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  • 08.01.2010

    Finanzgericht Münster: Urteil vom 29.08.2001 – 8 K 6534/98 E

    Die Veräußerung des allgemeinmedizinischen Teilbereichs einer ärztlichen Praxis ist keine steuerbegünstigte Veräußerung einer Teilpraxis, wenn der Veräußerer weiterhin die Tätigkeitsbereiche „Psychotherapie” ind „Traditionelle Chinesische Medizin” ausübt, denn die einzelnen Tätigkeitsbereiche, bei denen jeweils die Behandlung von Patienten im Vordergrund steht, haben nicht eine so weitgehende organisatorische Selbständigkeit erlangt, dass sie Teilbetrieben im gewerblichen Bereich gleichgestellt werden können.


    IM NAMEN DES VOLKES hat der 8. Senat des Finanzgerichts Münster in der Sitzung vom 29.08.2001 an der teilgenommen haben:

    aufgrund mündlicher Verhandlung für Recht erkannt:

    Die Klage wird abgewiesen.

    Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.

    Die Revision wird nicht zugelassen.

    Tatbestand

    Streitig ist, ob die Klägerin (Klin.) bei einem Praxisverkauf im Jahre 1994 einen laufenden Gewinn oder einen steuerbegünstigten Veräußerungsgewinn im Sinne des § 18 Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG) erzielt hat.

    Die Klin. hatte in 1994 als Ärztin Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit. In der Einkommensteuer (ESt)-Erklärung für 1994 erklärte sie einen laufenden Gewinn in Höhe von 81.249 DM und einen Veräußerungsgewinn im Sinne des § 18 Abs. 3 EStG in Höhe von 139.724 DM.

    Die Klin. war seit 1983 im Haus Dweg in M als praktische Ärztin tätig gewesen. Seit 1985 bildete sie sich auf dem Gebiet der Psychotherapie weiter. Im Dezember 1987 absolvierte sie die Prüfung zur Fachärztin für psychotherapeutische Medizin. Nach Abschluß der Ausbildung zur Psychotherapeutin im August 1988 wurde sie bei der Kassenärztlichen Vereinigung Dortmund – Sitz des Zulassungsausschusses Psychotherapie – als Psychotherapeutin geführt und seit 1990 auf der dort geführten Therapeutenliste aufgeführt. Ihr Name wurde den Patienten auf Anfrage zur Verfügung gestellt. Seitdem darf sie bei psychotherapeutischen Behandlungen qualifikationsgebundene Ziffern abrechnen.

    In 1983 begann sie mit einer Ausbildung in traditioneller chinesischer Medizin (TCM). In 1985 legte sie die erste Prüfung über Akupunktur ab. 1995 bestand sie nach ständiger Fortbildung eine Prüfung bei der SMS (Ärztegesellschaft für traditionelle chinesische Medizin) mit Sitz in München. Schon vor 1994 wurde sie von dieser Gesellschaft auf Anfrage von Patienten als TCM-Ärztin genannt.

    Zum 01.09.1994 veräußerte die Klin. den Bereich „Allgemeinmedizin” an den praktischen Arzt Dr. (P.). Gemäß diesem Vertrag veräußerte sie an P. den Bereich Allgemeinmedizin mit einem Potential von ca. 4.000 bis 5.000 Patienten. Die bislang von der Klin. beschäftigte Arzthelferin war ab dem Übertragungszeitpunkt Angestellte von P.. Dieser übernahm von der Klin. neben dem Patientenstamm im allgemeinmedizinischen Bereich auch im Wege eines Untermietverhältnisses die gesamten Praxisräume im Erdgeschoß sowie die Telefonnummer der veräußerten Allgemeinpraxis. Die Klin. richtete sich im Souterrain einen bislang von ihr als Abstellraum benutzten Raum als Sprechzimmer völlig neu ein und beantragte für ihre Praxis mit den Tätigkeitsbereichen Psychotherapie (PT) und TCM eine neue Telefonnummer. Sie beschäftigte kein ärztliches Hilfspersonal und teilte mit P. die Kosten der Putzfrau (20 %-Anteil), des ärztlichen Hilfspersonals (5 %) sowie der Raumkosten (25 %) und der Raumnebenkosten (10 %).

    Das Finanzamt (FA) berücksichtigte im ESt-Bescheid 1994 vom 16.09.1997 den Gewinn aus der Veräußerung des Teilbereichs „Allgemeinmedizin” als laufenden Gewinn und nicht als steuerbegünstigten Veräußerungsgewinn im Sinne des § 18 Abs. 3 EStG.

    Zur Begründung des dagegen eingereichten Einspruchs trug die Klin. vor, sie habe sämtliche in § 1 des Kaufvertrages aufgeführten Wirtschaftsgüter veräußert. Die der Psychotherapie dienenden Arbeitsmittel bestünden ausschließlich in ihrer Person. In dem Bereich der chinesischen Medizin habe sie lediglich ca. 800 Akupunkturnadeln übernommen. Auf Aufforderung des FA trug sie im Einspruchsverfahren zum Sachverhalt ergänzend vor, daß sie für die Zeit vor der Veräußerung des allgemeinmedizinischen Bereichs für die Terminplanung im Zusammenhang mit der psychotherapeutischen Tätigkeit kein Personal benötigt habe. Die Termine, die nie mehr als 10 pro Woche hätten sein können, habe sie selbst gemacht. Die Terminplanung für die frühere allgemeinmedizinische Tätigkeit habe eine Helferin erledigt. Es habe keine getrennten Patientenkarteien gegeben, da sowohl PT-Patienten als auch Allgemeinpatienten von ihr behandelt worden seien. Für die Patienten seien die unterschiedlichen Tätigkeitsbereiche vor der Praxisveräußerung nur dadurch erkennbar gewesen, daß sie bei der Allgemeinmedizin einen Kittel getragen habe, nicht aber bei der PT.

    Nach der Veräußerung habe auf ihrem Schild nicht mehr „Praktische Ärztin”, sondern nur noch „Ärztin” gestanden. Die Anmeldung habe den Patienten, die zu ihr wollten, keine Termine mehr gegeben. Die Patienten seien dagegen an ihre neue Telefonnummer verwiesen worden, um mit ihr persönlich Termine zu vereinbaren. Der Praxiserwerber habe die Telefonnummer der Allgemeinpraxis behalten; alle Allgemeinpatienten seien automatisch zu ihm bestellt worden. Die Patientenkartei habe sie vollständig an P. verkauft. Für frühere Patienten, die nach Praxisveräußerung weiterhin zur PT oder TCM zu ihr gekommen seien, seien bei ihr neue Karteikarten angelegt worden. Wenn diese Patienten allgemeinmedizinisch durch den Praxiserwerber behandelt worden seien, habe dieser die alten Karten verwendet.

    Sie sei seit der Veräußerung nicht mehr allgemeinmedizinisch tätig gewesen, weil sie aus der Allgemeinmedizin habe heraus wollen und sich dem Erwerber gegenüber vertraglich verpflichtet habe, keine Allgemeinmedizin mehr auszuüben. Nur so sei gewährleistet worden, daß der Erwerber sich eine eigene Praxis aus ihrer Praxis habe aufbauen können. Ferner habe sie keine Helferin mehr gehabt, die ihr während der PT die Tür und das Telefon für die Allgemeinpatienten gehütet hätte.

    Am 01.01.1997 hat die Klin. den Sitz ihrer Praxis für PT und TCM in die Mstraße 15 in M verlegt. Dies sei im Zeitpunkt der Veräußerung der allgemeinmedizinischen Praxis nicht ausdrücklich so geplant, aber immer im Bereich des Möglichen gewesen. Ihre frühere Helferin arbeite nach wie vor bei dem Praxiserwerber.

    Das FA wies den Einspruch als unbegründet zurück (Einspruchsentscheidung – EE – vom 02.09.1998). Ein Veräußerungsgewinn gemäß § 18 Abs. 3 EStG liege nicht vor. Die Klin. habe weder eine Praxis im ganzen noch eine Teilpraxis veräußert. Eine Praxisveräußerung im ganzen liege nicht vor, weil sie nicht die gesamte Arztpraxis, sondern nur den Teilbereich „Allgemeinmedizin” veräußert habe. Den Teilbereich „Psychotherapie” und „chinesische Medizin” übe sie weiterhin selbständig im eigenen Namen und auf eigene Rechnung in dem bisherigen örtlichen Wirkungskreis aus.

    Bei der Veräußerung des Teilbereichs „Allgemeinmedizin” handele es sich auch nicht um die Veräußerung eines selbständigen Teils des Vermögens, das der selbständigen Arbeit diene. Die Tätigkeitsbereiche der Klin. würde nicht mehrere organisatorisch selbständige Praxisteile darstellen, in denen der Sache nach verschiedene Berufstätigkeiten mit verschiedenen Kunden- bzw. Patientenkreisen ausgeübt würden.

    Die Betätigung in dem Bereich „Allgemeinmedizin” unterscheide sich ihrer Natur nach nicht deutlich von den Betätigungen in den Bereichen „Psychotherapie” und „chinesische Medizin/Akupunktur”. In allen drei Bereichen stehe die Behandlung und Heilung von kranken Personen im Vordergrund. Die verschiedenen Tätigkeiten würden teilweise auch ineinander übergreifen. Es gebe Patienten, die sowohl allgemeinmedizinisch als auch psychotherapeutisch oder mit Anwendung der chinesischen Medizin (Akupunktur) behandelt worden seien. Eigenständige Patientenkreise seien daher vor der Veräußerung nicht vorhanden gewesen.

    Hiergegen wendet sich die Klin. mit der vorliegenden Klage. Nachdem sie zunächst die Auffassung vertreten hat, hier liege auch eine Gesamtpraxisveräußerung vor, meint sie nunmehr, sie habe die Teilpraxis „Allgemeinmedizin” veräußert. Schon vor der Veräußerung hätten ihre Teilpraxen PT und TCM, wenn auch in kleinem Rahmen, jeweils mit Kassen- und Privatpatienten bestanden. Diese könnten sehr wohl als selbständige Praxisteile angesehen werden, da es sich jeweils um völlig verschiedene Tätigkeitsstrukturen und sehr unterschiedliche Patientenkreise handeln würde. Entgegen den Ausführungen in der EE handele es sich bei dem Bereich PT nicht um eine ärztliche Fortbildung. Gleiches gelte für den Bereich der TCM-Akupunktur.

    Im Bereich PT würden von privaten Veranstaltern Ausbildungsseminare angeboten. Diese Ausbildungen würden von den Ärztekammern anerkannt und würden nach einer Prüfung dazu berechtigen, den Titel „Psychotherapeut” zu führen. Die Psychotherapie sei keine auf der ärztlichen Ausbildung aufbauende Weiterbildung, sondern eine eigenständige heilkundliche Tätigkeit. Dies werde dadurch belegt, daß auch Psychologen, die nicht über eine ärztliche Ausbildung verfügen würden, dieselbe Ausbildung zum Psychotherapeuten durchlaufen würden, wie Ärzte, und später auch dieselbe Tätigkeit als Psychotherapeut ausüben würden wie diese. Durch das Psychotherapeutengesetz, welches zum 01.01.1999 in Kraft getreten sei, sei ein 15 Jahre dauernder Zustand gesetzlich kodifiziert worden. Hierdurch sei sowohl Ärzten als auch (nichtärztlichen) Psychologen die Möglichkeit eröffnet worden, sich als Psychotherapeut zu bezeichnen und im Rahmen der Kassenarztzulassung tätig zu sein. Auch an dieser neuen gesetzlichen Unterscheidung werde deutlich, daß Allgemeinmedizin und Psychotherapie heute eigene Facharztrichtungen seien.

    Auch die TCM sei keine schulärztliche Fortbildung. Das werde schon daran deutlich, daß es im Herkunftsland China zwei verschiedene Ausbildungsgänge gebe, den der Schulmedizin und den der TCM. Auch hier erfolge daher eine Ausbildung außerhalb der Schulmedizin und der fachärztlichen Fortbildung. Die TCM liege völlig abseits der Schulmedizin mit eigener Diagnostik und Therapie. Therapien seien ausschließlich Akupunktur, Kräuteranwendung und Ernährungslehre. Es werde nicht – wie in der Schulmedizin – die Krankheit behandelt, sondern der Mensch als ganzes würde therapiert.

    Während ein Arzt in der Allgemeinpraxis ca. 60 bis 80 Patienten pro Tag behandeln könne, unter Einsatz von verschiedenen Räumen und ärztlichem Hilfspersonal, benötige ein als Psychotherapeut tätiger Mediziner nur einen Raum, keinerlei ärztliches Hilfspersonal und sonstige Apparate und Geräte und könne pro Tag ca. 6 bis 8 Patienten behandeln, da jede Sitzung ca. eine Stunde dauere.

    Auch die TCM – Akupunkturbehandlung – benötige außer den Akupunkturnadeln keinerlei Aufwand an Personal und sonstigem Material- und Sacheinsatz.

    Als Allgemeinmediziner mit einem Durchschnitt von 60 bis 80 Patienten pro Tag sei der Kostenapparat für Räume, Ausstattung und Personal entsprechend hoch. Die Verdienstmöglichkeiten eines Mediziners bei nur 6 bis 8 Psychotherapie- und Akupunkturpatienten pro Tag lägen ungleich niedriger, würden andererseits jedoch auch keinen vergleichbaren Kostenaufwand wie eine allgemeinmedizinische Praxis erfordern.

    Auch die Patientenkreise beider Praxen seien unterschiedlich. Die allgemeinmedizinische Praxis erhalte ihren Zulauf für die täglichen Krankheiten in der Regel aus der örtlichen Umgebung – im vorliegenden Fall aus dem Einzugsbereich Mecklenbeck. Demgegenüber sei der Einzugsbereich der Psychotherapie- und Akupunkturpatienten für ihre Praxis nicht beschränkt auf M; das gesamte Mland bis hin an die Grenzen von Nordrhein-Westfalen gehöre zu diesem Einzugsbereich. Auch dies sei ein Grund, warum sich beide Praxen, sowohl die des Erwerbers als auch ihre, in der Folgezeit ohne einander Konkurrenz zu machen, hätten weiterentwickeln können. Aus der vorgelegten Liste der Herkunftsorte der PT- und TCM-Patienten in 1995 gehe hervor, daß nur 13 aus dem Einzugsgebiet der veräußerten allgemeinmedizinischen Praxis in M gekommen seien, 49 aus dem übrigen Einzugsgebiet der Stadt M und ihrer Vororte und fast die Hälfte – 59 – aus dem gesamten Raum Nordrhein-Westfalens.

    Sie habe die Bereiche PT und TCM einerseits und den allgemeinmedizinischen Praxisbereich andererseits, soweit dies organisatorisch möglich sei, getrennt. Für die PT- und Akupunkturpatienten habe sie feste Zeiten in ihrem Tagesablauf eingerichtet. Die Termine habe sie mit diesen Patienten selbst gemacht. Sie habe kein ärztliches Hilfspersonal für diese Zeiten benötigt und keinerlei Sachmittel mit Ausnahme der Akupunkturnadeln.

    Der Bundesfinanzhof (BFH) habe es in seiner Entscheidung vom 06.03.1997 IV R 28/96 BFH/NV 1997, 746 ausdrücklich offen lassen können, ob eine Naturheilpraxis gegenüber einer schulmedizinischen Praxis ein selbständiger Teilbetrieb sei, da die Naturheilpraxis zum Zeitpunkt der Betriebsveräußerung gar nicht bestanden habe. Entgegen dem damals zu entscheidenden Sachverhalt gebe es bei ihr beim Verkauf der allgemeinmedizinischen Praxis bereits den Teilbereich PT und TCM, wie sich aus den bereits vorgelegten Abrechnungs- und sonstigen Unterlagen eindeutig ergeben würde.

    Die optische Trennung dieser Teilbereiche auf dem Praxisschild als Allgemeinmedizinerin einerseits und als Ärztin für PT und TCM andererseits sei zum damaligen Zeitpunkt aus berufsrechtlichen Gründen nicht zulässig gewesen. Das Psychotherapeutengesetz sei erst zu einem späteren Zeitpunkt in Kraft getreten. Die Rechtsprechung mache zudem keine Vorgabe, wie diese selbständige Organisationseinheit am Markt auftreten müsse und die Leistungen anzubieten und zu erbringen habe.

    Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Klin. vom 25.09.1998, 10.11.1998, 21.04.1999, 03.09.1999, 20.11.1999, 20.06.20001 und 28.06.2001 sowie auf die diesen Schriftsätzen beigefügten Anlagen verwiesen.

    Die Klin. beantragt,

    unter Änderung des ESt-Bescheides 1994 vom 16.09.1997 und unter Aufhebung der EE vom 02.09.1998 die ESt 1994 dahingehend geändert festzusetzen, daß der erklärte Veräußerungsgewinn in Höhe von 139.724 DM als tarifbegünstigt versteuert berücksichtigt wird,

    hilfsweise die Revision zur Forbildung des Rechts zuzulassen.

    Das FA beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Das FA hält an seiner Rechtsauffassung fest. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt seiner Schriftsätze vom 26.01.1999, 16.07.1999 und 08.10.1999 verwiesen.

    Der Berichterstatter hat in dieser Sache am 29.05.20001 einen Erörterungstermin und der Senat am 29.08.2001 eine mündliche Verhandlung durchgeführt. Auf die Niederschriften hierüber wird Bezug genommen. Im übrigen wird auf den Inhalt der vom FA vorgelegten Steuerakten verwiesen.

    Gründe

    Die Klage ist unbegründet.

    Das FA hat zu Recht bei der ESt-Veranlagung 1994 den von der Klin. als steuerbegünstigen Veräußerungsgewinn erklärten Gewinn aus der Veräußerung des allgemeinmedizinischen Teilbereichs ihrer Arztpraxis als laufenden Gewinn berücksichtigt.

    Die Veräußerung des allgemeinmedizinischen Teilbereichs der ärztlichen Praxis der Klin. ist entgegen der Auffassung der Klin. keine Veräußerung einer Teilpraxis. Nach § 18 Abs. 3 Satz 1 EStG gehört zu den Einkünften aus selbständiger Arbeit auch der Gewinn, der bei der Veräußerung des Vermögens oder eines selbständigen Teils des Vermögens oder eines Anteils am Vermögen erzielt wird, das der selbständigen Arbeit dient. In diesem Fall gilt § 16 Abs. 2 bis 4 EStG in der für das Streitjahr maßgeblichen Fassung entsprechend (§ 18 Abs. 3 Satz 3 EStG). Der Veräußerungsgewinn wird – soweit er hiernach nicht steuerfrei – mit den ermäßigten Sätzen des § 34 Abs. 1 EStG versteuert (§ 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG). Nach der Rechtsprechung des BFH (vgl. Urteile vom 29.10.1992 IV R 16/91, BStBl. II 1993, 182 und vom 22.12.1993 I R 62/93, BStBl. II 1994, 352 m.w.N.), der sich der Senat anschließt, kann die Veräußerung eines selbständigen Teils des Vermögens im Sinne von § 18 Abs. 3 EStG in der Form einer Teilpraxisveräußerung nur dann in Betracht kommen, wenn ein freiberuflich tätiger Steuerpflichtiger mehrere selbständige, wesensmäßig verschiedene Tätigkeiten mit verschiedenen Kundenkreisen ausübt. Handelt es sich hingegen um eine einheitliche gleichartige Tätigkeit, so schließt die Eigenart der selbständigen Arbeit und die Betonung der Betätigung (im Gegensatz zum Kapitaleinsatz) im allgemeinen die Annahme aus, daß Teile der Praxis eine so weitgehende organisatorische Selbständigkeit erlangt haben, daß sie Teilbetrieben im gewerblichen Bereich gleichgestellt werden können.

    Der BFH unterscheidet danach zwei Arten einer selbständigen Teilpraxis:

    a) Es liegt keine sachlich einheitliche Praxis mit gleichartiger Tätigkeit vor; vielmehr handelt es sich um mehrere organisatorisch selbständige Praxisteile, in denen der Sache nach verschiedene Berufstätigkeiten mit verschiedenen Mandantenkreisen ausgeübt werden. Dabei können allein durch Trennung des Kunden- (Mandanten-, Patienten-) Stamms nicht selbständig lebensfähige Wirtschaftseinheiten geschaffen werden, auch dann nicht, wenn Gruppen von Kunden nach bestimmten Eigenarten (z.B. Zugehörigkeit zu bestimmten Branchen, Größe u.a.) unterscheidbar sind. Denn praxiswertbildend sind nicht diese Unterscheidungsmerkmale, sondern nur die Beziehungen zwischen dem Kunden und dem Freiberufler.

    b) Es liegt eine sachlich einheitliche Praxis mit gleichartiger Tätigkeit vor; die Praxis wird aber im Rahmen organisatorisch selbständiger Büros mit besonderem Personal in voneinander entfernten örtlichen Wirkungsbereichen mit getrennten Mandantenkreisen ausgeübt. Eine steuerbegünstigte Teilpraxisveräußerung setzt dann die Veräußerung eines der Büros samt den Mandantenbeziehungen und die völlige Einstellung der freiberuflichen Tätigkeit in dem dazugehörigen örtlich abgegrenzten Wirkungsbereich voraus (vgl. BFH-Urteil vom 06.03.1997 IV R 28/96 BFH/NV 1997, 746).

    Bei Anwendung dieser Grundsätze kann nicht angenommen werden, daß die Klin. eine Teilpraxis verkauft hat.

    Entgegen ihrer Auffassung hat sie in ihrer bis zum Zeitpunkt der Veräußerung am 01.09.1994 betriebenen Arztpraxis nicht mehrere selbständige, wesensmäßig verschiedene Tätigkeiten mit verschiedenen Mandantenkreisen ausgeübt. Es ist unstreitig, daß sie vor dem Übergabezeitpunkt des allgemeinmedizinischen Teils an den Erwerber Patienten behandelt hat, die sie sowohl nach schulmedizinischen Methoden als auch psychotherapeutisch oder mit Anwendung der traditionellen chinesischen Medizin (TCM) behandelt hat. Die von ihr bis zum Zeitpunkt der Veräußerung betriebenen Tätigkeitsbereiche „schuldmedizinische (allgemeinmedizinische) Behandlung”, „TCM” und „PT” haben nicht eine so weitgehende organisatorische Selbständigkeit erlangt, daß sie Teilbetrieben im gewerblichen Bereich gleichgestellt werden können. Dies ist jedoch erforderlich (vgl. dazu BFH-Urteil vom 22.12.1993 a.a.O.). Bei allen drei Tätigkeitsfeldern steht die Behandlung von Patienten im Vordergrund. Sie unterscheiden sich lediglich in den Behandlungsverfahren. Das FA weist zutreffend darauf hin, daß viele freie Berufe heute mehrere Arbeitsbereiche umfassen, nach denen eine Praxis dann auch organisatorisch gegliedert werden kann, ohne daß man deshalb von verselbständigten und von der Sache her verschiedenen Teilen einer freiberuflichen Praxis sprechen kann.

    Wenn sich z.B. Personen in einer Rechts- und/oder Steuerangelegenheit beraten lassen wollen, können sie zu einem Rechtsanwalt oder zu einem Steuerberater gehen. Sie können aber auch zu einer Person gehen, die beide Berufe erlernt hat und die ihre Leistungen in einer freiberuflichen Praxis anbietet. Wenn ein derartiger Rechtsanwalt und gleichzeitig als Steuerberater tätiger Freiberuflicher einen Mandanten berät, sind die beiden verschiedenen Bereiche, in denen er tätig wird, auch im Bewußtsein des Rechtsanwaltes/Steuerberaters nicht immer scharf getrennt. Vielfach gibt es zwischen den beiden Bereichen Überschneidungen. Nicht anders ist das bei einer Person, die anderen Menschen auf medizinischem Gebiet helfen will. Wenn ein Patient zu einem solchen Arzt kommt, wird dieser ihm mit sämtlichem ihn zur Verfügung stehenden Wissen und Mitteln helfen. Davon gehen auch die Patienten aus. Deshalb gehen viele Patienten auch zu Medizinern, die verschiedene ärztliche Ausbildungen erfolgreich abgeschlossen haben. Denn vielfach weiß der Patient vor der Behandlung nicht, ob seine Leiden körperliche Ursachen haben, die mit den Methoden der Schulmedizin oder evtl. mit der Methode der TCM behandelt werden müssen, oder die Leiden seelische Ursachen haben, bei denen eine psychotherapeutische Behandlung erforderlich ist. Eine Akupunkturbehandlung z.B. ergänzt bzw. erweitert die schulmedizinische Behandlungsmöglichkeit (z.B. Schmerzbehandlung durch Akupunktur anstelle von oder zusätzlich zur Schmerzbehandlung durch Medikamente). Eine Aufspaltung der Heilbehandlung eines derartigen Arztes mit drei verschiedenen Berufsausbildungen auf dem ärztlichen Gebiet in selbständige Teilpraxen wirkt gekünstelt.

    Zur Begründung für eine derartige Aufspaltung kann sich die Klin. auch nicht mit Erfolg darauf berufen, sie habe während ihrer psychotherapeutischen Sitzungen und während der Anwendung der TCM ihren weißen Arztkittel ausgezogen und ihre Arzthelferin nach Hause geschickt. Für einen Patienten ist bei einem Arzt das Vertrauen in die vom Arzt empfohlene und durchgeführte Therapie – mit welchen Behandlungsmethoden auch immer – entscheidend und nicht die Tatsache, ob der Arzt bei Anwendung der einen Behandlungsmethode einen Kittel an hat oder nicht oder zu seiner Unterstützung eine Arzthelferin anwesend ist.

    Ebensowenig kann entgegen der Auffassung der Klin. eine derartige Aufspaltung mit der Anzahl oder der Herkunftsorte der Patienten sowie der Ausstattung der Praxisräume mit Sachmitteln und Personal begründet werden. Dies ist wegen der persönlichkeitsbezogenen Tätigkeit der Klin. bei der Gesamtbeurteilung von untergeordneter Bedeutung.

    Die Klin. kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, daß nach der Veräußerung des schulmedizinischen Teilbereichs ihrer Arztpraxis sie und der Erwerber P. als Ärzte auf unterschiedlichen Gebieten mit unterschiedlichen Patientenkreisen tätig gewesen seien. Hierauf kommt es nicht an. Entscheidend ist, ob bei der Klin. vor der Veräußerung des genannten Teilbereichs bereits zwei oder drei klar getrennte Praxisteile (vergleichbar mit gewerblichen Teilbetrieben) vorhanden waren. Dies ist, wie oben bereits ausgeführt worden ist, nicht der Fall.

    Eine Praxisveräußerung im ganzen liegt hier ebenfalls nicht vor. Die Klin. hat ihre freiberufliche Tätigkeit nicht vollständig in dem bisherigen örtlichen Wirkungskreis eingestellt, da sie nach der Veräußerung des allgemeinmedizinischen Bereichs weiterhin und ohne Unterbrechung am Ort der bisherigen Praxis in den Bereichen PT und TCM tätig gewesen ist. Die Klin. geht nunmehr im Klageverfahren ebenfalls nicht mehr von einer Praxisveräußerung im ganzen aus. Deshalb erübrigen sich hierzu weitere Ausführungen.

    Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung.

    Die Revision ist nicht zugelassen worden, weil die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch ist eine Entscheidung des BFH zur Forgbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.

    VorschriftenEStG § 16 Abs 2, EStG § 16 Abs 3, EStG § 16 Abs 4, EStG § 34 Abs 1, EStG § 18 Abs 3