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  • 06.05.2011

    Finanzgericht Köln: Urteil vom 01.03.2011 – 8 K 4450/08

    Eine Karnevalsgesangsgruppe, die eine selbständige künstlerische Tätigkeit ausübt, wird nicht dadurch zum Gewerbebetrieb, dass sie in geringem Umfang - hier zu einem Umsatzanteil in Höhe von 2,25% - Fanartikel und Tonträger verkauft.


    Im Namen des Volkes

    URTEIL

    In dem Rechtsstreit

    hat der 8. Senat in der Besetzung: Vorsitzende Richterin am Finanzgericht … Richter am Finanzgericht … Richter am Finanzgericht … ehrenamtlicher Richter … ehrenamtliche Richterin … auf Grund mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 1. März 2011 für Recht erkannt:

    Tatbestand

    Die Beteiligten streiten über die Frage, ob die Einkünfte der Klägerin als gewerbliche Einkünfte anzusehen sind.

    Die Klägerin ist eine Gesangsgruppe, die überwiegend im Bereich des Karnevals tätig ist und im Rahmen von Konzerten auftritt.

    In der am 29. März 2007 erstellten Gewinnermittlung gemäß § 4 Abs. 3 EStG für das Streitjahr ermittelte die Klägerin – soweit hier von Belang – Erlöse zu 7 v.H. Umsatzsteuer in Höhe von 216.374,84 EUR und Erlöse zu 16 v.H. Umsatzsteuer in Höhe von 5.000 EUR. Der Gewinn betrug danach 126.683,07 EUR.

    Dem vorausgegangen war eine Umsatzsteuersonderprüfung für die Umsatzsteuer-Voranmeldungszeiträume I bis IV/2005. Im Prüfungsbericht vom 15. Januar 2007 hielten die Prüfer in Tz. 14 b fest, Verkäufe von Fanartikeln und CDs seien bisher nicht als Erlöse erfasst. Die Aufzeichnungen der Berichtsfirma seien hier nicht vollständig und schlüssig. Aufgrund der vorgelegten Unterlagen werde davon ausgegangen, dass die Erlöse mit netto 5.000 EUR zzgl. 16 v.H. Umsatzsteuer (800 EUR) anzusetzen seien. Wegen der weiteren Einzelheiten hierzu wird auf den Inhalt des Prüfungsberichts Bezug genommen.

    Nachdem für die Klägerin zunächst keine Feststellungserklärung abgegeben worden war, schätzte der Beklagte die Feststellungsgrundlagen und berücksichtigte dabei Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 133.278 EUR. Hiergegen legte die Klägerin Einspruch ein und reichte im Zuge des Einspruchsverfahrens die Feststellungserklärung ein. Mit dem Einspruch wehrte sich die Klägerin u.a. gegen die Einordnung ihrer Einkünfte als solche aus Gewerbebetrieb. Soweit der Beklagte davon ausgehe, dass die Gesangsgruppe auch in geringem Umfang Fan-Utensilien verkauft habe, führe dies nicht zur Gewerblichkeit aller übrigen Einkünfte, weil es sich um ein gemischte Tätigkeit handele und die Tätigkeiten freiberuflicher Natur und gewerblicher Natur leicht trennbar seien. Zudem machte die Klägerin weitere Sonderbetriebsausgaben der Gesellschafterin X in Höhe von 7.851 EUR, später einvernehmlich reduziert auf 7.161 EUR geltend. Schließlich machte sie eine Rücklage gemäß § 7g EStG wegen der geplanten Anschaffung eines Tourbusses geltend.

    Mit der – hier nicht streitgegenständlichen – Einspruchsentscheidung vom 27. November 2008 stellte der Beklagte die Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 119.522,07 EUR fest. Im Übrigen hielt er den Einspruch für nicht begründet. Wegen der weiteren Einzelheiten hierzu wird auf den Inhalt der Einspruchsentscheidung Bezug genommen.

    Mit dem – hier streitgegenständlichen – Bescheid für 2005 über den Gewerbesteuermessbetrag vom 31. Juli 2007 setzte der Beklagte den Gewerbesteuer-Messbetrag mit 3.905 EUR fest und berücksichtigte dabei Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 126.683 EUR.

    Hiergegen legte die Klägerin am 9. August 2007 Einspruch ein und machte zunächst über die Y Steuerberatungsgesellschaft geltend, sie erziele Einkünfte aus künstlerischer Tätigkeit. Der Anteil des Umsatzes, den sie vereinnahme und der auf den gewerblichen Teil in Form von Merchandising entfalle, überschreite zwar den vom BFH angegebenen Wert in Höhe von 1,25%. Der Gewinn, der dadurch erzielt werde, liege aber deutlich unter 1% des Gesamtgewinns. Daher könne es nicht angehen, dass durch diesen minimalen Effekt der Gesamtgewinn gewerblich geprägt werde und somit dafür Gewerbesteuer zu zahlen sei.

    Später machte sie über ihren jetzigen Prozessbevollmächtigten geltend, sie werde durch den Verkauf von Fanartikeln und CDs selbständig und nachhaltig im allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr tätig. Dies geschehe aber ohne Gewinnerzielungsabsicht und stelle deswegen keine gewerbliche Tätigkeit dar. Im Rahmen von Konzerten seien eine Vielzahl von Fanartikeln und CDs verschenkt worden. Die Merchandising-Artikel dienten ihr hauptsächlich als Werbeartikel, die an Agenturen und Literaten verschickt würden, um neue Konzertauftritte zu generieren. Aber selbst wenn man vom Vorliegen gewerblicher Einkünfte neben solchen Einkünften aus § 18 EStG ausgehe, stünde der Umqualifizierung der Einkünfte aus selbständiger Arbeit in solche aus Gewerbebetrieb die Rechtsprechung des BFH entgegen. Mit Urteil vom 11. August 1999 XI R 12/98 habe der BFH entschieden, dass eine Umqualifizierung bei einem äußerst geringen Anteil der originär gewerblichen Tätigkeit nicht gerechtfertigt sei. Berücksichtige man ihre tatsächlichen Einnahmen aus dem Verkauf der Merchandising-Artikel in Höhe von 3.460 EUR, betrage der Anteil an den Gesamteinnahmen von dann 220.505,97 EUR lediglich 1,57%. Dem komme damit nur eine geringfügige Bedeutung zu.

    Jedenfalls sei eine abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen gemäß § 163 AO gerechtfertigt, weil mit dem Gesetz nicht vereinbar sei, dass Einnahmen in Höhe von 3.460 EUR eine Gewerbesteuer von 17.572 EUR auslösen.

    Mit Einspruchsentscheidung vom 1. Dezember 2008 änderte der Beklagte den Gewerbesteuermessbetrag und setzte ihn mit nunmehr 3.550 EUR fest. Dabei berücksichtigte er ausweislich der Anlage zur Einspruchsentscheidung einen Gewinn aus Gewerbebetrieb in Höhe von 119.522 EUR. Hierzu führte er aus, nach den Feststellungen im Rahmen der Umsatzsteuer-Sonderprüfung seien die Fanartikel und die CDs nicht verschenkt, sondern verkauft worden, so dass insoweit auch von einer Gewinnerzielungsabsicht der Klägerin auszugehen sei. Das von der Klägerin zitierte BFH-Urteil vom 11. August 1999 schließe sich im Grundsatz der ständigen Rechtsprechung des BFH an, wonach auch eine nur geringfügige gewerbliche Tätigkeit zu einer Umqualifizierung von freiberuflichen Einkünften einer Personengesellschaft führe. In dem vom BFH entschiedenen Fall sei alleine aufgrund der Tatsache, dass der Anteil der originär gewerblichen Umsätze nur 1,25 v.H. der Gesamtumsätze betragen habe, von einer Umqualifizierung nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG unter Hinweis auf die Unverhältnismäßigkeit von Mittel und Zweck abgesehen worden. Im Streitfall liege der Umsatz aufgrund der originär gewerblichen Tätigkeit nicht bei 3.640 EUR, sondern bei 5.000 EUR. Die Aufzeichnungen der Klägerin seien nicht vollständig und schlüssig. Deswegen seien aufgrund der vorgelegten Unterlagen die Erlöse aus dieser Tätigkeit auf 5.000 EUR geschätzt worden, was seitens der Klägerin bisher auch akzeptiert worden sei. Der Gesamtumsatz der Klägerin habe damit

    221.374 EUR betragen, der darin enthaltene Umsatz aus dem Verkauf der Fanartikel und der CDs betrage mit 5.000 EUR 2,25 v.H. und liege damit über der Geringfügigkeitsgrenze. Weil die Klägerin in ihrer Buchführung keine Trennung der Umsätze vorgenommen habe, sei auch das vom Bundesverfassungsgericht im Beschluss vom 15. Januar 2008 genannte Ziel der erleichterten Ermittlung der Einkünfte erreicht. Auch komme keine abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen gemäß § 163 AO in Betracht, weil die Besteuerung der Einkünfte mit Gewerbesteuer vom Gesetzgeber gewollt sei. Wegen der weiteren Einzelheiten hierzu wird auf den Inhalt der Einspruchsentscheidung nebst Anlage Bezug genommen.

    Die Klägerin hat am 24. Dezember 2008 die vorliegende Klage erhoben.

    Sie nimmt Bezug auf den Inhalt der Einspruchsentscheidung und macht ergänzend geltend, in Bezug auf die Fanartikel handele sie ohne Gewinnerzielungsabsicht. Um in dem Bereich der Konzerttätigkeit Auftritte akquirieren zu können, sei es erforderlich, bei den entsprechenden Karnevals- und Konzertveranstaltern, Agenten und Literaten „Gesangsproben” abzugeben und die Lieder und Texte vorzustellen. Zu diesem Zweck habe die Klägerin CDs erstellen lassen und kostenlos an die Veranstalter und Agenten zur Eigenwerbung abgegeben. Die überschüssigen CDs habe sie verkauft, um einen Teil der Herstellungskosten zu decken und sich auch in der karnevalsfreien Zeit in Erinnerung zu bringen. Viele würden nach Konzerten an das Publikum verschenkt, wie auch der überwiegende Teil der Fanartikel. Damit erzeuge sie zu einem großen Teil die für die Karnevalsveranstaltungen so wichtige „gute Karnevalsstimmung”, bringe sich ins Gespräch und binde Konzertbesucher an sich, was gerade im Karnevalsgeschäft unerlässlich sei. Gegen die Gewinnerzielungsabsicht spreche auch ihr geringer Umsatz in diesem Bereich.

    Im Übrigen habe der BFH im Urteil vom 11. August 1999 entschieden, dass bei einem äußerst geringen Anteil an einer originär gewerblichen Tätigkeit die umqualifizierende Wirkung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nicht greife. Der Anteil sei im dort entschiedenen Fall so gering gewesen und habe deutlich unter der Freibetragsgrenze des § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 GewStG gelegen, so dass es keiner Entscheidung darüber bedurft habe, ob es sich um eine Verkaufstätigkeit mit Gewinnabsicht gehandelt habe. Ihr Anteil liege – ausgehend von tatsächlichen Umsätzen in Höhe von 3.460 EUR und nicht geschätzter Umsätze in Höhe von 5.000 EUR – lediglich 0,32 v.H. und damit geringfügig höher, als in dem vom BFH entschiedenen Fall.

    Die Klägerin beantragt,

    den Bescheid über den Gewerbesteuermessbetrag für 2005 vom 31. Juli 2007 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 1. Dezember 2008 aufzuheben.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Er bezieht sich zur Begründung auf den Inhalt der Einspruchsentscheidung.

    Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 17. Februar 2011 auf Aufforderung des Gerichts die Zusammensetzung des Betrags von 3.460 EUR näher erläutert; auf den Inhalt des Schreibens nebst Anlage (Bl. 64-66 d.A.) wird Bezug genommen.

    Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 1. März 2011 Bezug genommen.

    Entscheidungsgründe

    Die Klage ist begründet.

    1.

    Der Bescheid über den Gewerbesteuermessbetrag für 2005 vom 31. Juli 2007 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihrem Rechten (vergl. § 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO –).

    Zu Unrecht hat der Beklagte gemäß § 14 des im Streitjahr geltenden Gewerbesteuergesetzes – GewStG – gegenüber der Klägerin einen Steuermessbetrag für das Jahr 2005 festgesetzt.

    Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG unterliegt der Gewerbesteuer jeder stehende Gewerbebetrieb, soweit er im Inland betrieben wird. Nach Satz 2 der Vorschrift ist unter Gewerbebetrieb ein gewerbliches Unternehmen im Sinne des Einkommensteuergesetzes – EStG – zu verstehen. Gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG sind Einkünfte aus Gewerbebetrieb die Einkünfte aus gewerblichen Unternehmen. Nach der Regelung des § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG ist Gewerbebetrieb eine selbständige nachhaltige Betätigung, die mit der Absicht, Gewinn zu erzielen, unternommen wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt, wenn die Betätigung weder als Ausübung von Land- und Forstwirtschaft noch als eine Ausübung eines freien Berufs noch als eine andere selbständige Arbeit anzusehen ist. Gemäß § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG gilt als Gewerbebetrieb in vollem Umfang die mit Einkünfteerzielungsabsicht unternommene Tätigkeit einer Offenen Handelsgesellschaft, einer Kommanditgesellschaft oder einer anderen Personengesellschaft, wenn die Gesellschaft auch eine Tätigkeit im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1 der Vorschrift ausübt.

    Ausgehend von dieser Gesetzeslage ist die Haupttätigkeit der Klägerin, die darin besteht, als Gesangsgruppe im Rahmen von Konzerten aufzutreten, keine gewerbliche Tätigkeit; er handelt sich vielmehr um eine künstlerische Tätigkeit, die als freiberufliche Tätigkeit anzusehen ist und deswegen als selbständige Tätigkeit unter § 18 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG fällt (vergl. zur künstlerischen Tätigkeit von Musikern und Komponisten: Schmidt/Wacker, EStG, 28. Auflage, § 18 Rz. 66 m.w.N.). Das ist zwischen den Beteiligten auch nicht streitig; der Senat sieht deswegen zu diesem Punkt von weiteren Ausführungen ab.

    Zwar handelt es sich bei dem Verkauf von Fanartikeln und Tonträgern (CDs) nicht um eine künstlerische Tätigkeit, sondern – sofern sie mit Gewinnerzielungsabsicht erfolgt – um eine gewerbliche Tätigkeit i.S. des § 15 Abs.1 Satz 1 Nr. 1 EStG. Auch hierin sind sich die Beteiligten einig. Ob im Streitfall tatsächlich insoweit eine gewerbliche Tätigkeit vorliegt oder dem entgegensteht, dass die Klägerin geltend macht, insoweit ohne Gewinnerzielungsabsicht gehandelt zu haben, bedarf keiner Entscheidung. Denn selbst wenn die Gewinnerzielungsabsicht vorläge und damit insoweit von einer gewerblichen Tätigkeit der Klägerin auszugehen wäre, bliebe dies für Zwecke der Gewerbesteuer ohne Auswirkungen. Denn die daraus resultierenden Einkünfte, mögen es im Streitjahr 5.000 EUR oder, wie die Klägerin für sich reklamiert, lediglich 3.460 EUR gewesen sein, sind in ihrer absoluten Höhe und auch in Relation zu den im Übrigen von der Klägerin erzielten Einnahmen derart gering, dass sie nicht dazu führen, dass sämtliche Einkünfte der Klägerin als gewerbliche Einkünfte anzusehen wären. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Vorschrift des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG.

    § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG enthält allerdings keine Geringfügigkeitsgrenze. Von seinem Wortlaut her müsste die gesamte Tätigkeit der Klägerin als Gesellschaft bürgerlichen Rechts und damit als „andere Personengesellschaft” i.S. der Vorschrift als gewerbliche Tätigkeit angesehen werden, wenn der Verkauf von Fanartikeln und Tonträgern als Tätigkeit i.S. des § 15 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 EStG anzusehen wäre. Nach der vom Senat für zutreffend erachteten Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs – BFH – ist die Vorschrift aber nicht in diesem Sinne uneingeschränkt anzuwenden. In seinem Urteil vom 11. August 1999 (XI R 12/98, BFHE 189, 419, BStBl II 2000, 229) hat der BFH ausgeführt, § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG komme zwar grundsätzlich auch dann zur Anwendung, wenn der eigentlich gewerblichen Tätigkeit nur eine geringfügige Bedeutung zukomme; die umqualifizierende Wirkung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG greife aber nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bei einem äußerst geringen Anteil der originär gewerblichen Tätigkeit nicht ein. Hierzu hat er ausgeführt, aus dem auch im Steuerrecht geltenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der auch das Gebot der Proportionalität enthalte, ergebe sich das Erfordernis, dass Mittel und Zweck in einem angemessenen Verhältnis stehen müssten. Dieses Verhältnis sei nicht gewahrt, wenn eine Tätigkeit von ganz untergeordneter Bedeutung, die kaum in Erscheinung trete, eine umqualifizierende Wirkung entfalten würde; in diesem Fall würde die „schädliche” Tätigkeit eine unverhältnismäßige Rechtsfolge auslösen und damit eine Bedeutung erlangen, die ihr von ihrem Gewicht her nicht zukomme. Ebenso ließen die Regelungen zu den gewerbesteuerrechtlichen Freibeträgen – § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 GewStG – die Wertung des Gesetzgebers erkennen, dass Klein- und Kleinstbetriebe nicht mit Gewerbesteuer belastet werden sollten. Wenn insoweit die Freistellung von der Gewerbesteuer beabsichtigt sei, so entspreche es dieser Wertung, jedenfalls einer originär gewerblichen Tätigkeit von äußerst geringem Ausmaß keine prägende Wirkung zukommen zu lassen. Entsprechend hat der BFH im dortigen Fall eine Umqualifizierung gemäß § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG abgelehnt, weil dort der Anteil von „schädlichen” Warenverkäufen lediglich 1,25 v.H. an den Gesamtumsätzen betragen hatte.

    Dem hat sich auch die Finanzverwaltung im amtlichen Einkommensteuerhandbuch angeschlossen: Im Hinweis 15.8 Absatz 5 zu § 15 EStG „Mitunternehmerschaft” ist unter dem Stichwort „Geringfügige gewerbliche Tätigkeit” ausgeführt, „jedenfalls” bei einem Anteil der originär gewerblichen Tätigkeit von 1,25 v.H. der Gesamtumsätze greife die Umqualifizierung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG nicht ein.

    Soweit der Beklagte hierin indes offensichtlich eine Höchstgrenze erblickt und – ausgehend von Gesamtumsätzen der Klägerin in Höhe von 221.374 EUR und einen „schädlichen” Anteil in Höhe von 5.000 EUR – den Anteil vorliegend mit 2,25 v.H. als schädlich ansieht, folgt der Senat dem nicht. Der Beklagte beachtet dabei nicht, dass in Rechtsprechung und Literatur – aus der Sicht des Senats zutreffend – auch bei einem höheren Anteil der „schädlichen” Einnahmen von der Umqualifizierung gemäß § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG abgesehen wird.

    So hält Wacker einen unschädlichen „reinen Bagatellfall” für gegeben bei einem maximalen Umsatzanteil der „schädlichen” Einnahmen von 2-3 v.H. und einer absoluten Einnahmehöhe, die nicht höher ist, als der Freibetrag gemäß § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr.1 GewStG (Schmidt/Wacker, EStG, 28. Auflage § 15 Rz. 188 m.w.N. auf zustimmende und noch weitergehende Auffassungen).

    In dem Beschluss vom 8. März 2004 (IV B 212/03, BFH/NV 2004) hat der BFH für Zwecke der Aussetzung der Vollziehung die Anwendung des § 15 Abs. 3 Nr.1 EStG im summarischen Verfahren bei einem Anteil von „schädlichen” Umsätzen von 2,81 v.H. abgelehnt.

    Weitergehend hat das Finanzgericht Münster in einem Urteil vom 19. Juni 2008 (EFG 2008, 1975) als „äußerst geringfügig” im o.g. Sinne einen Anteil der originär gewerblichen Umsätze von maximal 5 v.H. angesehen.

    Ausgehend von diesen Grundsätzen hält es der Senat im vorliegendem Fall nicht für gerechtfertigt, wegen des „schädlichen” Umsatzanteils von 2,25 v.H. aus dem Verkauf von Fanartikeln und Tonträgern – wenn man ihn wegen bestehender Gewinnerzielungsabsicht als gewerblich ansähe – die gesamten Einnahmen der Klägerin gemäß § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG als gewerbliche Einkünfte einzuordnen. In ihrer absoluten Höhe liegen die Einkünfte, wenn man mit dem Beklagten davon ausgeht, dass sie 5.000 EUR betragen, deutlich unter dem für Personengesellschaften geltenden Freibetrag gemäß § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 GewStG von 24.500 EUR. Dass sie auch in ihrer relativen Höhe nicht geeignet sind, die Rechtsfolge des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG zu rechtfertigen, erhellt der Umstand, dass diese Einkünfte in Höhe von 5.000 EUR anderenfalls eine Gewerbesteuer in Höhe von 17.572 EUR auslösten. Dass damit der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, insbesondere das Gebot der Proportionalität verletzt würde, liegt nach Auffassung des Senats klar auf der Hand.

    2.

    Weil angesichts der absoluten Höhe der vorliegenden – gegebenenfalls als gewerblichen Einkünfte zu qualifizierenden – Einkünfte aus dem Verkauf der Fanartikel und Tonträger, die unter dem Freibetrag des § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 GewStG liegt, kein Messbetrag gemäß § 14 GewStG festzusetzen war, war der angefochtene Gewerbesteuerbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung aufzuheben.

    3.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Satz 1 FGO.

    4.

    Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen, nachdem der Beklagte in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht hatte, durch eine Dienstanweisung daran gehindert zu sein, in Fällen der vorliegenden Art von § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG abzuweichen und damit die hier entschiedene Frage über den Streitfall hinaus Bedeutung hat.

    VorschriftenEStG § 15 Abs 3 Nr 1