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  • 10.02.2011

    Finanzgericht Sachsen: Urteil vom 28.07.2010 – 2 K 322/10

    1. Aus dem Umstand, dass die Definition der Sacheinlage in § 20 Abs. 1 UmwStG 2002 von einem Betrieb ausgeht, ist zu folgern, dass bei der Einbringung von zwei Betrieben gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten in eine Kapitalgesellschaft auch zwei Sacheinlagen vorliegen.

    2. Werden in einem einheitlichen Vorgang mehrere Sacheinlagen übertragen, so ist das Wahlrecht des § 20 Abs. 2 S. 1 UmwStG 2002 und damit auch die Frage, ob eine Aufstockung nach § 20 Abs. 2 S. 4 UmwStG 2002 zu erfolgen hat, für jeden Sacheinlagengegenstand gesondert zu prüfen.

    3. Etwas anderes gilt aber dann, wenn durch dieselbe Person in einem einheitlichen Vorgang mehrere Sacheinlagegegenstände übertragen werden. In einem solchen Fall erhält der Übertragende bei gleichzeitiger Einbringung je eines Betriebes mit negativem und positivem Kapital keinen Ausgleich seines negativen Kapitals, soweit dieses bereits durch Verrechnung mit dem positiven Kapital des anderen Betriebes ausgeglichen wird.


    Im Namen des Volkes

    URTEIL

    In dem Finanzrechtsstreit

    hat der 2. Senat unter Mitwirkung von Vizepräsidentin des Finanzgerichtes …, Richterin am Finanzgericht …, Richter am Finanzgericht … und der ehrenamtlichen Richter … und … auf Grund mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 28. Juli 2010 für Recht erkannt:

    1. Der Körperschaftsteuerbescheid für 2004 vom 3. November 2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 29. Januar 2010 wird dahingehend abgeändert, dass bei der Ermittlung des Gewinns keine Abschreibungen für den Neubau Innere Station in Höhe von EUR 47.730,65 angesetzt werden. Die Berechnung der Körperschaftsteuer 2004 wird dem Beklagten aufgegeben.

    2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

    3. Das Urteil ist für die Klägerin hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des sich aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss ergebenden Betrages abwenden, wenn nicht zuvor die Klägerin Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

    4. Die Revision wird zugelassen.

    Tatbestand

    Streitig ist im Rahmen der Körperschaftsteuer 2004, ob die Einbringung zweier Betriebe in die Klägerin einzeln oder getrennt zu bewerten ist.

    Die Klägerin war eine mit Gesellschaftsvertrag vom 21. Januar 1993 gegründete GmbH, deren Gegenstand die Beratung, Planung, Einrichtung, Vermittlung und der Betrieb von Krankenanstalten ist. Alleiniger Gesellschafter war D. D betrieb daneben das Unternehmen D X mit Sitz in P (im Folgenden: D X) – zwischen diesem und der Klägerin bestand eine Betriebsaufspaltung – und das Unternehmen D Y mit Sitz in N (im Folgenden: D Y). Mit notariellem Vertrag vom 26. August 2004 erhöhte der Alleingesellschafter die bisherige Stammeinlage der Klägerin von EUR 25.564,59 um EUR 174.435,59 auf EUR 200.000 mit Gewinnberechtigung ab dem 1. Januar 2004. Die neue Stammeinlage erbrachte der Gesellschafter durch die Einbringung seiner beiden Einzelunternehmen mit allen Aktiva und Passiva. Die Betriebsübergabe fand zum 1. Januar 2004 statt. Die Einbringung erfolgte zu den in der Einbringungsbilanz zum 31. Dezember 1993 ausgewiesenen Buchwerten. Der Einbringungswert der D X betrug lt. Bilanz – EUR 1.065.192,06 und der der D Y EUR 1.456.977,79.

    Der Beklagte setzte die Körperschaftsteuer 2004 mit Bescheid vom 30. Dezember 2005 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung auf EUR 255.372 fest. Das Finanzamt P führte 2006 bei der D X eine Betriebsprüfung durch. Der Beklagte führte bei der Klägerin 2007/2008 ebenfalls eine Betriebsprüfung durch (Bericht vom 30. Juni 2008). Die Finanzämter kamen neben weiteren hier nicht streitigen Feststellungen zu dem Ergebnis, dass lt. den Buchwerten Aktiva der D X in Höhe von EUR 1.581.124,05 und Passiva in Höhe von EUR 2.535.737 in die Klägerin eingebracht worden seien. Aufgrund der in den Vorjahren vorgenommenen Sonderabschreibungen bei dem Neubau Innere Station seien dort stille Reserven in Höhe des Unterschiedsbetrages von EUR 954.612,95 aufzudecken. Die Aktiva seien insoweit zu erhöhen und weitere Abschreibungen für die innere Station in Höhe von 5% des Unterschiedsbetrages, somit EUR 47.730,65, vorzunehmen. Entsprechend dem Ergebnis der Betriebsprüfung änderte der Beklagte den vorangegangenen Bescheid und setzte am 3. November 2008 die Körperschaftsteuer 2004 auf EUR 242.663 fest. Dagegen legte die Klägerin Einspruch ein, den der Beklagte am 29. Januar 2010 zurückwies.

    Die Klägerin bringt vor, die Buchwerte des Einzelunternehmens D X seien nicht aufzustocken, da die Einbringung der beiden Unternehmen D X und D Y ein einheitlicher Vorgang sei, so dass die eingebrachten Passiva die Aktiva nicht übersteigen würden. Zivilrechtlich habe eine Sacheinlage durch einen Einbringenden gegen Ausgabe eines Anteils vorgelegen. Steuerrechtlich sei eine Einbringung erfolgt, bei der zwischen den positiven und negativen Sacheinlagen ein Ausgleich erfolgen müsse. Da eine Aufteilung in getrennte Anteile und eine getrennte Bewertung ausscheide, greife die Einschränkung des Ansatzwahlrechtes nach § 20 Abs. 2 S. 4 UmwStG a.F. nicht.

    Die Klägerin beantragt,

    den Körperschaftsteuerbescheid für 2004 vom 3. November 2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 29. Januar 2010 dahingehend abzuändern, dass bei der Ermittlung des Gewinns keine Abschreibungen für den Neubau Innere Station in Höhe von EUR 47.730,65 angesetzt werden.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Der Beklagte bringt vor, es handele sich um zwei getrennt zu beurteilende Einbringungsvorgänge, da zwei eigenständige Betriebe eingebracht worden seien. Da die Passivposten des Unternehmens D X die Aktivpositionen überstiegen hätten, sei eine steuerneutrale Einbringung nicht möglich gewesen.

    Hinsichtlich der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die vorbereitenden Schriftsätze, die zu Gericht gereichten Behördenakten und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 28. Juli 2010 Bezug genommen.

    Entscheidungsgründe

    Die zulässige Klage ist begründet.

    I.

    Die Klägerin begehrt zwar eine höhere Steuerfestsetzung, da nach ihrer Ansicht die Abschreibungen auf die höheren Aktiva zu versagen sind. Eine Klage gegen eine zu niedrige Steuerfestsetzung ist unzulässig. Davon besteht aber eine Ausnahme, soweit eine Besteuerungsgrundlage für ein anderes Verfahren maßgeblich ist (zur Nullfestsetzung bei Körperschaftsteuerbescheiden: Urteil des Bundesfinanzhofs vom 8. November 1989, BStBl II 1990, 91). Dies ist vorliegend der Fall, da gemäß § 20 Abs. 4 S. 1 UmwStG a. F. der Wert, mit dem die Kapitalgesellschaft – hier die Klägerin – das eingebrachte Betriebsvermögen ansetzt, für den Einbringenden als Veräußerungspreis gilt, mit der Folge, dass beim Einbringenden nicht zu prüfen ist, ob der Wert zutreffend ermittelt wurde (Urteil des Bundesfinanzhofes vom 19. Dezember 2007, BStBl. II 2008, 536). Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass im Rahmen der Besteuerung der Kapitalgesellschaft die Bewertung zu prüfen ist.

    II.

    Die weiteren Abschreibungen in Höhe von EUR 47.730,65 sind nicht vorzunehmen, da der Wert des eingebrachten Betriebsvermögens nicht durch die Aufdeckung von stillen Reserven in Höhe von EUR 954.612,95 zu erhöhen ist.

    Wird ein Betrieb in eine Kapitalgesellschaft eingebracht und erhält der Einbringende dafür neue Anteile an der Kapitalgesellschaft, darf die aufnehmende Kapitalgesellschaft gemäß § 20 Abs. 2 UmwStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung das eingebrachte Betriebsvermögen mit seinem Buchwert oder mit einem höheren Wert ansetzen. Der Buchwert ist der Wert, mit dem der Einbringende das eingebrachte Betriebsvermögen im Zeitpunkt der Sacheinlage nach den steuerrechtlichen Vorschriften über die Gewinnermittlung anzusetzen hat. Die Klägerin hat den Ansatz zu Buchwerten gewählt. Übersteigen jedoch die Passivposten des eingebrachten Betriebsvermögens die Aktivposten, so hat die Kapitalgesellschaft das eingebrachte Betriebsvermögen mindestens so anzusetzen, dass sich die Aktivposten und die Passivposten ausgleichen; dabei ist das Eigenkapital nicht zu berücksichtigen. Ein derartiger Fall liegt hier nicht vor.

    Der Gesellschafter D hat zwei selbständige Betriebe in die Klägerin gegen Gewährung von Anteilen an der Klägerin eingebracht. Das UmwStG enthält keine Begriffsbestimmung des Betriebes, weswegen für den Betriebsbegriff die ertragsteuerlichen Grundsätze heranzuziehen sind (Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, § 20, Rn. 25). Danach ist ein Betrieb die auf Erreichung eines arbeits- bzw. produktionstechnischen Zwecks gerichtete organisatorische Zusammenfassung personeller, sachlicher und anderer Arbeitsmittel zu einer selbständigen Einheit (Urteil des Bundesfinanzhofes vom 13. Oktober 1988, BStBl. II 1989, 7), wobei auch ein Besitzunternehmen im Rahmen der Betriebsaufspaltung ein eigenständiger Betrieb sein kann (Schmitt/Hörtnagel/Stratz, UmwStG, 4. Auflage, § 20, Rn. 9). Die Voraussetzungen liegen vorliegend sowohl bei der D X als auch bei der D Y vor. Die D X war im Rahmen einer Betriebsaufspaltung mit der Klägerin das Besitzunternehmen für die Grundstücke in A. Die D Y betrieb, wie sich aus der Einbringungsbilanz ergibt, ein Krankenhaus in N. Es waren daher räumlich voneinander ausgeübte ungleichartige Tätigkeiten. Unerheblich ist, dass D Inhaber beider Betriebe war, da auch eine natürliche Person mehrere Betriebe unterhalten kann (Urteil des Bundesfinanzhofes vom 9. August 1989, BStBl. II 1989, 901).

    D hat auch zwei Sacheinlagen in die Klägerin eingebracht. Der Begriff der Sacheinlage ist in § 20 Abs. 1 UmwStG dahingehend eigenständig definiert, dass darunter die Übertragung eines Betriebes, Teilbetriebes oder Mitunternehmeranteiles in eine Kapitalgesellschaft gegen den Erhalt neuer Gesellschaftsanteile verstanden wird. Aus der eigenständigen Definition der Sacheinlage folgt, dass diese von derjenigen des Handelsrechtes abweicht

    (Rödder/Herlingaus/van Lishaut, UmwStG, § 20, Rn. 24; Dötsch/Rost/Pung/Witt, § 20 UmwStG, Rn. 6 (vor SEStEG)), so dass die handelsrechtlichen und auch die gesellschaftsrechtlichen Vorschriften, wie die des Verbotes der Übernahmen mehrerer Stammeinlagen der hier anzuwendenden bis zum 31. Oktober 2008 gültigen Fassung der §§ 55 Abs. 4, 5 Abs. 2 GmbHG, nicht zu übertragen sind. Da die Definition der Sacheinlage in § 20 Abs. 1 UmwStG a.F. von einem Betrieb ausgeht, ist daraus zu folgern, dass bei zwei Betrieben auch zwei Sacheinlagen vorliegen.

    Werden aber in einem einheitlichen Vorgang mehrere Sacheinlagen übertragen, so ist das Wahlrecht des § 20 Abs. 2 S. 1 UmwStG a.F. und damit auch, ob eine Aufstockung nach § 20 Abs. 2 S. 4 UmwStG a.F. zu erfolgen hat, für jeden Sacheinlagengegenstand gesondert zu prüfen (Schmitt/Hörtnagel/Stratz, UmwStG, § 20, Rn. 260). Denn ein eingebrachtes Betriebsvermögen im Sinne des § 20 Abs. 2 UmwStG a.F. ist in Zusammenhang mit § 20 Abs. 1 UmwStG a.F. bezogen auf den jeweils eingebrachten Betrieb und damit die jeweilige Sacheinlage entsprechend den obigen Ausführungen zu betrachten.

    Etwas anderes gilt aber dann, wenn durch dieselbe Person in einem einheitlichen Vorgang mehrere Sacheinlagegegenstände übertragen werden (Schmitt/Hörtnagel/Stratz, UmwStG, § 20, Rn. 260). Dies ergibt sich aus der Auslegung des § 20 Abs. 2 S. 4 UmwStG a.F. Für die Auslegung einer Gesetzesvorschrift ist der in ihr zum Ausdruck kommende objektivierte Wille maßgebend, so wie er sich aus dem Wortlaut der Gesetzesbestimmung und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den er hineingestellt ist (ständige Rechtsprechung: Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 21. Mai 1952, BVerfGE 1, 299, 312; Urteil des Bundesfinanzhofes vom 29. März 2001, BStBl II 2001, 437, m.w.N.). Zweck der Vorschriften des UmwStG war, Strukturanpassungen von Unternehmen durch steuerrechtliche Bestimmungen nicht zu erschweren und die steuerneutrale Einbringung von Betrieben, Teilbetrieben und Mitunternehmeranteilen in eine Kapitalgesellschaft zu ermöglichen, indem stille Reserven nicht aufzudecken sind. Die Anteile an der aufnehmenden Kapitalgesellschaft, die der Einbringende bei der Sacheinlage erhält, sollen die stillen Reserven repräsentieren, die in dem eingebrachten Betriebsvermögen enthalten sind (BT-Drs 5/3186, S. 8, 10, 14). Dieser Wille des Gesetzgebers hat durch die Möglichkeit, die Übertragung zu Buchwerten durchzuführen, im Wortlaut der Vorschrift seinen Niederschlag gefunden. Wird jedoch in der Bilanz ein negatives Kapital ausgewiesen, obwohl der Wert des eingebrachten Betriebsvermögens unter Berücksichtigung der stillen Reserven positiv ist, was vorliegend aufgrund von Sonderabschreibungen bei dem Neubau Innere Station in Höhe von stillen Reserven von EUR 954.612,95 der Fall ist, so ist der Wert der neuen Anteile jedoch die Gegenleistung für die stillen Reserven abzüglich des bilanzmäßig ausgewiesenen negativen Kapitals. Das bilanzmäßig ausgewiesene negative Kapital ist somit verrechnet worden. Der Einbringende hat demnach neben den Anteilen an der Gesellschaft auch den Ausgleich seines negativen Kapitals erhalten, so dass es gerechtfertigt ist, in diesem Fall eine Gewinnverwirklichung mindestens in Höhe des Ausgleichsbetrages eintreten zu lassen (BT-Drs 5/3186, S. 15). Werden jedoch, wie hier, in einem einheitlichen Vorgang mehrere Sacheinlagegegenstände übertragen, erhält der Übertragende keinen Ausgleich seines negativen Kapitals, da dieses bereits durch Verrechnung des negativen Kapitals des einen Betriebes mit dem positiven Kapital des anderen Betriebes, sofern dieses höher ist als das negative Kapital, ausgeglichen wird. Ein Gewinn in Form des Ausgleichs des negativen Kapitals wird in diesem Fall nicht realisiert, so dass für eine Besteuerung kein Anlass besteht.

    Eine Gefahr, dass die stillen Reserven in Zukunft nicht besteuert werden, besteht nicht. Denn werden einzelne Bestandteile des Betriebsvermögens veräußert, ist dieser Gewinn zu versteuern. Ebenso wäre dies der Fall, wenn D seinen Anteil veräußert, da auch im Fall eines Veräußerungsgewinns dieser zu versteuern wäre.

    III.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 S. 3, Abs. 2 FGO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

    Die Revision war gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1, 2 FGO zuzulassen.

    VorschriftenUmwStG 2002 § 20 Abs. 1, UmwStG 2002 § 20 Abs. 2 S. 1, UmwStG 2002 § 20 Abs. 2 S. 4