14.07.2006 · IWW-Abrufnummer 062052
Bundessozialgericht: Urteil vom 23.03.2006 – B 3 KR 9/05 R
1. Zur Versicherungspflicht von Trauerrednern in der Künstlersozialversicherung.
2. Der in der Künstlersozialversicherung für die Publizisteneigenschaft notwendige Öffentlichkeitsbezug ist schon dann hergestellt, wenn ein Wortbeitrag nur eine individualisierbare Personengruppe erreicht, der Kreis der Teilnehmer aber prinzipiell offen bleibt und nicht von vornherein auf bestimmte Personen beschränkt wird (Fortführung von BSG vom 24.6.1998 - B 3 KR 10/97 R = SozR 3-5425 § 2 Nr 7).
BUNDESSOZIALGERICHT
Im Namen des Volkes
Urteil
in dem Rechtsstreit
Verkündet am
23. März 2006
Az: B 3 KR 9/05 R
Der 3. Senat des Bundessozialgerichts hat auf die mündliche Verhandlung vom 23. März 2006 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Ladage, die Richter Dr. Hambüchen und Schriever sowie die ehrenamtlichen Richterinnen Dr. Picker und Dörr
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 1. Dezember 2004 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten der Klägerin auch im Revisionsverfahren.
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten über die Versicherungspflicht der Klägerin als Trauerrednerin in der Künstlersozialversicherung (KSV) für die Zeit von Mai 1999 bis Ende Februar 2004.
Die 1956 geborene Klägerin besitzt einen Studienabschluss für das Lehramt an Gymnasien mit den Fachrichtungen Französisch und Sport. Zwischen 1983 und Mitte 1997 war sie überwiegend als Sängerin und Schauspielerin an verschiedenen deutschen Theatern engagiert. Im Anschluss hieran nahm sie eine Beschäftigung als Trauerberaterin in einem Bestattungsinstitut auf, die sie im Mai 1998 beendete. Ab Juni 1998 war die Klägerin selbstständig als Trauerrednerin tätig; ergänzend gab sie Gesangunterricht und verfasste Trauergedichte und Gebete. Seit März 2004 übt sie eine versicherungspflichtige Beschäftigung als Küsterin aus.
Im Mai 1999 beantragte die Klägerin bei der beklagten Künstlersozialkasse die Feststellung ihrer Versicherungspflicht nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG). Dabei ordnete sie ihre Tätigkeit dem Bereich "Musik" als Texterin und Sängerin, speziell Trauergesang bei Bestattungen, dem Bereich "Darstellende Kunst" als Sprecherin sowie dem Bereich "Wort" als Schriftstellerin/Dichterin - Trauerrednerin - zu. Ihrem Antrag fügte sie ua das Titelverzeichnis einer von ihr aufgenommenen Compact Disc (CD) "Lieder zur Trauerfeier" und Beispiele von ihr verfasster Trauergedichte sowie Danksagungen von bisherigen Auftraggebern bei. Auf Nachfrage der Beklagten gab die Klägerin ergänzend an, sie plane monatlich zehn Trauerreden (à 350 DM) und zwei Bestattungen mit Gesang (zzgl je 150 DM) und damit einen Jahresumsatz von ca 45.000 DM ein. Dieses Einkommen verteile sich zu 70% auf ihre Arbeit als Trauerrednerin, zu 20% auf Gesang/CD und zu 10% auf die Tätigkeit als Schriftstellerin/Dichterin. Die Beklagte lehnte den Antrag der Klägerin mit Bescheid vom 9. Juli 1999 ab. Eine berufsmäßige Tätigkeit als Sängerin oder Dichterin sei nicht nachgewiesen. Schwerpunktmäßig trete die Klägerin als Trauerrednerin auf; dies stelle jedoch keine künstlerische Leistung iS des KSVG dar. Als Publizistin könne sie nicht anerkannt werden, weil es hierfür am erforderlichen Öffentlichkeitsbezug fehle. Den hiergegen gerichteten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchbescheid vom 13. April 2000 zurück.
Das Sozialgericht (SG) hat die angefochtenen Bescheide der Beklagten geändert und diese verurteilt, die Klägerin "als versicherungspflichtiges Mitglied in der KSV aufzunehmen" (Urteil vom 16. August 2001). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen (Urteil vom 1. Dezember 2004). Die Darbietungen als Trauerrednerin seien sowohl künstlerischer als auch publizistischer Natur. Die Klägerin erarbeite ihre Trauerreden nicht schablonenhaft, sondern im Wesentlichen eigenschöpferisch mit einem nicht unerheblichen Gestaltungsaufwand. Ihre Trauerbegleitung zeuge von Kreativität und weise ein jeweils individuell gestaltetes Gesamtkonzept auf, welches durch Reden, Gesänge usw. abgerundet werde; dies beweise den künstlerischen Charakter ihrer Arbeit. Die Tätigkeit der Klägerin beinhalte in wesentlichen Zügen aber auch eine der Öffentlichkeit zugängliche publizistische Leistung. Zwar wende sie sich nur an das begrenzte Publikum der Trauergemeinde, doch dieses repräsentiere die Öffentlichkeit ebenso wie das begrenzte Auditorium eines Schauspielers im Theater. Von einem Pfarrer unterscheide sich die Klägerin, weil jener an die Liturgie der Kirche gebunden sei, ein Trauerredner die Bestattungszeremonie hingegen eigenschöpferisch planen und gestalten könne.
Mit der vom Senat zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung von § 2 Satz 1 und 2 KSVG. Zu Unrecht habe das LSG die Tätigkeit der Klägerin als künstlerisch eingeordnet. Eine Trauerrednerin schaffe weder bildende Kunst noch werde sie im Bereich der darstellenden Kunst tätig; soweit im Einzelfall Todesanzeigen und Danksagungen grafisch gestaltet oder Trauergesänge bei der Bestattung dargeboten würden, handele es sich um marginale Teilbereiche, die das Gesamtbild der Tätigkeit nicht prägten. Der Beruf der Trauerrednerin weise vielmehr starke Ähnlichkeit zum Beruf des Pfarrers auf; auch dieser werde in weiten Kreisen der Bevölkerung nicht als künstlerisch angesehen. Eine Einordnung der Klägerin als Publizistin sei ebenfalls nicht möglich, weil eine Trauerfeier keine öffentliche Veranstaltung darstelle. Es handele sich in der Regel vielmehr um eine familiäre Zeremonie, bei der der Teilnehmerkreis von vorne herein begrenzt sei. Auch die Öffnungsklausel des § 2 Satz 2 KSVG - " in anderer Weise publizistisch tätig" - führe zu keinem anderen Ergebnis, weil eine Trauerfeier bzw die Tätigkeit als Trauerrednerin nicht im typischen Wirk- und Werkbereich der Publizistik stattfinde.
Die Beklagte beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 1. Dezember 2004 und des Sozialgerichts Lüneburg vom 16. August 2001 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Die Klägerin verteidigt die angefochtenen Entscheidungen.
II
Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Die Klägerin ist in der Zeit von Mai 1999 bis Februar 2004 zwar nicht als Künstlerin, wohl aber als Publizistin nach dem KSVG versicherungspflichtig tätig gewesen. Die Vorinstanzen haben die Bescheide der Beklagten vom 9. Juli 1999 und 13. April 2000 deshalb im Ergebnis zu Recht geändert. Allerdings hat das SG im Urteil vom 16. August 2001 irreführend tituliert, dass die Klägerin "als versicherungspflichtiges Mitglied in der KSV aufzunehmen" sei. Die KSV führt keine Mitglieder. Die Eigenschaft als selbstständiger Künstler oder Publizist ist lediglich Voraussetzung für die Versicherungspflicht nach dem KSVG; die von der Künstlersozialkasse festgestellt wird; zutreffend hätte daher unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide festgestellt werden müssen, dass die Klägerin in dem hier streitigen Zeitraum als Publizistin in der Rentenversicherung der Angestellten, in der gesetzlichen Krankenversicherung und in der sozialen Pflegeversicherung versichert (gewesen) ist. Von einer Änderung des Tenors des Urteil des LSG vom 1. Dezember 2004 hat der Senat abgesehen, die Klarstellung erfolgt an dieser Stelle.
Gemäß § 1 Nr 1 KSVG (idF durch das Pflege-Versicherungsgesetz vom 26. Mai 1994 ) werden selbstständige Künstler und Publizisten in der Rentenversicherung der Angestellten, in der gesetzlichen Krankenversicherung und in der sozialen Pflegeversicherung versichert, wenn sie eine künstlerische oder publizistische Tätigkeit erwerbsmäßig und nicht nur vorübergehend ausüben. Nach § 2 Satz 1 KSVG (idF durch das 2. KSV-ÄndG vom 13. Juni 2001, BGBl I 1027) ist Künstler iS dieses Gesetzes, wer Musik, darstellende oder bildende Kunst schafft, ausübt oder lehrt; Publizist ist, wer als Schriftsteller, Journalist oder in anderer Weise publizistisch tätig ist oder Publizistik lehrt (§ 2 Satz 2 KSVG). Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt, weil die Klägerin zwar nicht als Künstlerin, wohl aber "in anderer Weise publizistisch tätig" gewesen ist. Sie war in dem hier entscheidungserheblichen Zeitraum auch nicht nur vorübergehend selbstständig erwerbstätig und hat im Jahr der Antragstellung sowie in den Folgejahren ein Arbeitseinkommen aus dieser Betätigung erzielt, welches über der Geringfügigkeitsgrenze des § 3 Abs 1 Satz 1 KSVG liegt. Zudem war sie nicht aus den in §§ 4, 5 und 6 KSVG erfassten Gründen von einzelnen Zweigen der Versicherung frei oder befreit.
1. Entgegen der Ansicht der Vorinstanzen handelt es sich bei der hier in Rede stehenden Tätigkeit als Trauerrednerin allerdings nicht um eine künstlerische Tätigkeit iS des KSVG. Der Begriff der künstlerischen Tätigkeit ist aus dem Regelungszweck des KSVG unter Berücksichtigung der allgemeinen Verkehrsauffassung und der historischen Entwicklung zu erschließen (vgl BSG SozR 4-5425 § 24 Nr 6 RdNr 13 und BSGE 83, 160, 161 = SozR 3-5425 § 2 Nr 9 S 33 - jeweils mwN; zum Kunstbegriff des Art 5 Grundgesetz vgl BVerfGE 30, 173, 188 ff und 81, 108, 116; zur Zielrichtung des KSVG vgl BT-Drucks 9/26, S 18 und BT-Drucks 8/3172, S 19 ff). Aus den Materialien zum KSVG ergibt sich, dass der Begriff der Kunst trotz seiner Unschärfe auf jeden Fall solche künstlerischen Tätigkeiten umfasst, mit denen sich der "Bericht der Bundesregierung über die wirtschaftliche und soziale Lage der künstlerischen Berufe (Künstlerbericht)" aus dem Jahre 1975 (BT-Drucks 7/3071) beschäftigt (BSGE 83, 160, 165 f = SozR 3-5425 § 2 Nr 9 S 37 f; BSGE 83, 246, 250 = SozR 3-5425 § 1 Nr 5 S 23; vgl auch Finke/Brachmann/Nordhausen, KSVG, 3. Aufl 2004, § 2 RdNr 3 und 9; Schriever "Der Begriff der Kunst im Künstlersozialversicherungsrecht" in: von Wulffen/Krasney , Festschrift 50 Jahre Bundessozialgericht, 2004, S 709, 714 f). Der Gesetzgeber hat damit einen an der Typologie von Ausübungsformen orientierten Kunstbegriff vorgegeben, der in aller Regel dann erfüllt ist, wenn das zu beurteilende Werk den Gattungsanforderungen eines bestimmten Kunsttyps entspricht. Bei diesen Berufsfeldern ist das soziale Schutzbedürfnis zu unterstellen, ohne dass es auf die Qualität der künstlerischen Tätigkeit ankommt oder eine bestimmte Werk- und Gestaltungshöhe vorausgesetzt wird.
Im Künstlerbericht der Bundesregierung ist der Beruf des Trauerredners/der Trauerrednerin nicht verzeichnet. Im Bereich "Musik" finden sich allerdings die Katalogberufe des Texters und des Sängers sowie im Bereich "Darstellende Kunst" der Katalogberuf des Sprechers (BT-Drucks 7/3071, S 7); so hat sich die Klägerin auch selbst eingeordnet. Wer einen dieser Berufe ausübt, ist in aller Regel als Künstler anzusehen (vgl Finke/Brachmann/Nordhausen aaO § 2 RdNr 9 und 16; Brandmüller/Zacher/Thielpape, KSVG - Band I, Stand: Januar 2002, § 2 KSVG Anm 2). Nach den tatsächlichen und für den Senat bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des LSG entspricht die berufliche Betätigung der Klägerin mit ihrem Wesensgehalt indes keinem der vorgenannten - künstlerischen - Katalogberufe. Die Klägerin ist nicht mit einem Sänger oder Texter (Verfasser von Liedtexten) vergleichbar, denn ihren eigenen Angaben zufolge liegt der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit gerade nicht im Bereich "Musik". Sie wird nur gelegentlich zu Bestattungsfeiern mit Gesang verpflichtet; zudem beziffert sie den Anteil ihrer Einkünfte aus Gesang und der Erteilung von Gesangsunterricht sowie dem Verkauf ihrer CD lediglich auf 20% ihres gesamten Einkommens. Selbst wenn man davon ausgeht, dass sie früher lange Jahre als Sängerin gearbeitet hat und sich die verschiedenen Aspekte ihres Schaffens teilweise überschneiden, besitzt der dem Bereich "Musik" zuzuordnende Teil ihres Berufs als Trauerrednerin nur einen untergeordneten Stellenwert. Die Klägerin ist aber auch nicht mit einem Sprecher aus dem Bereich "Darstellende Kunst" vergleichbar, weil darunter nur dem Schauspieler vergleichbare Akteure verstanden werden - etwa Rezitatoren, Märchenerzähler oder Vorleser, die stimmlich und sprachlich auf die zu sprechenden Werke einwirken und diese nicht unerheblich künstlerisch gestalten (Brandmüller/Zacher/Thielpape aaO Band II Anlage 3A/8, S 53; vgl auch Finke/Brach-mann/Nordhausen aaO § 2 RdNr 15). Es handelt sich vorliegend vielmehr um ein aus mehreren Arbeitsgebieten zusammengesetztes gemischtes Berufsbild; in solchen Fällen kann von einer künstlerischen Tätigkeit nur dann ausgegangen werden, wenn die künstlerischen Elemente das Gesamtbild der Beschäftigung prägen, die Kunst also den Schwerpunkt der Berufsausübung bildet (BSGE 82, 107, 111 = SozR 3-5425 § 25 Nr 12 S 64 und Urteil des Senats vom 26. Januar 2006 - B 3 KR 1/05 R -, zum Abdruck in SozR 4 vorgesehen; vgl auch Finke/Brachmann/ Nordhausen aaO § 2 RdNr 9). Dies ist hier jedoch nicht der Fall, obwohl die Trauerreden überwiegend nicht nach Redeschablonen gefertigt, sondern im Wesentlichen eigenschöpferisch gestaltet werden und sich durch eine Vielfalt und Anpassung an den Einzelfall auszeichnen. Doch nicht die Form des Vortrags, sondern sein Gegenstand und Inhalt bilden den Schwerpunkt der Tätigkeit der Klägerin. Das Berufsbild des Trauerredners/der Trauerrednerin (vgl dazu http://infobub.arbeitsagentur.de/berufe - Stichwort "Trauerredner/in") hat sich aus einem Teilbereich des Tätigkeitsbildes des Pfarrers entwickelt, der üblicherweise das Begräbnis konfessionsgebundener Personen gestaltet und dabei nach allgemeinem Verständnis nicht Kunst schafft, sondern Elemente des Brauchtums, der Seelsorge und des Gottesdienstes miteinander verbindet. Die Trauerredner/innen haben diese Aufgabe für nicht religiös gebundene Menschen übernommen, ohne aber an dem grundsätzlich-rituellen Charakter der Zeremonie Wesentliches zu ändern. Bei beiden Berufsgruppen steht der Wortbeitrag bei einem Begräbnis im Vordergrund, sie sind deshalb nicht als Künstler anzusehen (ebenso SG Hannover, Urteil vom 7. März 2000 - S 11 KR 16/99 -; vgl auch SG Berlin, Urteil vom 20. April 2004 - S 82 KR 248/02 -, und SG Düsseldorf, Urteil vom 13. Dezember 2001 - S 26 (4) KR 106/00 -, alle nicht veröffentlicht).
2. Die Klägerin gehört aber zum Kreis der in § 2 Satz 2 KSVG genannten Publizisten. Leitbilder publizistischer Tätigkeit sind die im Gesetz ausdrücklich genannten Berufsbilder des Schriftstellers und des Journalisten. Hierzu zählt die Klägerin nach den bindenden Feststellungen des LSG allerdings schon deshalb nicht, weil sie den Anteil ihrer Einkünfte aus der Tätigkeit als Schriftstellerin/Dichterin selbst auf lediglich 10% ihres gesamten Einkommens beziffert und es - wie bereits erwähnt - bei einer gemischten Tätigkeit auf den jeweiligen Schwerpunkt ankommt. Der Gesetzgeber hat den Begriff des Publizisten iS des KSVG jedoch nicht auf diese "klassischen" Berufe beschränkt, wie sich aus der Öffnungsklausel "oder in anderer Weise publizistisch tätig" ergibt. Daraus sowie aus dem für die freien künstlerischen und publizistischen Berufe in aller Regel anzunehmenden sozialen Schutzbedürfnis hat der Senat gefolgert, dass der Begriff des Publizisten weit auszulegen ist (vgl BSGE 78, 118, 120 = SozR 3-5425 § 26 Nr 2 S 4; SozR 3-5425 § 2 Nr 12 mwN). Die Anerkennung als Publizist setzt nicht voraus, dass der/die Betreffende in einem publizistischen Beruf vorgebildet ist oder besondere Wertschätzung in Publizistikkreisen genießt. Die Anerkennung eines Trauerredners als Publizist setzt somit ebenfalls keine professionelle Vorbildung oder ein Niveau als Redner voraus, das auf einer Stufe mit dem Verfassen redaktioneller Nachrufe in den Medien stehen (so aber Finke/Brachmann/Nordhausen aaO § 2 RdNr 21). Der Begriff des Publizisten beschränkt sich auch nicht auf die inhaltliche Gestaltung und Aufmachung von Büchern und sog Massenkommunikationsmitteln (zB Zeitschriften, Zeitungen, Broschüren), sondern erfasst jeden im Kommunikationsprozess an einer öffentlichen Aussage schöpferisch Mitwirkenden (BSG SozR 3-5425 § 2 Nr 12 und SozR 4-5425 § 25 Nr 1; so auch Meyers Enzyklopädisches Lexikon, 9. Aufl, Bd 19 S 381). Eine Publikation wird überwiegend schriftlich, sie kann aber auch in mündlicher Form erfolgen; gerade nicht-schriftliche Publikationen sind in den letzten Jahren durch die Verbreitung von Funk und Fernsehen deutlich in den Vordergrund gerückt. Das Wort "Publizist" geht zurück auf das lateinische Verb "publicare", was mit "veröffentlichen" zu übersetzen ist. Dabei verzichtet das Gesetz allerdings auf die Nennung einer Zahl von potentiellen Interessenten oder Adressaten, die in der Regel erreicht sein muss, um von "Öffentlichkeit" zu sprechen. Der Begriff "Öffentlichkeit" lässt sich auch nicht aus sich selbst zahlenmäßig näher eingrenzen; die Öffentlichkeit kann einerseits, wie zB bei Boulevardblättern, sehr breit sein, andererseits aber auch nur einen engen Kreis von Interessenten betreffen, wie zB bei hochspezialisierten Fachzeitschriften oder Lehrbüchern. Der Senat hat in einer früheren Entscheidung zur näheren Begriffsbestimmung auf § 15 Abs 3 Urheberrechtsgesetz vom 9. September 1965 (BGBl I 1273) - der allerdings eine andere Zielrichtung, nämlich dem Urheberrechtsschutz hat - verwiesen, wonach die Wiedergabe eines Werkes bereits dann öffentlich ist, wenn sie für eine Mehrzahl von Personen bestimmt ist, es sei denn, dass der Kreis dieser Personen bestimmt abgegrenzt ist und sie durch gegenseitige Beziehung oder durch Beziehung zum Veranstalter persönlich untereinander verbunden sind (BSG SozR 3-5425 § 2 Nr 12 S 54). Als Beispiel für eine solche Begrenzung ist damals die Erstellung und Verteilung von Seminarunterlagen an die Teilnehmer eines konkreten Seminars genannt worden (BSG aaO). Ein weiteres Beispiel findet sich in der Rechtsprechung des Senats zur Einordnung kunsthistorischer Vorträge: Auch hier ist das Merkmal der Öffentlichkeit thematisiert worden, weil die Vorträge zwar prinzipiell für jedermann zugänglich waren, tatsächlich aber nur vor einem begrenzten und überschaubaren Zuhörerkreis stattgefunden haben; letztlich ist die Entscheidung dieser Frage offen geblieben (BSG SozR 3-5425 § 2 Nr 7).
Im vorliegenden Fall ist der erforderliche Öffentlichkeitsbezug aber hergestellt, weil sich Trauerredner - wie hier die Klägerin - an durch das persönliche Verhältnis zum Verstorbenen individualisierte Trauergemeinden richten, der Kreis der Teilnehmer aber prinzipiell offen bleibt und nicht von vornherein zB auf engste Familienangehörige begrenzt ist. Denn es kommt nicht darauf an, ob die in Rede stehende Publikation einen weiten oder nur einen engen Kreis von Interessenten betrifft; entscheidend ist allein die Möglichkeit des offenen, und nicht begrenzten Zugangs, mögen die Teilnehmer auch durch eine persönliche Beziehung zum Verstorbenen gekennzeichnet sein.
Trauerfeiern gehören - ob mit oder ohne religiösen Bezug - zum überkommenen und über Jahrhunderte gepflegten Brauchtum; sie sind in aller Regel nicht als an die breite Öffentlichkeit gerichtete Veranstaltungen anzusehen, sondern dienen einer letzten Würdigung des/der Verstorbenen und dem Abschiednehmen durch die Lebenden. Der Kreis der Teilnehmer an solchen Trauerfeiern wird zumeist durch die jeweilige persönliche Beziehung zum/zur Verstorbenen bestimmt. Die Rechtsprechung der Zivilgerichte zum Urheberrechtsschutz lässt erkennen, dass eine Veranstaltung dort noch als "öffentlich" angesehen wird, wenn sie in geschlossenen Räumen, gar als "geschlossene Veranstaltung" stattfindet, sofern der Kreis der Teilnehmer nicht durch rein private und persönliche Beziehungen untereinander verbunden ist, sondern der Zweck der Veranstaltung die Teilnehmer zusammenführt (Betriebsfeier - BGHZ 17, 376). "Öffentlichkeit" ist ebenso bejaht worden bei Musikaufführungen in einer Justizvollzugsanstalt, weil die Insassen zwangsweise, aber nicht durch persönliche Beziehung verbunden sind (BGH, Urteil vom 7. Juni 1984 - I ZR 57/82 -, NJW 1984, 2884), und bei Altenheimbewohnern, die nur als reine Wohngemeinschaft miteinander verbunden sind (BGH, Urteil vom 12. Juli 1974 - I ZR 68/73 -, NJW 1974, 1872). Trauerfeiern sind in der Regel ebenfalls nicht auf den Kreis der persönlich miteinander verbundenen - nahen - Angehörigen beschränkt; angesprochen werden vielmehr alle, die sich veranlasst fühlen, dem Verstorbenen die letzte Ehre zu erweisen, mögen sie zu den übrigen Teilnehmern an der Beisetzung auch keinerlei persönliche Beziehungen haben. Trauerfeiern sind in diesem Sinne "öffentlich".
Steht der Wortsinn "publik" somit einer Einbeziehung von Trauerrednern in die Künstlersozialversicherung als Publizisten nicht entgegen, spricht erst recht die Zielrichtung der Künstlersozialversicherung dafür, derartige Personen einzubeziehen, die durch die Fähigkeit zur öffentlichen Rede in der Lage sind, darauf eine freiberufliche wirtschaftliche Existenz zu gründen. Sie unterscheiden sich vom Beruf des Pfarrers schon deshalb, weil es sich bei diesem um einen vielschichtigen, in abhängiger Beschäftigung ausgeübten Beruf handelt, bei dem eine umfassende seelsorgerische Betätigung im Vordergrund steht und die Trauerbegleitung bei Beerdigungen nur einen Teilausschnitt darstellt.
Wie das LSG unangegriffen und damit für den Senat bindend (§ 163 SGG) festgestellt hat, sind die von der Klägerin gestalteten Trauerfeiern nicht ausschließlich im privatem Rahmen durchgeführt worden oder zB nur auf den engsten Kreis der Familienangehörigen begrenzt gewesen. Es hat sich vielmehr um prinzipiell offene Veranstaltungen gehandelt, was auch durch die Tatsache dokumentiert wird, dass zumeist nicht nur individuelle Trauerbriefe versandt, sondern auch entsprechende Trauermitteilungen in Tageszeitungen geschaltet worden sind. Gerade durch diese an eine unbestimmte Vielzahl von Lesern gerichteten Todesanzeigen wird der Adressatenkreis geöffnet. Letztlich unterscheidet sich diese Art der Bekanntgabe eines Bestattungstermins nur inhaltlich, nicht aber grundsätzlich von anderen Zeitungsanzeigen, die sich an eine nicht abgegrenzte Vielzahl von Personen richten und in denen zB auf einen Vortrag oder eine andere Veranstaltung aufmerksam gemacht wird - auch in diesen Fällen ist der Adressatenkreis prinzipiell unbestimmt, die spätere Teilnahme aber zweckidentisch und durch die Anhörung des Vortrags usw geprägt. Hier wie dort handelt es sich um einen abschätzbaren, aber nicht geschlossenen Personenkreis.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Im Namen des Volkes
Urteil
in dem Rechtsstreit
Verkündet am
23. März 2006
Az: B 3 KR 9/05 R
Der 3. Senat des Bundessozialgerichts hat auf die mündliche Verhandlung vom 23. März 2006 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Ladage, die Richter Dr. Hambüchen und Schriever sowie die ehrenamtlichen Richterinnen Dr. Picker und Dörr
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 1. Dezember 2004 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten der Klägerin auch im Revisionsverfahren.
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten über die Versicherungspflicht der Klägerin als Trauerrednerin in der Künstlersozialversicherung (KSV) für die Zeit von Mai 1999 bis Ende Februar 2004.
Die 1956 geborene Klägerin besitzt einen Studienabschluss für das Lehramt an Gymnasien mit den Fachrichtungen Französisch und Sport. Zwischen 1983 und Mitte 1997 war sie überwiegend als Sängerin und Schauspielerin an verschiedenen deutschen Theatern engagiert. Im Anschluss hieran nahm sie eine Beschäftigung als Trauerberaterin in einem Bestattungsinstitut auf, die sie im Mai 1998 beendete. Ab Juni 1998 war die Klägerin selbstständig als Trauerrednerin tätig; ergänzend gab sie Gesangunterricht und verfasste Trauergedichte und Gebete. Seit März 2004 übt sie eine versicherungspflichtige Beschäftigung als Küsterin aus.
Im Mai 1999 beantragte die Klägerin bei der beklagten Künstlersozialkasse die Feststellung ihrer Versicherungspflicht nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG). Dabei ordnete sie ihre Tätigkeit dem Bereich "Musik" als Texterin und Sängerin, speziell Trauergesang bei Bestattungen, dem Bereich "Darstellende Kunst" als Sprecherin sowie dem Bereich "Wort" als Schriftstellerin/Dichterin - Trauerrednerin - zu. Ihrem Antrag fügte sie ua das Titelverzeichnis einer von ihr aufgenommenen Compact Disc (CD) "Lieder zur Trauerfeier" und Beispiele von ihr verfasster Trauergedichte sowie Danksagungen von bisherigen Auftraggebern bei. Auf Nachfrage der Beklagten gab die Klägerin ergänzend an, sie plane monatlich zehn Trauerreden (à 350 DM) und zwei Bestattungen mit Gesang (zzgl je 150 DM) und damit einen Jahresumsatz von ca 45.000 DM ein. Dieses Einkommen verteile sich zu 70% auf ihre Arbeit als Trauerrednerin, zu 20% auf Gesang/CD und zu 10% auf die Tätigkeit als Schriftstellerin/Dichterin. Die Beklagte lehnte den Antrag der Klägerin mit Bescheid vom 9. Juli 1999 ab. Eine berufsmäßige Tätigkeit als Sängerin oder Dichterin sei nicht nachgewiesen. Schwerpunktmäßig trete die Klägerin als Trauerrednerin auf; dies stelle jedoch keine künstlerische Leistung iS des KSVG dar. Als Publizistin könne sie nicht anerkannt werden, weil es hierfür am erforderlichen Öffentlichkeitsbezug fehle. Den hiergegen gerichteten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchbescheid vom 13. April 2000 zurück.
Das Sozialgericht (SG) hat die angefochtenen Bescheide der Beklagten geändert und diese verurteilt, die Klägerin "als versicherungspflichtiges Mitglied in der KSV aufzunehmen" (Urteil vom 16. August 2001). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen (Urteil vom 1. Dezember 2004). Die Darbietungen als Trauerrednerin seien sowohl künstlerischer als auch publizistischer Natur. Die Klägerin erarbeite ihre Trauerreden nicht schablonenhaft, sondern im Wesentlichen eigenschöpferisch mit einem nicht unerheblichen Gestaltungsaufwand. Ihre Trauerbegleitung zeuge von Kreativität und weise ein jeweils individuell gestaltetes Gesamtkonzept auf, welches durch Reden, Gesänge usw. abgerundet werde; dies beweise den künstlerischen Charakter ihrer Arbeit. Die Tätigkeit der Klägerin beinhalte in wesentlichen Zügen aber auch eine der Öffentlichkeit zugängliche publizistische Leistung. Zwar wende sie sich nur an das begrenzte Publikum der Trauergemeinde, doch dieses repräsentiere die Öffentlichkeit ebenso wie das begrenzte Auditorium eines Schauspielers im Theater. Von einem Pfarrer unterscheide sich die Klägerin, weil jener an die Liturgie der Kirche gebunden sei, ein Trauerredner die Bestattungszeremonie hingegen eigenschöpferisch planen und gestalten könne.
Mit der vom Senat zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung von § 2 Satz 1 und 2 KSVG. Zu Unrecht habe das LSG die Tätigkeit der Klägerin als künstlerisch eingeordnet. Eine Trauerrednerin schaffe weder bildende Kunst noch werde sie im Bereich der darstellenden Kunst tätig; soweit im Einzelfall Todesanzeigen und Danksagungen grafisch gestaltet oder Trauergesänge bei der Bestattung dargeboten würden, handele es sich um marginale Teilbereiche, die das Gesamtbild der Tätigkeit nicht prägten. Der Beruf der Trauerrednerin weise vielmehr starke Ähnlichkeit zum Beruf des Pfarrers auf; auch dieser werde in weiten Kreisen der Bevölkerung nicht als künstlerisch angesehen. Eine Einordnung der Klägerin als Publizistin sei ebenfalls nicht möglich, weil eine Trauerfeier keine öffentliche Veranstaltung darstelle. Es handele sich in der Regel vielmehr um eine familiäre Zeremonie, bei der der Teilnehmerkreis von vorne herein begrenzt sei. Auch die Öffnungsklausel des § 2 Satz 2 KSVG - " in anderer Weise publizistisch tätig" - führe zu keinem anderen Ergebnis, weil eine Trauerfeier bzw die Tätigkeit als Trauerrednerin nicht im typischen Wirk- und Werkbereich der Publizistik stattfinde.
Die Beklagte beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 1. Dezember 2004 und des Sozialgerichts Lüneburg vom 16. August 2001 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Die Klägerin verteidigt die angefochtenen Entscheidungen.
II
Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Die Klägerin ist in der Zeit von Mai 1999 bis Februar 2004 zwar nicht als Künstlerin, wohl aber als Publizistin nach dem KSVG versicherungspflichtig tätig gewesen. Die Vorinstanzen haben die Bescheide der Beklagten vom 9. Juli 1999 und 13. April 2000 deshalb im Ergebnis zu Recht geändert. Allerdings hat das SG im Urteil vom 16. August 2001 irreführend tituliert, dass die Klägerin "als versicherungspflichtiges Mitglied in der KSV aufzunehmen" sei. Die KSV führt keine Mitglieder. Die Eigenschaft als selbstständiger Künstler oder Publizist ist lediglich Voraussetzung für die Versicherungspflicht nach dem KSVG; die von der Künstlersozialkasse festgestellt wird; zutreffend hätte daher unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide festgestellt werden müssen, dass die Klägerin in dem hier streitigen Zeitraum als Publizistin in der Rentenversicherung der Angestellten, in der gesetzlichen Krankenversicherung und in der sozialen Pflegeversicherung versichert (gewesen) ist. Von einer Änderung des Tenors des Urteil des LSG vom 1. Dezember 2004 hat der Senat abgesehen, die Klarstellung erfolgt an dieser Stelle.
Gemäß § 1 Nr 1 KSVG (idF durch das Pflege-Versicherungsgesetz vom 26. Mai 1994 ) werden selbstständige Künstler und Publizisten in der Rentenversicherung der Angestellten, in der gesetzlichen Krankenversicherung und in der sozialen Pflegeversicherung versichert, wenn sie eine künstlerische oder publizistische Tätigkeit erwerbsmäßig und nicht nur vorübergehend ausüben. Nach § 2 Satz 1 KSVG (idF durch das 2. KSV-ÄndG vom 13. Juni 2001, BGBl I 1027) ist Künstler iS dieses Gesetzes, wer Musik, darstellende oder bildende Kunst schafft, ausübt oder lehrt; Publizist ist, wer als Schriftsteller, Journalist oder in anderer Weise publizistisch tätig ist oder Publizistik lehrt (§ 2 Satz 2 KSVG). Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt, weil die Klägerin zwar nicht als Künstlerin, wohl aber "in anderer Weise publizistisch tätig" gewesen ist. Sie war in dem hier entscheidungserheblichen Zeitraum auch nicht nur vorübergehend selbstständig erwerbstätig und hat im Jahr der Antragstellung sowie in den Folgejahren ein Arbeitseinkommen aus dieser Betätigung erzielt, welches über der Geringfügigkeitsgrenze des § 3 Abs 1 Satz 1 KSVG liegt. Zudem war sie nicht aus den in §§ 4, 5 und 6 KSVG erfassten Gründen von einzelnen Zweigen der Versicherung frei oder befreit.
1. Entgegen der Ansicht der Vorinstanzen handelt es sich bei der hier in Rede stehenden Tätigkeit als Trauerrednerin allerdings nicht um eine künstlerische Tätigkeit iS des KSVG. Der Begriff der künstlerischen Tätigkeit ist aus dem Regelungszweck des KSVG unter Berücksichtigung der allgemeinen Verkehrsauffassung und der historischen Entwicklung zu erschließen (vgl BSG SozR 4-5425 § 24 Nr 6 RdNr 13 und BSGE 83, 160, 161 = SozR 3-5425 § 2 Nr 9 S 33 - jeweils mwN; zum Kunstbegriff des Art 5 Grundgesetz vgl BVerfGE 30, 173, 188 ff und 81, 108, 116; zur Zielrichtung des KSVG vgl BT-Drucks 9/26, S 18 und BT-Drucks 8/3172, S 19 ff). Aus den Materialien zum KSVG ergibt sich, dass der Begriff der Kunst trotz seiner Unschärfe auf jeden Fall solche künstlerischen Tätigkeiten umfasst, mit denen sich der "Bericht der Bundesregierung über die wirtschaftliche und soziale Lage der künstlerischen Berufe (Künstlerbericht)" aus dem Jahre 1975 (BT-Drucks 7/3071) beschäftigt (BSGE 83, 160, 165 f = SozR 3-5425 § 2 Nr 9 S 37 f; BSGE 83, 246, 250 = SozR 3-5425 § 1 Nr 5 S 23; vgl auch Finke/Brachmann/Nordhausen, KSVG, 3. Aufl 2004, § 2 RdNr 3 und 9; Schriever "Der Begriff der Kunst im Künstlersozialversicherungsrecht" in: von Wulffen/Krasney , Festschrift 50 Jahre Bundessozialgericht, 2004, S 709, 714 f). Der Gesetzgeber hat damit einen an der Typologie von Ausübungsformen orientierten Kunstbegriff vorgegeben, der in aller Regel dann erfüllt ist, wenn das zu beurteilende Werk den Gattungsanforderungen eines bestimmten Kunsttyps entspricht. Bei diesen Berufsfeldern ist das soziale Schutzbedürfnis zu unterstellen, ohne dass es auf die Qualität der künstlerischen Tätigkeit ankommt oder eine bestimmte Werk- und Gestaltungshöhe vorausgesetzt wird.
Im Künstlerbericht der Bundesregierung ist der Beruf des Trauerredners/der Trauerrednerin nicht verzeichnet. Im Bereich "Musik" finden sich allerdings die Katalogberufe des Texters und des Sängers sowie im Bereich "Darstellende Kunst" der Katalogberuf des Sprechers (BT-Drucks 7/3071, S 7); so hat sich die Klägerin auch selbst eingeordnet. Wer einen dieser Berufe ausübt, ist in aller Regel als Künstler anzusehen (vgl Finke/Brachmann/Nordhausen aaO § 2 RdNr 9 und 16; Brandmüller/Zacher/Thielpape, KSVG - Band I, Stand: Januar 2002, § 2 KSVG Anm 2). Nach den tatsächlichen und für den Senat bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des LSG entspricht die berufliche Betätigung der Klägerin mit ihrem Wesensgehalt indes keinem der vorgenannten - künstlerischen - Katalogberufe. Die Klägerin ist nicht mit einem Sänger oder Texter (Verfasser von Liedtexten) vergleichbar, denn ihren eigenen Angaben zufolge liegt der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit gerade nicht im Bereich "Musik". Sie wird nur gelegentlich zu Bestattungsfeiern mit Gesang verpflichtet; zudem beziffert sie den Anteil ihrer Einkünfte aus Gesang und der Erteilung von Gesangsunterricht sowie dem Verkauf ihrer CD lediglich auf 20% ihres gesamten Einkommens. Selbst wenn man davon ausgeht, dass sie früher lange Jahre als Sängerin gearbeitet hat und sich die verschiedenen Aspekte ihres Schaffens teilweise überschneiden, besitzt der dem Bereich "Musik" zuzuordnende Teil ihres Berufs als Trauerrednerin nur einen untergeordneten Stellenwert. Die Klägerin ist aber auch nicht mit einem Sprecher aus dem Bereich "Darstellende Kunst" vergleichbar, weil darunter nur dem Schauspieler vergleichbare Akteure verstanden werden - etwa Rezitatoren, Märchenerzähler oder Vorleser, die stimmlich und sprachlich auf die zu sprechenden Werke einwirken und diese nicht unerheblich künstlerisch gestalten (Brandmüller/Zacher/Thielpape aaO Band II Anlage 3A/8, S 53; vgl auch Finke/Brach-mann/Nordhausen aaO § 2 RdNr 15). Es handelt sich vorliegend vielmehr um ein aus mehreren Arbeitsgebieten zusammengesetztes gemischtes Berufsbild; in solchen Fällen kann von einer künstlerischen Tätigkeit nur dann ausgegangen werden, wenn die künstlerischen Elemente das Gesamtbild der Beschäftigung prägen, die Kunst also den Schwerpunkt der Berufsausübung bildet (BSGE 82, 107, 111 = SozR 3-5425 § 25 Nr 12 S 64 und Urteil des Senats vom 26. Januar 2006 - B 3 KR 1/05 R -, zum Abdruck in SozR 4 vorgesehen; vgl auch Finke/Brachmann/ Nordhausen aaO § 2 RdNr 9). Dies ist hier jedoch nicht der Fall, obwohl die Trauerreden überwiegend nicht nach Redeschablonen gefertigt, sondern im Wesentlichen eigenschöpferisch gestaltet werden und sich durch eine Vielfalt und Anpassung an den Einzelfall auszeichnen. Doch nicht die Form des Vortrags, sondern sein Gegenstand und Inhalt bilden den Schwerpunkt der Tätigkeit der Klägerin. Das Berufsbild des Trauerredners/der Trauerrednerin (vgl dazu http://infobub.arbeitsagentur.de/berufe - Stichwort "Trauerredner/in") hat sich aus einem Teilbereich des Tätigkeitsbildes des Pfarrers entwickelt, der üblicherweise das Begräbnis konfessionsgebundener Personen gestaltet und dabei nach allgemeinem Verständnis nicht Kunst schafft, sondern Elemente des Brauchtums, der Seelsorge und des Gottesdienstes miteinander verbindet. Die Trauerredner/innen haben diese Aufgabe für nicht religiös gebundene Menschen übernommen, ohne aber an dem grundsätzlich-rituellen Charakter der Zeremonie Wesentliches zu ändern. Bei beiden Berufsgruppen steht der Wortbeitrag bei einem Begräbnis im Vordergrund, sie sind deshalb nicht als Künstler anzusehen (ebenso SG Hannover, Urteil vom 7. März 2000 - S 11 KR 16/99 -; vgl auch SG Berlin, Urteil vom 20. April 2004 - S 82 KR 248/02 -, und SG Düsseldorf, Urteil vom 13. Dezember 2001 - S 26 (4) KR 106/00 -, alle nicht veröffentlicht).
2. Die Klägerin gehört aber zum Kreis der in § 2 Satz 2 KSVG genannten Publizisten. Leitbilder publizistischer Tätigkeit sind die im Gesetz ausdrücklich genannten Berufsbilder des Schriftstellers und des Journalisten. Hierzu zählt die Klägerin nach den bindenden Feststellungen des LSG allerdings schon deshalb nicht, weil sie den Anteil ihrer Einkünfte aus der Tätigkeit als Schriftstellerin/Dichterin selbst auf lediglich 10% ihres gesamten Einkommens beziffert und es - wie bereits erwähnt - bei einer gemischten Tätigkeit auf den jeweiligen Schwerpunkt ankommt. Der Gesetzgeber hat den Begriff des Publizisten iS des KSVG jedoch nicht auf diese "klassischen" Berufe beschränkt, wie sich aus der Öffnungsklausel "oder in anderer Weise publizistisch tätig" ergibt. Daraus sowie aus dem für die freien künstlerischen und publizistischen Berufe in aller Regel anzunehmenden sozialen Schutzbedürfnis hat der Senat gefolgert, dass der Begriff des Publizisten weit auszulegen ist (vgl BSGE 78, 118, 120 = SozR 3-5425 § 26 Nr 2 S 4; SozR 3-5425 § 2 Nr 12 mwN). Die Anerkennung als Publizist setzt nicht voraus, dass der/die Betreffende in einem publizistischen Beruf vorgebildet ist oder besondere Wertschätzung in Publizistikkreisen genießt. Die Anerkennung eines Trauerredners als Publizist setzt somit ebenfalls keine professionelle Vorbildung oder ein Niveau als Redner voraus, das auf einer Stufe mit dem Verfassen redaktioneller Nachrufe in den Medien stehen (so aber Finke/Brachmann/Nordhausen aaO § 2 RdNr 21). Der Begriff des Publizisten beschränkt sich auch nicht auf die inhaltliche Gestaltung und Aufmachung von Büchern und sog Massenkommunikationsmitteln (zB Zeitschriften, Zeitungen, Broschüren), sondern erfasst jeden im Kommunikationsprozess an einer öffentlichen Aussage schöpferisch Mitwirkenden (BSG SozR 3-5425 § 2 Nr 12 und SozR 4-5425 § 25 Nr 1; so auch Meyers Enzyklopädisches Lexikon, 9. Aufl, Bd 19 S 381). Eine Publikation wird überwiegend schriftlich, sie kann aber auch in mündlicher Form erfolgen; gerade nicht-schriftliche Publikationen sind in den letzten Jahren durch die Verbreitung von Funk und Fernsehen deutlich in den Vordergrund gerückt. Das Wort "Publizist" geht zurück auf das lateinische Verb "publicare", was mit "veröffentlichen" zu übersetzen ist. Dabei verzichtet das Gesetz allerdings auf die Nennung einer Zahl von potentiellen Interessenten oder Adressaten, die in der Regel erreicht sein muss, um von "Öffentlichkeit" zu sprechen. Der Begriff "Öffentlichkeit" lässt sich auch nicht aus sich selbst zahlenmäßig näher eingrenzen; die Öffentlichkeit kann einerseits, wie zB bei Boulevardblättern, sehr breit sein, andererseits aber auch nur einen engen Kreis von Interessenten betreffen, wie zB bei hochspezialisierten Fachzeitschriften oder Lehrbüchern. Der Senat hat in einer früheren Entscheidung zur näheren Begriffsbestimmung auf § 15 Abs 3 Urheberrechtsgesetz vom 9. September 1965 (BGBl I 1273) - der allerdings eine andere Zielrichtung, nämlich dem Urheberrechtsschutz hat - verwiesen, wonach die Wiedergabe eines Werkes bereits dann öffentlich ist, wenn sie für eine Mehrzahl von Personen bestimmt ist, es sei denn, dass der Kreis dieser Personen bestimmt abgegrenzt ist und sie durch gegenseitige Beziehung oder durch Beziehung zum Veranstalter persönlich untereinander verbunden sind (BSG SozR 3-5425 § 2 Nr 12 S 54). Als Beispiel für eine solche Begrenzung ist damals die Erstellung und Verteilung von Seminarunterlagen an die Teilnehmer eines konkreten Seminars genannt worden (BSG aaO). Ein weiteres Beispiel findet sich in der Rechtsprechung des Senats zur Einordnung kunsthistorischer Vorträge: Auch hier ist das Merkmal der Öffentlichkeit thematisiert worden, weil die Vorträge zwar prinzipiell für jedermann zugänglich waren, tatsächlich aber nur vor einem begrenzten und überschaubaren Zuhörerkreis stattgefunden haben; letztlich ist die Entscheidung dieser Frage offen geblieben (BSG SozR 3-5425 § 2 Nr 7).
Im vorliegenden Fall ist der erforderliche Öffentlichkeitsbezug aber hergestellt, weil sich Trauerredner - wie hier die Klägerin - an durch das persönliche Verhältnis zum Verstorbenen individualisierte Trauergemeinden richten, der Kreis der Teilnehmer aber prinzipiell offen bleibt und nicht von vornherein zB auf engste Familienangehörige begrenzt ist. Denn es kommt nicht darauf an, ob die in Rede stehende Publikation einen weiten oder nur einen engen Kreis von Interessenten betrifft; entscheidend ist allein die Möglichkeit des offenen, und nicht begrenzten Zugangs, mögen die Teilnehmer auch durch eine persönliche Beziehung zum Verstorbenen gekennzeichnet sein.
Trauerfeiern gehören - ob mit oder ohne religiösen Bezug - zum überkommenen und über Jahrhunderte gepflegten Brauchtum; sie sind in aller Regel nicht als an die breite Öffentlichkeit gerichtete Veranstaltungen anzusehen, sondern dienen einer letzten Würdigung des/der Verstorbenen und dem Abschiednehmen durch die Lebenden. Der Kreis der Teilnehmer an solchen Trauerfeiern wird zumeist durch die jeweilige persönliche Beziehung zum/zur Verstorbenen bestimmt. Die Rechtsprechung der Zivilgerichte zum Urheberrechtsschutz lässt erkennen, dass eine Veranstaltung dort noch als "öffentlich" angesehen wird, wenn sie in geschlossenen Räumen, gar als "geschlossene Veranstaltung" stattfindet, sofern der Kreis der Teilnehmer nicht durch rein private und persönliche Beziehungen untereinander verbunden ist, sondern der Zweck der Veranstaltung die Teilnehmer zusammenführt (Betriebsfeier - BGHZ 17, 376). "Öffentlichkeit" ist ebenso bejaht worden bei Musikaufführungen in einer Justizvollzugsanstalt, weil die Insassen zwangsweise, aber nicht durch persönliche Beziehung verbunden sind (BGH, Urteil vom 7. Juni 1984 - I ZR 57/82 -, NJW 1984, 2884), und bei Altenheimbewohnern, die nur als reine Wohngemeinschaft miteinander verbunden sind (BGH, Urteil vom 12. Juli 1974 - I ZR 68/73 -, NJW 1974, 1872). Trauerfeiern sind in der Regel ebenfalls nicht auf den Kreis der persönlich miteinander verbundenen - nahen - Angehörigen beschränkt; angesprochen werden vielmehr alle, die sich veranlasst fühlen, dem Verstorbenen die letzte Ehre zu erweisen, mögen sie zu den übrigen Teilnehmern an der Beisetzung auch keinerlei persönliche Beziehungen haben. Trauerfeiern sind in diesem Sinne "öffentlich".
Steht der Wortsinn "publik" somit einer Einbeziehung von Trauerrednern in die Künstlersozialversicherung als Publizisten nicht entgegen, spricht erst recht die Zielrichtung der Künstlersozialversicherung dafür, derartige Personen einzubeziehen, die durch die Fähigkeit zur öffentlichen Rede in der Lage sind, darauf eine freiberufliche wirtschaftliche Existenz zu gründen. Sie unterscheiden sich vom Beruf des Pfarrers schon deshalb, weil es sich bei diesem um einen vielschichtigen, in abhängiger Beschäftigung ausgeübten Beruf handelt, bei dem eine umfassende seelsorgerische Betätigung im Vordergrund steht und die Trauerbegleitung bei Beerdigungen nur einen Teilausschnitt darstellt.
Wie das LSG unangegriffen und damit für den Senat bindend (§ 163 SGG) festgestellt hat, sind die von der Klägerin gestalteten Trauerfeiern nicht ausschließlich im privatem Rahmen durchgeführt worden oder zB nur auf den engsten Kreis der Familienangehörigen begrenzt gewesen. Es hat sich vielmehr um prinzipiell offene Veranstaltungen gehandelt, was auch durch die Tatsache dokumentiert wird, dass zumeist nicht nur individuelle Trauerbriefe versandt, sondern auch entsprechende Trauermitteilungen in Tageszeitungen geschaltet worden sind. Gerade durch diese an eine unbestimmte Vielzahl von Lesern gerichteten Todesanzeigen wird der Adressatenkreis geöffnet. Letztlich unterscheidet sich diese Art der Bekanntgabe eines Bestattungstermins nur inhaltlich, nicht aber grundsätzlich von anderen Zeitungsanzeigen, die sich an eine nicht abgegrenzte Vielzahl von Personen richten und in denen zB auf einen Vortrag oder eine andere Veranstaltung aufmerksam gemacht wird - auch in diesen Fällen ist der Adressatenkreis prinzipiell unbestimmt, die spätere Teilnahme aber zweckidentisch und durch die Anhörung des Vortrags usw geprägt. Hier wie dort handelt es sich um einen abschätzbaren, aber nicht geschlossenen Personenkreis.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.