensteuerrecht sei auf die Leistungsfähigkeit des einzelnen Steuerpflichtigen hin angelegt. Ob eine „Härte“ vorliege, hänge von der Höhe des Einkommens ab. Wer ein geringes Einkommen beziehe, könne bei einer Entfernung von 15 km im Hinblick auf sein disponibles Einkommen härter betroffen sein als ein Pendler mit hohem Einkommen bei einer Entfernung von 25 oder 75 km, zumal wenn diesem als Mitfahrer einer Fernpendler-Fahrgemeinschaft nur anteilige oder keine Wegekosten entstünden. Die Differenzierung zwischen durchschnittlicher (bei Entfernung bis 20 km) und überdurchschnittlicher (ab 21. Entfernungskilometer) Belastung von Pendlern sei auch auf der Grundlage der dem Gesetzgeber zugewiesenen Typisierungsbefugnis nicht gerechtfertigt. Auch wenn man davon ausgehe, dass gerade bei extremen Fernpendlern private Motive für den Wohnsitzwechsel nicht mehr von untergeordneter Bedeutung seien, erscheine die Härteregelung in sich widersprüchlich, weil sie gerade diejenigen begünstige, die sich nicht der Mühe unterzögen, ihren Wohnsitz in der Nähe ihres Arbeitsplatzes zu nehmen.
c) Bei Geringverdienern mit hinreichend hohen Fahrtkosten könne die Neuregelung zu einem Verstoß gegen das Verfassungsgebot der steuerlichen Verschonung des Existenzminimums des Steuerpflichtigen und seiner unterhaltsberechtigten Familienangehörigen führen. Die Fahrtkosten seien nicht nur zur Existenzsicherung unvermeidlich. Ihre einkommensteuerliche Berücksichtigung ergebe sich auch aus dem Sozialhilferecht, das eine das Existenzminimum quantifizierende Vergleichsebene biete. Das derzeit geltende Sozialhilferecht kürze das anzurechnende Einkommen sozialhilferechtlicher Leistungsempfänger um die mit ihrer Einkommenserzielung verbundenen notwendigen Ausgaben (§ 11 Abs. 2 SGB II, § 82 Abs. 2 SGB XII) und zu diesen notwendigen Ausgaben - so ausdrücklich die dazu ergangenen Durchführungsverordnungen - zählten auch die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Für das anzurechnende Einkommen der nach SGB XII Leistungsberechtigten gelte Entsprechendes.
d) Die Neuregelung genügt nach Auffassung der vorlegenden Gerichte im Fall beiderseits berufstätiger Ehegatten auch nicht den Maßstäben des Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 GG. Der besondere verfassungsrechtliche Schutz von Ehe und Familie gemäß Art. 6 Abs. 1 GG erstrecke sich auf die „Alleinverdienerehe“ ebenso wie auf die „Doppelverdienerehe“. Die vom Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung zur doppelten Haushaltsführung (BVerfGE 107, 27) dazu angestellten Erwägungen gälten in gleicher Weise, wenn die Vereinbarkeit von Ehe und Beruf statt mittels einer doppelten Haushaltsführung durch tägliches Pendeln vom gemeinsamen Familienwohnsitz zur jeweiligen Arbeitsstätte erreicht werde.
III.
Zu den Normenkontrollverfahren haben sich die Bundesregierung sowie die Kläger der Ausgangsverfahren, ferner, als sachkundiger Dritter (§ 27a BVerfGG), die Bundessteuerberaterkammer geäußert.
1. Die Bundesregierung ist der Auffassung, die Vorlagen der beiden Finanzgerichte seien bereits unzulässig. Beide Gerichte hätten die Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefrage nicht hinreichend nachvollziehbar begründet. Jedenfalls sei die vorgelegte Regelung verfassungsgemäß.
a) Die Neuregelung des § 9 Abs. 2 Satz 1 EStG in der Fassung des Steueränderungsgesetzes 2007 wahre das objektive Nettoprinzip. Dieses sei lediglich eine einfachgesetzliche, durch den Steuergesetzgeber bestimmte Konkretisierung des verfassungsrechtlichen Gebots der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit. Mit der Neuregelung habe der Gesetzgeber den einfachrechtlichen Anwendungsbereich des objektiven Nettoprinzips neu definiert und damit eine frühere einfachrechtliche Grundentscheidung zur steuerlichen Qualifikation der betroffenen Aufwendungen geändert. Der Gesetzgeber habe seine Gestaltungsfreiheit bei der Ausgestaltung des objektiven Nettoprinzips in verfassungsmäßiger Weise genutzt. In der Neubestimmung des Anwendungsbereichs dieses Prinzips liege nicht dessen Durchbrechung. Wolle man den Gesetzgeber insoweit beschränken, bedeute dies in der Konsequenz, dass grundlegende Reformen des Steuerrechts unmöglich gemacht würden.
Bei der im Steueränderungsgesetz 2007 umgesetzten neuen Grundentscheidung des Gesetzgebers handele es sich um eine einfachgesetzliche, auf Wegeaufwendungen beschränkte Zuordnungsentscheidung, durch welche die Wegeaufwendungen, die so genannte gemischte Aufwendungen darstellten, vollständig der Privatsphäre zugeordnet würden. Diese als Grundentscheidung anzusehende Zuordnungsentscheidung und das objektive Nettoprinzip stünden nicht in einem Über-Unterordnungsverhältnis, sondern seien gleichrangig, wobei die Zuordnungsentscheidung das objektive Nettoprinzip konkretisiere. Deshalb sei nicht die Vereinbarkeit einer einfachgesetzlichen Grundentscheidung mit einer anderen gesetzlichen Grundentscheidung zu prüfen. Vielmehr gelte bei Normen auf gleicher Rangebene der Grundsatz „lex posterior derogat legi priori“.
Nur der Ausschluss der Abziehbarkeit von rein erwerbsbezogenen Aufwendungen bedürfe der Rechtfertigung vor Art. 3 Abs. 1 GG. Bei gemischt veranlassten Aufwendungen sei demgegenüber die Nichtabziehbarkeit die Regel, wie aus § 12 Nr. 1 EStG folge. Wegeaufwendungen seien wegen der privaten Wahl des Wohnorts zwangsläufig auch privat mitveranlasst. Selbst bei beiderseits berufstätigen Ehegatten, die in entgegengesetzter Richtung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte pendelten und bei denen etwa eine Arbeitsstätte durch den Arbeitgeber an einen noch entfernteren Ort verlegt werde, bestehe typischerweise zumindest Kosten-Optimierungspotential. Die Entscheidung, wie dieses dann tatsächlich genutzt werde, hänge typischerweise von privaten Erwägungen ab, so dass auch in diesen Fällen der Charakter der gemischten Aufwendungen erhalten bleibe. Die Neuregelung des § 9 Abs. 2 Satz 1 EStG bedürfe daher keiner verfassungsrechtlichen Rechtfertigung vor Art. 3 Abs. 1 GG.
Ausgehend von der gesetzgeberischen Grundentscheidung, gemischte Aufwendungen grundsätzlich nicht zum Abzug zuzulassen, handele es sich bei der Einräumung eines Abzugstatbestands für Wegeaufwendungen um eine Ungleichbehandlung, die ihrerseits der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung bedürfe. Die Abzugsmöglichkeit für solche Aufwendungen stelle eine Steuervergünstigung dar, und deren Abschaffung sei ein verfassungsgemäßer einfachrechtlicher Gestaltungsvorgang. Dem Gesetzgeber müsse es unbenommen bleiben, die Notwendigkeit allgemeiner Steuererhöhungen so weit wie möglich dadurch auszuschließen oder abzumildern, dass er zunächst Vergünstigungen beseitige, die er nicht oder nicht mehr für gerechtfertigt halte.
Es liege im Rahmen des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums, Mietkosten und Fahrtaufwendungen gleich zu behandeln und beide Arten von Aufwendungen einkommensteuerlich nicht zu berücksichtigen; denn in ökonomischer Hinsicht seien Fahrtkosten und Wohnkosten substituierbar, die Summe aus beiden Arten von Kosten sei typischerweise gleich. Es sei daher ökonomisch weder sinnvoll, die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeits- bzw. Betriebsstätte steuerlich zu begünstigen, noch, die alternativ aufzuwendenden höheren Wohnkosten absetzbar zu machen.
Eine Gleichbehandlung aller gemischt veranlassten Aufwendungen sei nicht durch Art. 3 Abs. 1 GG geboten. Ausgehend von dem grundsätzlichen Abzugsverbot für solche Aufwendungen sei der Gesetzgeber vielmehr gefordert, für jede Art gemischter Aufwendungen eine wertende Entscheidung dazu zu treffen, welchem Veranlassungsgrund jeweils im Einzelfall mehr Gewicht beizumessen und welche Zuordnung - zur beruflichen oder zur privaten Sphäre - danach vorzunehmen sei. Eine undifferenzierte Forderung nach Gleichbehandlung aller gemischten Aufwendungen werde dem nicht gerecht. Schließlich orientierten sich die Härtefallregelungen zu den Aufwendungen für beruflich bedingte doppelte Haushaltsführung und Familienheimfahrten eng an der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur doppelten Haushaltsführung.
Selbst dann, wenn man davon ausgehe, dass das Werkstorprinzip nicht folgerichtig umgesetzt sei, sei damit die Grundentscheidung – also die Regelung in § 9 Abs. 2 Satz 1 EStG – nicht in Frage gestellt, sondern die Verfassungsmäßigkeit derjenigen Normen, welche die Belastungsgrundentscheidung nicht zutreffend umsetzten. Allerdings seien die von der Grundregelung abweichenden Sonderregelungen des § 9 Abs. 2 EStG als Härteregelungen gerechtfertigt. Insbesondere rechtfertige sich die Gleichbehandlung von Fernpendlern unabhängig von der Art des benutzten Verkehrsmittels durch umwelt- und verkehrspolitische Lenkungszwecke. Daneben würden Steuerhinterziehungen vermieden, da die Finanzbehörden nicht im Einzelnen überprüfen könnten, ob der Steuerpflichtige tatsächlich allein oder nicht doch in einer Fahrgemeinschaft gefahren sei.
Auch die Abziehbarkeit der Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung und die Härteregelung für Familienheimfahrten seien folgerichtig. Die Kosten für eine doppelte Haushaltsführung seien in aller Regel erheblich höher als diejenigen für ein arbeitstägliches Pendeln. Daher sei die Differenzierung sachgerecht und halte sich im Rahmen des gesetzgeberischen Ermessens. Schließlich sei das Prinzip der Folgerichtigkeit auch insoweit gewahrt, als der Gesetzgeber die im Rahmen der Härtefallregelung des § 9 Abs. 2 Satz 2 EStG abzugsfähigen Fahrtaufwendungen ab dem 21. Entfernungskilometer auf den Werbungskostenpauschbetrag nach § 9a Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG anrechne. Zum Zwecke der Verwaltungsvereinfachung habe der Gesetzgeber in § 9a Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG einen einheitlichen, übergreifenden Pauschbetrag sowohl für Werbungskosten als auch für solche privaten Aufwendungen, die lediglich wie Werbungskosten abzuziehen seien, zugrunde legen dürfen, ohne weiter spezialisieren und differenzieren zu müssen. Die Zuordnung der Wegeaufwendungen zu den außergewöhnlichen Belastungen hätte demgegenüber zu einer anderen Verkomplizierung des Steuerrechts gef ührt.
Es verstoße nicht gegen das Gebot der Folgerichtigkeit, dass der Gesetzgeber einen Abzug von 0,30 Euro je Entfernungskilometer ab dem 21. Entfernungskilometer zulasse, obwohl das Maß der privaten Mitveranlassung der Wegeaufwendungen mit zunehmender Entfernung zwischen Wohnort und Arbeitsstätte zunehme. Diese Regelung sei aus beschäftigungspolitischen Gründen gerechtfertigt und trage zudem der Überlegung Rechnung, dass mit zunehmenden Wegezeiten auch die nichtmonetären Folgen für die Betroffenen überproportional anstiegen, so dass typischerweise auch besondere, anzuerkennende Gründe, wie etwa familiäre Pflichten, für das aufwendige Pendeln zur Arbeitsstätte vorlägen.
b) Die Neuregelung verletze nicht das subjektive Nettoprinzip. Sie führe nicht zu einer verfassungsrechtlich unzulässigen Besteuerung des Existenzminimums. Nur in wenigen besonders gelagerten Fällen könne der Effekt eintreten, dass durch die Neuregelung erstmals eine Steuerschuld entstehe. Im Sozialrecht erfolge die Berücksichtigung von Wegeaufwendungen nicht im Rahmen der Vorschriften zur Bestimmung der Hilfe zum notwendigen Lebensunterhalt, sondern es handele sich um eine Abzugsposition bei der Einkommensberechnung im Rahmen der sozialhilferechtlichen Bedürftigkeitsprüfung. Soweit Fahrtaufwendungen bei der Grundsicherung für Arbeitssuchende Berücksichtigung fänden, sei der Hintergrund hierfür, dass Hilfebedürftige zur Aufnahme und Ausübung einer zumutbaren Erwerbstätigkeit verpflichtet seien, um damit ihre Hilfebedürftigkeit zu überwinden oder zu verringern. In Fällen, in denen die Fahrtkosten höher seien als das erzielbare Einkommen, sei eine Erwerbstätigkeit unzumutbar und dürfe vom Hilfebedürftigen sanktionslos abgelehnt werden. Für die Bestimmung des steuerlichen Existenzminimums sei dies alles nicht relevant. Für dessen Bestimmung sei ausschließlich auf die sozialrechtlichen Regelungen über die Hilfe zum Lebensunterhalt abzustellen, welche die Fahrtaufwendungen nicht erfassten.
Auch unter Berücksichtigung der Belastungswirkungen der Neuregelung der Entfernungspauschale im Rahmen des Familienleistungsausgleichs gemäß §§ 31 ff. EStG sei kein Verstoß gegen das Prinzip der Folgerichtigkeit erkennbar. Die Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte seien keine Beträge, die von Gesetzes wegen für das Einkünfte erzielende Kind oder dessen Eltern nicht verfügbar seien. Wegeaufwendungen seien nicht zwangsläufig im verfassungsrechtlichen Sinn, soweit sie nicht durch überdurchschnittlich lange Arbeitswege aus überwiegend durch Art. 6 Abs. 1 GG geschützten ehelichen oder familiären Gründen entstünden. Der Staat sei nicht gehalten, jegliche Ehe und Familie treffende Belastung auszugleichen. Eine unzulässige Benachteiligung von beiderseits berufstätigen Ehegatten sei nicht zu erkennen, da die mit der Neuregelung bewirkte steuerliche Mehrbelastung keine ökonomische Entwertung der Erwerbstätigkeit der Ehegatten herbeiführe.
2. Die Kläger der Ausgangsverfahren nehmen im Wesentlichen übereinstimmend im Sinne der Vorlagebeschlüsse Stellung und weisen zum Teil darauf hin, dass schon die frühere Entfernungspauschale für die gesamte Wegstrecke zwischen Wohnung und Arbeitsstätte die tatsächlich entstandenen Fahrtkosten nicht abgedeckt habe.
3. Die Bundessteuerberaterkammer hält einen Verstoß der Neuregelung gegen das subjektive Nettoprinzip nicht für gegeben. Eine mögliche Verfassungswidrigkeit betreffe nur die Fälle, in denen Steuerpflichtige Einkünfte erzielten, deren Höhe sich in der Nähe des Existenzminimums befände. Auch dazu bleibe jedoch zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber von Verfassungs wegen nicht den individuellen, sondern nur den typischerweise f ür die Existenzsicherung anfallenden Bedarf einkommensteuerrechtlich verschonen müsse. Ein Verstoß gegen das objektive Nettoprinzip sei dagegen mangels hinreichender sachlicher Gründe und folgerichtiger Umsetzung der einkommensteuerrechtlichen Belastungsentscheidung für die Erfassung des Nettoeinkommens zu bejahen.
B.
Der Gegenstand der zulässigen Vorlagen ist zu erweitern.
Die vorlegenden Gerichte beschränken sich zutreffend auf die für die Ausgangsverfahren entscheidungserhebliche Frage, ob § 9 Abs. 2 Satz 1 EStG in der Fassung des Steueränderungsgesetzes 2007 verfassungswidrig ist.
Es ist dem Bundesverfassungsgericht jedoch nicht verwehrt, bei engem Sachzusammenhang des vom vorlegenden Gericht beanstandeten Normkomplexes mit anderen Regelungen oder Normteilen die Prüfung auf diese auszudehnen, um so der Befriedungsfunktion der Normenkontrollentscheidung gerecht zu werden, mögen diese Normen oder Normteile im Ausgangsverfahren auch nicht unmittelbar entscheidungserheblich sein. Dies gilt insbesondere auch dann, wenn durch die Nichtigkeitserklärung andere Normen gegenstandslos werden (vgl. BVerfGE 44, 322 <337 f.>; 62, 354 <364>; 78, 132 <143>).
Danach liegen die Voraussetzungen einer Ausdehnung der verfassungsrechtlichen Überprüfung auf die - ebenfalls mit dem Steueränderungsgesetz 2007 eingeführte - Vorschrift des § 9 Abs. 2 Satz 2 EStG hier vor. Da Satz 1 dieser Norm die Qualifikation der Aufwendungen für Wege zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte und für Familienheimfahrten als Werbungskosten generell ausschließt und Satz 2 speziell solche Aufwendungen für Wege ab 21 km Entfernung „wie Werbungskosten“ zum Abzug zulässt, stehen die Regelungsgehalte beider Vorschriften in einem engen Sachzusammenhang: Der Sinn der Regelung zum Abzug „wie“ Werbungskosten nach § 9 Abs. 2 Satz 2 EStG erschließt sich erst vor dem Hintergrund eines grundsätzlichen Ausschlusses dieser Aufwendungen aus dem Tatbestand der Werbungskosten. Die materiellrechtliche Tragweite und die Belastungswirkung des generellen Ausschlusses der betroffenen Wegekosten aus dem Tatbestand der Werbungskosten nach § 9 Abs. 2 Satz 1 EStG werden entscheidend erst durch die nachfolgende Sonderregelung geprägt und erkennbar. Wäre Satz 1 der Regelung nichtig, verlöre die Bestimmung des Satzes 2 ihren vom Gesetzgeber erkennbar gewollten Sinn als eine tatbestandlich begrenzte Ausnahmeregelung. Bliebe Satz 2 allein stehen, so erweckte dies auch ungeachtet des Wegfalls von Satz 1 den Anschein, als seien Wegeaufwendungen nur ab dem 21. Entfernungskilometer anzusetzen. Nur eine übergreifende verfassungsrechtliche Prüfung beider Bestimmungen in ihrer Wechselwirkung ist deshalb sachgerecht.
C.
§ 9 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 EStG in der Fassung des Steueränderungsgesetzes 2007 vom 19. Juli 2006 (BGBl I S. 1652, BStBl I S. 432) ist wegen Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG verfassungswidrig.
I.
1. Der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) gebietet dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (vgl. BVerfGE 116, 164 <180>; stRspr). Er gilt für ungleiche Belastungen wie auch für ungleiche Begünstigungen (BVerfGE 110, 412 <431>; 116, 164 <180>). Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengeren Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen (stRspr; vgl. BVerfGE 110, 274 <291>; 112, 164 <174>; 116, 164 <180>). Für die Anforderungen an Rechtfertigungsgründe für gesetzliche Differenzierungen kommt es wesentlich darauf an, in welchem Maß sich die Ungleichbehandlung von Personen oder Sachverhalten auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten auswirken kann (stRspr; vgl. BVerfGE 112, 164 <174>). Genauere Maßstäbe und Kriterien dafür, unter welchen Voraussetzungen der Gesetzgeber den Gleichheitssatz verletzt, lassen sich nicht abstrakt und allgemein, sondern nur in Bezug auf die jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereiche bestimmen (stRspr; vgl. BVerfGE 105, 73 <111>; 107, 27 <45 f.>; 112, 268 <279>).
2. a) Im Bereich des Steuerrechts hat der Gesetzgeber bei der Auswahl des Steuergegenstandes und bei der Bestimmung des Steuersatzes einen weitreichenden Entscheidungsspielraum (vgl. BVerfGE 93, 121 <136>; 107, 27 <47>; 117, 1 <30>). Die grundsätzliche Freiheit des Gesetzgebers, diejenigen Sachverhalte zu bestimmen, an die das Gesetz dieselben Rechtsfolgen knüpft und die es so als rechtlich gleich qualifiziert, wird hier, insbesondere im Bereich des Einkommensteuerrechts, vor allem durch zwei eng miteinander verbundene Leitlinien begrenzt: durch das Gebot der Ausrichtung der Steuerlast am Prinzip der finanziellen Leistungsfähigkeit und durch das Gebot der Folgerichtigkeit (vgl. BVerfGE 105, 73 <125>; 107, 27 <46 f.>; 116, 164 <180>; 117, 1 <30>). Danach muss im Interesse verfassungsrechtlich gebotener steuerlicher Lastengleichheit (vgl. BVerfGE 84, 239 <268 ff.>) darauf abgezielt werden, Steuerpflichtige bei gleicher Leistungsfähigkeit auch gleich hoch zu besteuern (horizontale Steuergerechtigkeit), während (in vertikaler Richtung) die Besteuerung höherer Einkommen im Vergleich mit der Steuerbelastung niedriger Einkommen angemessen sein muss (vgl. BVerfGE 82, 60 <89>; 99, 246 <260>, 107, 27 <46 f.>; 116, 164 <180>). Bei der Ausgestaltung des steuerrechtlichen Ausgangstatbestands muss die einmal getroffene Belastungsentscheidung folgerichtig im Sinne der Belastungsgleichheit umgesetzt werden. Ausnahmen von einer solchen folgerichtigen Umsetzung bedürfen eines besonderen sachlichen Grundes (vgl. BVerfGE 99, 88 <95>; 99, 280 <290>; 105, 73 <126>; 107, 27 <47>; 116, 164 <180 f.>; 117, 1 <31>).
b) Als besondere sachliche Gründe für Ausnahmen von einer folgerichtigen Umsetzung und Konkretisierung steuergesetzlicher Belastungsentscheidungen hat das Bundesverfassungsgericht in seiner bisherigen Rechtsprechung vor allem außerfiskalische Förderungs- und Lenkungszwecke (aa) sowie Typisierungs- und Vereinfachungserfordernisse (bb) anerkannt, nicht jedoch den rein fiskalischen Zweck staatlicher Einnahmenerhöhung (cc).
aa) Der Steuergesetzgeber ist grundsätzlich nicht gehindert, außerfiskalische Förderungs- und Lenkungsziele aus Gründen des Gemeinwohls zu verfolgen (stRspr; vgl. BVerfGE 93, 121 <147>; 99, 280 <296>; 105, 73 <112>; 110, 274 <292>; 116, 164 <182>; 117, 1 <31>). Er darf nicht nur durch Ge- und Verbote, sondern ebenso durch mittelbare Verhaltenssteuerung auf Wirtschaft und Gesellschaft gestaltend Einfluss nehmen. Der Bürger wird dann nicht rechtsverbindlich zu einem bestimmten Verhalten verpflichtet, erhält aber durch Sonderbelastung eines unerwünschten Verhaltens oder durch steuerliche Verschonung eines erwünschten Verhaltens ein finanzwirtschaftliches Motiv, sich für ein bestimmtes Tun oder Unterlassen zu entscheiden (vgl. BVerfGE 98, 106 <117>; 117, 1 <31 f.>). Nur dann jedoch, wenn solche Förderungs- und Lenkungsziele von erkennbaren gesetzgeberischen Entscheidungen getragen werden, sind sie auch geeignet, rechtfertigende Gründe für steuerliche Belastungen oder Entlastungen zu liefern (BVerfGE 105, 73 <112 f.>; vgl. auch **BVerfGE 110, 274 <293>;** 116, 164 <182>; 117, 1 <32>; vorangehend BVerfGE 93, 121 <147 f.>; 99, 280 <296>). Weiterhin muss der Förderungs- und Lenkungszweck gleichheitsgerecht ausgestaltet sein (vgl. BVerfGE 93, 121 <148>; 99, 280 <296>; 110, 274 <293>; 116, 164 <182>; 117, 1 <32>), und auch Vergünstigungstatbestände müssen jedenfalls ein Mindestmaß an zweckgerechter Ausgestaltung aufweisen (vgl. BVerfGE 105, 73 <113>; 117, 1 <33>).
bb) Unabhängig davon, ob mit einer Steuernorm allein Fiskalzwecke oder auch Förderungs- und Lenkungsziele verfolgt werden, ist die Befugnis des Gesetzgebers zur Vereinfachung und Typisierung zu beachten: Jede gesetzliche Regelung muss verallgemeinern. Bei der Ordnung von Massenerscheinungen ist der Gesetzgeber berechtigt, die Vielzahl der Einzelfälle in dem Gesamtbild zu erfassen, das nach den ihm vorliegenden Erfahrungen die regelungsbedürftigen Sachverhalte zutreffend wiedergibt (vgl. BVerfGE 11, 245 <254>; 78, 214 <227>; 84, 348 <359>). Auf dieser Grundlage darf er grundsätzlich generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen treffen, ohne allein schon wegen der damit unvermeidlich verbundenen Härten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen (vgl. BVerfGE 84, 348 <359>; 113, 167 <236>; stRspr). Typisierung bedeutet, bestimmte in wesentlichen Elementen gleich geartete Lebenssachverhalte normativ zusammenzufassen. Besonderheiten, die im Tatsächlichen durchaus bekannt sind, können generalisierend vernachlässigt werden. Der Gesetzgeber darf sich grundsätzlich am Regelfall orientieren und ist nicht gehalten, allen Besonderheiten jeweils durch Sonderregelungen Rechnung zu tragen (vgl. BVerfGE 82, 159 <185 f.>; 96, 1 <6>). Die gesetzlichen Verallgemeinerungen müssen allerdings auf eine möglichst breite, alle betroffenen Gruppen und Regelungsgegenstände einschließende Beobachtung aufbauen (vgl. BVerfGE 84, 348 <359>; 87, 234 <255>; 96, 1 <6>). Insbesondere darf der Gesetzgeber für eine gesetzliche Typisierung keinen atypischen Fall als Leitbild wählen, sondern muss realitätsgerecht den typischen Fall als Maßstab zugrunde legen (BVerfGE 116, 164 <182 f.>; stRspr).
cc) Nicht als besonderer sachlicher Grund für Ausnahmen von einer folgerichtigen Umsetzung und Konkretisierung steuergesetzlicher Belastungsentscheidungen anerkannt ist demgegenüber der rein fiskalische Zweck staatlicher Einnahmenerhöhung. Der Finanzbedarf des Staates oder eine knappe Haushaltslage reichen für sich allein nicht aus, um ungleiche Belastungen durch konkretisierende Ausgestaltung der steuerrechtlichen Grundentscheidungen zu rechtfertigen. Auch wenn der Staat auf Einsparungsmaßnahmen angewiesen ist, muss er auf eine gleichheitsgerechte Verteilung der Lasten achten (vgl. BVerfGE 116, 164 <182>, im Anschluss an BVerfGE 6, 55 <80>; 19, 76 <84 f.>; 82, 60 <89>; vgl. auch BVerfGE 105, 17 <45>).
3. Die für die Lastengleichheit im Einkommensteuerrecht maßgebliche finanzielle Leistungsfähigkeit bemisst der einfache Gesetzgeber nach dem objektiven und dem subjektiven Nettoprinzip. Danach unterliegt der Einkommensteuer grundsätzlich nur das Nettoeinkommen, nämlich der Saldo aus den Erwerbseinnahmen einerseits und den (betrieblichen/beruflichen) Erwerbsaufwendungen sowie den (privaten) existenzsichernden Aufwendungen andererseits. Deshalb sind Aufwendungen für die Erwerbstätigkeit gemäß §§ 4, 9 EStG und existenzsichernde Aufwendungen im Rahmen von Sonderausgaben, Familienleistungsausgleich und außergewöhnlichen Belastungen gemäß §§ 10 ff., 31 f., 33 ff. EStG grundsätzlich steuerlich abziehbar. Im Rahmen des objektiven Nettoprinzips hat der Gesetzgeber des Einkommensteuergesetzes die Zuordnung von Aufwendungen zum betrieblichen bzw. beruflichen Bereich, derentwegen diese Aufwendungen von den Einnahmen grundsätzlich abzuziehen sind, danach vorgenommen, ob eine betriebliche bzw. berufliche Veranlassung besteht (vgl. § 4 Abs. 4, § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG). Dagegen mindern Aufwendungen für die Lebensführung außerhalb des Rahmens von Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen gemäß § 12 Nr. 1 EStG nicht die einkommensteuerliche Bemessungsgrundlage; dies gilt gemäß § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG auch für solche Lebensführungskosten, „die die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt, auch wenn sie zur Förderung des Berufs oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen“.
a) Das Bundesverfassungsgericht hat bisher offen gelassen, ob das objektive Nettoprinzip, wie es in § 2 Abs. 2 EStG zum Ausdruck kommt, Verfassungsrang hat; jedenfalls aber kann der Gesetzgeber dieses Prinzip beim Vorliegen gewichtiger Gründe durchbrechen und sich dabei generalisierender, typisierender und pauschalierender Regelungen bedienen (vgl. BVerfGE 81, 228 <237>; 107, 27 <48> m. w. N.). Hiernach entfaltet schon das einfachrechtliche objektive Nettoprinzip Bedeutung vor allem im Zusammenhang mit den Anforderungen an hinreichende Folgerichtigkeit bei der näheren Ausgestaltung der gesetzgeberischen Grundentscheidungen. Die Beschränkung des steuerlichen Zugriffs nach Maßgabe des objektiven Nettoprinzips als Ausgangstatbestand der Einkommensteuer gehört zu diesen Grundentscheidungen, so dass Ausnahmen von der folgerichtigen Umsetzung der mit dem objektiven Nettoprinzip getroffenen Belastungsentscheidung eines besonderen, sachlich rechtfertigenden Grundes bedürfen (vgl. BVerfGE 99, 280 <290>; 107, 27 <48>). Auf dieser Grundlage kann die Frage nach dem Verfassungsrang des objektiven Nettoprinzips auch hier offen bleiben.
b) Für den Bereich des subjektiven Nettoprinzips ist das Verfassungsgebot der steuerlichen Verschonung des Existenzminimums des Steuerpflichtigen und seiner unterhaltsberechtigten Familie zu beachten (stRspr; vgl. BVerfGE 82, 60; 87, 153; 107, 27 <48>; 112, 268 <281>; Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Februar 2008 - 2 BvL 1/06 -, NJW 2008, S. 1868 <1871 f.>).
c) Für die verfassungsrechtlich gebotene Besteuerung nach finanzieller Leistungsfähigkeit kommt es nicht nur auf die Unterscheidung zwischen beruflichem oder privatem Veranlassungsgrund für Aufwendungen an, sondern auch auf die Unterscheidung zwischen freier oder beliebiger Einkommensverwendung einerseits und zwangsläufigem, pflichtbestimmtem Aufwand andererseits. Die Berücksichtigung privat veranlassten Aufwands steht nicht ohne weiteres zur Disposition des Gesetzgebers. Dieser hat die unterschiedlichen Gründe, die den Aufwand veranlassen, auch dann im Lichte betroffener Grundrechte differenzierend zu würdigen, wenn solche Gründe ganz oder teilweise der Sphäre der allgemeinen (privaten) Lebensführung zuzuordnen sind (vgl. BVerfGE 107, 27 <49>; 112, 268 <280>).
II.
Die Neuregelung des § 9 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit Satz 2 EStG verstößt gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, denn sie wird den verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine folgerichtige Umsetzung einkommensteuerrechtlicher Belastungsentscheidungen nicht gerecht. Die Norm weicht von dem nach dem Nettoprinzip maßgeblichen Veranlassungsprinzip ab (1.). Verfassungsrechtlich hinreichende sachliche Gründe für diese Abweichung ergeben sich weder aus dem vom Gesetzgeber verfolgten Zweck der Einnahmenvermehrung (2.) noch aus denkbaren, jedoch vom Gesetzgeber nicht erkennbar verfolgten Lenkungs- und Förderungszielen (3.), noch im Rahmen gesetzgeberischer Typisierungsbefugnisse unter dem Aspekt gemischt veranlasster Aufwendungen (4.). Es liegen auch kein verfassungskonformer Systemwechsel und keine neue Zuordnungsentscheidung vor, die den Gesetzgeber von der Beachtung der verfassungsrechtlichen Anforderungen an die folgerichtige Umsetzung einkommensteuerrechtlicher Belastungsentscheidungen befreien könnten (5.).
1. Entscheidendes Kennzeichen der Neuregelung des § 9 Abs. 2 Satz 1 EStG zu den Werbungskosten (wie auch der entsprechenden Vorschrift des § 4 Abs. 5a EStG zu den Betriebsausgaben) ist die Abkehr vom Veranlassungsprinzip bei der Zuordnung von Aufwendungen zur beruflichen oder zur privaten Sphäre. Diese Abkehr vollzieht sich in zwei nicht gleichgerichteten, sondern gegenläufigen Schritten: Zum einen sind Aufwendungen für die Wege zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte und für Familienheimfahrten aus dem Tatbestand der Werbungskosten ausgeschlossen. Für diese - und nur für diese - Aufwendungen soll nicht das Veranlassungsprinizip, sondern das so genannte Werkstorprinzip gelten. Zum anderen werden aber Aufwendungen für Wege ab dem 21. Kilometer „wie“ Werbungskosten behandelt; für diese Aufwendungen wird im Ergebnis die alte Rechtslage aufrechterhalten.
Diese Regelungen enthalten eine singuläre Abweichung von dem nach dem einkommensteuerrechtlichen Nettoprinzip für die Abgrenzung beruflicher Aufwendungen maßgeblichen Veranlassungsprinzip. Nicht das nach dem Nettoprinzip entscheidende Ergebnis von Bestimmung und Bewertung privater oder beruflicher Gründe und Ziele der Aufwendungen, sondern ausschließlich die räumliche Abgrenzung - die Wegstrecke zwischen Wohnung und Arbeitsstätte bis zu einer Entfernung von 20 km - entscheidet über die Abzugsfähigkeit der Aufwendungen von der Bemessungsgrundlage nach den für Werbungskosten geltenden Regeln. Dass das so genannte Werkstorprinzip außerhalb der Sonderregeln zu den Wegekosten zwischen Wohnung und Arbeitsplatz keine Rolle spielt, sondern bei der Anerkennung beruflich veranlassten Aufwands im geltenden Einkommensteuerrecht einen Fremdkörper bildet, zeigen zahlreiche Beispiele. Dazu gehören etwa Aufwendungen für berufliche Aus- und Fortbildung, Dienstreisen oder Geschäftsessen wie auch der gesamte Bereich vorweggenommener und nachträglicher Werbungskosten und Betriebsausgaben (dazu etwa Tipke, BB 2007, S. 1525 <1528>; vgl. auch mit weiteren Beispielen den Vorlagebeschluss des Bundesfinanzhofs vom 10. Januar 2008 - VI R 17/07 - unter B. VI. 1. d). Das Beispiel des Aufwands für Geschäftsessen gemäß § 4 Abs. 5 Nr. 2 EStG veranschaulicht zudem das allgemeinere einkommensteuerrechtliche Regelungsmodell des § 4 Abs. 5 Nr. 7 EStG zur Begrenzung der Abzugsfähigkeit - auch - betrieblich veranlassten Aufwands auf die „angemessene“ Höhe, soweit solcher Aufwand zugleich die private Lebenssphäre berührt.
2. Der Zweck der Erhöhung staatlicher Einnahmen, der vor dem Hintergrund europarechtlicher und verfassungsrechtlicher Anforderungen an die Begrenzung der Staatsverschuldung im Gesetzgebungsverfahren als entscheidend für die Neuregelung angeführt worden ist (vgl. BTDrucks 16/1545, S. 1, 13: „notwendige Haushaltskonsolidierung“), kann für sich allein eine Abkehr vom Veranlassungsprinzip bei der Ausgrenzung einer einzelnen Aufwendungsart aus dem Werbungskostentatbestand nicht rechtfertigen. Zwar kennt das geltende Einkommensteuerrecht eine Reihe von Abzugsverboten für bestimmte Aufwendungen trotz betrieblicher bzw. beruflicher Veranlassung. Solche Abzugsverbote bedürfen jedoch stets eines besonderen, verfassungsrechtlich tragfähigen sachlichen Grundes, wie er etwa für das Verbot des Abzugs von Geldbußen, Ordnungsgeldern und Verwarnungsgeldern (§ 4 Abs. 5 Nr. 8 EStG, vgl. BVerfGE 81, 228 <236 ff., 241>) oder für die grundsätzliche Nichtabzugsfähigkeit des Aufwands für ein häusliches Arbeitszimmer (§ 4 Abs. 5 Nr. 6b EStG, vgl. BVerfGE 101, 297 <311>) gegeben ist. Mit der bisherigen verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung (vgl. oben C. I. 2. b) cc)) ist daran festzuhalten, dass das Ziel der Einnahmenvermehrung für sich genommen keinen hinreichenden sachlichen Grund für die Beschränkung des Abzugs betrieblich bzw. beruflich veranlasster Aufwendungen von der einkommensteuerlichen Bemessungsgrundlage darstellt. Dem Ziel der Einnahmenvermehrung dient jede, auch eine willkürliche steuerliche Mehrbelastung. Für die verfassungsgerechte Verteilung von Mehrbelastungen der Steuerpflichtigen nach dem Maßstab finanzieller Leistungsfähigkeit enthält der Einnahmenerzielungszweck kein Richtmaß.
3. Auch Förderungs- oder Lenkungszwecke kommen als Grundlage sachlicher Rechtfertigung der Neuregelung nicht in Betracht. Allerdings begrüßen namhafte Stimmen vor allem aus dem Bereich der Wirtschaftswissenschaften, insbesondere der Finanzwissenschaft und Finanzpolitik, die Abschaffung der Abzugsfähigkeit von Wegekosten, weil sie gesamtwirtschaftlich unerwünschte Fehlanreize biete (vgl. etwa, auch zum Folgenden, Donges/Eekhoff/Franz/Fuest/Möschel/Neumann
4. Die Neuregelung findet keine hinreichende sachliche Legitimation in der Qualifikation der Wegekosten als „gemischt“ - sowohl beruflich als auch privat - veranlasste Aufwendungen und einer aus dieser Qualifikation folgenden Typisierungskompetenz des Gesetzgebers.
a) Der Gesetzgeber ist - verfassungsrechtlich unbedenklich - im Anschluss an die Entscheidung des Senats zur doppelten Haushaltsführung (BVerfGE 107, 27 <50>) davon ausgegangen, dass angesichts der regelmäßig „privaten“ Wahl des Wohnorts die Aufwendungen für die Wege zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte nicht ausschließlich beruflich, sondern auch privat mitveranlasst sind. Diese Auffassung wird zwar in der steuerrechtlichen Literatur, der sich der Bundesfinanzhof angeschlossen hat (vgl. mit zahlreichen Nachweisen BFH, Vorlagebeschluss vom 10. Januar 2008 - VI R 17/07 unter B. VI. 1. c) bb)), vielfach bestritten. Dort wird aber nicht hinreichend unterschieden zwischen der tatbestandlichen Qualifikation von Aufwendungen nach Maßgabe der einfachgesetzlichen Grundregeln gemäß § 4 Abs. 4, § 9 Abs. 1 und § 12 Nr. 1 EStG einerseits und der verfassungsrechtlich zulässigen gesetzgeberischen Bewertung und Gewichtung multikausaler und multifinaler Wirkungszusammenhänge, die für die unterschiedlichen Lebenssachverhalte im Schnittbereich zwischen beruflicher und privater Sphäre kennzeichnend sind, andererseits.
Zwar spricht viel dafür, die hier fraglichen Wegekosten tatbestandlich nicht gemäß § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG als „Aufwendungen für die Lebensführung, die die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt, auch wenn sie zur Förderung des Berufs oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen“, zu bewerten. Die Überwindung einer Distanz zwischen Wohnort und Arbeitsstätte ist regelmäßig notwendige Bedingung beruflicher Betätigung. Da das Wohnen in Fußwegnähe zum „Werkstor“ für die große Mehrheit der Steuerpflichtigen schon aus (bauplanungs-)rechtlichen (Grundsatz der Trennung unterschiedlicher Nutzungsarten von Grundstücken im Bauplanungsrecht) und faktischen (fehlendes Angebot entsprechenden Wohnraums) Gründen nicht möglich ist, entstehen für viele Steuerpflichtige Wegekosten als notwendige Voraussetzung ihrer Erwerbstätigkeit.
Gleichwohl wird aber die Höhe der Wegekosten in erheblichem Maße auch durch individuelle Entscheidungen der Steuerpflichtigen beeinflusst, wozu die Wahl des Verkehrsmittels ebenso gehört wie die Wahl des Wohnorts. Entscheidungen über Auswahl und Beibehaltung oder Wechsel des Wohnorts mögen vielfach unterschiedlichen - insbesondere ökonomischen oder familiären - Zwängen unterliegen. Ihre berufliche (Mit-)Veranlassung tritt jedoch umso stärker zurück, je größer der Stellenwert ist, der den gegen eine möglichst große Arbeitsplatznähe sprechenden Gesichtspunkten beigemessen wird und je länger demzufolge der Arbeitsweg ist.
b) Auf der Grundlage einer verfassungsrechtlich auch mit Blick auf das einkommensteuerrechtliche Nettoprinzip unbedenklichen Bewertung der Wegekosten als nicht nur beruflich, sondern auch privat (mit-)veranlasst eröffnen sich dem Gesetzgeber bei deren einkommensteuerrechtlicher Behandlung erhebliche Typisierungsspielräume. Sowohl die Wahl des Verkehrsmittels kann - je nach vorhandener Infrastruktur - weitgehend beliebig oder praktisch zwingend sein, als auch - etwa je nach Einkommensverhältnissen, Wohnkosten, familiären Verpflichtungen oder notwendiger Abstimmung mit berufstätigen Partnern oder (weiteren) Familienmitgliedern - die Auswahl oder Beibehaltung des Wohnsitzes. Der Gesetzgeber ist hier - unter Beachtung sonstiger grundrechtlicher Bindungen, wie sie sich etwa aus Art. 6 Abs. 1 und 2 GG ergeben - berechtigt, im Interesse eines praktikablen Gesetzesvollzugs mit generalisierenden, typisierenden und pauschalierenden Regelungen die „typische“ private Mitveranlassung von Wegekosten bei der Bestimmung abzugsfähigen Aufwands zu berücksichtigen und solche Regelungen unter verkehrs-, siedlungs- und umweltpolitischen Aspekten auszugestalten.
Die Regelung des § 9 Abs. 2 Satz 1 EStG genügt indes den verfassungsrechtlichen Anforderungen an typisierende Regelungen (oben C. I. 2. b) bb)) nicht. Sie ist weder nach der gesetzgeberischen Zielsetzung noch nach dem objektiven Regelungsgehalt das Ergebnis eines Typisierungsvorgangs. Der Gesetzgeber hat nicht von seiner Typisierungsbefugnis Gebrauch gemacht, sondern sich von Erwägungen leiten lassen, die mit einer zulässigen Typisierung in keinem erkennbaren Zusammenhang stehen.
Eine Typisierung, die die gemischte Veranlassung der Wegekosten zum Ausgangspunkt nähme, müsste daran ansetzen, die Vielzahl der Einzelfälle hinsichtlich der Unterscheidung zwischen privater und beruflicher Veranlassung in einem Gesamtbild zu erfassen. Sie hätte die Faktoren, die die Wahl des Verkehrsmittels und des Wohnsitzes bestimmen, in den Blick zu nehmen und auf dieser Grundlage die nach der gesetzgeberischen Einschätzung erfahrungsgemäß in der Realität „typischerweise“ vorkommenden Fälle zu regeln und zu verallgemeinern. Die Vorschrift des § 9 Abs. 2 Satz 1 EStG, nach der die Kosten für die ersten 20 Entfernungskilometer keine abzugsfähigen Werbungskosten sind, orientiert sich demgegenüber nicht an einem empirisch begründeten Regelfall und versucht nicht, die Veranlassungsbeiträge zur Höhe der Wegekosten in der Höhe der abzugsfähigen Beträge pauschalierend zu erfassen. Die Regelung steht in keiner Beziehung zu dem typisierend zu regelnden Sachverhalt der gemischten Veranlassung der Aufwendungshöhe. Die für die Abzugsfähigkeit der Wegekosten nach der Neuregelung entscheidende Mindestdistanz zwischen Wohnung und Arbeitsplatz ist für eine typisierende Bewertung und Gewichtung beruflicher wie privater Veranlassungsmomente offenkundig ungeeignet. Als Indiz für überwiegend beruflich veranlassten Aufwand ließe sich allenfalls die geringere im Vergleich zur größeren Entfernung verwenden nach der Faustformel: Je geringer die Entfernung zum Arbeitsplatz, um so eher ist ein angemessener Kostenaufwand zur Überwindung der Entfernung als unausweichlicher beruflich bedingter Aufwand zu werten.
Die Belastung durch Wegekosten für Entfernungen unter 21 km kann auch nicht unter Hinweis auf den Arbeitnehmer-Pauschbetrag (§ 9a Satz 1 Nr. 1.a) EStG) „hinwegtypisiert“ werden (vgl. BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Februar 2008 - 2 BvL 1/06 -, NJW 2008, S. 1868 <1875>). Typisierungsüberlegungen zu einer betragsmäßigen Anpassung des Pauschbetrages und zur Behandlung der Fälle, in denen nach der bisherigen Rechtslage der Fahrtkostenansatz allein bereits die Höhe des Pauschbetrages überstieg - letzteres konnte sich bei der Zurücklegung einer Entfernung zwischen 14 und 20 km an 220 Arbeitstagen im Jahr typischerweise ergeben - sind nicht zu erkennen. Die bei einer Entfernung von 20 km angesetzte Zäsur erklärt sich vielmehr offenbar allein aus dem Bestreben, ein hinreichendes Volumen an zusätzlichen Einnahmen zu erreichen. Nach den im Gesetzgebungsverfahren zugrunde gelegten Zahlen haben nur rund 17 % der Pendler eine Wegstrecke von mehr als 26 km zurückzulegen (BTDrucks 16/1545, S. 13), so dass auch der Anteil der steuerpflichtigen Arbeitnehmer, deren Wohnort weiter als 20 km von der Arbeitsstätte entfernt liegt und die deshalb in den Genuss der Abzugsfähigkeit des überschießenden Teils ihrer Aufwendungen kommen sollten, entsprechend abschätzbar war.
5. Von den Anforderungen an hinreichende Folgerichtigkeit der Ausgestaltung einer am Maßstab finanzieller Leistungsfähigkeit ausgerichteten Besteuerung des Einkommens nach dem objektiven Nettoprinzip ist der Gesetzgeber auch nicht deshalb befreit, weil es nach den Bekundungen im Gesetzgebungsverfahren bei der Neuregelung des § 9 Abs. 2 Satz 1 EStG um einen grundlegenden Systemwechsel oder zumindest um eine neue, dem objektiven Nettoprinzip nicht nachgeordnete, sondern gleichrangig gegenüberstehende oder dieses Prinzip konkretisierende Zuordnungsentscheidung für Wegeaufwendungen gehe. Für die verfassungsrechtliche Beurteilung kann es weiterhin (vgl. unter C. I. 3. a)) offen bleiben, ob und wieweit dem einkommensteuerrechtlichen Prinzip der Besteuerung nur des Nettoeinkommens in Gestalt eines Gewinns oder Überschusses als Konkretisierung des Grundsatzes steuergerechter Belastung nach finanzieller Leistungsfähigkeit Verfassungsrang zuzumessen ist.
Die dem Steuergesetzgeber zustehende Gestaltungsfreiheit umfasst von Verfassungs wegen die Befugnis, neue Regeln einzuführen, ohne durch Grundsätze der Folgerichtigkeit an frühere Grundentscheidungen gebunden zu sein. Dies setzt allerdings voraus, dass wirklich ein neues Regelwerk geschaffen wird; anderenfalls ließe sich jedwede Ausnahmeregelung als (Anfang einer) Neukonzeption deklarieren. Die umfassende Gestaltungsfreiheit bei Entscheidungen für neue Regeln kann vom Gesetzgeber dann nicht in Anspruch genommen werden, wenn solche neuen Regeln nach Ziel und Wirkung die Orientierung an alternativen Prinzipien nicht erkennen lassen. Einen zulässigen Systemwechsel kann es ohne ein Mindestmaß an neuer Systemorientierung nicht geben. Insbesondere dann, wenn bei im Übrigen unveränderten Grundentscheidungen eine von diesen abweichende Belastungsentscheidung lediglich in einem schmalen Teilbereich mit der Behauptung eines Systemwechsels begründet wird, bedarf es greifbarer Anhaltspunkte - etwa die Einbettung in ein nach und nach zu verwirklichendes Grundkonzept -, die die resultierende Ungleichbehandlung vor Art. 3 Abs. 1 GG rechtfertigen können. Hieran fehlt es den neuen Bestimmungen zur einkommensteuerrechtlichen Berücksichtigung von Aufwendungen für die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Der generelle Ausschluss dieser Wegeaufwendungen aus dem Tatbestand der Werbungskosten und die gleichzeitige Anordnung, die Kosten für Wege ab 21 Entfernungskilometern „wie“ Werbungskosten zu behandeln und für diese eine aufwandsunabhängige Entfernungspauschale anzusetzen, ist durch eine in sich widersprüchliche Verbindung und Verschränkung unterschiedlicher Regelungsgehalte und Regelungsziele gekennzeichnet und beruht nicht auf einer übergreifenden Konzeption.
Die Regelung des § 9 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit Satz 2 EStG weist bereits für sich betrachtet nicht jenes Mindestmaß an konzeptioneller Neuorientierung auf, das für einen Systemwechsel oder für eine grundlegend neue Zuordnungsentscheidung zu fordern ist. Dass die Wegekosten terminologisch „wie“ Werbungskosten behandelt werden, ändert nichts an der materiellrechtlichen Belastungsentscheidung, nach der für Fahrten ab 21 km Entfernung wie nach der bisherigen Rechtslage mögliche Werbungskosten in Gestalt einer Entfernungspauschale abzugsfähig sind. Allein unter dem Aspekt einer Härtefallregelung lässt sich diese Differenzierung zwischen der Nichtabzugsfähigkeit der Aufwendungen für kürzere und der Abzugsfähigkeit für längere Entfernungsstrecken entgegen der Begründung zum Gesetzesentwurf (BTDrucks 16/1545, S. 13) nicht rechtfertigen. Es fehlt an plausiblen Härtekriterien bei den tatbestandlichen Voraussetzungen der Abzugsfähigkeit: Die Pauschale pro Entfernungskilometer mindert die Bemessungsgrundlage unabhängig von tatsächlichem Fahraufwand dem Grunde und der Höhe nach. Auch wenn durch günstige oder kostenfreie Mitfahrgelegenheiten geringe oder überhaupt keine Kosten entstehen, kommt den Steuerpflichtigen die Pauschale zugute. Ebenso begünstigt die Pauschale gleichermaßen Bezieher geringerer und höherer Einkommen, obwohl die Qualifikation einer Steuerbelastung als „Härte“ auch von der Einkommenshöhe abhängen muss. Korrespondierend trifft die fehlende Abzugsfähigkeit der Kosten für Entfernungen bis zu 20 km ebenfalls die Steuerpflichtigen ohne Rücksicht auf tatsächliche Aufwendungen dem Grunde und der Höhe nach und ebenfalls unabhängig von der Höhe des Einkommens. Deshalb kann es bei den Beziehern niedriger Einkommen im Hinblick auf den verfassungsrechtlich gebotenen Schutz des Existenzminimums zu problematischen Härtefällen kommen, und zwar insbesondere dann, wenn erst der Wegfall der Abzugsfähigkeit der Wegekosten zur Steuerbelastung führt, was nach der Schätzung des Bundesministeriums der Finanzen bei rund 90.000 Einkommensbeziehern der Fall ist.
Die Aufwandsunabhängigkeit der abzugsfähigen Pauschale für Wegstrecken ab 21 km wirkt, ebenso wie schon die unbeschränkt anwendbare Pauschale nach der bis zum Jahr 2006 geltenden Rechtslage, bei allen Steuerpflichtigen mit geringerem oder ganz fehlendem Kostenaufwand als Subvention und soll insoweit als Anreiz zur Benutzung sparsamer und umweltschonender (insbesondere auch öffentlicher) Verkehrsmittel verkehrs- und umweltpolitische Ziele fördern. Die Beschränkung des Einsatzes der Pauschale auf die so genannten Härtefälle steht jedoch in Widerspruch zu diesen verkehrs- und umweltpolitischen Zielsetzungen, denn nun wird gerade die Wahl und Aufrechterhaltung längerer Wegstrecken zur Arbeit und damit die Inkaufnahme regelmäßig energieintensiverer Transporte - gegebenenfalls subventiv - belohnt, während Wahl und Aufrechterhaltung kürzerer Wegstrecken und damit verkehrs- und umweltpolitisch regelmä ßig vorzugswürdige Verhaltensweisen zielwidrig benachteiligt werden.
iernach weist die Neuregelung zur einkommensteuerrechtlichen Berücksichtigung des Aufwands für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsplatz bereits in sich ein solches Maß an mangelnder Konsequenz und Konsistenz der Regelungsziele und -wirkungen auf, dass von einem Prinzipien- oder Systemwechsel mit einem erforderlichen Mindestmaß von Ansätzen neuer Prinzipien- oder Systemorientierung nicht gesprochen werden kann. Es handelt sich um eine verfassungsrechtlich nicht hinreichend sachlich begründete, allein fiskalisch motivierte und gestaltete, quantitativ abgegrenzte Herausnahme nur eines Teils einer bestimmten Aufwendungsart aus dem System differenzierender einkommensteuerlicher Belastung des Einkommens nach Grundregeln des objektiven und des subjektiven Nettoprinzips. Wieweit darüber hinausgehend die im Ergebnis mangelnde Übereinstimmung der Neuregelung mit den zahlreichen am Veranlassungsprinzip orientierten Regelungen anderer Arten von Werbungskosten und Betriebsausgaben zu den vom Bundesfinanzhof gerügten Wertungswidersprüchen führt, kann danach offen bleiben.
6. Dem Mangel an verfassungsrechtlich erforderlicher Folgerichtigkeit der Neuregelung können schließlich auch rechtsvergleichende Hinweise auf die unterschiedliche Berücksichtigung der Fahrtkosten für Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte in verschiedenen ausländischen Steuerrechtsordnungen nicht erfolgreich entgegengehalten werden. Für das geltende deutsche Verfassungsrecht kommt es gerade nicht auf die isolierte Frage nach möglichem oder nicht möglichem Abzug solcher Kosten von der einkommensteuerlichen Bemessungsgrundlage an, sondern darauf, ob die gesetzgeberische Antwort auf diese Fragen im Verhältnis zu den Regeln des Einkommensteuerrechts im Übrigen wesentliche Widersprüche oder ein hinreichendes Maß an Folgerichtigkeit aufweist. Hierfür entscheidungserhebliche Informationen sind einer Aufzählung ausländischer Einzelregelungen (vgl. Leisner-Egensperger, BB 2007, S. 639 <641>) nicht zu entnehmen.
III.
Da § 9 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit Satz 2 EStG bereits wegen mangelnder Folgerichtigkeit gemäß Art. 3 Abs. 1 GG verfassungswidrig ist, kann offen bleiben, ob weitere Verstöße gegen die Anforderungen des allgemeinen Gleichheitssatzes oder gegen andere Grundrechte, insbesondere gegen Art. 6 GG, vorliegen.
D.
I.
Der Verstoß einer Norm gegen das Grundgesetz kann entweder zur Nichtigerklärung ( § 82 Abs. 1 i. V. m. § 78 Satz 1, § 95 Abs. 3 BVerfGG) oder dazu führen, dass das Bundesverfassungsgericht die mit der Verfassungswidrigkeit gegebene Unvereinbarkeit der Norm mit dem Grundgesetz feststellt (vgl. § 31 Abs. 2, § 79 Abs. 1 BVerfGG). Eine Erklärung nur der Unvereinbarkeit ist insbesondere geboten, wenn der Gesetzgeber verschiedene Möglichkeiten hat, den Verfassungsverstoß zu beseitigen. Das ist regelmäßig bei Verletzungen des Gleichheitssatzes der Fall (stRspr; vgl. BVerfGE 99, 280 <298>; 105, 73 <133>; 117, 1 <69>).
Danach ist § 9 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 EStG lediglich für unvereinbar mit Art. 3 Abs. 1 GG zu erklären. Dem Gesetzgeber stehen unterschiedlich differenzierende und typisierende Gestaltungsmöglichkeiten zur Verfügung, um den verfassungswidrigen Zustand durch Normen zu beseitigen, die den verfassungsrechtlichen Anforderungen an folgerichtige Belastungsentscheidungen entsprechen und ein praktikables Besteuerungsverfahren ermöglichen. Auch für die Vergangenheit ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der für mit dem Grundgesetz unvereinbar erklärten Norm kann die Möglichkeit differenzierender Lösungen nicht ausgeschlossen werden.
II.
Stellt das Bundesverfassungsgericht die Unvereinbarkeit einer Norm mit Art. 3 Abs. 1 GG fest, folgt daraus grundsätzlich die Verpflichtung des Gesetzgebers, rückwirkend, bezogen auf den in der gerichtlichen Feststellung genannten Zeitpunkt, die Rechtslage verfassungsgemäß umzugestalten. Gerichte und Verwaltungsbehörden dürfen die Norm im Umfang der festgestellten Unvereinbarkeit nicht mehr anwenden, laufende Verfahren sind auszusetzen (stRspr; vgl. BVerfGE 73, 40 <101>; 105, 73 <134>).
1. Danach ist auch hinsichtlich des § 9 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 EStG der verfassungswidrige Zustand rückwirkend ab dem 1. Januar 2007, dem Beginn des Anwendungszeitraums des Steueränderungsgesetzes 2007, zu beseitigen. Eine mögliche Ausnahme von dieser Regelfolge der Unvereinbarkeit, wie sie bei haushaltswirtschaftlich bedeutsamen Normen vom Bundesverfassungsgericht wiederholt bejaht worden ist (vgl. BVerfGE 93, 121 <148>; 105, 73 <134>; 117, 1 <70>), scheidet vorliegend aus. Es handelt sich um einen vergleichsweise kurzen Anwendungszeitraum der Neuregelung, deren Verfassungsmäßigkeit stets umstritten war und für den auch die Finanzverwaltung bereits auf Zweifel an der Verfassungmäßigkeit mit vorläufigen Regelungen reagiert hatte (vgl. u. a. BMF-Schreiben vom 4. Oktober 2007, BStBl I S. 722, zur Stattgabe bei Anträgen auf Aussetzung der Vollziehung; BMF-Schreiben vom 8. Oktober 2007, BStBl I S. 723, u. a. zur vorläufigen Steuerfestsetzung; BMF-Schreiben vom 18. Januar 2008, BStBl I S. 278, zur vorläufigen Steuerfestsetzung).
2. Für den Zeitraum bis zu einer gesetzlichen Neuregelung bedarf es für die kontinuierliche Bewältigung des steuerlichen Massenverfahrens zur Wahrung der Funktionsfähigkeit der Finanzverwaltung einer vorläufigen, klaren und einheitlichen Übergangsregelung (vgl. BVerfGE 73, 40 <101 f.> m. w. N.) für Entscheidungen über die Berücksichtigung der Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte und für Familienheimfahrten. Das Gebot, die für unvereinbar erklärten Vorschriften des § 9 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 EStG ab dem Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht anzuwenden und laufende Verfahren auszusetzen, würde anderenfalls zu unvertretbaren, die Steuerpflichtigen unzumutbar belastenden Verzögerungen insbesondere auch der Durchführung des Lohnsteuerverfahrens führen. Mit Blick auf die Anforderungen an einen praktikablen und zumutbaren Verwaltungsvollzug scheidet eine Anwendung der Generalnorm des § 9 Abs. 1 EStG, die individualisierende Nachweise und Feststellungen tatsächlicher Wegeaufwendungen erfordern würde, von vornherein aus. Vielmehr kommt auch für eine vorläufige Übergangsregelung nur eine pauschalierende Lösung in Betracht, wie sie als Modell in verschiedenen Varianten seit Jahrzehnten Bestandteil des Einkommensteuerrechts war. Die den bisherigen gesetzgeberischen Wertungen nächstliegende Pauschalierung des Wegeaufwands beträgt 0,30 Euro je Entfernungskilometer. Deshalb ist bis zum Erlass einer endgültigen - rückwirkenden - gesetzlichen Übergangs- und Neuregelung § 9 Abs. 2 Satz 2 EStG im Wege vorläufiger Steuerfestsetzung (§ 165 AO) sowie entsprechend im Lohnsteuerverfahren, hinsichtlich der Einkommensteuervorauszahlungen und in sonstigen Verfahren, in denen das zu versteuernde Einkommen zu bestimmen ist, mit der Maßgabe anzuwenden, dass die tatbestandliche Beschränkung auf „erhöhte“ Aufwendungen „ab dem 21. Entfernungskilometer“ entfällt.
E.
Die Entscheidung ist mit 6:2 Stimmen ergangen.