07.07.2010 · IWW-Abrufnummer 102098
Finanzgericht Niedersachsen: Urteil vom 27.05.2010 – 16 K 331/09
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
NIEDERSÄCHSISCHES FINANZGERICHT
URTEIL
vom 27.05.2010
Az.: 16 K 331/09
Tatbestand
Der Kläger war seit dem 1. Mai 2005 als Facharzt für Mikrobiologie, Virologie und Infektionsepidemie mit dem Tätigkeitsschwerpunkt Krankenhaushygiene und Praxishygiene in Osnabrück selbständig tätig. Am 1. Juni 2005 schloss er mit der „Laborpraxis“ Dr. X und Kollegen eine Kooperationsvereinbarung. Danach traf die Laborpraxis mit ihren Einsendern in eigenem Ermessen Vereinbarungen über hygienische Beratungsleistungen und konnte dabei den Kläger als „beratenden Krankenhaushygieniker“ benennen (§ 2 der Vereinbarung). Nach § 1 der Vereinbarung beauftragt die Laborpraxis den Kläger mit der Durchführung von krankenhaus- und praxishygienischen Betreuungen, Beratungen, Bewertungen, Begutachtungen und Fortbildungen für sich und ihre Einsender. Das Abrechnungsrecht über die Vergütungen über hygienische Beratungsleistungen lag bei der Laborpraxis (§ 2 Satz 2 der Vereinbarung). Wegen der Einzelheiten wird auf die Kooperationsvereinbarung verwiesen.
Die Tätigkeit des Klägers für die Laborarztpraxis unterteilte sich in die zwei Arbeitsbereiche Beratungsleistung "Hygiene" für Einsender der Laborarztpraxis und Laborleistung "Hygiene". Die angebotenen Beratungsleistungen Hygiene umfassten die Bewertung von Neu- und Umbaumaßnahmen, die Hilfe bei Erstellung von Hygieneplänen, die Erfassung und Bewertung nosokomialer Infektionen, das Ausbruchsmanagement bei nosokomialen Infektionen und die Umsetzung ordnungsgemäßer Abfallentsorgung von Abfällen aus Einrichtungen des Gesundheitsdienstes. Die angebotenen "Laborleistung Hygiene" umfassten die Überprüfung der Aufbereitungsqualität von Medizinprodukten und Gebrauchsgegenständen (Reinigungs- und Desinfektionsprozesses, Aufbereitungserfolg von Endoskopen, Sterilisationsfragen), die Flächenhygiene (Abdruck und Abstrichuntersuchungen Flächen), die Händehygiene, die Untersuchung von Wasserversorgungsanlagen und Geräten mit wasserführenden Systemen, die Überprüfung von Schwimm-, Bade-, Therapie- und Bewegungsbecken und die hygienische Überprüfung von technischen Anlagen. Die entsprechenden Leistungen wurden für auftraggebende Krankenhäuser, Arztpraxen, Alten- und Pflegeheime erbracht. Die Beratungsleistungen wurden von ihm fernmündlich, schriftlich in Form von Stellungnahmen zu Hygienefragen und auch direkt im Rahmen von Ortsterminen in Krankenhäusern und Arztpraxen erbracht. Inhaltlich erstreckte sich sein Tätigkeitsfeld auf die Bearbeitung und Beantwortung folgender Fragestellungen:
- Wie können Krankenhausinfektionen durch das richtige Personalverhalten vermieden werden (Händehygiene, Kleidungshygiene, Verhaltensregeln in OP-Abteilungen, Intensiv-
stationen oder anderen Funktionsbereichen)?
- Welche speziellen Strategien müssen angewendet werden, um besonders schwere Krankenhausinfektionen und Blutvergiftungen so weit wie möglich zu vermeiden?
- Wie kann das Maß der tatsächlich vorhandenen Krankenhausinfektionen ermittelt, bewertet und positiv beeinflusst werden (lnfektionsstatistik, Interventionsstrategien)?
- Welche besonderen Maßnahmen müssen getroffen werden, wenn Patienten mit besonders gefährlichen Erregern wie Tuberkulosebakterien oder Keimen, gegen welche die üblicherweise eingesetzten Antibiotika unwirksam geworden sind (multiresistente Keime wie ORSA bzw. MRSA), infiziert sind und behandelt werden sollen?
- Wie muss bei Auftreten von Gruppenerkrankungen (Epidemien) vorgegangen werden, um eine weitere Ausbreitung der Erreger in der Einrichtung zu verhindern (Quellensuche, Unterbrechung von Infektionsketten)?
- Wie müssen Instrumente und andere medizinische Geräte aufbereitet werden, damit eine Übertragung von Krankheitserregern auf Patienten ausgeschlossen werden kann (Reinigung, Desinfektion, Sterilisation)?
- Wie müssen Flächen und Gegenstände in Krankenhaus und Praxis gereinigt oder desinfiziert werden, um Infektionsübertragungen zu vermeiden?
- Wie müssen technische Anlagen betrieben werden, um eine Patienten- und Mitarbeitergefährdung zu minimieren (z. B. Betrieb von Warmwasseranlagen zur Vermeidung Legionärserkrankungen, Betrieb von Beatmungssystemen zur Verminderung des Risikos für Lungenentzündungen)?
- Welche Aspekte der Hygiene müssen beim Bau oder Umbau von OP-Abteilungen, Intensivstationen, Funktionsabteilungen, Sterilisationsabteilungen, Allgemeinstationen oder Arztpraxen beachtet werden?
- Wie muss mit infektiösen Abfällen in Krankenhaus und Praxis umgegangen werden?
- Erfolgen die Funktionsabläufe in Krankenhäusern und Arztpraxen in Übereinstimmung mit den Empfehlungen aus der "Richtlinie für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention" des Robert-Koch-Institutes?
Die vom Kläger erbrachten Leistungen erfolgten für die entsprechenden Zielgruppen teilweise in den genannten Einrichtungen oder in Zusammenarbeit mit freiberuflich tätigen Hygienefachkräften, Betriebsärzten oder Laborärzten. Den weit überwiegenden Teil seiner Tätigkeit leistete der Kläger im Rahmen der mit der Laborgemeinschaft abgeschlossenen Koordinationsvereinbarung.
In seinen Umsatzsteuererklärungen der Streitjahre behandelte der Kläger die Umsätze aus seiner Tätigkeit als nach § 4 Nr. 14 UStG umsatzsteuerfrei. Soweit er mehr technische Beratung bei der Ausgestaltung beispielsweise von Bauten geleistet hatte, hatte er diese Leistungen der Umsatzsteuer unterworfen. Der Beklagte versagte die Umsatzsteuerbefreiung unter Hinweis auf eine fehlende unmittelbar auf den Patienten gerichtete heilberufliche Tätigkeit und unterwarf die Umsätze mit Bescheiden vom 19. Juli 2007, 10. April 2008 und 23. März 2009 der Umsatzsteuer. Der dagegen eingelegte Einspruch war erfolglos.
Der Kläger ist der Auffassung, ein Großteil seiner beratenden Tätigkeit sei als Präventivmedizin anzusehen. Heilbehandlungen würden im Bereich der Humanmedizin als solche umschrieben, die zum Zweck der Vorbeugung, Diagnosebehandlung und, soweit möglich, der Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen bei Menschen vorgenommen werden. Bei der Krankenhaus- und Praxishygiene handele es sich um einen Zweig der Präventivmedizin, der als Bestandteil einer umfassenden Patientenversorgung unverzichtbar sei. Es werde als gerichtsbekannt unterstellt, dass in deutschen Krankenhäusern jährlich 20.000 Menschen an Infektionen sterben, was auf mangelnde Hygiene zurückzuführen sei. Seine Aufgabe sei unter anderem, Infektionsfälle aufzuklären, um das Ausbreiten von Infektionen zu verhindern, respektive die Effektivität eingeleiteter Maßnahmen zu überprüfen. Es handele sich um Vorbeugungsmaßnahmen, die unzweifelhaft dem Schutz der Gesundheit der Patienten und Ärzten dienten und damit um ein Fachgebiet der Präventivmedizin. Insofern übe er als Hygieneberater und Facharzt der Mikrobiologie, Virologie und Infektionsepidemiologie eine typische ärztliche Tätigkeit im Rahmen einer Heilbehandlung aus. Dies sei ihm durch die Ärztekammer Niedersachsen und das Niedersächsische Landesgesundheitsamt bestätigt worden und ergebe sich auch aus den Protokollen über verschiedene Hygienekommissionssitzungen von Krankenhäusern. Aus den Unterlagen der S Klinik sei ferner ersichtlich, dass er auch fallspezifisch gearbeitet habe. Vergleichbare Leistungen des Niedersächsischen Landesgesundheitsamtes würden umsatzsteuerbefreit behandelt. Die Finanzverwaltung habe dies im BMF-Schreiben vom 26.06.2009 (IV B9, BStBl I 2009, S. 756) ebenfalls anerkannt. Nach der Rechtsprechung des EuGH und des BFH sei für ärztliche Heilbehandlungen auch nicht erforderlich, dass diese unmittelbar gegenüber dem Patienten erbracht werden. Es reiche aus, dass die Leistungen gegenüber den Ärzten erbracht werden, die Entsprechendes angeordnet haben. Die steuerpflichtige Behandlung der Umsätze widerspreche ferner dem Sinn und Zweck der Umsatzsteuerbefreiung von medizinischen Leistungen, der in der Senkung der Kosten der Heilbehandlung und der Entlastung der Sozialversicherung von der Umsatzsteuer liege. Soweit sich der Beklagte darauf berufe, dass er keine anerkannte Einrichtung im Sinne des Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL handele, widerspreche dies dem Grundsatz der Gleichbehandlung, der im Mehrwertsteuerbereich im Grundsatz der steuerlichen Neutralität zum Ausdruck komme. Nach der Rechtsprechung des EuGH sei maßgeblich darauf abzustellen, dass für alle Kategorien privatrechtlicher Einrichtungen i.S. des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG in Bezug auf die Erbringung vergleichbarer Leistungen nach dem nationalen Recht die gleichen Bedingungen für ihre Anerkennung gelten.
Der Kläger beantragt,
die Umsatzsteuerbescheide des Beklagten für 2005 vom 19. Juli 2007, für 2006 vom 10. April 2008 und 2007 vom 23. März 2009 nebst der Einspruchentscheidung und des Änderungsbescheides für 2007 vom 25. Januar 2010 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte ist der Auffassung, die vom Kläger erbrachten krankenhaus- bzw. praxishygienischen Leistungen seien unbestreitbar Grundlage für den erforderlichen Gesundheitsschutz von Patienten. Die Überwachung und Einhaltung von Hygienestandards sei auch eine unerlässliche Voraussetzung dafür, dass eine Diagnose, Behandlung oder Heilung von Krankheiten erfolgen könne. Allerdings stellten die erbrachten Leistungen keine in ein individuelles Leistungskonzept eingebundene Behandlung einer konkreten Krankheit oder Gesundheitsstörung dar und seien deswegen nicht als Heilbehandlung im Sinne der Befreiungsvorschrift einzuordnen. Auch die vom Kläger gegenüber der Laborarztpraxis im Arbeitsbereich "Laborleistung Hygiene" erbrachten Leistungen seien selbst nicht Teil eines konkreten individuellen, die Diagnose, Behandlung, Vorbeugung und Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen dienenden Leistungskonzepts. Es handele sich um nur mittelbar der Heilbehandlung dienende Tätigkeiten, die nicht durch die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 14 UStG erfasst würden. Die krankenhaushygienische Tätigkeit des Klägers sei auch nicht aufgrund des Artikel 132 Abs. 1 g Mehrwertsteuersystemrichtlinie befreit, da der Kläger bereits nicht als anerkannte Einrichtung im Sinne der Vorschrift anzusehen sei, die eng mit der Sozialversorgung und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistung erbringe.
Während des Klageverfahrens erließ der Beklagte einen Änderungsbescheid, mit dem er die Umsätze des Klägers aus einer Dozententätigkeit gemäß § 4 Nr. 21 a bb UStG als steuerfrei berücksichtigte, nachdem der Kläger entsprechende Unterlagen vorgelegt hatte.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet. Die Umsätze des Klägers aus seiner Tätigkeit als Hygieneberater sind nicht nach § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG steuerfrei.
Nach § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG sind "die Umsätze aus der Tätigkeit als Arzt, Zahnarzt, Heilpraktiker, Krankengymnast, Hebamme oder aus einer ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes und aus der Tätigkeit als klinischer Chemiker" steuerfrei.
Der Kläger war Facharzt für Mikrobiologie, Virologie und Infektionsepidemie und verfügte damit über die vom Gesetz vorausgesetzte Qualifikation. Unerheblich wäre, dass er seine Leistungen im Wesentlichen gegenüber anderen Ärzten erbrachte, da Leistungen der ärztlichen Heilbehandlung nicht unmittelbar gegenüber dem Patienten erbracht werden müssen, um als steuerfrei behandelt werden zu können, sondern ausreichend ist, dass diese Leistungen gegenüber den Ärzten erbracht werden, die die ärztlichen Heilbehandlungen angeordnet haben (BFH, Beschluss vom 18.02.2008 V B 35/06, BFH/NV 2008, 1001). § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG 2005 setzt bei richtlinienkonformer Auslegung aber ferner voraus, dass der Arzt tatsächlich eine Heilbehandlung im Bereich der Humanmedizin durch ärztliche oder arztähnliche Leistungen erbringt und (vgl. BFH, Beschluss vom 18.02.2008 V B 35/06, BFH/NV 2008, 1001; Urteile vom 7. Juli 2005 V R 23/04, BFHE 211, 69, BStBl II 2005, 904; vom 18. August 2005 V R 71/03, BFHE 211, 543, BStBl II 2006, 143; vom 1. Februar 2007 V R 64/05, BFH/NV 2007, 1203; Urteile des EuGH vom 27. April 2006 C-443/04 und C-444/04, Solleveld und van den Hout-van Eijnsbergen, Slg. 2006, I-3617; vom 6. November 2003 Rs. C-45/01 - Christoph-Dornier-Stiftung -, Slg 2003, I-12911). Diese Voraussetzung liegt mit den vom Kläger erbrachten Beratungsleistungen im Bereich der vorbeugenden Hygiene nicht vor.
Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin i.S. des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der im Streitjahr geltenden Sechsten Richtlinie des Rates zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) umfassen nach der Rechtsprechung des EuGH, der sich der BFH angeschlossen hat, nur Tätigkeiten, die zum Zweck der Vorbeugung, der Diagnose, der Behandlung und, soweit möglich, der Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen für bestimmte Patienten ausgeführt werden (BFH, Urteile vom 30. Juni 2005 V R 1/02, BFHE 210, 188, BStBl II 2005, 675; vom 13. Juli 2006 V R 7/05, BFHE 214, 458, BStBl II 2007, 412; in BFH/NV 2007, 1203; BFH, Beschluss vom 31. Juli 2007 V B 98/06, BFHE 217, 94, BStBl II 2008, 35, jeweils m.w.N.).
Die Steuerbefreiungstatbestände des Artikels 13 der Sechsten Richtlinie sind nach ständiger Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 08.06.2006 C-106/05 - L.u.P. GmbH -, Slg. 2006, I-5123) als Ausnahmen von dem allgemeinen Grundsatz, dass jede Dienstleistung, gegen Entgelt der Mehrwertsteuer unterliegt, eng auszulegen. Die restriktive Auslegung muss jedoch mit den Zielen in Einklang stehen, die mit den Befreiungen verfolgt werden (Urteile Dornier, Rdnr. 42, und vom 26.05.2005 C 498/03, Kingscrest Associates und Montecello, Slg. 2005, I 4427, Rdnr. 29). Gemeinsames Ziel der in Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe b der Sechsten Richtlinie und in Buchstabe c desselben Absatzes vorgesehenen Steuerbefreiungen ist es, die Kosten der Heilbehandlungen zu senken (Urteile Dornier, Rdnr. 43, und vom 20. November 2003 in der Rechtssache C 307/01, D’Ambrumenil und Dispute Resolution Services, Slg. 2003, I 13989, Rdnr. 58). Dieser Zweckbestimmung der Befreiungsvorschriften hat sich der BFH angeschlossen (vgl. BFH, Urteil vom 15.03.2007 V R 55/03, BFHE 217, 48, BStBl II 2008, 31; ferner BVerfG, Beschluss vom 10.11.1999 2 BvR 2861/93, BVerfGE 101, 151, BStBl II 2000, 160, m.w.N. unter B. II. 1. b.). Nach der Rechtsauffassung des EuGH sind vor diesem Hintergrund mit den inhaltsgleichen Begriffen „ärztliche Heilbehandlung“ in Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe b der Sechsten Richtlinie und „Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin“ in Absatz 1 Buchstabe c Leistungen erfasst, die zur Diagnose, Behandlung und, so weit wie möglich, Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen dienen (vgl. in diesem Sinne Urteil Dornier, Rdnr. 48). Die „ärztlichen Heilbehandlungen“ und die „Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin“ müssen einen therapeutischen Zweck haben. Daraus folgt zwar nicht zwangsläufig, dass die therapeutische Zweckbestimmtheit einer Leistung in einem besonders engen Sinne zu verstehen ist. Insofern kommen nach der Rechtsprechung des EuGH ärztliche Leistungen, die zum Zweck der Vorbeugung erbracht werden, grundsätzlich für eine Steuerbefreiung nach Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe c der Sechsten Richtlinie in Betracht. Selbst wenn sich nämlich herausstellt, dass Personen, die sich vorbeugenden Untersuchungen oder anderen ärztlichen Maßnahmen unterziehen, an keiner Krankheit oder Gesundheitsstörung leiden, steht die Einbeziehung dieser Leistungen in die Begriffe „ärztliche Heilbehandlung“ und „Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin“ im Einklang mit dem Zweck, die Kosten ärztlicher Heilbehandlungen zu senken, der den Steuerbefreiungsregelungen des Artikels 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe b und Absatz 1 Buchstabe c der Sechsten Richtlinie gemein ist. Daher fallen auch die ärztlichen Leistungen, die zum Schutz einschließlich der Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der menschlichen Gesundheit erbracht werden, unter die Steuerbefreiungsregelung des Artikels 13 Teil A Absatz 1 Buchstaben b und c der Sechsten Richtlinie (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 20. November 2003 in der Rechtssache C 212/01, Unterpertinger, Slg. 2003, I 13859, Rdnrn. 40 und 41, sowie D’Ambrumenil und Dispute Resolution Services, Rdnrn. 58 und 59). Die Voraussetzung der therapeutischen Zweckbestimmtheit bleibt aber auch in diesen Fällen auf ein konkretes Arzt-Patientenverhältnis bezogen.
Maßnahmen, die der medizinischen Hygiene dienen und von praktischen Ärzten im Rahmen ihrer Heilbehandlungen angeordnet werden, können zur Aufrechterhaltung der menschlichen Gesundheit beitragen, da sie ebenso wie jede vorbeugend erbrachte ärztliche Leistung darauf abzielen, die Beobachtung und die Untersuchung der Patienten zu ermöglichen, noch bevor es erforderlich wird, eine etwaige Krankheit zu diagnostizieren, zu behandeln oder zu heilen. Daher ist davon auszugehen, dass in Anbetracht des mit den genannten Steuerbefreiungsregelungen verfolgten Zweckes, die Kosten ärztlicher Heilbehandlungen zu senken, Maßnahmen, die der medizinischen Hygiene dienen und der Vorbeugung der Patienten dienen, „ärztliche Heilbehandlungen“ im Sinne von Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe b der Sechsten Richtlinie oder „Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin“ im Sinne von Absatz 1 Buchstabe c sein können (vgl. in diesem Sinne Urteil Kommission/Frankreich, Rdnr. 30).
Der Kläger hat jedoch keine der Gesundheit vorbeugenden Leistungen der "ärztlichen Heilbehandlung" unmittelbar gegenüber Patienten erbracht, sondern im Wesentlichen im Auftrag der Laborgemeinschaft, mit der er die Kooperationsvereinbarung abgeschlossen hatte, deren Auftraggeber in Hygienefragen beraten. Dabei handelte es sich nicht um ärztliche Leistungen, die zum Zweck der Vorbeugung im Rahmen eines konkreten individualisierbaren Arzt-Patientenverhältnis erbracht wurden. Seine Tätigkeit beschränkte sich vielmehr auf generelle, im Vorfeld relevante Fragen der Hygiene oder auf die generelle Verhinderung der Ausbreitung von Infektionen, z.B. in Krankenhäusern. Darüber hinaus handelte es sich um eine reine Beratertätigkeit, die unabhängig davon war, ob die Auftraggeber den vom Kläger ausgesprochenen Empfehlungen überhaupt und insbesondere im konkreten Arzt-Patientenverhältnis folgten. Gleiches gilt für die Hygieneberatung, die der Kläger nicht gegenüber der Laborgemeinschaft, sondern unmittelbar Ärzten und Einrichtungen gegenüber erbrachte. Auch für diese Fälle hat er nicht dargelegt und nachgewiesen, die Beratungsleistungen im Rahmen eines konkret individualisierbaren Arzt-Patientenverhältnis erbracht zu haben. Die reine, nicht auf das spezifische Arzt-Patientenverhältnis ausgeübte Beratertätigkeit stellt aber keine der Patienten dienende „ärztliche Heilbehandlung“ dar. Sie ist auch keine der Vorbeugung dienende „ärztliche Heilbehandlung“.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung – FGO -.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 151 Abs. 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).
Der Senat lässt die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zu.