22.09.2011 · IWW-Abrufnummer 114016
Finanzgericht Rheinland-Pfalz: Urteil vom 25.08.2010 – 2 K 2331/09
In einer Zwei-Zimmer-Wohnung, die 73 m groß ist und in offener Bauweise errichtet, führt die Nutzung des 38 m großen als Wohnzimmer geplanten Raumes, in dem sich auch eine Küchenzeile befindet, als Arbeitszimmer (und einzige Betriebsstätte) nicht zur Abzugsfähigkeit der anteiligen auf diese Fläche entfallenden Kosten.
Tatbestand
Streitig ist, ob der Kläger ein häusliches Arbeitszimmer im Sinne des Gesetzes für seine gewerbliche Tätigkeit nutzt.
Der im Veranlagungszeitraum 2007 noch nicht verheiratete Kläger ist Steuerfachwirt. Er betreibt ein gewerbliches Büro für Buchführungs- und Schreibarbeiten. Seinen Gewinn ermittelt er nach § 4 Absatz 3 EStG. Er bereitet sich derzeit auf die Prüfung zum Steuerberater vor.
Der Kläger wohnte 2007 in einem circa 73 qm großen gemieteten Zwei-Zimmerapartment mit teilweise offener Bauweise in einem Mehrfamilienhaus mit sechs Wohnungen. Das räumlich abgeschlossene Schlafzimmer ist 17,7 qm, der als Wohnzimmer geplante Raum ist 38 qm groß (rund 52% der Gesamtwohnfläche). Diesen nutzt der Kläger als Arbeitszimmer für seine gewerbliche Tätigkeit. Die Küche von circa 3.6 qm ragt in offener Bauweise in das Arbeitszimmer (nach Planung Wohnzimmer) hinein. Die restliche Wohnfläche entfällt auf den Flur (2,7 qm) und das Badezimmer (8,3 qm). Wegen des Zuschnitts wird auf zwei Bauzeichnungen verwiesen, wobei die eine die Anordnung der Büroeinrichtung im Hauptraum der Wohnung wiedergibt (Blatt 25 bis 26 der Prozessakten). Des Weiteren wird verwiesen auf die Größenberechnungen zu den Wohn-/Nutzflächen (Blatt 14 der Einkommensteuerakten Fach 2007). Außerhalb seiner Wohnung unterhielt der Kläger keinen betrieblich genutzten Raum. Im Jahre 2008 heiratete er und zog mit seiner Ehefrau in eine Wohnung im gleichen Haus in einem anderen Stockwerk.
In seiner Gewinnermittlung 2007 zog der Kläger die anteilige Miete und die Nebenkosten für den größten Raum in Höhe von 3393,12 € als Betriebsausgaben für ein Büro ab. Weil der Beklagte eine rein betriebliche Nutzung des Raumes als nicht erwiesen erachtete, erkannte er für die Ermittlung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb im Einkommensteuerbescheid 2007 vom 23. Juli 2009 Betriebsausgaben in gleicher Höhe nicht an.
Mit seinem Einspruch hiergegen trug der Kläger vor, er erwirtschafte seine Einkünfte aus Gewerbebetrieb ausschließlich im Büro. Dieser Büroraum sei mit zwei Schreibtischen, zwei Computern, Regalschränken, zwei Tischrechnern, zwei Druckern, einer Telefonanlage sowie einem Faxgerät ausgestattet. Zur privaten Nutzung sei der Raum nicht geeignet. In ihm befinde sich kein Radio oder Fernseher. Er bilde den Mittelpunkt seiner gesamten betrieblichen/beruflichen Tätigkeit. Der Raum sei wohl dem Typus „häusliche Betriebsstätte” zuzuordnen. Hier empfange er Auftraggeber und Kunden, bearbeite die bei diesen abgeholten Unterlagen, betreibe Literaturstudium und fertige Schriftsätze. Der Raum sei nicht als Durchgangszimmer zu qualifizieren, da der Wohn- und Schlafraum sowie das Bad ohne Nutzung des Arbeitsbüros betreten werden könne. Der Raum sei durch eine Tür zum Wohnbereich abgeschlossen. In der in ihm befindlichen kleinen Küchenzeile koche er morgens und gegebenenfalls abends für sich und unter Tag gegebenenfalls für seine Kunden Kaffee. Mittags ginge er fast immer essen, so dass die private Nutzung der Küchenzeile von untergeordneter Bedeutung sei. Nach der Rechtsprechung sei die Nutzung eines Arbeitszimmers als Durchgangszimmer zum Schlafzimmer nur von untergeordneter Bedeutung.
Mit Einspruchsentscheidung vom 11. September 2009 wurde der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen. Der Beklagte trug hierzu vor, das Büro des Klägers stelle ein häusliches Arbeitszimmer da, weil der Raum in die häusliche Sphäre des Klägers eingebunden sei. Die Aufwendungen könnten jedoch nicht nach § 4 Absatz 5 Satz 1 Nummer 6b EStG als Betriebsausgaben abgezogen werden, weil das Arbeitszimmer nicht ausschließlich oder nahezu ausschließlich zu betrieblichen Zwecken genutzt werde. Dies gelte uneingeschränkt, obwohl es den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen Tätigkeit des Klägers bilde. Für die Qualifizierung als Arbeitszimmer sei es ohne Bedeutung, ob der Raum eine Betriebsstätte im Sinne des § 12 AO darstelle. Die Einstufung als häusliches Arbeitszimmer folge bereits aus der Einbindung in das gemietete Apartment. Gemäß der Einbindung in die Wohnung sei es ein Durchgangszimmer, da es mit der Küche eine Einheit bilde. Eine umfangreiche private Mitbenutzung sei durch die täglich Zubereitung und Einnahme von Speisen und dadurch, dass kein anderer Raum zur Erfüllung der Wohnbedürfnisse vorhanden sei, gegeben. Unerheblich sei, dass der Kläger dort seine Einkünfte aus Gewerbebetrieb ausschließlich erwirtschafte und dieses büromäßig eingerichtet sei. Seinen überwiegend privaten Charakter erhalte der Raum dadurch, dass mangels anderer Räumlichkeiten dort auch private Besuche empfangen würden und sich privates Leben trotz fehlenden Radios oder Fernsehens abspiele. Obwohl das Zimmer Mittelpunkt der gesamten betrieblichen Tätigkeit sei, scheitere der Betriebsausgabenabzug an § 12 EStG. Der genaue Umfang der tatsächlichen jeweiligen Nutzung sei unbeachtlich, da eine objektive Trennung der Mietaufwendungen nicht möglich sei.
Mit seiner Klage hiergegen trägt der Kläger vor, allein der größte Raum seiner Wohnung biete das Platzangebot zur uneingeschränkten Nutzung als Büroraum. Vor ihrer Heirat 2008 habe seine Ehefrau eine eigene Wohnung gehabt, die sie über den Zeitraum der Eheschließung hinaus aus beruflichen Gründen beibehalten möchte. Gemeinsame Wochenenden und den Urlaub zuhause hätten sie in der Wohnung der jetzigen Ehefrau verbracht. Die Anmietung der Wohnung mit dem Büro sei in der Absicht geschehen, eine weitere Wohnung im Erdgeschoss als gemeinschaftliche Wohnung anzumieten und die Wohnung im Obergeschoss als Büro beizubehalten. Mit Umsetzung dieses Planes werde die hier streitige Wohnung seit Anfang 2009 nur noch als Büro genutzt. In 2007 habe das Büro nicht für private Zwecke genutzt werden können, da Unterlagen und Ausstattung einer privaten Nutzung entgegengestanden hätten. Es handele sich um eine Betriebsstätte im Sinne des § 12 AO, welche dazu bestimmt sei, den Unternehmenszweck zu fördern. Nach dem OECD-Musterabkommen unterliege eine Betriebsstätte nicht den gesetzlichen Abzugsbeschränkungen für Arbeitszimmer. Eine Ausnahme vom Aufteilungs- und Abzugsverbot liege vor, wenn eine private Mitbenutzung von untergeordneter Bedeutung und die Aufwendungen leicht teilbar seien. Im Streitfalle liege eine private Nutzung unter 10%, eine Aufteilung sei durch das Verhältnis der Wohn- zur Nutzfläche möglich. Insgesamt verbringe er nahezu 12 bis 14 Stunden täglich in seinem Büro. In der vom Vormieter eingebauten Küche koche er den Kaffee für sein Frühstück. Für die Bereitung des Frühstücks würden 30 bis 45 Minuten täglich aufgewandt, dies stelle circa 5,36% bis 6,25% der tatsächlichen Nutzung dar, was von wirklich untergeordneter Bedeutung sei. Für das Frühstück sei ein kleiner Tisch neben der Küchenzeile vorgesehen. Weitere Speisen würden nicht zubereitet. Der Kläger hätte sich in der Wohnung als Übergangslösung keine Küche eingebaut. Der Kläger verbringe aus Datenschutzgründen seine Freizeit zusammen mit Freunden nicht in dem häuslichen Büro. Ein Verzehr von Süßigkeiten und Obst während einer Arbeitszeit von mehr acht Stunden führe nicht zu einer wesentlichen privaten Mitbenutzung.
Der Kläger beantragt,
den Einkommensteuerbescheid 2007 vom 23. Juli 2009 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 11. September 2009 dahingehend zu ändern, dass bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb weitere Betriebsausgaben in Höhe von 3393,12 € bei der Gewinnermittlung Berücksichtigung finden,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er trägt hierzu vor, Aufwendungen für das Arbeitszimmer seien nach § 12 EStG nicht abzugsfähig, da sie nicht nach objektiven Merkmalen von den Ausgaben der privaten Lebensführung leicht und einwandfrei trennbar seien. Die in den Betriebsausgaben enthaltenen Kosten der Lebensführung seien nicht von untergeordneter Bedeutung. Eine klare räumliche Abgrenzung zwischen dem betrieblichen und dem privaten Bereich sei innerhalb der Wohnung des Klägers nicht gegeben, da Küche und Arbeitszimmer nicht getrennt seien. Die Angaben zur Nutzung seien anzuzweifeln, da es sich um die einzige Küche des Klägers in F handele. Zwischen Küchenzeile und Arbeitsraum stünden ein kleiner Tisch und zwei Stühle zur Nahrungsaufnahme bereit. Es widerspreche der Lebenserfahrung, dass alle Mahlzeiten außer dem Frühstück in Gaststätten eingenommen werden sollen. Ebenso wenig sei eine generelle Auslagerung des Wohnens mit der späteren Ehefrau in deren entfernt liegender Wohnung glaubhaft.
Gründe
Die Klage ist unbegründet.
Die streitbefangenen Aufwendungen sind nicht ausschließlich oder nahezu ausschließlich betrieblich (beruflich) veranlasst; ihrem Abzug als Betriebsausgaben (§ 4 Absatz 4 EStG) steht eine aufgrund der objektiven Gegebenheiten mögliche (und vom Kläger auch so dargestellte) private Nutzung des Büroraumes entgegen. Der Beklagte versagt daher unter Anwendung der Grundsätze des § 12 Nummer 1 Satz 2 EStG (so genanntes Aufteilung- und Abzugsverbot für gemischte Aufwendungen) zutreffend eine Berücksichtigung der auf das Arbeitszimmer entfallenden Kosten bei der Gewinnermittlung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb.
Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung (so seit dem Urteil des BFH vom 28. Oktober 1964 IV 168/63s, Bundessteuerblatt III 1965, 16) können Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer nur dann zur Einkünfteminderung führen, wenn an Hand objektiver Gegebenheiten eine ins Gewicht fallende private Mitbenutzung des Zimmers so gut wie ausgeschlossen erscheint. Einem Abzug der Aufwendungen steht daher eine mehr als nur geringfügige private Mitbenutzung des Zimmers entgegen. In Anwendung dieser Grundsätze hat der BFH mit Urteil vom 6. Dezember 1991 (VI R 101/87, Bundessteuerblatt II 1992, 304) entschieden, dass nach der Lebenserfahrung von einer schädlichen privaten Mitveranlassung auszugehen ist, wenn es an einer klaren Abgrenzung des Arbeitszimmers vom privaten Wohnbereich fehlt. Daraus folgert die Rechtsprechung, dass ein zum Wohnzimmer hin offener Raum mangels räumlicher Trennung vom privaten Wohnbereich steuerlich nicht als häusliches Arbeitszimmer anzuerkennen ist. Dies beruht auf dem Gedanken, dass - abgesehen von unselbstständigen Gebäudeteilen, die zwangsläufig mehreren Zwecken dienen (z. B. Treppenhäuser) - bei der Aufteilung eines Gebäudes in Wirtschaftsgüter des Privatvermögens einerseits und des Betriebsvermögens andererseits der durch Wände und Türen abgeschlossene Raum die kleinste Einheit darstellt. Zwar sagt die Abgeschlossenheit eines Raumes nichts über die Art seiner Nutzung aus. Erst die Abgeschlossenheit macht den Raum aber zu einem Gebäudeteil, über dessen Nutzungsart sich überhaupt eine nachprüfbare Aussage treffen lässt (BFH-Urteil vom 21. April 1994 IV R 98/93, BFH/NV 1994, 853).
Mangels Abgeschlossenheit ist es im Streitfall nicht möglich, anhand objektiver Kriterien eine fast ausschließliche betriebliche Nutzung des Zimmers zu belegen. So nutzt der Kläger von insgesamt ca. 73 qm Wohnfläche eine Fläche von 38 qm, bestehend aus der in der ursprünglichen Planskizze als Wohnzimmer bezeichneten Räumlichkeit als eine Einheit sowohl für berufliche wie auch für private Zwecke. Dass die private Nutzung von gänzlich untergeordneter Bedeutung ist, ist objektiv nicht belegbar. Entsprechende Darlegungen des Klägers hierzu sind subjektiv und nicht überprüfbar.
Diesen Darlegungen steht entgegen, dass dem Kläger bei einer steuerlichen Anerkennung des Arbeitsraumes zur Befriedigung seines privaten Wohnbedürfnisses lediglich ein weiterer Raum, das nach den ursprünglichen Planungen als Schlafzimmer vorgesehene Zimmer mit einer Grundfläche von 17,76 qm dienen dürfte. Allein auf dieses Zimmer sowie Flur/Garderobe mit 2,71 qm und das Bad mit 8,33 qm hätte sich die private Lebensführung des Klägers zu beschränken, die mit dem Bereich des Arbeitszimmers mit 38 qm verbundene Küche mit circa 4 qm hätte er außerhalb seiner Arbeitszeiten zu meiden. Dagegen spricht sein eigener Vortrag, dass er dort die notwendigen Mahlzeiten für sich zubereitet. Entgegen seiner Auffassung ist die Zubereitung und Einnahme jeglicher Speisen nicht von untergeordneter Bedeutung, sondern wesentlicher Teil der Lebensführung. Dies ist nicht durch die Berechnung von Zeitanteilen der Nutzung zu diesem Zweck zu entkräften. Die Nutzung einer Küche in einer Wohnung stellt immer einen wesentlichen Bezug zur Privatsphäre dar, abhängig davon, wie der einzelne Steuerpflichtige dies handhabt.
Im Übrigen stellt der Wohnraum mit der offenen Küche eine Einheit dar, das Arbeitszimmer wird daher nicht als Durchgangszimmer, also eventuell in untergeordneter weiterer Funktion als Zugang zur Küche genutzt.
Bei dieser Bewertung ist zu berücksichtigen, dass ein Arbeitszimmer dann als häusliches Arbeitszimmer zu qualifizieren ist, wenn es innerhalb der Wohnräume gelegen ist. Dies ist im Streitfall der Fall, losgelöst von der Frage des Vorliegens einer Betriebsstätte im Sinne des § 12 AO.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Absatz 1 FGO.
Die Revision war nicht zuzulassen, Gründe hierfür nach § 115 Absatz 2 FGO liegen nicht vor.