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  • 22.09.2011 · IWW-Abrufnummer 113749

    Finanzgericht München: Urteil vom 26.11.2010 – 8 K 1108/09

    Hat ein werdender Schriftsteller nach mehr als 7 Jahren noch kein Manuskript erstellt und ist auch kein Tätigwerden in Richtung eines Marktauftritts erkennbar, so ist die Gewinnerzielungsabsicht zu verneinen.


    IM NAMEN DES VOLKES
    URTEIL
    In der Streitsache
    hat der 8. Senat des Finanzgerichts München unter Mitwirkung sowie der ehrenamtlichen Richter … und ohne mündliche Verhandlung am 26. November 2010 für Recht erkannt:
    1. Die Klage wird abgewiesen.
    2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
    Gründe
    I.
    Streitig ist, ob der Kläger der Schriftstellerei mit Gewinnerzielungsabsicht nachgeht.
    Der 1952 geborene Kläger wird vom Beklagten – dem Finanzamt (FA) – für die Streitjahre 1998 bis 2002 zur Einkommensteuer (ESt) veranlagt. Er ist hauptberuflich Beamter und geht nach eigenem Vortrag nebenberuflich der Schriftstellerei nach. In seinen Steuererklärungen für die Streitjahre erklärte er bei fehlenden Einnahmen folgende Verluste aus freiberuflicher Schriftstellertätigkeit:

    JahrEinkünfte
    1998-2.125
    1999-2.269
    2000-2.259
    2001-2.100
    2002-669
    Auch in den Folgejahren 2003 bis 2006 erzielte er keine Einnahmen aus Schriftstellerei. Die Betriebsausgaben setzen sich ganz überwiegend aus der Abschreibung für einen Laptop und Aufwendungen im Zusammenhang mit diesem sowie Büromaterial zusammen.
    Das FA erkannte die Verluste zunächst bis einschließlich 2004 mit hinsichtlich der Einkunftserzielungsabsicht aus der Schriftstellerei vorläufigen ESt-Bescheiden an. Im Rahmen der Veranlagung 2005 und 2006 forderte das FA nähere Darlegungen zur schriftstellerischen Tätigkeit an. In Würdigung der Angaben des Klägers erkannte das FA von Anfang der Tätigkeit an keine Gewinnerzielungsabsicht und änderte die ESt-Bescheide für die Streitjahre mit Bescheiden jeweils vom 10. August 2007, in denen es die Einkünfte aus selbständiger Arbeit jeweils auf 0 EUR bzw. 0 DM ansetzte und die ESt jeweils entsprechend höher festsetzte. Der Einspruch des Klägers blieb in der Einspruchsentscheidung vom 26. März 2009 ohne Erfolg.
    Seinen Einspruch wie auch die Klage begründet der Kläger im Wesentlichen wie folgt: Er beabsichtige, einen Roman und drei Fachbücher zur Beamtenversorgung zu schreiben. Auf die beim FA eingereichten „Auszüge” werde verwiesen (Akte Dauerunterlagen Bl. 2 ff.). In einem Schreiben an das FA vom 9. März 2005 (Bl. 15 der ESt-Akte 2003) führt er zur Gewinnerzielungsabsicht aus, dass ihm neben seiner Vollzeittätigkeit als Beamter bei der Landeshauptstadt München nur beschränkte Zeit für das Schreiben bleibe. Der Bruch einer langjährigen Beziehung habe ihn zeitweise gelähmt. Auch der Kauf einer Eigentumswohnung habe sehr viel Zeit in Anspruch genommen. Schließlich hätte er mit Computerproblemen „kämpfen” müssen.
    Der Kläger beantragt,
    die ESt-Änderungsbescheide für die Jahre 1998 bis 2002 vom 10. August 2007 und die hierzu ergangene EE vom 26. März 2009 aufzuheben und die ursprünglichen Festsetzungen für endgültig zu erklären.
    Das FA beantragt,
    die Klage abzuweisen.
    Es bezieht sich im Wesentlichen auf die EE, auf die wegen der dortigen Rechtsausführungen im Einzelnen verwiesen wird.
    Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
    II.
    Die Klage ist nicht begründet.
    Das FA ist zutreffend von fehlender Gewinnerzielungsabsicht bei der Tätigkeit des Klägers als Schriftsteller ausgegangen und hat zu Recht von der Änderungsmöglichkeit nach § 165 Abs. 2 Satz 1 Abgabenordnung Gebrauch gemacht.
    Bei der Ermittlung des Einkommens für die Festsetzung der Einkommensteuer sind nur solche positiven oder negativen Einkünfte anzusetzen, die unter eine der in § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 7 Einkommensteuergesetz (EStG) genannten Einkunftsarten fallen. Kennzeichnend für die Einkunftsarten ist, dass die ihnen zugrunde liegenden Tätigkeiten oder Vermögensnutzungen auf eine größere Zahl von Jahren gesehen der Erzielung positiver Einkünfte dienen (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 25. Juni 1984 GrS 4/82, BFHE 141, 405, 435, BStBl II 1984, 751, 766 f., unter C.IV.3.c aa (1)). Fehlt es an dieser Voraussetzung, so fallen die wirtschaftlichen Ergebnisse wegen Fehlens der Gewinnerzielungsabsicht auch dann nicht unter eine Einkunftsart, wenn sie sich ihrer Art nach unter § 2 Abs. 1 EStG einordnen ließen (BFH-Urteile vom 6. März 2003 XI R 46/01, BFHE 202, 124, BStBl II 2003, 602, und vom 5. November 2002 IX R 18/02, BFHE 200, 556, BStBl II 2003, 914).
    Auch bei der Einkunftsart „selbständige Arbeit” ist eine derartige Gewinnerzielungsabsicht zu fordern (BFH-Urteile vom 31. Mai 2001 IV R 81/99, BFHE 195, 382, BStBl II 2002, 276; in BFHE 186, 206, BStBl II 1998, 663, und vom 26. April 1989 VI R 104/86, BFH/NV 1989, 696). Einer ausdrücklichen Verweisung auf § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG in § 18 Abs. 4 (Satz 2) EStG bedarf es nicht, weil die Definition des Gewerbebetriebs in § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG insoweit auch für die anderen Gewinn-Einkunftsarten (vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 1 EStG) gilt. Dies ergibt sich nicht zuletzt aus den in dieser Vorschrift enthaltenen Negativmerkmalen, wonach die Betätigung weder als Ausübung von Land- und Forstwirtschaft noch als Ausübung selbständiger Arbeit anzusehen sein darf (BFH-Urteil vom 26. Februar 2004 IV R 43/02, BFHE 205, 243, BStBl II 2004, 455).
    Nach dem Beschluss des Großen Senats in BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751, 766 ist die Gewinnerzielungsabsicht eine innere Tatsache, die – wie alle sich in der Vorstellung von Menschen abspielenden Vorgänge – nur anhand äußerer Merkmale beurteilt werden kann. Aus objektiven Umständen muss auf das Vorliegen oder das Fehlen der Absicht zur Gewinnerzielung geschlossen werden, wobei einzelne Umstände einen Anscheinsbeweis liefern können. Wegen der möglichen Indizien wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf das BFH-Urteil vom 14. Dezember 2004 XI R 6/02, BFHE 208, 557, BStBl II 2005, 392 verwiesen.
    Bei der gebotenen Gesamtwürdigung aller Umstände des Streitfalles vermag der Senat eine Gewinnerzielungsabsicht im vorstehend benannten Sinne nicht zu erkennen.
    Die Aufnahme der freiberuflichen Schriftstellerei bedarf keiner besonderen Vorbildung und keiner hohen Investitionen. Ist die Tätigkeit als Buchautor einer Monografie bzw. eines Romans beabsichtigt, bedarf sie zunächst keines Herantretens an Dritte, weil ein Verleger von einem Neuling regelmäßig erwarten wird, dass er in Vorleistung geht, indem er das geplante Werk zumindest in Auszügen oder gar vollständig erstellt. Darüber hinaus ist bei einem „geplanten Roman” oder einer Fachbuch-Monografie auch der wirtschaftliche Erfolg für den Autor weder vorhersehbar noch überhaupt planbar. Eine Ertragsprognose lässt sich somit über einen längeren Zeitraum nicht anstellen.
    Unter diesen Umständen kann jedoch nicht jede geplante oder gewünschte Schriftstellertätigkeit als steuerlich relevant beurteilt werden, mit der Folge, dass lediglich die Behauptung, schriftstellerisch tätig zu werden, zur steuerlichen Berücksichtigung von Aufwendungen als Betriebsausgaben führte. Insbesondere bei einer – wie im Streitfall – nebenberuflichen Schriftstellerei spricht noch nicht einmal ein wirtschaftlicher Druck, aus der Schriftstellerei auch Einkünfte erzielen zu müssen, für eine Gewinnerzielungsabsicht. Objektive Kriterien, die für eine Gewinnerzielungsabsicht sprechen, können mithin erst geraume Zeit nach Beginn der Tätigkeit auftreten. Unter diesen Umständen kann erst nach einem längeren Betrachtungszeitraum eine derartige Prognose angestellt werden, die dann allerdings rückbezogen in die Würdigung des Erstjahres einfließen muss. So mag es angebracht sein, wenn das FA – wie im Streitfall geschehen – erklärte Verluste in der Anfangsphase zunächst vorläufig anerkennt und die Einkünfte insoweit vorläufig veranlagt.
    Unter Berücksichtigung der beim Steuerpflichtigen liegenden objektiven Feststellungslast für die steuermindernde Berücksichtigung von Verlusten muss die Unmöglichkeit einer Ertragsprognose im Zweifel zu dessen Lasten ausschlagen. Kommen zu der Behauptung des Verfassens von Texten in einem absehbaren Zeitraum keine objektiven Umstände hinzu, die eine positive Ertragsprognose möglich erscheinen oder wenigstens ein Eintreten in eine professionelle Vermarktung des geplanten Werks erkennen lassen, so muss ein Verlustabzug von Anfang an ausscheiden.
    Danach scheidet im Streitfall die Berücksichtigung der Verluste von Anfang an aus. Der Kläger hat kein Konzept vorgelegt, das mehr darstellte, als ungeprüftes Wunschdenken des Autors. Es ist nicht erkennbar, dass er – auch nach mehreren Jahren – eines seiner geplanten Manuskripte auch nur ansatzweise fertig gestellt hätte, geschweige denn ein Eintritt in eine aktive Vermarktung stattgefunden hätte. Stattdessen verweist er auf die zeitliche Beanspruchung durch seinen Hauptberuf und vielfältige andere Dinge.
    Ohne dass der Fall Anlass gibt, eine konkrete zeitliche Schranke zu postulieren, binnen derer ein in Vorleistung gehender Autor sein Manuskript erstellt haben muss, kann jedenfalls nach mehr als 4 Jahren (nimmt man die Folgejahre hinzu: mehr als 7 Jahren) ohne erkennbares Arbeitsergebnis (über die eingereichten Arbeitsproben hinaus) und ohne jegliches Tätigwerden in Richtung eines Marktauftritts in Ansehung der Gesamtumstände des Falles nicht von einer mit Gewinnerzielung ausgeübten Tätigkeit ausgegangen werden. Die Klage ist daher abzuweisen.
    Die Kostenfolge ergibt sich aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung.

    VorschriftenEStG § 2 Abs. 1, AO § 165 Abs. 2