04.03.2009 · IWW-Abrufnummer 090334
Finanzgericht Düsseldorf: Urteil vom 07.11.2008 – 12 K 4479/07 E
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Düsseldorf
12 K 4479/07 E
07.11.2008
Urteil
Tenor:
Unter Änderung der Bescheide vom 11.12.2006 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 23.10.2007 werden die Einkommensteuern der Kläger für 2003 auf 10.184 EUR, für 2004 auf 14.104 EUR und für 2005 auf 9.802 EUR festgesetzt.
Das beklagte Finanzamt trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren war notwendig.
2003 618,15 EUR
2004 7.421,40 EUR
2005 7.421,40 EUR
Tatbestand
Die Kläger wurden als Eheleute für 2003 - 2005 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Ehemann erzielte als Geschäftsführer der Firma "A" GmbH (GmbH) Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.
Die GmbH stellte dem Kläger einen PKW zur Verfügung. Den geldwerten Vorteil für die private Nutzung dieses PKWs ermittelte sie nach § 8 Abs. 2 Sätze 2 und 4 des Einkqmmensteuergesetzes (EStG). Anlässlich einer bei der GmbH durchgeführten Lohnsteuer-Außenprüfung kam der Prüfer zu dem Ergebnis, dass dieser Vorgehensweise nicht zu folgen sei - der geldwerte Vorteil für die private Nutzung des PKWs sei vielmehr nach §§ 8 Abs. 2 Sätze 2, 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG zu ermitteln. Die von der GmbH zum Nachweis des Verhältnisses der privaten Fahrten und der Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zu den übrigen Fahrten geführten Fahrtenbücher seien nicht ordnungsgemäß.
Der Prüfer, war den Aufzeichnungen in den Fahrtenbüchern für die Zeiträume 2.1. -18.2.2004 und 31.7. - 21.9.2004 näher nachgegangen. Für den Zeitraum 2.1.18.2.2004 stellte er - beispielhaft - 23 Auffälligkeiten fest und für den Zeitraum 31.7. – 21.9.2004 - beispielhaft - 24 Auffälligkeiten. Am 7.2.2006 seien der Kläger und der andere Geschäftsführer der GmbH an Amtsstelle erschienen und hätten vier Stehordner mit Belegen und Quittungen vorgelegt - dies seien die Kassenbelege für 2004 und 2005 gewesen; auf Nachfrage hätten beide bestätigt, dass es sich bei den Ordnern um alle Unterlagen handele. Etwaige Uraufzeichnungen seien nach Angaben des Klägers nicht vorhanden gewesen. Die vorgelegten Fahrtenbücher seien im nachhinein erstellt worden. Der Prüfer wandte die sog. 1 % - Regelung an und berechnete folgende individuell nachzuversteuernde Beträge:
Das beklagte Finanzamt schloss sich diesen Feststellungen an und änderte dementsprechend die ursprünglichen Einkommensteuerfestsetzungen der Kläger.
Der Einspruch blieb ohne Erfolg. Aus den Gründen der Einspruchsentscheidung ergibt sich, dass von den ursprünglich zahlreichen Auffälligkeiten folgende Beanstandungen verblieben:
- 16.1.2004: Es seien 35 geschäftlich gefahrene km und 11 km für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte eingetragen (insgesamt 46 km); aus den Kilometerständen zu Fahrt-Beginn und zu Fahrt-Ende errechne sich jedoch nur eine Differenz von 37 km.
- 30.8.2004: Es seien 15 geschäftlich gefahrene km und 22 km für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte eingetragen (insgesamt 37 km); aus den Kilometerständen zu Fahrt-Beginn und zu Fahrt-Ende errechne sich jedoch nur eine Differenz von 32 km.
- Bei mehreren Stichproben wichen die Kilometerangaben teilweise erheblich von den Ergebnissen eines Routenplaners ab - bei insgesamt 10 Stichproben zwischen 2 km und 13 km (insgesamt 66 km).
- 31.7.,2. und 27.8.2004: Nicht nachvollziehbar seien die Eintragungen zwischen Wohnung und Arbeitsstätte, bei denen die km für Hin- und Rückfahrt bei zwei Fahrten am Tag nur in einer Summe bei der ersten Fahrt eingetragen seien.
- 13.2.2004: Für zwei Reiseziele seien vier Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte angegeben.
- Teilweise fehlten die genauen Adressen. Diese seien auch nicht leicht zu ermitteln gewesen. Dem Prüfer seien keine entsprechenden Unterlagen vorgelegt bzw. später nachgereicht worden.
Hiergegen richtet sich die Klage.
Die Kläger behaupten, im Rahmen der Lohnsteuer-Außenprüfung dem beklagten Finanzamt ausdrücklich angeboten zu haben, Unterlagen zur Verfügung zu stellen, aus denen sich die exakten Adressen der Baustellen ergäben bzw. auf Wunsch eine aufgrund dieser Unterlagen erstellte Liste zu fertigen. Das beklagte Finanzamt habe solche Unterlagen nicht für erforderlich gehalten und ihr Anerbieten abgelehnt.
Soweit das beklagte Finanzamt meine, mit einem sog. Routenplaner Abweichungen der tatsächlich gefahrenen Strecken von den im Fahrtenbuch notierten Strecken feststellen zu können, sei dem nicht zu folgen. Er - der Kläger lebe und arbeite seit Jahren in "B". Er sei ortskundig und mit den Straßen- und Verkehrsverhältnissen bestens vertraut. Er lasse sich nicht von einem Routenplaner leiten, sondern steuere seine Fahrtziele auf der schnellsten Strecke an. Hierbei beachte er das jeweilige Verkehrsaufkommen. Routenplaner berücksichtigten im innerstädtischen Verkehr das Verkehrsaufkommen nicht außerdem nicht etwaige Baustellen. Deshalb könnten bei der Wahl der aktuell schnellsten Strecke auch erhebliche Abweichungen von den Empfehlungen eines Routenplaners vorkommen.
Die Kläger beantragen,
wie erkannt.
Das beklagte Finanzamt beantragt,
die Klage abzuweisen.
Aus dem Routenplaner sei jeweils die längste Strecke zugrundegelegt worden.
Auch sei es beispielsweise bei den Strecken Arbeitsstätte -"C"straße bei einer einfachen Entfernung von ca. 1,5 km und Wohnung "0" -"E"straße bei einer einfachen Entfernung von ca. 3,5 km unglaubhaft, dass aufgrund hohen Verkehrsaufkommens Umwege von doppelter Entfernung und mehr gefahren würden.
Da die Fahrtenbücher wegen mehrerer in der Einspruchsentscheidung aufgeführter Mängel zu verwerfen gewesen sei, sei das Angebot hinsichtlich der genauen Adressenangaben der BaustelIen nicht entscheidungsrelevant gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist begründet.
Die streitigen Einkommensteuerfestsetzungen der Kläger für 2003 - 2005 sind rechtswidrig und verletzen die Kläger in ihren Rechten.
Ist wegen der Befugnis, einen Dienstwagen auch privat zu nutzen, ein geldwerter Vorteil anzusetzen, so ist dessen Höhe nach der 1 %-Regelung zu bewerten, sofern nicht das Verhältnis der privaten Fahrten zu den übrigen Fahrten durch ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch nachgewiesen wird (§ 8 Abs. 2 Sätze 2 bis 4 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG).
Der Begriff des ordnungsgemäßen Fahrtenbuchs ist gesetzlich nicht näher bestimmt. Durch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), der sich das erkennende Gericht insoweit vollinhaltlich anschießt, sind jedoch die Voraussetzungen, die an ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch zu stellen sind, im Wesentlichen geklärt (Urteile des BFH vom 9.11.2005 VI R 27/05, Bundessteuerblatt - BStBI – II 2006, 408; vom 16.11.2005 VI R 64/04, BStBll1 2006,'1410, und vom 16.3.2006 VI R 87/04, BStBl1i 2006, 625). Ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch muss hiernach zeitnah und in geschlossener Form, geführt werden. Die zu erfassenden Fahrten einschließlich des an ihrem Ende, erreichten Gesamtkilometerstandes müssen im Fahrtenbuch vollständig und in ihrem fortlaufenden Zusammenhang wiedergegeben werden (BFH-Urteil 9.11.12005 VI R 27/05, a.a.O.). Dabei ist jede einzelne berufliche Verwendung grundsätzlich für sich und mit dem bei Abschluss der Fahrt erreichten Gesamtkilometerstand des Fahrzeugs aufzuzeichnen. Besteht eine einheitliche berufliche Reise aus mehreren Teilabschnitten, so können diese Abschnitte miteinander zu einer zusammenfassenden Eintragung verbunden werden. Es genügt dann die Aufzeichnung des am Ende der gesamten Reise erreichten Kfz-Gesamtkilometerstands, wenn zugleich die einzelnen Kunden oder Geschäftspartner im Fahrtenbuch in der zeitlichen Reihenfolge aufgeführt werden, in der sie aufgesucht worden sind. Wird andererseits der berufliche Einsatz des Fahrzeugs zugunsten einer privaten Verwendung unterbrochen, so stellt diese Nutzungsänderung wegen der damit verbundenen unterschiedlichen steuerlichen Rechtsfolgen einen Einschnitt dar, der im Fahrtenbuch durch Angabe des bei Abschluss der beruflichen Fahrt erreichten Kilometerstands zu dokumentieren ist (BFH-UrteiI 16.3.2006 VI R 87/04, a.a.O.).
Die Aufzeichnungen im Fahrtenbuch müssen außerdem eine hinreichende Gewähr für ihre Vollständigkeit und Richtigkeit bieten. Sie müssen mit vertretbarem Aufwand auf ihre materielle Richtigkeit hin überprüfbar sein. Weisen die Fahrtenbücher inhaltliche Unregelmäßigkeiten auf, kann dies die materielle Richtigkeit der Kilometerangaben in Frage stellen (BFH-UrteiI16.3.2006 VI R 87/94, a.a.O.). Ebenso wie eine Buchführung trotz einiger formeller Mängel auf~rund der Gesamtbewertung noch als formell ordnungsgemäß erscheinen kann (vgl. dazu Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 158 AO Rz 13, m.w.N.), führen jedoch auch kleinere Mängel nicht zur Verwerfung des Fahrtenbuchs und Anwendung der 1 %-Regelung, wenn die Angaben insgesamt plausibel sind (BFH-Urteil vom 10.4.2008 VI R 38/06, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH - BFH/NV - 2008, 1373). Maßgeblich ist, ob trotz der Mängel noch eine hinreichende Gewähr für die Vollständigkeit und Richtigkeit der Angaben gegeben und der Nachweis des zu versteuernden Privatanteils an der Gesamtfahrleistung des Dienstwagens möglich ist.
Bei Anlegung dieser Maßstäbe sind die von der GmbH zum Nachweis des Verhältnisses der privaten Fahrten und der Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zu den übrigen Fahrten für den Kläger geführten Fahrtenbücher letztlich nicht zu beanstanden.
Für den. 16.1. und 30.8.2004 gibt es zwar Differenzen zwischen eingetragenen und tatsächlich gefahrenen km - diese sind jedoch mit 9 km und 5 km außerordentlich gering und betragen insgesamt nur 14 km. Außerdem können Rechenfehler jedermann unterlaufen - und die hier gerügten Fehler dürften sich nicht einmal zugunsten des Klägers ausgewirkt haben: Die Entfernung für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte ist jeweils gleich geblieben.
Dass bei mehreren Stichproben die Kilometerangaben teilweise erheblich von den Ergebnissen eines Routenplaners abweichen sollen, ist hier ebenfalls unerheblich. Insgesamt beläuft sich die Differenz bei über drei Monaten auf 66 km. Rechnete man sie auf das gesamte Jahr hoch, ergäbe sich eine Differenz von 264 km. Bei einer Gesamtfahrleistung von 17.994 km machte diese Differenz kaum 1,5 % aus.
Eine solche Differenz ist zu vernachlässigen. Es kommt hinzu, dass die von den Klägern gegen die uneingeschränkte Übernahme von Daten aus einem Routenplaner erhobenen Bedenken durchaus greifen - die Schwierigkeiten großstädtischen Verkehrs sind dem erkennenden Gericht bekannt. Deshalb ist es angebracht, die von den Klägern beschriebenen Probleme unterschiedlichen Verkehrsaufkommens und der von Baustellen mit einem Zuschlag von 20 % auf die von einem Routenplaner empfohlene längste Strecke zu erfassen – und innerhalb des Verkehrs in einer Großstadt könnte sich ein noch höherer Zuschlag anbieter-rlnsbesondere hält es das erkennende Gericht nicht für unglaubhaft, in einem Einzelfall in einer Großstadt für eine an sich nur 1,5 km lange Strecke eine solche von 3,5 km zu fahren - wenn damit beispielsweise ein Stau mit einer Wartezeit von 10 - 15 Minuten vermieden würde.
Soweit sich das beklagte Finanzamt darauf beruft, für den 31.7., den 2. und den 27.8.2004 seien die Eintragungen zu den Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nicht nachvollziehbar, bei denen die km für Hin- und Rückfahrt bei zwei Fahrten am Tag nur in einer Summe bei der ersten Fahrt eingetragen seien, vermag sich das erkennende Gericht dem nicht anzuschließen. Das beklagte Finanzamt hat die Eintragungen zu den Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte eben doch nachvollziehen können - sonst hätte es nicht feststellen können, dass es sich eben auch um Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte handelte.
Weshalb es einen Mangel des Fahrtenbuchs darstellen soll, dass für den 13.2.2004 für zwei Reiseziele vier Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte angegeben sind, erschließt sich dem erkennenden Gericht nicht. Im Übrigen:
Selbst wenn es sich um einen Fehler handelte, hätte dieser sich nicht ohne weiteres zugunsten des Klägers ausgewirkt - es sind gar eben vier Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte angegeben.
Dazu, dass teilweise genaue Adressen fehlten, diese auch nicht leicht zu ermitteln gewesen und dem Prüfer keine entsprechenden Unterlagen vorgelegt bzw. später nachgereicht worden seien, ist das Vorbringen des beklagten Finanzamts wenig nachvollziehbar - teilweise gar widersprüchlich: Der Prüfer behauptet, am 7.2.2006 seien der Kläger und der andere Geschäftsführer der GmbH an Amtsstelle erschienen und hätten vier Stehordner mit Belegen und Quittungen vorgelegt dies seien die Kassenbelege für 2004 und 2005 gewesen; auf Nachfrage hätten beide bestätigt, dass es sich bei den Ordnern um alle Unterlagen handele. Etwaige Uraufzeichnungen seien nach Angaben des Klägers nicht vorhanden gewesen. Die vorgelegten Fahrtenbücher seien im nachhinein erstellt worden. Demgegenüber haben die Kläger jedoch schon im Einspruchsverfahren darauf hingewiesen, dass in den Fahrtenbüchern verschiedene Baustellen bezeichnet seien. Hieraus sei eine eindeutige Zuordnung zu verschiedenen Baustellen möglich. Sie gingen davon aus, dass dem beklagten Finanzamt bereits konkrete Angaben zu den jeweiligen Bauvorhaben vorlägen, so dass die Fahrtziele ausreichend ermittelbar seien. Sollte dies nicht der Fall sein, werde ausdrücklich um einen entsprechenden Hinweis gebeten. Dem ist das beklagte Finanzamt nicht nachgegangen, wobei sich dem erkennenden Gericht nicht einmal ansatzweise erschließt, weshalb dies unterblieben ist. Soweit sich das beklagte Finanzamt im Klageverfahren darauf beruft, das Angebot der Kläger hinsichtlich der genauen Adressenangaben der Baustellen sei nicht entscheidungsrelevant, weil die Fahrtenbücher wegen mehrerer in der Einspruchsentscheidung aufgeführter Mängel zu verwerfen gewesen seien, steht dem in Widerspruch, dass es in der Einspruchsentscheidung eben:1 doch auch darauf abgestellt hat, es fehlten teilweise genaue Adressen. Jedenfalls: Die Fahrtenbücher enthalten Angaben zu Baustellen - die Adressen dieser Baustellen dürften unschwer zu ermitteln sein. Dass dies anders gewesen sein ,soll, hat das beklagte Finanzamt nicht vorgetragen und ist auch sonst nicht ersichtlich. Nicht einmal der Prüfer hat eine Baustelle konkret benannt, die er nicht oder'l nur mit Schwierigkeiten hat ermitteln können. Dass die vorgelegten Fahrtenbücher im nachhinein erstellt worden sind, vermag das erkennende Gericht nicht festzustellen - es ist auch nicht nachvollziehbar, woraus der Prüfer diese Tatsache herleiten will.
Anderweit gibt es ebenfalls keine konkreten Anhaltspunkte, die gegen die Ordnungsmäßigkeit der Fahrtenbücher sprechen könnten.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 135 Abs.1 139 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO).