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  • 08.01.2010

    Finanzgericht Düsseldorf: Urteil vom 12.06.2002 – 5 K 8542/99 U

    1. Eine dem ermäßigten Umsatzsteuersatz unterliegende Pensionspferdehaltung setzt eine einheitliche entgeltliche Leistung in Gestalt der Unterbringung, Fütterung und Pflege voraus. Die vertragliche Ausklammerung bestimmter Pflegeleistungen steht der Vergleichbarkeit mit einer landwirtschaftlichen Viehhaltung entgegen.

    2. Ist Gegenstand des formularmäßigen Leistungsangebots auch die Nutzung von Reitsportanlagen durch die Pferdeeigentümer, so ist diese nicht aufteilbare Gesamtleistung bereits deshalb dem Regelsteuersatz zu unterwerfen, weil die Überlassung von Reitsportanlagen einerseits den Rahmen der Pensionsviehhaltung überschreitet und andererseits aufgrund ihres eigenen Zwecks und wirtschaftlichen Gewichts nicht als unselbständige Nebenleistung beurteilt werden kann (a.A. OFD Hannover, Vfg. v. 26.01.2000 S 7233 - 9 - StH 531).


    Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Die Revision wird zugelassen.

    Tatbestand

    Die Beteiligten streiten darum, ob die von der Klägerin im Rahmen einer Pferdepension in den Jahren 1992 bis 1997 erbrachten Leistungen dem ermäßigten Steuersatz des § 12 Abs. 2 Nr. 3 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) unterliegen.

    Die Klägerin ist ein eingetragener, gemeinnütziger Verein in Liquidation, der neben seinen sportfachlichen und berufständischen Aufgaben im Bereich des Pferdesports eine Pferdepensionshaltung betrieb. Sie schloss mit den Eigentümern der Pferde mündliche Einstellungsverträge ab, auf Grund derer sie folgende Leistungen erbrachte:

    - Gestellung eines Stellplatzes einschließlich Reinigung desselben,

    - Fütterung des Pferdes,

    - Pflegeleistungen: ständige Kontrolle der Pferde auf Verletzungen oder

    Krankheiten, Behandlungen von kleineren Verletzungen oder Satteldruck durch

    Personal der Klägerin, im Bedarfsfalle Benachrichtigung des Tierarztes

    einschließlich Notversorgung bis zu dessen Eintreffen, Übernahme der vom

    Tierarzt angeordneten Heilbehandlung wie z.B. Verabreichung von Medikamenten,

    Salben, Bewegung des Pferdes bei Koliken,

    - Bewegung der Pferde im Bedarfsfall ( z.B., wenn der Eigentümer verhindert ist)

    durch Reiten, Longieren, Führen oder durch Weidegang.

    Nur bei einigen der Pensionpferde übernahm die Klägerin regelmäßig auch den Beritt und die tägliche Körperpflege der Tiere.

    Zusätzlich standen den Eigentümern der Pferde neben zwei Reithallen ein Dressurplatz, ein Springplatz mit diversem Hindernismaterial, eine Waschbox, zwei Waschplätze, eine Longierhalle nach Absprache und drei Sattelkammern oder abschließbare Schränke außerhalb der Sattelkammern zur Verfügung.

    Der Preis der von der Klägerin angebotenen Leistungen einschließlich der zur Verfügung stehenden Reitsportanlagen belief sich ohne Beritt für Innenboxen auf 480,00 bis 500,00 DM und für Außenboxen auf 530,00 bis 550,00 DM für Einstellung, Fütterung und Pflege der Tiere pro Monat. Mit Beritt belief sich der Preis für Innenboxen auf 680,00 bis 880,00 DM und Außenboxen auf 730,00 bis 930,00 DM pro Monat.

    Die Klägerin unterwarf sämtliche Umsätze aus der Pensionpferdehaltung dem ermäßigten Steuersatz des § 12 Abs. 2 Nr. 3 UStG.

    Im Rahmen einer Betriebsprüfung für die Jahre 1993 bis 1995 vertrat die Prüferin die Auffassung, dass die Voraussetzungen des § 12 Abs. 2 Nr. 3 UStG im Hinblick auf die Pensionspferdehaltung nur insoweit erfüllt seien, als die Klägerin auch den Beritt der Pferde und ihre tägliche Pflege übernommen habe.

    Der Beklagte folgte dieser Auffassung auch für das Jahr 1992 und erließ am 22.12.1997 einen gemäß § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) geänderten Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 1992, mit dem die Umsätze aus der Pferdepension insoweit dem allgemeinen Umsatzsteuersatz unterworfen wurden, als die Klägerin lediglich Leistungen für Unterbringung, Fütterung und medizinische Kontrolle der Tiere erbrachte. Entsprechend geänderte Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 1993 bis 1995 ergingen jeweils am 21.07.1998. Für das Jahre 1996 erfolgte die Umsatzsteuerfestsetzung mit Bescheid vom 13.07.1999 und für das Jahr 1997 mit Bescheid vom 08.07.1999, jeweils unter Berücksichtigung der Feststellungen der Betriebsprüfung.

    Die am 16.01.1998 gegen den Änderungsbescheid 1992, am 28.07.1998 gegen die Änderungsbescheide 1993 bis 1995 und am 16.07.1999 gegen die Umsatzsteuerbescheide 1996 und 1997 eingelegten Einsprüche begründete die Klägerin damit, dass sie alle drei Leistungselemente der Pensionpferdehaltung, nämlich Stellplatzgestellung, Fütterung und Pflege abgelte. Die allein strittige Frage, wann eine ausreichende Pflegeleistung vorliege, werde durch die Klägerin insoweit erfüllt, als sie die medizinische Versorgung der Tiere im Rahmen des unstreitigen Leistungsumfanges erbringe. Damit liege nach Literaturmeinung eine ausreichende Pflegeleistung vor.

    Mit Beschluss vom 28.10.1998 hat das erkennende Gericht den Antrag der Klägerin auf Aussetzung der Vollziehung der Umsatzsteuer 1992 bis 1995 ( 5 V 6127/98 A (U) ) abgelehnt.

    Unter dem 10.12.1999 wies der Beklagte die Einsprüche unter Bezugnehme auf den vorgenannten Beschluss als unbegründet zurück.

    Mit ihrer am 24.12.1999 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.

    Ergänzend führt sie aus, dass es unerheblich sei, ob das Pferd umfassend oder nur teilweise gepflegt werde. Ausreichend sei, dass überhaupt Pflegeleistungen, gleichgültig in welchem Umfang, erbracht würden. Die von ihr erbrachten Pflegeleistungen, nämlich die regelmäßige Reinigung der Stellplätze sowie die Kontrolle der Pferde auf Verletzungen und ggf. die Einleitung der Behandlung erkrankter Tiere würden diesen Anforderungen genügen. Das Reinigen der Pferde z. B. gehöre nicht in den Katalog der Pflegeleistungen, weil es für das Wohlbefinden oder die Gesunderhaltung der Pferde nicht zwingend erforderlich sei. Dies zeige sich bereits dadurch, dass Pferde, die in sogenannter robuster Haltung, d.h. ohne Reinigung, untergebracht seien, sich in der Regel bester Gesundheit erfreuen würden. Vertiefend hierzu legt die Klägerin eine Stellungnahme des…Leiters... in „X”, „E”, vom 20.06.2001 (Bl. 50 ff.der Gerichtsakte) vor, auf die wegen ihres wesentlichen Inhalts Bezug genommen wird.

    Der Vergleich mit dem üblichen landwirtschaftlichen Leistungsangebot erfordere nicht die Einbeziehung von Reinigungsleistungen in den Pflegebegriff, wie sich gerade am Beispiel der Sommerweidegräsung zeige, bei der Reinigungsleistungen gerade nicht erbracht würden und die insoweit mit der Robustpferdehaltung vergleichbar sei. Auch im Falle der Unterbringung fremder Kühe in Abmelkstellen würden Reinigungsleistungen nicht erbracht. Hier werde deutlich, dass nicht entscheidungserheblich auf die Reinigung der Pferde abgestellt werden dürfe.

    Hinzu komme, dass die Tiere dann, wenn ihre Eigentümer dies nicht wahrnehmen könnten, auch bewegt würden. Damit sei der insoweit weitergefasste Pflegebegriff aus der Verfügung der Oberfinanzdirektion ( OFD ) Hannover vom 26.01.2000 ( Az: S 7233 - 9 - StH 532 / S - 7233 - 6 - StO 353 ) erfüllt. Auch hiernach sei die teilweise Ausführung von Pflegeleistungen durch die Eigentümer unschädlich, solange die ständige Leistungsbereitschaft des Unternehmers gegeben sei, die vereinbarten Leistungen ohne Aufforderung durch die Eigentümer zu erbringen.

    In diesem Zusammenhang sei allerdings die Unterscheidung zwischen Bewegung des Pferdes und Beritt entscheidend. Die Bewegung der Pferde durch die Klägerin im Bedarfsfalle durch Reiten, Longieren, Führen oder Weidegang sei ausreichend, um das Merkmal der Pflege in diesem Sinne zu erfüllen.

    Mit dem Begriff „Beritt” sei hingegen die Betreuung durch eine hierfür ausgebildete Person, einen Bereiter z.B., gemeint. Diese Betreuung sei regelmäßig auf die Aus- und Weiterbildung des betreffenden Pferdes oder dessen Eigentümers bzw. Reiters gerichtet, wobei die Auseinandersetzung mit dem betreffenden Pferd im Vordergrund stehe. Das Pferd solle in die Lage versetzt werden, als Mittel zur sportlichen Betätigung des Reiters eingesetzt werden zu können. Hierbei handele es sich um eine von der Bewegung des Tieres zu unterscheidende Leistung.

    Die Klägerin beantragt,

    unter Abänderung der Umsatzsteuerbescheide vom 22.12.1997 (1992), 21.07.1998 (1993-1995), 13.07.1999 (1996) und 08.07.1999 (1997) und Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 10.12.1999 die Umsätze aus der Pferdepensionshaltung dem ermäßigten Steuersatz gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 3 UStG zu unterwerfen,

    hilfsweise, die Revision zuzulassen.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen,

    hilfsweise, die Revision zuzulassen.

    Unter Bezugnahme auf seine Einspruchsentscheidung trägt er vertiefend vor:

    Die Reinigung der Tiere (Striegeln und Auskratzen der Hufe) und ihre Bewegung gehörten sehr wohl zum notwendigen Umfang der Pflegemaßnahmen; dies mache auch die von der Klägerin benannte Verfügung der OFD Hannover im Beispielsfall 1 deutlich. Danach sei es unschädlich, wenn gelegentliches Bewegen und Reinigen der Tiere durch die Eigentümer vorgenommen werde.

    Der Fall der Klägerin liege aber anders. Die Klägerin übernehme die Reinigung gar nicht und die Bewegung der Tiere nur gelegentlich. Insbesondere bestehe keine vertragliche Verpflichtung zur Reinigung und Bewegung der Tiere. Hierbei spiele es keine Rolle, ob die Klägerin auf Grund ihrer Organisationsstruktur und ihrer Personalausstattung dazu in der Lage gewesen wäre. Entscheidend sei, dass das Bewegen der Tiere nicht der Klägerin, sondern den Eigentümern obliege. Soweit die Klägerin auf den Beritt der Tiere abstelle, habe der Beklagte im Rahmen der Betriebsprüfung die hierauf entfallenden Leistungen in Höhe von 50.000 DM dem ermäßigten Steuersatz zugrundegelegt.

    Gründe

    Die zulässige gegen die Umsatzsteueränderungsbescheide 1992 bis 1995 und gegen die Umsatzsteuerbescheide 1996 und 1997 gerichtete Klage ist unbegründet, weil der Beklagte hierin zu Recht die Umsätze der Klägerin, die diese gegenüber den Pferdeeigentümern aufgrund der Einstellverträge erbracht hat, als sonstige Leistungen dem Regelsteuersatz gemäß § 12 Abs. 1 UStG unterworfen hat.

    Die Leistungen der Klägerin, die sie im Rahmen ihrer Pensionspferdehaltung erbringt, unterliegen nicht dem ermäßigten Umsatzsteuersatz des § 12 Abs. 2 Nr. 3 UStG. Gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 3 UStG beträgt der Steuersatz für die Aufzucht und das Halten von Vieh 7 vom Hundert.

    Unter Vieh sind solche Tiere zu verstehen, die als landwirtschaftliche Nutztiere in Nr. 1 der Anlage des UStG aufgeführt sind. Hierunter fallen auch Reit- und Rennpferde (Schumann in: Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, Kommentar zum UStG, Stand: Oktober 1998, § 12 Abs. 2 Nr. 3 Rdz. 2), wie sie von der Klägerin untergestellt werden.

    Das Tatbestandsmerkmal „Halten von Vieh” ist nicht legaldefiniert. Nach allgemeiner Auffassung umfasst dieses Merkmal die Betreuung von Tieren, die anderen Personen gehören. Danach ist der Leistungstatbestand dann verwirklicht, wenn die Tiere dem Unternehmer in Obhut gegeben werden. Typische Tatbestände dieser Vorschrift sind die Pensionsviehhaltung in Form der Sommergräsung und der Winterpflege sowie das Halten von Kühen in Abmelkstellen (Schumann in: Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, a.a.O., § 12 Abs. 2 Nr. 3 Rdz. 4).

    1. Eine begünstigte Pensionsviehhaltung in Form der Unterbringung und Betreuung von Reitpferden in Reitställen ist dann gegeben, wenn eine einheitliche Leistung, bestehend aus der Vermietung von Stellplätzen bei gleichzeitiger Übernahme der Fütterung und Pflege erbracht wird. Die Steuerermäßigung setzt voraus, dass eine einheitliche Leistung vorliegt, die alle drei vorbezeichneten Leistungselemente enthält.

    Unstreitig erfüllt die Klägerin die hiernach notwendigen ersten beiden Leistungselemente, die Vermietung eines Stellplatzes und die Übernahme der Fütterung der Pferde.

    Die Klägerin hat jedoch die für die Anerkennung einer begünstigten Pensionsviehhaltung erforderlichen Pflegeleistungen in Bezug auf die angenommenen Pensionspferde nicht in ausreichendem Maße erbracht.

    Nach der von der Klägerin angeführten Verfügung der OFD Hannover vom 26.1.2000 (S-7233-9-StH 531/S-7233-6-StO 353), aber auch nach den Kommentierungen zum UStG (u.a. Birkenfeld, USt.-Handbuch, Bd. II., Abschn. IV, Rz. 66; Schumann in: Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, a.a.O., § 12 Abs. 2 Nr. 3 Rdz. 4.1; Waza in: Offerhaus/ Söhn/Lange, Kommentar zum UStG, Stand: Februar 2001, § 12 Abs. 2 Nr. 3 Rdz. 14) gehören zum Merkmal der „Pflege” das Bewegen der Pferde, die Gewährleistung des Gesundheitszustandes der Tiere, die Reinigung der Tiere und der Boxen sowie das Ausmisten und Einstreuen des Einstellplatzes.

    Der Senat stimmt der Auffassung der Verwaltung, wie sie in der Verfügung der OFD Hannover vom 26.1.2000 (a.a.O.) zum Ausdruck kommt, zu, wonach die ständige Leistungsbereitschaft des Unternehmers gegeben sein muß, sämtliche der genannten Pflegeleistungen jederzeit auch ohne Aufforderung durch den Tierbesitzer zu erfüllen.

    Für diese strengen Anforderungen an die Erfüllung des Merkmals der „Betreuung fremder Tiere” im Rahmen der Pensionspferdehaltung, wonach der Pferdepensionsbetreiber verpflichtet sein muß, sämtliche für die artgerechte Haltung der jeweiligen Pferde notwendigen Pflegeleistungen zu erbringen, spricht nach Auffassung des Senats die erst dann gegebene Vergleichbarkeit mit den typischen landwirtschaftlichen Tatbeständen der Betreuung fremder Tiere i.S.d. § 12 Abs. 2 Nr. 3 UStG. Hierzu zählen insbesondere die Pensionsviehhaltung in Form der Sommergräsung und der Winterpflege sowie das Halten von Kühen in Abmelkstellen (Schumann in: Rau/Dürrwächter/ Flick/Geist, a.a.O., § 12 Abs. 2 Nr. 3 Rdz. 4), bei denen die Eigentümer der Tiere regelmäßig keine weiteren Betreuungsleistungen neben den Leistungen des Pensionsviehhalters mehr erbringen müssen. Pferdepensionen, bei denen demgegenüber die Eigentümer die für die Gesundheit der Pferde notwendige Bewegung und die tägliche Körperpflege der Tiere (insbesondere das Striegeln und Putzen) selbst übernehmen, entsprechen hingegen nicht diesem üblichen landwirtschaftlichen Leistungsangebot. Die Übereinstimmung des Leistungsumfanges eines Pferdepensionsbetreibers mit den Leistungen typischer landwirtschaftlicher Pensionsviehhaltungsbetriebe dürfte auch dem Normzweck des § 12 Abs. 2 Nr. 3 UStG entsprechen. Nur solche Unternehmer, die Lieferungen und sonstige Leistungen anbieten, die üblicherweise zum landwirtschaftlichen Leistungsangebot gehören, sollten im Wettbewerb zu den Landwirten nicht benachteiligt werden (vgl. Schuhmann in Rau/Dürrwächter/Flick/Geist UStG, § 12 Abs. 2 Nr. 3, Rdz. 1).

    Im übrigen verweist der Senat auf die Rechtsprechung des BFH und des Europäischen Gerichtshofes - EuGH - , wonach für eine ausdehnende Auslegung des Gesetzeswortlautes oder eine analoge Anwendung umsatzsteuerrechtlicher Begünstigungsvorschriften auf andere, im Gesetz nicht genannte Tatbestände zur Vermeidung einer Wettbewerbsverzerrung grundsätzlich kein Raum ist (vgl. die Urteile des BFH vom 16. 7. 1970, V R 138/69, BStBl II 1970, 709; vom 4. 2. 1971, V R 86/70, BStBl II 1971, 430 und vom 29. 8. 1974, V R 90/70, BStBl II 1975, 29; Urteile des EuGH vom 15. 6. 1989 - Rs 348/87, Umsatzsteuer-Rundschau - UR - 1991, 28 und vom 18.1.2001, Rs C-83/99, UR 2001, 210).

    Unstreitig erbrachte die Klägerin zwar diverse Leistungen, die nach allgemeiner Auffassung dem Merkmal der „Pflege” zuzuordnen sind. So war sie nach den mündlichen abgeschlossenen Einstellverträgen zur Reinigung der vermieteten Stellplätze, zur ständigen Kontrolle der Pferde auf Verletzungen oder Krankheiten, zur Behandlung von kleineren Verletzungen oder Satteldruck, zur Benachrichtigung des Tierarztes im Bedarfsfalle einschließlich der Notversorgung des Pferdes bis zu dessen Eintreffen sowie zur Übernahme der vom Tierarzt verordneten Heilbehandlung wie z. B. der Verabreichung von Medikamenten, Salben und zur Bewegung des Pferdes bei Koliken verpflichtet.

    Streitig ist jedoch zwischen den Beteiligten, inwieweit die Klägerin auch Pflegeleistungen in Form des Bewegens der Pensionspferde und des Reinigens der Tiere erbracht hat. Die Klägerin hat hierzu angegeben, im Bedarfsfalle, wenn z. B. der Eigentümer des Pferdes verhindert sei, die Pferde durch Reiten, Longieren, Führen oder durch Weidegang zu bewegen. Das Reinigen der Pferde gehöre nach ihrer Auffassung nicht in den Katalog der Pflegeleistungen, weil es für das Wohlbefinden oder die Gesunderhaltung der Pferde nicht zwingend erforderlich sei, wie sich am Beispiel der Robustpferdehaltung zeige und sich auch aus der Stellungnahme von Herrn „E” ergebe.

    Auch wenn dieser Vortrag die Annahme rechtfertigt, dass bei Verhinderung des jeweiligen Eigentümers die notwendige Bewegung der bei der Klägerin untergebrachten Tiere sichergestellt war, so ergibt sich doch aus dem Inhalt der Einstellungsverträge und den danach vereinbarten, von der Klägerin zu erbringenden Leistungen, dass sie zu diesen Leistungen nicht vertraglich gegenüber den Pferdebesitzern verpflichtet war und dass die Eigentümer hierfür auch kein Entgelt an die Klägerin zu entrichten hatten. Denn nach den abgeschlossenen Verträgen war die Klägerin nicht dazu verpflichtet, den Pensionspferden Auslauf zu verschaffen. Der Sachvortrag der Klägerin weist diesbezüglich darauf hin, dass diese Arbeiten lediglich im Bedarfsfalle, d. h. ausnahmsweise und nicht im Rahmen einer fortlaufend bestehenden Leistungsbereitschaft der Klägerin erbracht wurden.

    Betreffend das regelmäßige Reinigen der Pferde ist der Klägerin nicht zuzustimmen, dass diese Leistungen unter Bezugnahme auf die Besonderheiten der Robustpferdehaltung entbehrlich seien. Bei den bei der Klägerin eingestellten Pferden handelt es sich um Reitpferde, die einer anderen Pflege bedürfen als Pferde in der Robusthaltung. Dies ergibt sich bereits aus der von der Klägerin vorgelegten Stellungnahme des Herrn „E”. Danach bedürfen Pferde in der Robusthaltung oder Pferde in ganztägiger oder ganzjähriger Weidehaltung keiner Reinigung, weil die naturnahen Haltungsbedingungen eine naturnahe Stoffwechselleistung der Haut und ihrer Haare ermöglichen. Die hiernach notwendigen Pflegeleistungen nehmen die Pferde durch Wälzen oder ggf. gegenseitiges Beknabbern vor. Anders liegen die Verhältnisse bei Reit- und Sportpferden, bei denen das regelmäßige Entfernen von Schmutz, Staub und Schweiß der Vermeidung von Gesundheitsschäden der Haut, insbesondere durch Einwirken von Geschirr und Sattel dient.

    Im übrigen geht die Klägerin selbst von der Notwendigkeit der täglichen Körperpflege bei den Pferden aus, denn im Einzelfall vereinbart sie diese Leistung auch mit den Eigentümern der Pferde.

    Eine sich aus den abgeschlossenen Pferdeeinstellungsverträgen ergebende ständige Verpflichtung der Klägerin zur Erbringung sämtlicher zur artgerechten Haltung der Pferde notwendigen Pflegeleistungen bestand somit nicht, sodass schon aus diesem Grunde nach Auffassung des Senats eine Steuerermäßigung i.S. von § 12 Abs.2 Nr.3 UStG bezüglich des Pferdepensionsbetriebes der Klägerin nicht in Betracht kommt.

    2. Unabhängig von der Frage des für die Steuerermäßigung i.S. des § 12 Abs.2 Nr.3 UStG notwendigen Umfangs der zu erbringenden Pflegeleistungen kann die Klägerin diese Ermäßigungsvorschrift jedoch auch deshalb nicht für sich in Anspruch nehmen, weil zusätzlich zu der Unterbringung, der Fütterung und der ihrem Umfang nach streitbefangenen Pflege der Tiere unstreitig auch die Nutzung der von der Klägerin unterhaltenen Reitsportanlagen Gegenstand des Leistungsangebotes der Klägerin und Inhalt der jeweils mit den Pferdeeigentümern abgeschlossenen Einstellungsverträge war. Durch das Recht, zu einem einheitlichen Pensionspreis alle angebotenen Leistungen und Einrichtungen der Klägerin in ihrer Gesamtheit zu nutzen, liegt eine einheitliche, nicht aufteilbare Leistung vor, die den Rahmen des § 12 Abs. 2 Nr. 3 UStG überschreitet und daher als sonstige Leistung dem Regelsteuersatz gemäß § 12 Abs. 1 UStG zu unterwerfen ist.

    Der Senat folgt insoweit nicht der Auffassung der Verwaltung, wie sie von der OFD Hannover in der von der Klägerin angeführten Verfügung vom 26.1.2000 (S-7233-9-StH 531/S-7233-6-StO 353) vertreten wird. Hiernach soll es sich bei der zusätzlich zu der Pensionspferdehaltung dem Pferdeeigentümer vertraglich eingeräumten Nutzungsmöglichkeit der Reitanlagen lediglich um eine unselbständige Nebenleistung zu den Unterbringungs- und Betreuungsleistungen handeln. Das Gericht ist vielmehr der Ansicht, dass die von der Klägerin vereinbarungsgemäß erbrachten Leistungen insgesamt als im wesentlichen gleichrangige Bestandteile einer nicht steuerbegünstigten einheitlichen sonstigen Leistung, nämlich der Ermöglichung der Ausübung des Reitsports, anzusehen sind.

    Die Annahme einer unselbständigen Nebenleistung, die das rechtliche Schicksal der Hauptleistung, insbesondere deren Steuersatz, teilt, setzt nach der Rechtsprechung des BFH voraus, dass sie im Vergleich zur Hauptleistung nebensächlich ist, mit ihr eng zusammenhängt, die Hauptleistung wirtschaftlich ergänzt, verbessert oder abrundet und üblicherweise mit der Hauptleistung („in ihrem Gefolge”) vorkommt (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Urteile des BFH vom 29. 4.1999, V R 72/98, BFH/NV 1999, 1523, vom 14.5.1998, V R 85/97, BFHE 186, 151, BStBl II 1999, 145 - Abgabe von Speisen und Getränken in einem Kabarett - und vom 1.8.1996, V R 58/94 in BFHE 181, 208, BStBl II 1997, 160 - Pauschalreise auf Kabinenschiffen, jeweils m.w.N.).

    Eine Nebenleistung liegt danach vor, wenn die Leistung für den Leistungsempfänger keinen eigenen Zweck erfüllt, sondern nur ein Mittel darstellt, um die Hauptleistung des Unternehmers unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen, und wenn die Leistung keinen oder nur einen geringen Anteil an der Gegenleistung hat (Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften, Urteile vom 25. Februar 1999 Rs. C-349/96 - Card Protection Plan Ltd., Umsatzsteuer- und Verkehrsteuer-Recht 1999, 157 Rdnr. 30; vom 22. Oktober 1998 Rs. C-308/96 und C-94/97 - Madgett und Baldwin, Umsatzsteuer-Rundschau 1999, 38 Rdnr. 24).

    Bei der Zurverfügungstellung der Reitanlagen handelte es sich hiernach deshalb nicht um eine - im Verhältnis zu den übrigen von der Klägerin den Pferdeeigentümern vertraglich zugesicherten Leistungen - steuerlich unselbständige Nebenleistung, weil diese Leistung der Klägerin im Vergleich insbesondere zu den Unterbringungs- und Fütterungsleistungen der Klägerin nicht nebensächlich war und außerdem aus Sicht der Leistungsempfänger auch einen eigenen Zweck - nämlich die Möglichkeit der Ausübung des Reitsports - erfüllte. Nebensächlich im Verhältnis zu den übrigen Leistungen war die Benutzung der von der Klägerin bereitgehaltenen Reitanlagen nicht, weil dieser Leistung sowohl aus Sicht der Klägerin als auch aus Sicht der Nutzer ein eigenes wirtschaftliches Gewicht (vgl. Urteil des BFH vom 18.5.1994, XI R 107/92, BFH/NV 1994, 913) zukam. Den Pferdeeigentümern kam es als Reitern nicht nur darauf an, durch den Abschluss der Pferdeeinstellungsverträge die artgerechte Unterbringung und Fütterung ihrer Tiere sicherzustellen. Vielmehr ist bei lebensnaher Betrachtung aus Sicht der Reiter davon auszugehen, dass wesentlich für den Abschluss der Pferdeeinstellungsverträge auch die hiermit einhergehende Möglichkeit der Nutzung der von der Klägerin unterhaltenen Reitanlagen war. Denn die Ausübung des Reitsports dürfte für die Pferdeeigentümer der maßgebliche Zweck der Anschaffung und Unterhaltung der Pferde gewesen sein. Auch aus Sicht der Klägerin ist die Bereitstellung und Unterhaltung der zu ihrem Unternehmen gehörenden Reitanlagen schon allein wegen der hiermit verbundenen zusätzlichen Kosten ein eigenständiges wirtschaftliches Gewicht neben der Unterbringung und Fütterung der Pensionspferde beizumessen, wobei naheliegend ist, dass auch die von der Klägerin für den Bau und die Unterhaltung der Reitanlage aufzubringenden Kosten Einfluss hatten auf ihre Kalkulation hinsichtlich der Höhe des von den Pferdeeigentümern aufgrund der Pferdeeinstellungsverträge zu zahlenden Betrages in Höhe von monatlich 480,00 bis 500,00 DM für Innenboxen und 530,00 bis 550,00 DM für Außenboxen.

    Umsatzsteuerlich bildet die Einräumung der Nutzung der Reitanlage zusammen mit den übrigen Leistungen, zu denen sich die Klägerin gegenüber den Pferdeeigentümern verpflichtete, eine einheitliche sonstige Leistung.

    Eine einheitliche Leistung ist dann anzunehmen, wenn deren einzelne Faktoren so ineinander greifen, dass sie bei natürlicher Betrachtungsweise hinter dem ganzen zurücktreten. Im Gegensatz dazu lässt sich ein auf einem Gesamtvertrag beruhendes Leistungsverhältnis umsatzsteuerrechtlich aufteilen, wenn hierin mehrere, ihrem wirtschaftlichen Gehalt nach selbstständige und voneinander unabhängige Einzelleistungen zusammengefasst sind. Eine einheitliche, nicht aufteilbare Leistung kann danach nicht schon auf Grund der Erwägung bejaht werden, dass sie auf einem einheitlichen Vertrag beruht und gegen ein einheitliches Entgelt erfolgt. Entscheidend ist vielmehr der wirtschaftliche Gehalt der erbrachten Leistungen (BFH, Urteil vom 08.09.1994, V R 88/92, BStBl 1994, 959 und Urteil vom 28.09.2000 - V R 14/99 - BStBl. II 2001, 78).

    Der wirtschaftliche Gehalt der Leistungen der Klägerin an die Eigentümer der Pferde bestand in der Unterbringung, der Fütterung und der Betreuung der Pferde in dem als unstreitig beschriebenen Umfang sowie in der Bereitstellung der Reitsportanlagen zur Nutzung durch die Eigentümer der Pferde. Dabei verlangte die Klägerin einen einheitlichen monatlichen Pensionspreis als Entgelt für die Eröffnung der Möglichkeit, auch die vorhandenen Reitsportanlagen in Anspruch zu nehmen. Insoweit war kein zusätzliches Nutzungsentgelt zu leisten. Die Eröffnung der Nutzungsmöglichkeiten der Reitsportanlagen neben der Unterbringung, Fütterung und des entsprechend beschriebenen Versorgens der fremden Tiere diente offensichtlich dazu, interessierte Pferdebesitzer „rundherum” mit einem Angebot zu versorgen, das die Ausübung des Reitsports mit dem eigenem Pferd ermöglichte.

    Mit dem Abschluss des von der Klägerin angebotenen Pferdeeinstellungsvertrages erwarb der Pferdeeigentümer zu einem monatlichen Festpreis das Recht, dieses Angebot in seiner Gesamtheit in Anspruch zu nehmen. In der Bereitstellung der unmittelbaren Versorgung des Pferdes und der Reitsportanlagen bestand der Umsatz der Klägerin. Dabei war es für die Preisgestaltung unerheblich, ob und in welchem Umfang der Eigentümer der Pferde die ihm zur Verfügung gestellten Einrichtungen auch tatsächlich in Anspruch nahm. Dies lag im Belieben des jeweiligen Pferdebesitzers und entzog sich im Übrigen weitgehend der Kontrolle durch die Klägerin.

    Danach greifen - abgestellt auf den wirtschaftlichen Gehalt der Leistungen - die einzelnen Bestandteile des Leistungsangebots der Klägerin dergestalt ineinander, dass sie bei ganzheitlicher Betrachtung eine einheitliche Leistung ergeben. Für die Aufteilung dieses Leistungsangebots in Einzelleistungen bleibt kein Raum.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung -FGO-.

    Die Revision war gemäß § 115 Abs. 2 Ziffer 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen, weil zu den hier streitigen Fragen des Vorliegens steuerermäßigter Leistungen i.S. des § 12 Abs. 2 Nr. 3 UStG im Rahmen eines Pferdepensions- und Reitsportbetriebes bislang keine höchstrichterliche Rechtsprechung ergangen ist.

    VorschriftenUStG § 12 Abs. 1, UStG § 12 Abs. 2 Nr. 3