05.01.2012 · IWW-Abrufnummer 120329
Bundesfinanzhof: Urteil vom 09.08.2011 – VIII R 4/09
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe
1
I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erzielte im Streitjahr 1996 Einkünfte aus nichtselbständiger und aus selbständiger Arbeit als Schauspieler und Drehbuchautor.
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Im Streit ist, ob bei der Ermittlung der Einkünfte aus selbständiger Arbeit der ungekürzte Aufwand für ein häusliches Arbeitszimmer sowie Reisekosten in der geltend gemachten Höhe zu berücksichtigen sind.
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Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) erkannte den Aufwand für das häusliche Arbeitszimmer nur mit 2.400 DM an und berücksichtigte die Reisekosten im Einspruchsverfahren nur zu 50 %.
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Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Der vom Kläger für berufliche Zwecke vorgehaltene Raum sei nicht der Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit i.S. von § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b des Einkommensteuergesetzes in der für das Streitjahr geltenden Fassung (EStG) gewesen.
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Gehe man zugunsten des Klägers davon aus, dass die Tätigkeit als Drehbuchautor nur von untergeordneter Bedeutung gewesen sei, so prägten doch die anderen Tätigkeiten (wie das Studieren und Erlernen von Texten, Stimmbildung, Körperschulung und Übungen in Mimik und Gestik) im häuslichen Arbeitszimmer nicht die gesamte berufliche Tätigkeit, sondern dienten lediglich der Vorbereitung und Unterstützung der eigentlichen Berufsausübung außer Haus.
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Über den bereits anerkannten Betrag hinaus seien auch keine weiteren Reisekosten als Betriebsausgaben zu berücksichtigen. Es sei nicht zu erkennen, ob die Kosten im streitigen Umfang tatsächlich durch die Einkünfteerzielung veranlasst und ob sie überhaupt entstanden seien.
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Mit der Revision machen die Kläger geltend, es habe sich bei dem streitbefangenen Raum nicht um ein typisches Arbeitszimmer für verwaltende Tätigkeit gehandelt, sondern um einen Raum mit betriebsstättenähnlicher Nutzung.
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Die Belege zu den Reisekosten hätten dem FA vorgelegen. Eingereichte Belege seien schon bei der erstmaligen Steuerfestsetzung so genau zu prüfen, dass eine erneute Beleganforderung später vermieden werde. Belege, die das Finanzamt ausnahmsweise später noch einmal benötige, seien entweder im Original zu den Akten zu nehmen oder in Fotokopie, wenn der Steuerpflichtige sie erkennbar zurück erwarte. Zu Unrecht übertrage das FG deshalb die Beweislast für die Reisekosten auf die Kläger.
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Die Kläger beantragen sinngemäß,
das Urteil des FG Berlin-Brandenburg vom 19. Dezember 2007 1 K 3467/03 B aufzuheben und die Einkommensteuer für das Streitjahr abweichend von dem zuletzt ergangenen Einkommensteuerbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12. November 2003 unter Berücksichtigung weiterer Reisekosten in Höhe von 7.532 DM und weiterer Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer in Höhe von 2.150 DM niedriger festzusetzen.
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Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
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II. Die Revision ist unbegründet und daher nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen.
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1. Zu Recht hat das FG keine weiteren Reisekosten als Betriebsausgaben berücksichtigt. Trotz eines gerichtlichen Aufklärungsverlangens mit Fristsetzung nach § 79b FGO haben die Kläger die berufliche Veranlassung der strittigen Reisen nicht dargelegt. Da den Steuerpflichtigen die Feststellungslast (objektive Beweislast) hinsichtlich der tatsächlichen Umstände trifft, die sich steuermindernd auswirken (vgl. Gräber/ Stapperfend, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 96 Rz 51, m.w.N.), können wegen der fehlenden Erläuterung und wegen des unterbliebenen Nachweises der beruflichen Veranlassung der Reisen insoweit keine weiteren Betriebsausgaben berücksichtigt werden als vom FA bereits geschätzt.
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Auf die Frage nach dem Verbleib der Reisekostenbelege, zu der die Kläger während des Klageverfahrens widersprüchliche Angaben gemacht haben, kommt es deshalb nicht mehr an.
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2. Zutreffend hat das FG zudem erkannt, dass die Voraussetzungen für die steuerliche Berücksichtigung weiterer Aufwendungen für einen in der privaten Wohnung gelegenen und für berufliche Zwecke genutzten Raum (Arbeitszimmer) nicht vorliegen.
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Nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 1 EStG sind die Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer grundsätzlich nicht als Betriebsausgaben abziehbar; entsprechendes gilt für den Abzug als Werbungskosten bei den Überschusseinkunftsarten (§ 9 Abs. 5 EStG). Eine Ausnahme hiervon bestand nach der für das Streitjahr gültigen Gesetzesfassung dann, wenn die betriebliche oder berufliche Nutzung des Arbeitszimmers mehr als 50 % der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit betrug oder wenn für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung stand. Von dieser Ausnahme ist das FA zugunsten des Klägers ausgegangen, wobei es die hierfür geltende gesetzliche Höchstgrenze der abziehbaren Aufwendungen von 2.400 DM (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3, 1. Halbsatz EStG) beachtet hat. Ein unbegrenzter Abzug der Aufwendungen hätte die Eigenschaft des Arbeitszimmers als Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung vorausgesetzt (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3, 2. Halbsatz EStG); das Vorliegen dieser Voraussetzung hat das FG im Falle des Klägers auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung verneint. Es handelt sich insoweit um eine tatsächliche Würdigung des FG, die für den Bundesfinanzhof (BFH) als Revisionsgericht bindend ist (vgl. § 118 Abs. 2 FGO).
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Die Kläger wenden sich mit der Revision auch nicht gegen diese Beurteilung des FG, sondern machen geltend, dass der betreffende Raum kein Arbeitszimmer i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG sei, sondern ein betriebsstätten ähnlich genutzter Raum, so dass die hierauf entfallenden Aufwendungen unbegrenzt als Betriebsausgaben abzugsfähig seien. Diese Auffassung teilt der Senat nicht.
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In einer Reihe von Entscheidungen hat der BFH den Begriff des Arbeitszimmers abgegrenzt von betriebsstättenähnlichen Räumen im Wohnbereich wie einer Werkstatt, Lager- oder Ausstellungsräumen, Praxisräumen eines Arztes, eines Anwalts oder eines Steuerberaters (vgl. Schmidt/Heinicke, EStG, 30. Aufl., § 4 Rz 591, m.w.N.). Unter Rückgriff auf die begriffliche Eingrenzung durch die Rechtsprechung vor Einführung der Abzugsbeschränkung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG durch das Jahressteuergesetz (JStG) 1996 vom 11. Oktober 1995 (BGBl I 1995, 1250) und unter Berücksichtigung der dem JStG 1996 mitgegebenen Gesetzesbegründung (vgl. zu beidem ausführlich BFH-Urteil vom 19. September 2002 VI R 70/01, BFHE 200, 336, BStBl II 2003, 139) ist unter einem --im Gesetz selbst nicht definierten-- häuslichen Arbeitszimmer danach ein in die häusliche Sphäre des Steuerpflichtigen eingebundener Raum zu verstehen, der nach Ausstattung und Funktion (vorwiegend) der Erledigung betrieblicher/beruflicher Arbeiten gedanklicher, schriftlicher oder verwaltungstechnischer Art dient (vgl. BFH-Urteile vom 22. November 2006 X R 1/05, BFHE 216, 110, BStBl II 2007, 304; vom 20. November 2003 IV R 3/02, BFHE 205, 46, BStBl II 2005, 203; vom 28. August 2003 IV R 53/01, BFHE 203, 324, BStBl II 2004, 55; vom 16. Oktober 2002 XI R 89/00, BFHE 201, 27, BStBl II 2003, 185). Dieser Nutzung entsprechend ist das häusliche Arbeitszimmer daher typischerweise mit Büromöbeln eingerichtet, wobei der Schreibtisch regelmäßig --allerdings nicht zwingend-- das zentrale Möbelstück darstellt (vgl. BFH-Urteile in BFHE 205, 46, BStBl II 2005, 203, m.w.N.; in BFHE 216, 110, BStBl II 2007, 304). Ob ein beruflich genutzter Raum als häusliches --büroartiges-- Arbeitszimmer anzusehen ist, lässt sich nicht allgemein entscheiden, sondern nur aufgrund einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls (BFH-Urteil in BFHE 201, 27, BStBl II 2003, 185, m.w.N.). Dabei sind die Grenzen zwischen dem Typus des Arbeitszimmers und dem der "häuslichen Betriebsstätte", für den die Abzugsbeschränkung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG nicht gilt, fließend (BFH-Urteil in BFHE 216, 110, BStBl II 2007, 304, m.w.N.); entscheidend ist das Gesamtbild (BFH-Urteile in BFHE 200, 336, BStBl II 2003, 139; in BFHE 216, 110, BStBl II 2007, 304).
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Beruflich genutzte Räume, die in die häusliche Sphäre des Steuerpflichtigen eingebunden sind, können ein betriebsstättenähnliches Gepräge erlangen durch ihre --für eine büromäßige Nutzung untypische-- Ausstattung und eine damit zusammenhängende Funktionszuweisung. So können zum Beispiel technische Anlagen und Schallschutzmaßnahmen dem betreffenden Raum das Gepräge eines häuslichen Tonstudios geben (vgl. BFH-Urteile in BFHE 201, 27, BStBl II 2003, 185; in BFHE 203, 324, BStBl II 2004, 55). Auch eine als Behandlungsraum ausgestattete und über einen separaten Eingang für Patienten leicht zugängliche Notfallpraxis im selbstgenutzten Einfamilienhaus ist kein häusliches Arbeitszimmer (vgl. BFH-Urteile vom 5. Dezember 2002 IV R 7/01, BFHE 201, 166, BStBl II 2003, 463; in BFHE 205, 46, BStBl II 2005, 203), ebenso wenig ein dem Einlagern und Aufbewahren betrieblicher Bedarfsgegenstände gewidmetes und entsprechend eingerichtetes Warenlager (vgl. BFH-Urteil in BFHE 216, 110, BStBl II 2007, 304).
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Von Räumen dieser Art unterscheidet sich der streitbefangene Raum dadurch, dass er der Art seiner Ausstattung nach keine andere wesentliche Funktionszuweisung erkennen ließ, als die der Erledigung von Arbeiten vorwiegend gedanklicher, schriftlicher oder verwaltungstechnischer Art. Nach den eigenen Angaben des Klägers im Einspruchsverfahren auf einem speziellen Fragebogen des FA zum häuslichen Arbeitszimmer befanden sich dort ein Arbeitstisch, eine Liege, ein Sessel, ein Stuhl, ein Aktencontainer, Regale und Bücher, somit eine für ein häusliches Arbeitszimmer übliche, jedenfalls nicht untypische, Ausstattung und Möblierung.
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Die auf demselben Fragebogen erbetene Darstellung der im Arbeitszimmer ausgeführten Tätigkeiten weist zudem mit "Text lernen - Drehbücher auswerten - Sachliteraturstudium" für ein Arbeitszimmer typische gedankliche, geistige Arbeiten aus. Die weiteren Betätigungen, die der Kläger nach seinen Angaben im Arbeitszimmer ausgeführt hat ("Atemübungen - Sprechübungen - Stimm übungen etc."), erforderten offensichtlich keine spezielle Ausstattung des Raumes und konnten diesem kein vom Typus des Arbeitszimmers i.S. von § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG abweichendes Gepräge geben.