24.01.2012
Finanzgericht Sachsen: Urteil vom 10.11.2011 – 2 K 1272/11
Bei der Prüfung, ob ein Steuerpflichtiger mit Gewinneinkünften und Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG die für die Inanspruchnahme eines Investitionsabzugsbetrags nach § 7g Abs. 1 S. 2 Nr. 1 Buchst. c EStG relevante Gewinngrenze (im Streitjahr 2007: 100.000 Euro) überschreitet, ist nach dem ausdrücklichen Gesetzeswortlaut auf den „Gewinn ohne Berücksichtigung des Investitionsabzugsbetrags” abzustellen; zum für die Inanspruchnahme des Investitionsabzugsbetrags maßgeblichen Gewinn zählt daher auch der Gewinn aus der Auflösung einer Ansparrücklage (§ 7g Abs. 1, Abs. 3, Abs. 6 EStG in der vor Einführung des Investitionsabzugsbetrags maßgeblichen Fassung).
Im Namen des Volkes
URTEIL
In dem Finanzrechtsstreit
hat der 2. Senat unter Mitwirkung von … und der ehrenamtlichen Richterinnen … und … auf Grund mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 10. November 2011 für Recht erkannt:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Streitig ist, ob der Klägerin ein Investitionsabzugsbetrag 2007 zu versagen ist, weil sie durch Auflösung von Rücklagen aus vorangegangenen Jahren die Gewinngrenze überschreitet.
Die Klägerin ist eine am 1. Januar 2000 gegründete GbR, die im Zimmererhandwerk tätig ist. Die beiden Gesellschafter sind an der Klägerin zu je ½ beteiligt. Sie ermittelt ihren Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG. Den Gewinn zum 31. Dezember 2007 berechnete sie mit EUR 49.989, worin sie einen Investitionsabzugsbetrag in Höhe von EUR 5.930 berücksichtigte. 2005 hatte sie eine Ansparabschreibung in Höhe von EUR 60.000 gebildet, die 2007 aufzulösen war und die sie in der Ermittlung des Gewinns nicht berücksichtigt hatte. Mit Bescheiden vom 26. Mai 2009 setzte der Beklagte für 2007 den Gewinn aus Gewerbebetrieb auf EUR 123.199,77 und den Gewerbesteuermessbetrag auf EUR 3.730 fest. Den Gewinn aus Gewerbetrieb ermittelte der Beklagte dabei dahingehend, dass er den von der Klägerin angesetzten Gewinn um den Investitionsabzugsbetrag in Höhe von EUR 5.930 und die aufzulösende Ansparabschreibung in Höhe von EUR 60.000 nebst Gewinnzuschlag darauf in Höhe von EUR 7.200 erhöhte. Dagegen legte die Klägerin Einspruch mit der Begründung ein, sie habe eine geänderte Gewinnermittlung eingereicht, in der sie einen weiteren Investitionsabzugsbetrag in Höhe von EUR 30.000 für zwei LKW, somit insgesamt EUR 35.930, berücksichtigt habe. Sie überschreite die Gewinngrenze nicht, da die Auflösung der Rücklage unberücksichtigt bleiben müsse. Ansparabschreibungen hatte die Klägerin 2002 u.a. für Transporter in Höhe von EUR 15.000 und 2005 u.a. für LKW in Höhe von EUR 20.000 gebildet. Im November 2009 schaffte die Klägerin einen Transporter an. Der Beklagte wies den Einspruch am 22. Juli 2011 wegen Überschreitens der maßgeblichen Gewinngrenze zurück.
Die Klägerin bringt vor, die Auflösung der Rücklage aus 2005 müsse unberücksichtigt bleiben, da bei Ermittlung des maßgeblichen Gewinns für die Bildung des Investitionsabzugsbetrages der angesetzte Investitionsabzugsbetrag auch unberücksichtigt bleibe. Maßgeblich könne für die Größenzuordnung nur der reale wirtschaftlich erzielte Gewinn des Kalenderjahres sein, da nur er die wirtschaftliche Leistungskraft eines Steuerpflichtigen widerspiegele. Der vom Gesetzgeber beabsichtigte Zweck werde nicht erreicht, wenn außerordentliche Einflüsse zur Versagung oder Gewährung des Investitionsabzugsbetrages führen würden. Zweck der Vorschrift sei, kleinere und mittlere Betriebe zu stärken und ihnen die Möglichkeit zu geben, notwendige Anschaffungen durch Stundung von Steuerzahlungen leichter zu finanzieren. Die Größenmerkmale für Einnahme-Überschussrechner seien 2007 nur eingeführt worden, um Missbräuche zu vermeiden, da vermehrt Freiberufler in Gestalt von Partnerschaftsgesellschaften die Steuervergünstigung in Anspruch genommen hätten. Für die Steuerpflichtigen, die anstatt eines Wirtschaftsjahrs ein Geschäftsjahr hätten, bestehe zudem die Möglichkeit für 2007 die alte Regelung des § 7g EStG anzuwenden. Dies finde wiederum nur auf Freiberufler Anwendung. Durch die unklare Definition habe der Gesetzgeber aber eine Gruppe begünstigt, die er habe ausschließen wollen.
Der Investitionsabzugsbetrag in Höhe von EUR 5.930 beziehe sich auf die Anschaffung von Werkzeugen. Sie habe bereits 2002 die Absicht gehabt, Transporter anzuschaffen. Da ihr 2004 ein Auftrag angetragen worden sei, für den sie eine Holzbearbeitungsmaschine benötige und weitere finanzielle Mittel für die Anschaffung von Transportern nicht zur Verfügung gestanden hätten, habe sie auf deren Anschaffung verzichtet. 2005 sei die Anschaffung von Transportern wiederum geplant gewesen. Aufgrund der rückläufigen Auftragslage 2006 und der beginnenden Anzeichen der Finanzkrise sei es geboten gewesen, die Anschaffung zu verschieben. Erst 2009 habe sie einen Transporter anschaffen können.
Die Klägerin beantragt,
den Gewerbesteuermessbetragsbescheid 2007 und den Bescheid für 2007 über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen, jeweils vom 26. Mai 2009, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 22. Juli 2011, insoweit zu ändern, als bei der Ermittlung des Gewinns aus Gewerbebetrieb ein Investitionsabzugsbetrag in Höhe von EUR 35.930 Gewinn mindernd berücksichtigt wird.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte trägt vor, dass die gesetzliche Regelung eindeutig sei, nach der bei der Ermittlung des Gewinns nur der für das aktuelle Steuerjahr in Anspruch genommene Investitionsabzugbetrag nicht zu berücksichtigen sei, nicht aber die Auflösung vormaliger Rückstellungen. Ein Wahlrecht bestünde nicht.
Hinsichtlich der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die vorbereitenden Schriftsätze, die zu Gericht gereichten Behördenakten und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 10. November 2011 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
I.
Die angegriffenen Bescheide sind nicht rechtswidrig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Der Investitionsabzugsbetrag in Höhe von EUR 35.930 ist nicht zu berücksichtigen.
Der Investitionsabzugsbetrag kann gemäß § 7g Abs. 1 EStG n.F. (§ 52 Abs. 23 EStG, d.h. in dem nach den 17. August 2007 endenden Wirtschaftsjahr bis zum 31. Dezember 2008) nur in Anspruch genommen werden, wenn der Gewerbebetrieb, der seinen Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt, am Schluss des Wirtschaftsjahres, in dem der Abzug vorgenommen wird, ohne Berücksichtigung des Investitionsabzugsbetrages, einen Gewinn von nicht mehr als EUR 100.000 hat.
Der Gewinn ermittelt sich durch den Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 3 EStG). Gemäß § 7g Abs. 6 EStG a.F., der für Ansparabschreibungen, die in vor dem 18. August 2007 endenden Wirtschaftsjahren gebildet worden waren, anzuwenden ist, waren Ansparabschreibungen bei deren Bildung als Betriebsausgabe und bei deren Auflösung als Betriebseinnahme zu behandeln. Die 2005 gebildete und 2007 aufzulösende Ansparabschreibung war demnach bei Ermittlung des Gewinns nach § 4 Abs. 3 EStG als Betriebseinnahme zu berücksichtigen. Die Auflösung der 2005 gebildeten Ansparabschreibung in Höhe von EUR 60.000 nebst Gewinnzuschlag in Höhe von EUR 7.200 war daher bei Ermittlung des Gewinns 2007 zu berücksichtigen.
Eine Auslegung entgegen dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift dahingehend, dass der Gewinn nach abweichenden Regeln zu ermitteln ist, kann nicht erfolgen. Für eine derartige Auslegung ist kein Raum.
Maßgebend für die Auslegung der Vorschrift ist der in ihr zum Ausdruck gekommene Zweck der Regelung, so wie er sich aus dem Gesetzeswortlaut und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den diese hineingestellt ist (Urteil des Bundesfinanzhofs vom 31. Oktober 1991, BStBl II 1992, 241 und Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes vom 9. Mai 1978, BVerfGE 48, 246). Steuerbegünstigungsvorschriften sind unter sinnvoller Würdigung des mit ihnen verfolgten Zwecks auszulegen. Es darf aber kein durch das Gesetz nicht belegter Begünstigungstatbestand geschaffen werden (Urteil des Bundesfinanzhofs vom 25. Januar 1995, BStBl. II 1995, 586). Im Gesetz selber ist nicht zum Ausdruck gekommen, dass der Gesetzgeber in § 7g EStG eine von der allgemeinen Definition abweichende Bestimmung für den Begriff des Gewinns zugrunde legen wollte. Das Argument der Klägerin, dass die Berücksichtigung der Auflösung von Rücklagen deshalb unterbleiben müsse, da ansonsten nicht die Leistungskraft des Steuerpflichtigen, die der Gesetzgeber bei der Gewinngrenze im Blick gehabt habe, berücksichtigt werde, greift nicht. Dass der Gesetzgeber die allgemeine Leistungskraft eines Unternehmens berücksichtigen wollte und nicht den sich nach den handels- und steuerrechtlichen Vorschriften ergebenden Gewinn, ergibt sich weder aus dem eindeutigen Wortlaut, noch ist ersichtlich, dass dies dem Willen des Gesetzgebers entspricht. In den Gesetzesmaterialien zur Änderung des § 7g EStG (BT-Drs 16/ 5377, Ziff. 4-9; BT-Drs 16/4841, S. 51-54; BT-Drs 16/5491, S. 17, 18) finden sich dazu keine Indizien. Darüber hinaus spiegelt sich die Leistungskraft eines Unternehmens auch nicht dadurch wider, dass aufzulösende Ansparrücklagen nicht angesetzt werden. Denn wenn dies gewollt gewesen wäre, hätte ein gänzlich anderer Ansatz und nicht der Gewinn eines Jahres, in dem auch sonstige steuerrechtliche Vergünstigungen enthalten sein können, die keinen Einfluss auf die wirtschaftliche Leistungskraft haben, gewählt werden müssen. Weiterhin ist die Gewinn erhöhende Auflösung einer Rücklage nur der Tatsache geschuldet, dass geplante Anschaffungen, für die zuvor eine Gewinn mindernde Rücklage gebildet wurde, nicht getätigt wurden. Würde man die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit tatsächlich betrachten wollen, kann die Auflösung einer Rücklage nicht gänzlich außer Betracht bleiben. Auch ergibt sich kein sachlicher Grund, weshalb die Ansparrücklage anders zu behandeln ist, als andere aufzulösende Rücklagen.
Auch dass der Gesetzestext die Formulierung enthält, dass der Gewinn ohne Berücksichtigung des – und nicht von Investitionsabzugsbeträgen – Investitionsabzugsbetrages nicht mehr als EUR 100.000 betragen darf, spricht für die Handhabung durch den Beklagten.
Dass es systemgerecht wäre, die Auflösung einer Rücklage bei Ermittlung des Gewinns außer Betracht zu lassen, wenn auch die Gewinn mindernde Bildung nicht angesetzt werden kann, reicht für eine Auslegung des Gesetzes entgegen dem Wortlaut nicht.
Eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung von Gewerbetreibenden und Freiberuflern, ist nicht ersichtlich. Die Übergangsregelung des § 52 Nr. 23 EStG ist insoweit auch nicht widersprüchlich, sondern eindeutig. Soweit die Klägerin anführt, Unternehmer, die statt einem Wirtschaftsjahr ein Geschäftsjahr hätten, insbesondere Freiberufler, hätten ein Wahlrecht § 7g EStG in der alten oder in neuen Fassung anzuwenden, so dass aufgrund einer ungerechtfertigten Differenzierung für den Gewinn der Klägerin keine Größenbeschränkung gelte, erschließt sich dies nicht.
Darüber hinaus hat die Klägerin die Investitionen, für die sie einen Investitionsabzugsbetrag in Höhe von EUR 5.930 begehrt, in den beim Finanzamt einzureichenden Unterlagen seiner Funktion nach nicht benannt und die Höhe der voraussichtlichen Anschaffungskosten nicht angegeben (§ 7g Abs. 1 Nr. 3 EStG). Die erst im Klageverfahren mit Schriftsatz vom 9. November 2011, und damit außerhalb des dreijährigen Investitionszeitraumes nach § 7g Abs. 3 EStG, angeführte Erläuterung, es handele sich um Werkzeuge, reicht nicht, zumal auch die voraussichtlichen Anschaffungskosten nicht angegeben wurden. Ebenso reicht nicht, was die Klägerin behauptet, es sei dem Sachbearbeiter telefonisch erläutert worden, dass es sich um Werkzeuge handele. Für die beiden Transporter hat die Klägerin ebenfalls nur den Investitionsabzugsbetrag in Höhe von EUR 30.000 angegeben, aber nicht die geplanten Anschaffungskosten.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.