08.06.2010 · IWW-Abrufnummer 101670
Finanzgericht Baden-Württemberg: Urteil vom 01.02.2010 – 9 K 1449/09
1. Veräußert ein Gesellschafter an einer Partnerschaftsgesellschaft seinen gesamten Mitunternehmeranteil, ist nach § 16 Abs. 2 Satz 2 EStG der Wert des Anteils zwingend nach § 4 Abs. 1 oder § 5 EStG zu ermitteln. Dies gilt auch dann, wenn die Partnerschaftsgesellschaft ihren Gewinn bisher durch Einnahme-Überschuss-Rechnung nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelte.
2. Die Gesellschaft hat zum Zwecke der Abgrenzung des laufenden Gewinns vom Gewinn aus der Veräußerung und zur Ermittlung des steuerlich begünstigten Veräußerungsgewinns fiktiv auf eine Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG überzugehen und eine Übergangsbilanz mit den sich aus dem Wechsel der Gewinnermittlungsart ergebenden Zu- und Abrechnungen zu erstellen. § 16 Abs. 2 Satz 2 EStG ist zwingendes Gesetzesrecht und steht nicht zur Disposition der Gesellschafter einer Mitunternehmerschaft. Die Regelung kann nicht durch anderslautende privatvertragliche Regelungen ersetzt werden.
3. Die Partnerschaftsgesellschaft besitzt kraft Gesetzes keine eigene umfassende Steuerrechtsfähigkeit, sondern ist nur insoweit Steuerrechtssubjekt, als Gegenstand der Feststellung die Einkunftsart und die Ermittlung der Einkünfte sind.
FG Baden-Württemberg v. 01.02.2010
9 K 1449/09
Tatbestand
Streitig ist, ob bei der Veräußerung eines Mitunternehmeranteils zur Ermittlung des Veräußerungsgewinns der Wert des Betriebsvermögens nach § 4 Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) i.V.m. § 5 EStG zu ermitteln ist.
Der Kläger (Kl) veräußerte mit Vertrag vom 29. September 2006 seinen gesamten Mitunternehmeranteil in Höhe von 90% an der damaligen Partnerschaftsgesellschaft „X.Y. und Partner”, Steuerberatungsgesellschaft in Z. mit Wirkung zum 01. Oktober 2006 an den beigeladenen A.B.. Außer dem Kl war noch die beigeladene K.L. mit 10% am Vermögen der Partnerschaftsgesellschaft beteiligt. Am Gewinn und Verlust der Partnerschaftsgesellschaft waren der Kl zu 80% beteiligt, K.L. zu 20%.
In der – auch vom Kl unterschriebenen-Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Grundlagen für die Einkommensbesteuerung 2006 vom 27. Februar 2008 wurde ein Veräußerungsgewinn des Kl aus dem Verkauf seines Mitunternehmeranteils an den beigeladenen A.B. in Höhe von x.xxx.xxx,xx EUR erklärt. Der Verkaufspreis betrug x.xxx.xxx EUR. Er setzte sich wie folgt zusammen:
Mandantenstamm x.xxx.xxx EUR
Vermögenswerte xxx.xxx EUR
Stille Reserven xxx.xxx EUR
Der Erlös wurde durch Veräußerungskosten in Höhe von xx.xxx,xx EUR sowie erfolgsneutrale Positionen in Höhe von xx.xxx,xx EUR (immaterielle Wirtschaftsgüter, Sach- und Finanzanlagen sowie Kasse und Bankguthaben) gemindert. Dem Erlös wurden x.xxx,xx EUR Vorsteuererstattung aus den Veräußerungskosten hinzugerechnet.
Laut der beim Beklagten (Bekl) eingereichten Feststellungserklärung sollte sich der laufende Gewinn des Kl für die Zeit vom 01. Januar bis 30. September 2006 auf xxx.xxx,xx EUR sowie dessen Veräußerungsgewinn auf x.xxx.xxx EUR belaufen.
Allerdings ermittelte die Partnerschaftsgesellschaft zum Veräußerungszeitpunkt (30. September 2006) den Wert des Betriebsvermögens nicht durch die Erstellung einer Bilanz gemäß § 16 Abs. 2 Satz 2 EStG, da der Kl der Meinung war, aufgrund der vertraglichen Vereinbarungen im Übertragungsvertrag hierzu nicht verpflichtet zu sein (§ 2 Abs. 1 des Übertragungsvertrags lautet: „Die steuerliche Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG wird in der Abgrenzung zum Übergabestichtag durchgreifend beibehalten.”).
Der Bekl rechnete dem Kl durch unter dem Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 Abs. 1 AO stehenden Feststellungsbescheid vom 03. September 2008 neben einem Veräußerungsgewinn in Höhe von x.xxx.xxx EUR auch einen laufenden Gewinn in Höhe von xxx.xxx,xx EUR sowie Sonderbetriebsausgaben in Höhe von xx.xxx,xx EUR zu. Die Erhöhung des laufenden Gewinns um xxx.xxx,xx EUR gegenüber der Feststellungserklärung vom 27. Februar 2008 begründete der Bekl mit der Gesetzesvorschrift in § 16 Abs. 2 Satz 2 EStG, wonach der Wert des Betriebsvermögens zur Ermittlung des Veräußerungsgewinns nach § 4 Abs. 1 oder nach § 5 EStG zu ermitteln ist. Die sich durch den Übergang zur Bilanzierung ergebenden Gewinnkorrekturen seien dem laufenden Gewinn hinzuzurechnen. Die Ermittlung des Übergangsgewinns ist zwischen den Beteiligten unstreitig (s. Feststellungsakte der GbR, S. 74 f.)
Gegen den Feststellungsbescheid vom 03. September 2008 legte der Kl am 29. September 2008 Einspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung. Er vertrat die Auffassung, dass er aufgrund § 2 Abs. 1 des Übergabevertrags keine Bilanz zum Übertragungszeitpunkt habe erstellen müssen und der Bekl ebenso wenig aufgrund einer solchen den Veräußerungsgewinn ermitteln dürfe. Mithin habe der Bekl die Werte aus der Feststellungserklärung vom 27. Februar 2008 dem Feststellungsbescheid zugrunde legen müssen.
Mit Bescheid vom 06. November 2008 lehnte der Bekl die Aussetzung der Vollziehung des Feststellungsbescheids vom 03. September 2008 ab. Nach § 18 Abs. 3 Satz 1 EStG führe die Veräußerung des GbR-Anteils durch den Kl an A.B. zu Einkünften aus selbständiger Tätigkeit. Der Veräußerungsgewinn sei nach § 18 Abs. 2 Satz 2 EStG i.V.m. § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 2 EStG durch Bestandsvergleich nach § 4 Abs. 1 oder § 5 EStG zu ermitteln. Dazu sei zwingend eine Bilanz zum Übertragungszeitpunkt zu erstellen. Diese gesetzliche Vorgabe könne nicht durch eine privatvertragliche Regelung, wie in § 2 Abs. 1 des Übergabevertrags, abbedungen werden.
Nachdem der Bekl am 22. Dezember 2008 den Feststellungsbescheid 2006 nach § 164 Abs. 2 AO geändert hatte, ohne dass sich daraus für den Kl Veränderungen ergaben (diese betrafen allein A.B.), wies der Bekl mit derselben Begründung – wie bei der Ablehnung der AdV – am 29. Januar 2009 auch den Einspruch des Kl gegen den Feststellungsbescheid 2006 als unbegründet zurück.
Am 10. Dezember 2008 beantragte der Kl beim Finanzgericht, den Feststellungsbescheid 2006 von der Vollziehung auszusetzen. Diesen Antrag hat der erkennende Senat durch Beschluss vom 03. Juni 2009 abgelehnt. Am 23. Februar 2009 reichte der Kl gegen die ablehnende Einspruchsentscheidung vom 29. Januar 2009 beim Finanzgericht Klage ein.
Im Rahmen des Klageverfahrens trug der Kl zudem vor, dass der Bundesgerichtshof (BGH) in einigen jüngeren Urteilen der GbR und damit auch der Partnerschaftsgesellschaft die Teilrechtsfähigkeit zugesprochen habe (BGH-Urteile vom 18. Februar 2002 II ZR 331/00, Neue Juristische Wochenschrift – NJW-2002, 1207 – Parteifähigkeit; vom 25. September 2006 II ZR 218/05, NJW 2006, 3716 – Grundbuchfähigkeit). Auch das Steuerrecht, hier das Einkommensteuerrecht, habe die Teilrechtsfähigkeit der Mitunternehmerschaften zur Kenntnis zu nehmen. Die Partnerschaftsgesellschaft sei als eigenständiges Steuerrechtssubjekt anzuerkennen. Würden Anteile an einer Partnerschaftsgesellschaft veräußert, habe dies auf der Ebene der – nach Auffassung des Kl-intransparenten Gesellschaft keine Auswirkung. Es sei mithin keine Bilanz zum Übertragungszeitpunkt zu erstellen und für die Berechnung eines Veräußerungsgewinns heranzuziehen.
Die Kl beantragt,
den Feststellungsbescheid 2006 vom 22. Dezember 2008 unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 29. Januar 2009 dergestalt zu ändern, dass bei den Einkünften aus selbständiger Arbeit des Kl die vom Bekl vorgenommene Umqualifizierung eines Teilbetrags von xxx.xxx,xx EUR von Veräußerungsgewinn in laufenden Gewinn wieder rückgängig gemacht wird und
gegen das Urteil des Finanzgerichts die Revision zum Bundesfinanzhof zuzulassen.
Der Bekl beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er verwies vollumfänglich auf die ergangene Einspruchsentscheidung sowie die im finanzgerichtlichen Verfahren gewechselten Schriftsätze.
Das Gericht hat mit Beschluss vom 03. Juni 2009 A.B. und K.L. von Amts wegen notwendig zum Verfahren beigeladen, § 60 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 FGO.
Die Beteiligten haben übereinstimmend auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet (§ 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung – FGO –).
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze, die sich in der finanzgerichtlichen Akte befinden, sowie die vom Finanzamt vorgelegten Steuerakten Bezug genommen (§ 71 Abs. 2 FGO).
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Im vorliegenden Fall bestehen an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Feststellungsbescheids keine Zweifel.
1) Gemäß § 18 Abs. 3 i.V.m. § 16 Abs. 1 Nr. 2 EStG gehören zu den Einkünften aus selbständiger Arbeit auch Gewinne, die bei der Veräußerung des gesamten Mitunternehmeranteils an einer Steuerberatungsgesellschaft, die in der Rechtsform einer Partnerschaftsgesellschaft betrieben wird, entstehen.
Die Partnerschaftsgesellschaft ist als eigene Rechtsform an die Offene Handelsgesellschaft angelehnt. Allerdings übt die Partnerschaftsgesellschaft kein Handelsgewerbe aus, da sich in ihr die Angehörigen Freier Berufe zur Ausübung ihrer Berufe zusammenschließen (§ 1 Abs. 1 Partnerschaftsgesetz; s. auch L. Schmidt, Kommentar zum EStG, 28. Aufl. 2009, § 18 Rn 419). Einkommensteuerlich ist die Partnerschaftsgesellschaft als andere Personengesellschaft im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG anzusehen, bei der im Wesentlichen die für eine Freiberufler-GbR geltenden Grundsätze heranzuziehen sind (Urteil des Finanzgerichts – FG-Münster vom 15. Juli 2008, Entscheidungen der Finanzgerichte – EFG-2009, 106; L. Schmidt, EStG-Kommentar, § 15 Rn 160 und 334).
Veräußert mithin ein Gesellschafter an einer Partnerschaftsgesellschaft seinen gesamten Mitunternehmeranteil, ist nach § 16 Abs. 2 Satz 2 EStG der Wert des Anteils zwingend nach § 4 Abs. 1 oder § 5 EStG zu ermitteln. Dies gilt auch dann, wenn die Partnerschaftsgesellschaft ihren Gewinn bisher durch Einnahme-Überschuss-Rechnung nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelte (BFH-Urteile vom 16. März 1989 IV R 153/86, BStBl II 1989, 557; vom 26. April 1995 XI R 86/94, BFHE 178, 378, BStBl II 1996, 4; Urteil des FG Baden-Württemberg vom 29. März 1979 III R 157/78 , EFG 1979, 379; Herrmann/Heuer/Raupach, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 16 Rn 339). Die Gesellschaft hat zum Zwecke der Abgrenzung des laufenden Gewinns vom Gewinn aus der Veräußerung und zur Ermittlung des steuerlich begünstigten Veräußerungsgewinns fiktiv auf eine Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG überzugehen und eine Übergangsbilanz mit den sich aus dem Wechsel der Gewinnermittlungsart ergebenden Zu- und Abrechnungen zu erstellen.
Da § 16 Abs. 2 Satz 2 EStG zwingendes Gesetzesrecht ist, steht es nicht zur Disposition der Gesellschafter einer Mitunternehmerschaft und kann nicht durch anderslautende privatvertragliche Regelungen ersetzt werden. Aus diesem Grund vermag § 2 Abs. 1 des Übertragungsvertrags („Die steuerliche Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG wird in der Abgrenzung zum Übergabestichtag durchgreifend beibehalten.”) § 16 Abs. 2 Satz 2 EStG weder zu ergänzen noch zu ersetzen.
Der angegriffene Feststellungsbescheid vom 22. Dezember 2008, der dem Kl – auf der Basis einer vom Bekl vorgenommenen Übergangsbilanz – neben einem Veräußerungsgewinn in Höhe von x.xxx.xxx EUR auch einen laufenden Gewinn in Höhe von xxx.xxx,xx EUR sowie Sonderbetriebsausgaben in Höhe von xx.xxx,xx EUR zuweist, ist daher nicht zu beanstanden. Auch der Kl ist der Ansicht, dass der Übergangsgewinn in seiner Höhe korrekt ermittelt wurde.
2) Ebenso ändert der Verweis des Kl auf die Rechtsprechung des BGH, der in einigen jüngeren Urteilen der Rechtsform der GbR die Teilrechtsfähigkeit zugesprochen hat (BGH-Urteile vom 18. Februar 2002 II ZR 331/00, NJW 2002, 1207 – Parteifähigkeit; vom 25. September 2006 II ZR 218/05, NJW 2006, 3716 – Grundbuchfähigkeit), nichts am (einkommen-)steuerlichen Ergebnis.
Anders als im Zivilrecht, wo gesetzliche Regelungen über die (Teil-) Rechtsfähigkeit der GbR fehlen, gibt es im Einkommensteuerrecht in § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG gesetzliche Vorgaben für die Behandlung der GbR und anderer Mitunternehmerschaften. Nach § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG gehören zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb (§ 2 Abs. 3 Nr. 2 EStG) bei Gesellschaftern einer OHG, einer KG oder einer anderen Gesellschaft, bei der der Gesellschafter als Mitunternehmer anzusehen ist, die Gewinnanteile. Diese Gewinnanteile sind „Einkommen” der Personenvereinigung, das nicht bei ihr, sondern bei den Gesellschaftern unmittelbar zu versteuern ist. Entsprechendes gilt nach klarstellenden (BFH-Urteil vom 02. Dezember 1982 IV R 72/79, BFHE 137, 323, BStBl II 1983, 215) Ergänzungen des EStG in § 13 Abs. 5 für Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft (§ 2 Abs. 3 Nr. 1 EStG) und in § 18 Abs. 5 für Einkünfte aus selbständiger Arbeit (§ 2 Abs. 3 Nr. 3 EStG), mithin für den gesamten Bereich der Gewinneinkünfte (Beschlüsse des Großen Senats des BFH vom 25. Juni 1984 GrS 4/82, BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751 unter C III.3.b.aa; vom 03. Juli 1995 GrS 1/93, BFHE 178, 86, BStBl II 1995, 617 unter C.I; BFH-Urteil vom 09. Dezember 2002 VIII R 40/01, BFHE 201, 180, BStBl II 2003, 294).
Die GbR und damit auch die Partnerschaftsgesellschaft besitzt somit kraft Gesetzes keine eigene umfassende Steuerrechtsfähigkeit, sondern ist nur insoweit Steuerrechtssubjekt, als die Feststellung der Einkunftsart und die Ermittlung der Einkünfte zur Debatte stehen (L. Schmidt, Kommentar zum EStG, § 15 Rn 164 m.w.N.).
Veräußert mithin ein Mitunternehmer seinen gesamten Gesellschaftsanteil an einer Partnerschaftsgesellschaft, ist dies kein Vorgang, der allein die Ebene der Gesellschaft betrifft. Aufgrund der im Einkommensteuerrecht angelegten Transparenz des Personenzusammenschlusses muss zur Ermittlung des Vermögensstatus der Gesellschaft eine Bilanz erstellt werden, § 16 Abs. 2 Satz 2 EStG.
Nach alledem war die Klage als unbegründet abzuweisen.
II) Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
III) Da keiner der in § 115 Abs. 2 FGO normierten Revisionszulassungsgründe ersichtlich ist, lässt das Gericht gegen das Urteil die Revision zum BFH nicht zu.