08.01.2010
Finanzgericht Schleswig-Holstein: Urteil vom 21.02.2001 – II 279/00
Ambulante Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen fallen nicht unter die Gewerbesteuerbefreiung des § 3 Nr. 20 Buchst. d GewStG.
Tatbestand
Die Klägerin (Klin.) begehrt mit ihrer Klage die Befreiung von der Gewerbesteuer (GewSt). Nach ihrer Ansicht ist ihre Tätigkeit gemäß § 3 Nr. 20 d Gewerbesteuergesetz (GewStG) von der GewSt befreit. Dem Rechtsstreit liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:
Alleinvertretungsberechtigte Gesellschafter / Geschäftsführer der ... GmbH sind der Sportmagister und Krankengymnast ... und die Krankengymnastin ... Die Stammeinlage beträgt 50.000 DM und ist von den Gesellschaftern / Geschäftsführern jeweils zur Hälfte übernommen worden. Gegenstand des Unternehmens ist die Erbringung therapeutischer Dienstleistungen für krankengymnastische Behandlungen und Therapien im Sinne der erweiterten ambulanten Physiotherapie und ambulanten Rehabilitation.
In der 1998 eingereichten GewSt-Erklärung 1997 wurden folgende Besteuerungsmerkmale erklärt: Gewinn aus Gewerbebetrieb ... DM, Dauerschuldzinsen ... DM, Spenden und Beiträge ... DM, vortragsfähiger Gewerbeverlust ... DM, Gewerbekapital unter 120.000 DM. Der GewSt-Messbetrag wurde nach den erklärten Besteuerungsgrundlagen mit ... DM festgesetzt; siehe im Einzelnen gemäß § 164 Abs. 1 Abgabenordnung - AO - unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangener Bescheid 1997 über den einheitlichen GewSt-Messbetrag vom 23. November 1998. Der Bescheid wurde bestandskräftig.
Mit Schriftsatz vom 8. März 1999 beantragte die Klin. die Aufhebung des GewSt-Messbescheides für 1997 vom 23. November 1998 gemäß § 164 Abs. 2 AO und führte zur Begründung aus, dass die Befreiungsvorschrift des § 3 Nr. 20 d GewStG eingreife. Danach seien Pflegeeinrichtungen befreit, soweit die Pflegekosten im jeweiligen Erhebungszeitraum in mindestens 40 v. H. der Fälle von den gesetzlichen Trägern der Sozialversicherung oder der Sozialhilfe ganz oder zum Teil getragen würden. Im Streitfall würden die Pflegekosten fast ausschließlich von den gesetzlichen Sozialversicherungsträgern übernommen werden. Außerdem werde auf Abschnitt 31 Abs. 5 Satz 2 der Gewerbesteuerrichtlinien (GewStR) hingewiesen.
Ferner wurden die von der Klin. mit der Landesvertretung des Verbandes der Angestelltenkrankenkassen e. V. und des AEV Arbeiter-Ersatzkasse-Verbandes e. V. sowie mit der AOK Schleswig-Holstein und anderen Leistungsträgern abgeschlossenen Vereinbarungen vorgelegt. Gegenstand dieser Verträge sind u. a. die Regelung der Einzelheiten der Versorgung der Versicherten der Ersatzkassen nach der Rahmenempfehlung der Ersatzkassenverbände über ambulante Rehabilitation bei orthopädisch / traumatologischen Erkrankungen am Stütz- und Bewegungsapparat.
Der Antrag wurde vom Finanzamt (FA) mit Bescheid vom 19. Juli 1999 abgelehnt. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die strittige Steuerbefreiung des § 3 Nr. 20 d GewStG nur für stationäre und teilstationäre Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen gelte und für Einrichtungen, bei der kranke und pflegebedürftige Personen in deren Wohnung gepflegt würden. Nicht begünstigt seien ambulante Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen, weil bei der Erbringung ambulanter Rehabilitationsmaßnahmen mit der Aufnahme in die Einrichtung die Lebensweise der aufgenommenen Patienten und Begleitpersonen nicht den medizinisch begründeten Verhaltensregeln unterworfen sei, in der Einrichtung nicht überwiegend stationäre und teilstationäre Leistungen im Sinne der Begriffsbestimmung des § 2 Nr. 1 KHG erbracht würden und eine solche Einrichtung auch nicht zur stationären oder teilstationären Behandlung der Personen, die nach der Zweckbestimmung der Einrichtung hier versorgt werden sollten, geeignet sei. Einrichtungen zur ambulanten Pflege seien nur solche Einrichtungen, die kranke und pflegebedürftige Personen in deren Wohnung pflegten (siehe § 71 Abs. 1 Sozialgesetzbuch - SGB - XI). Ambulante Rehabilitations- und Versorgungseinrichtungen fielen nicht unter den Begriff der ambulanten Pflege in diesem Sinne. Nach den Feststellungen des FA handele es sich bei der GmbH weder um eine stationäre noch um eine teilstationäre Einrichtung. In den Räumen der Gesellschaft hätten die Patienten lediglich die Möglichkeit, sich in Ruheräumen bzw. -zonen aufzuhalten. Die Verpflegung beschränke sich nur auf die Ausgabe von Getränken. Die von der Klin. mit den Krankenkassen abgeschlossenen Versorgungsverträge (s. dazu § 111 SGB V) erfassten die ambulante Rehabilitation als Gegenstand des Vertrages. Diese falle nach den obigen Ausführungen und den Feststellungen der Außenprüfung nicht unter die Steuerbefreiung des § 3 Nr. 20 d GewStG.
Dagegen erhob die Klin. Einspruch und führte zur Begründung u. a. aus, dass sich in der gesetzlichen Regelung keinerlei Anhaltspunkte für die Auslegung der Finanzverwaltung fänden, wonach ambulante Versorgungs- und Rehabilitationseinrichtungen nicht die Voraussetzungen des § 3 Nr. 20 b GewStG erfüllten.
Der Einspruch wurde als unbegründet zurückgewiesen. Das FA führte u. a. aus:
Die beantragte Befreiung von der GewSt nach § 3 Nr. 20 d GewStG komme nicht in Betracht. Danach seien Einrichtungen zur vorübergehenden Aufnahme pflegebedürftiger Personen und Einrichtungen zur ambulanten Pflege kranker und pflegebedürftiger Personen von der GewSt befreit, wenn im Erhebungszeitraum in mindestens 40 v. H. der Fälle die Pflegekosten von den gesetzlichen Trägern der Sozialversicherung oder Sozialhilfe ganz oder zum überwiegenden Teil getragen worden seien. Ziel des Gesetzgebers sei bei Einführung dieser Vorschrift gewesen, dem veränderten Altersaufbau der Bevölkerung mit zunehmenden Anteil an altersbedingt pflegebedürftigen Personen Rechnung zu tragen und die Begünstigung nicht auf Altenheime, Altenwohnheime und Pflegeheime mit dauerhafter Unterbringung pflegebedürftiger Personen zu beschränken. Diese Befreiungsvorschrift sollte die Versorgungsstrukturen bei der Pflege alter, pflegebedürftiger Personen verbessern. Die pflegebedürftigen Personen sollten weitmöglichst in ihrer gewohnten Umgebung bleiben können, ohne auf die nötige Hilfe verzichten zu müssen. Deshalb würden gemäß § 3 Nr. 20 d GewStG sowohl Einrichtungen begünstigt, die die betroffenen Personen in deren eigener Wohnung pflegten und versorgten, als auch stationäre und teilstationäre Einrichtungen zur vorübergehenden Aufnahme, z. B. Tages- oder Nachtkliniken (siehe u. a. Glanegger / Güroff, GewStG, 4. Aufl., § 3 GewStG, Anm. 180). Aus dieser Intention ergebe sich, dass unter die Befreiungsvorschrift nicht solche Einrichtungen fielen, die lediglich ambulante medizinische Rehabilitationsmaßnahmen durchführten und deren Zweck nicht die Versorgung pflegebedürftiger Personen sei. Die Abrechnung dieser Leistungen erfolge außerdem grundsätzlich gegenüber den Krankenkassen bzw. Rentenversicherungsträgern und nicht gegenüber der Pflegeversicherung. Die Vorschrift des § 3 Nr. 20 d GewStG sei analog zur umsatzsteuerlichen Vorschrift des § 4 Nr. 16 e Umsatzsteuergesetz (UStG) eingeführt worden und entspreche dieser Regelung. Deshalb gelte auch gemäß Abschnitt 31 Nr. 5 der GewStR das zum UStG ergangene BMF-Schreiben vom 14. November 1997 (Teil I, 957). Hier werde eine eindeutige Eingrenzung der begünstigten Einrichtungen vorgenommen. Die Vorschriften würden danach nur für stationäre und teilstationäre Einrichtungen gelten, bei denen die Personen tatsächlich untergebracht und versorgt würden und in denen nicht nur reine Rehabilitationsmaßnahmen erfolgten. Begünstigte ambulante Einrichtungen im Sinne dieser Vorschrift seien lediglich solche, die die Personen in deren Wohnung pflegten. Nach den Feststellungen der bei der Klin. durchgeführten USt-Außenprüfung würden von ihr therapeutische Dienstleistungen erbracht. Es handele sich weder um eine stationäre noch um eine teilstationäre Einrichtung. Die Patienten hätten die Möglichkeit, sich in Ruheräumen bzw. -zonen aufzuhalten und Getränke an vorhandenen Tresen zu erhalten. Eine Aufnahme in die Einrichtung, bei der die Patienten medizinisch begründeten Verhaltensregeln unterworfen würden, liege nicht vor. Pflegeleistungen im Sinne des § 3 Nr. 20 d GewStG würden nicht erbracht.
Mit der dagegen erhobenen Klage begehrt die Klin. die Befreiung ihrer Tätigkeit von der GewSt gemäß § 3 Nr. 20 d GewStG und trägt zur Begründung vor:
Die angefochtenen Verwaltungsakte seien rechtswidrig und verletzten die Klin. in ihren Rechten. § 3 Nr. 20 d GewStG befreie Einrichtungen zur vorübergehenden Aufnahme pflegebedürftiger Personen und Einrichtungen zur ambulanten Pflege kranker und pflegebedürftiger Personen von der GewSt, wenn im Erhebungszeitraum in mindestens 40 v. H. der Fälle die Pflegekosten von den gesetzlichen Trägern der Sozialversicherung oder Sozialhilfe ganz oder zum überwiegenden Teil getragen worden seien. Grundsätzlich solle die Befreiungsvorschrift dazu dienen, die Versorgungsstruktur bei der Pflege alter und pflegebedürftiger Personen in Anbetracht der aktuellen Versorgungsentwicklung zu verbessern. Es seien sowohl Einrichtungen begünstigt, die den oben genannten Personenkreis in der eigenen Wohnung pflegten und versorgten, wie auch stationäre und teilstationäre Einrichtungen zur vorübergehenden Aufnahme pflegebedürftiger Personen. Die Finanzverwaltung versage die Befreiung von der GewSt ambulanten Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen, während sie teilstationäre Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen neben Pflegebetrieben begünstige. Diese unterschiedliche Behandlung stationärer bzw. teilstationärer auf der einen und ambulanter Rehabilitationseinrichtungen auf der anderen Seite sei rechtswidrig. Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen im Sinne des § 107 SGB V seien Einrichtungen, die der stationären Behandlung von Patienten dienten, um u. a. eine Schwächung der Gesundheit zu beseitigen oder eine Krankheit zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten, krankhafte Beschwerden zu lindern oder im Anschluss an Krankenbehandlungen den erzielten Behandlungserfolg zu sichern. Dabei müssten die Einrichtungen fachlich und medizinisch unter ständiger ärztlicher Verantwortung und Mitwirkung von besonders geschultem Personal geführt werden, und die Patienten müssten in den Einrichtungen untergebracht und verpflegt werden können. Außerdem müsse nach § 111 SGB V ein Versorgungsvertrag mit Krankenkassen bestehen. Die Klin. sei eine ambulante Rehabilitationseinrichtung, in der therapeutische Dienstleistungen erbracht würden. Die Patienten würden in dieser Einrichtung nicht untergebracht oder gepflegt, bei längerem Aufenthalt bestehe aber die Möglichkeit, sich in Ruheräumen bzw. -zonen aufzuhalten und Getränke und einen Imbiss einzunehmen. Die ambulante Rehabilitationseinrichtung erbringe die gleichen Leistungen wie eine stationäre oder teilstationäre Einrichtung (siehe auch § 111a SGB V in der Fassung vom 1. Juli 1999). Sie verfolge die gleichen Ziele wie eine stationäre Einrichtung (siehe dazu Definition in § 11 Abs. 2 SGB V) und behandle die gleichen Indikationen. Sie stehe ebenfalls fachlich und medizinisch unter ständiger ärztlicher Verantwortung. Außerdem stelle § 111a SGB V teilstationäre und ambulante Einrichtungen gleich. Diese Gleichstellung ergebe sich auch aus § 40 Abs. 1 SGB V sowie aus der Auslegung dieser Vorschrift (siehe dazu Bundesministerium für Gesundheit - BMG - vom 5. Mai 2000 sowie Bundessozialgericht - BSG - III. Senat, Urteile vom 5. Juli 2000, Bl. 29 ff. der Gerichtsakte). Versorgungsverträge im Sinne des § 111 SGB V bestünden für ambulante Einrichtungen nicht. Die Krankenkassen würden jedoch bilaterale Verträge mit den ambulanten Einrichtungen abschließen, weil aus Kosten- und Effektivitätsgründen die ambulante Rehabilitation favorisiert werde. Diese Verträge beinhalteten indikationsspezifische Anforderungskriterien, die nicht in jedem Fall mit Leistungen der Pflege gekoppelt seien. Da aufgrund der gleichen Indikation von ambulanten Einrichtungen die gleichen Leistungen erbracht würden wie von stationären und teilstationären Einrichtungen und die gleichen Ziele verfolgt und die gleichen Anforderungen erfüllt würden, sei kein Grund zu erkennen, warum teilstationäre und stationäre Einrichtungen von der GewSt befreit seien, ambulante Einrichtigungen dagegen nicht. Eine solche Ungleichbehandlung führe zu einer Wettbewerbsverzerrung, weil stationäre und teilstationäre Einrichtungen den Vorteil der GewSt-Befreiung genießen würden. Diese Regelung verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz. Außerdem sehe § 3 Nr. 20 d GewStG hinsichtlich der Pflegeeinrichtungen eine Befreiung für stationäre und für ambulante Einrichtungen vor. Die von der Finanzverwaltung in Abschnitt 31 Abs. 5 GewStR vorgenommene Unterscheidung könne dem Gesetz nicht entnommen werden und erscheint willkürlich.
Die Klin. beantragt,
ihre Tätigkeit gemäß § 3 Nr. 20 d GewStG von der GewSt zu befreien und das FA unter Aufhebung des ablehnenden Bescheides vom 19. Juli 1999 und der Einspruchsentscheidung vom 11. August 2000 zu verpflichten,
den GewSt-Messbescheid 1997 vom 23. November 1998 aufzuheben und die GewSt auf 0 DM festzusetzen.
Das beklagte FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das FA hält die Klage unter Hinweis auf die Einspruchsentscheidung für nicht begründet.
Gründe
Die Klage ist nicht begründet.
Die angefochtenen Verwaltungsakte sind rechtmäßig und verletzen die Klin. nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das FA hat zu Recht die Klin. zur GewSt veranlagt, denn die Befreiungsvorschrift des § 3 Nr. 20 d GewStG greift nicht ein.
Nach dieser Vorschrift sind von der GewSt befreit Krankenhäuser, Altenheime, Altenwohnheime, Pflegeheime, Einrichtungen zur vorübergehenden Aufnahme pflegebedürftiger Personen und Einrichtungen zur ambulanten Pflege kranker und pflegebedürftiger Personen, wenn bei Einrichtungen zur vorübergehenden Aufnahme pflegebedürftiger Personen und bei Einrichtungen zur ambulanten Pflege kranker und pflegebedürftiger Personen im Erhebungszeitraum die Pflegekosten in mindestens 40 v. H. der Fälle von den gesetzlichen Trägern der Sozialversicherung oder Sozialhilfe ganz oder zum überwiegenden Teil getragen worden sind. Die Vorschrift entspricht der Bestimmung des § 4 Nr. 16 e UStG. Die Vorschrift des § 3 Nr. 20 d GewStG wurde durch Art. 13 Nr. 2 c cc des Missbrauchsbekämpfungs- und Steuerbereinigungsgesetzes vom 21. Dezember 1993 (Bundesgesetzblatt - BGBl - I, 2310) - StMBG - eingefügt. Danach sind zwei Einrichtungen von der GewSt befreit, wenn im Erhebungszeitraum die Pflegekosten in mindestens 40 v. H. der Fälle von den gesetzlichen Trägern der Sozialversicherung oder Sozialhilfe ganz oder zum überwiegenden Teil getragen worden sind, nämlich Einrichtungen zur vorübergehenden Aufnahme pflegebedürftiger Personen und Einrichtungen zur ambulanten Pflege kranker und pflegebedürftiger Personen. Mit dieser Regelung sollte dem veränderten Altersaufbau der Bevölkerung in Großstädten Rechnung getragen werden, in denen diese Einrichtungen zunehmende Bedeutung gewinnen und die bestehenden Versorgungsstrukturen bei der Pflege kranker und pflegebedürftiger Personen verbessert werden (vgl. zu § 4 Nr. 16 c UStG Bundestagsdrucksache 12/1368, 27 und 12/1506, 178, zu § 3 Nr. 20 d GewStG Bundestagsdrucksache 12/5764, 43, zitiert in Bundesfinanzhof - BFH - Bundessteuerblatt - BStBl - II 1995, 67, 68 re. Sp. Nr. 2 b vorletzter Absatz). Da die Vorschrift wörtlich der Regelung des § 4 Nr. 16 e UStG entspricht, gelten die dort entwickelten Grundsätze entsprechend. Einrichtungen zur vorübergehenden Aufnahme pflegebedürftiger Personen sind solche, in denen pflegebedürftige Personen zeitweise vollstationär (ganztägig) oder teilstationär (tagsüber oder nachts) untergebracht und gepflegt werden (Kurzpflegeeinrichtungen, Tages- und Nachteinrichtungen). Teilstationäre Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen fallen darunter, soweit sie die Voraussetzungen der §§ 107, 111 SGB V erfüllen. Nach § 107 Abs. 2 SGB V sind Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen im Sinne dieses Gesetzbuches solche, die 1. der stationären Behandlung der Patienten dienen, um a) eine Schwächung der Gesundheit, die in absehbarer Zeit voraussichtlich zu einer Krankheit führen würde, zu beseitigen oder einer Gefährdung der gesundheitlichen Entwicklung eines Kindes entgegenzuwirken (Vorsorge) oder b) eine Krankheit zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern oder im Anschluss an Krankenhausbehandlungen die dabei erzielten Behandlungserfolge zu sichern oder zu festigen, auch mit dem Ziel, einer drohenden Behinderung oder Pflegebedürftigkeit vorzubeugen, sie nach Eintritt zu beseitigen, zu verbessern oder eine Verschlimmerung zu verhüten (Rehabilitation), wobei Leistungen der aktivierenden Pflege nicht von den Krankenkassen übernommen werden dürfen, 2. fachlich-medizinisch unter ständiger ärztlicher Verantwortung und unter der Mitwirkung von besonders geschultem Personal darauf eingerichtet sind, den Gesundheitszustand der Patienten nach einem ärztlichen Behandlungsplan ... zu verbessern ... und in denen 3. Patienten untergebracht und verpflegt werden können. Ambulante Pflegeeinrichtungen (Pflegedienste) sind solche, die kranke und pflegebedürftige Personen in deren Wohnung pflegen und hauswirtschaftlich versorgen (siehe zur Abgrenzung ambulanter und stationärer Pflegeeinrichtungen auch § 71 Abs. 1 und 2 SGB XI). Hierzu gehören nicht ambulante Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen. Zweck der Befreiungsvorschrift ist es, die Pflege und Betreuung kranker und älterer Menschen zu fördern (so wörtlich: Lenzky / Steinberg, GewStG, 9. Aufl., § 3 Rdnr. 79; siehe auch Glanegger / Güroff, a. a. O., § 3 GewStG Rdnr. 180, 180a). Pflegebedürftige Personen sind solche, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens der Hilfe bedürfen (siehe § 14 Abs. 1 SGB XI und § 68 Abs. 1 Bundessozialhilfegesetz - BSHG -). Bei der Ermittlung der 40%-Grenze der Fälle einer zumindest überwiegenden Übernahme der Pflegekosten durch die gesetzlichen Träger der Sozialversicherung oder Sozialhilfe ist von der Anzahl der gepflegten Personen im Laufe eines Kalendermonats auszugehen. Danach werden nach der Vorschrift nur solche Einrichtungen begünstigt, die die betroffenen Personen in deren Wohnungen pflegen und versorgen, oder soweit eine stationäre oder teilstationäre Behandlung erfolgt wie eine vorübergehende Aufnahme in Tages- und Nachtkliniken. Die Tatsache, dass ambulante Pflegemaßnahmen nur dann begünstigt sind, wenn sie in den Wohnungen der kranken und pflegebedürftigen Personen erfolgen, und die Befreiung dann nicht eingreift, wenn diese ambulante Pflege in Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen stattfindet, folgt aus der Unterscheidung in § 3 Nr. 20 d GewStG von Einrichtungen zur vorübergehenden Aufnahme pflegebedürftiger Personen (Kurzpflegeeinrichtungen, Tages- und Nachteinrichtungen) gegenüber Einrichtungen zur ambulanten Pflege kranker und pflegebedürftiger Personen. Bei einer ambulanten Pflege liegt keine Aufnahme in die Einrichtung vor, deshalb kann der von der Klin. vertretenen Ansicht, dass die Unterscheidung zwischen stationärer und teilstationärer bzw. ambulanter Pflege dem Gesetz nicht entnommen werden könne, nicht gefolgt werden. Sie ergibt sich aus der vom Gesetzgeber in § 3 Nr. 20 d GewStG erfolgten Differenzierung der Einrichtungen (Kurzpflegeeinrichtungen einerseits, ambulante Pflegeeinrichtungen andererseits). Ein anderes Ergebnis ergibt sich auch nicht aus dem Hinweis der Klin., dass das BSG ausgeführt habe, dass ein Anspruch auf Abschluss eines Versorgungsvertrages für den Betrieb einer Rehabilitationseinrichtung im Sinne des § 111 SGB V bestehe, weil die gesetzliche Regelung klargestellt habe, dass teilstationäre Reha-Leistungen nicht als besondere Form der stationären Behandlung, sondern als ambulante Behandlung einzuordnen seien (siehe Urteil des BSG vom 5. Juli 2000, Bl. 29 ff. der Gerichtakte). Ob dieser Rechtsprechung zu folgen ist, kann bei der Anwendung des § 3 Nr. 20 d GewStG dahingestellt bleiben, weil das Gesetz zwischen der vorübergehenden Aufnahme pflegebedürftiger Personen und der ambulanten Pflege kranker und pflegebedürftiger Personen unterscheidet. Für die Anwendung des § 3 Nr. 20 GewStG ist, soweit es sich nicht um eine ambulante Pflege handeln soll, entscheidend, dass nur Einrichtungen begünstigt sind, die pflegebedürftige Personen vorübergehend aufnehmen wie Kurzpflegeeinrichtungen, Tages- und Nachteinrichtungen.
Diese Unterscheidung verstößt auch nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Grundgesetz (GG), denn es besteht ein Unterschied zwischen der Aufnahme einer pflegebedürftigen Person in eine Einrichtung gegenüber solchen Institutionen, die eine ambulante Pflege gewähren. Kurzzeitpflegeeinrichtungen (Tages- und Nachteinrichtungen) bedürfen einer anderen Ausstattung als solche Unternehmen, die eine ambulante Pflege gewährleisten. Außerdem wollte der Gesetzgeber die bestehenden Versorgungsstrukturen kranker und pflegebedürftiger Personen verbessern und die Pflege vor Ort, d. h. in der Wohnung begünstigen (Bundestagsdrucksache 12/5764, 43). Dieses Kriterium stellt eine ausreichende sachliche Differenzierung für die vom Gesetzgeber in § 3 Nr. 20 d GewStG (und § 4 Nr. 16 e UStG) getroffene unterschiedliche Befreiung von der GewSt (bzw. USt) dar. Es liegt grundsätzlich im gesetzgeberischen Ermessen, zu bestimmen, was wesentlich gleich und wesentlich ungleich ist. Hierbei muss der Gesetzgeber nicht die zweckmäßigste und gerechteste Lösung wählen, solange er die Grenzen seines Gestaltungsspielraums nicht überschreitet. Diese enden erst dort, wo ein einleuchtender sachgerechter Grund für die gesetzliche Differenzierung fehlt (ständige Rechtsprechung, z. B. BFH BStBl II 1986, 863, 864; 1995, 67, 68 sowie ausführlich Tipke-Kruse, AO/FGO, 16. Aufl., § 3 Rdnr. 45 m. w. N.).
Bei Anwendung dieser Grundsätze hat das FA zu Recht die Tätigkeit der Klin. nicht von der GewSt befreit. Die Klin. erbringt unstreitig keine ambulanten Leistungen in den Wohnungen der Pflegepersonen, sondern ausschließlich therapeutische Dienstleistungen in den Räumen des Unternehmens. Dort werden die Patienten nicht untergebracht oder gepflegt. Bei längerem Aufenthalt besteht lediglich die Möglichkeit, sich in Ruheräumen oder -zonen aufzuhalten und Getränke oder einen Imbiss einzunehmen. Die Patienten werden damit weder ganztägig, d. h. Tag und Nacht, noch nur tagsüber bzw. nur nachts untergebracht und behandelt (therapiert). In der Art der Behandlung liegt keine Aufnahme im Sinne des § 3 Nr. 20 d GewStG vor. Der Lebensmittelpunkt der behandelten Personen verlagert sich für die Dauer der Behandlung nicht aus ihrer gewohnten privaten Umgebung in die Einrichtung. Es handelt sich vielmehr um eine typische ambulante Behandlung, bei der der gewohnte Lebensrhythmus weitgehend bleibt. Die „Pflegeperson” verlässt ihren üblichen Lebensmittelpunkt nicht. Das ist zwischen den Beteiligten unstreitig und braucht nicht näher ausgeführt zu werden, denn die Klin. trägt im Wesentlichen vor, dass die ambulante Behandlung der teilstationären Behandlung gleichzustellen sei und dass deshalb die vom FA vorgenommene Unterscheidung dem Gesetz nicht entnommen werden könne. Außerdem hält sie die vom FA vorgenommene Unterscheidung als Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz für verfassungswidrig. Ein solcher Fall liegt nach Ansicht des Senats nach den obigen Ausführungen nicht vor, weil die vom Gesetzgeber vorgenommene Differenzierung im Rahmen des dem Gesetzgeber vorgegebenen Gestaltungsspielraums liegt. Denn die Unterscheidung zwischen der ambulanten Pflege und der Pflege in einer Pflegeeinrichtung stellt einen sachgerechten Grund für die gesetzliche Differenzierung dar (siehe zur Auslegung des § 3 Nr. 20 Buchstabe d GewStG auch die Kommentierungen zu § 3 Nr. 16 Buchstabe c UStG, z. B. Verweyen in Hartmann / Metzenmacher, UStG 7. Aufl., § 4 UStG Rdnr. 165 ff.; Waza in Offerhaus, Söhn, Lang, Kommentar zum UStG, § 4 Nr. 16 UStG Rdnr. 45 ff.).
Im Übrigen ist nicht erkennbar, dass die Klin. Pflegedienste erbringt. Gegenstand des Unternehmens ist die Erbringung therapeutischer Dienstleistungen für krankengymnastische Behandlungen und Therapien im Sinne der erweiterten ambulanten Physiotherapie und der ambulanten Rehabilitation. In den vorgelegten Verträgen und den Leistungsträgern (z. B. Verband der Angestelltenkrankenkassen) ist aufgeführt die ambulante Rehabilitation bei orthopädisch / traumatologischen Erkrankungen am Stütz- und Bewegungsapparat (siehe im Einzelnen z. B. Bl. 30 ff. und Bl. 34 ff. der GewSt-Akten). Nach Ansicht des Senats begünstigt § 3 Nr. 20 d GewStG nur Pflegeleistungen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
Die Revision war nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO n. F. wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen.