13.03.2012 · IWW-Abrufnummer 121697
Finanzgericht Niedersachsen: Urteil vom 19.12.2011 – 5 K 370/11
Ein privater Lehrer (hier: selbstständige Dozentin für Englisch und Französisch) ist mit seinen Leistungen zwar nach nationalem Recht (§ 4 Nr. 21 UStG) nicht von der USt befreit. Der private Lehrer kann sich hinsichtlich der USt-Befreiung aber unmittelbar auf das Unionsrecht berufen – Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL.
Tatbestand
Die Klägerin ist selbständige Dozentin für Englisch und Französisch. Sie ist u. a. bei der Volkshochschule im Landkreis X als Dozentin tätig. Außerdem betreibt sie seit dem Jahr 2004 das Lernstudio ABC, in dem sie selbst sowie ihre Mitarbeiterinnen Unterricht für Kinder und Erwachsene erteilen. Ferner ist die Klägerin für den M-Club tätig. Ihre Umsätze aus der Erteilung des Sprachunterrichts ließ die Klägerin im Wesentlichen für die Streitjahre steuerfrei. Sie berief sich in diesem Zusammenhang auf § 4 Nr. 21 Umsatzsteuergesetz (UStG). Bescheinigungen der zuständigen Landesbehörde gemäß § 4 Nr. 21 Buchstabe b bb) UStG für ihr Institut legte die Klägerin nicht vor. Aus einem Schreiben der Volkshochschule geht hervor, dass die Volkshochschule bzw. die von der Klägerin bei ihr gegebenen Kurse nicht die Voraussetzungen des § 4 Nr. 21 Buchstabe a bb) UStG erfüllen.
Die Umsätze der Klägerin in den Streitjahren gliedern sich wie folgt:
2004 € | 2005 € | 2006 € | |
Gesamtumsätze lt. berichtigter Umsatzsteuerbescheide auf Grund der Außenprüfung (Bescheide vom 11.08.2008) | 49.888,00 | 53.729,00 | 28.331,00 |
Davon entfallen auf Honorarkräfte (andere Sprachlehrer) lt. Aufstellung der Klägerin | 13.881,71 | 15.515,82 | 5.506,20 |
Davon Umsätze aus Unterrichtsleistungen gegenüber der VHS des Landreises X | 2.216,80 | 2.461,16 | 2.464,48 |
Umsätze als Lernstudio ABC und M-Club zusammen | 33.789,49 | 35.752,02 | 20.360,32 |
Davon Umsätze für den M-Club lt. Feststellungen der Außenprüfung | 23.434,25 | 23.061,60 | 0,00 |
Das FA vertrat die Auffassung, dass die Umsatzsteuerbefreiung nicht gewährt werden könne, weil Klägerin die nach § 4 Nr. 21 Buchstabe a) Doppelbuchstabe bb) UStG erforderliche Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde nicht vorgelegt habe.
Gegen diese Entscheidung hat die Klägerin Einspruch eingelegt, den das FA mit Einspruchsbescheid vom 24.10.2008 als unbegründet zurückgewiesen hat.
Hiergegen richtet sich die Klage, mit der die Klägerin weiterhin die Befreiung ihrer Umsätze von der Umsatzsteuer begehrt. Sie könne eine Bescheinigung i.S.d. § 4 Nr. 21 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa) UStG für das Lernstudio ABC nicht vorlegen. Für ihr Begehren auf Umsatzsteuerfreiheit berufe sie sich aber unmittelbar auf das Gemeinschaftsrecht. § 4 Nr. 21 UStG diene der Umsetzung des Artikel 132 Abs. 1 Buchstabe i und Buchstabe j der Mehrwertsteuersystemrichtlinie – MwStSystRl –. Möglich sei im Streitfall eine Umsatzsteuerbefreiung unter Berufung auf Artikel 132 Abs. 1 Buchstabe j der MwStSystRl. Diese Bestimmung verlange im Gegensatz zu § 4 Nr. 21 Buchstabe b bb) UStG nicht das Vorliegen einer Anerkennungsbescheinigung einer zuständigen nationalen Stelle. Es komme nach dieser Regelung lediglich darauf an, dass der Unterricht in eigener Verantwortung von dem Lehrer direkt erteilt werde. Entscheidend sei also lediglich die Art des Unterrichts. Dies habe der EuGH in seiner Entscheidung vom 28.01.2010 (Az. C-437/08 – Rechtssache Eulitz –) entschieden.
Daraus folge, dass die Umsätze, die die Klägerin durch eigene Unterrichtsleistungen in den Jahren 2004–2006 getätigt habe, unter Berufung auf Artikel 132 Abs. 1 Buchstabe j der MwStSystRl von der Umsatzsteuer freizustellen seien. Die Tatsache, dass das Lernstudio ABC nicht über eine Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde verfüge, habe lediglich zur Folge, dass der von den Honorarkräften durchgeführte Unterricht sowohl nach nationalem Recht als auch nach Unionsrecht der Umsatzsteuer zu unterwerfen sei. Hinsichtlich der Steuerbefreiung der Umsätze für den Unterricht, den die Klägerin selbst getätigt habe, könne sie sich aber auf Artikel 132 Abs. 1 Buchstabe j der MwStSystRl unmittelbar berufen. Mit diesem eigenen Unterricht sei die Klägerin als „Privatlehrerin” im Sinne des Unionsrechts tätig geworden. Der Nachweis einer besonderen Qualifikation werde vom Unionsrecht nicht gefordert. Soweit die Klägerin für den Mortimer-Englisch-Club tätig geworden sei, sei diesem von der Bezirksregierung Armsberg eine Bescheinigung i.S.d. § 4 Nr. 21 Buchstabe a bb) UStG erteilt worden. Die Klägerin sei damit für eine Bildungseinrichtung tätig geworden, die ihrerseits von der Umsatzsteuer befreit sei. Darüber hinaus sei sie im steuerbegünstigten Bereich dieser Bildungseinrichtung tätig geworden. Obwohl somit weder dem Lernstudio ABC, noch der Klägerin selbst eine Bescheinigung i.S.d. § 4 Nr. 21 Buchstabe a bb) UStG erteilt worden sei, sei der Unterricht als Franchisenehmerin für den M-Club steuerbefreit.
Die Klägerin beantragt,
die geänderten Umsatzsteuerbescheide vom 11.08.2008 für die Jahre 2004 bis 2006 in der Fassung des Einspruchsbescheides vom 24.10.2008 aufzuheben.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es vertritt die Auffassung, dass eine Steuerbefreiung der Klägerin im Streitfall nicht in Betracht komme. Die Voraussetzungen des § 4 Nr. 21 UStG für eine Umsatzsteuerbefreiung lägen nicht vor. Die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 21 Buchstabe b UStG gelte für Personen, die als freie Mitarbeiter an Schulen, Hochschulen oder ähnlichen Bildungseinrichtungen (z. B. Volkshochschulen) Unterricht erteilten. Diene die Einrichtung verschiedenartigen Bildungszwecken, habe der Unternehmer nachzuweisen, dass er in einem „begünstigten Bereich” tätig sei. Der Nachweis sei durch eine entsprechende Bestätigung der Bildungseinrichtung zu führen. Eine solche Bestätigung habe die Klägerin nicht hinsichtlich ihrer Unterrichtstätigkeit an der Kreisvolkshochschule X nicht vorgelegt.
Auch hinsichtlich der Unterrichtstätigkeit im Rahmen des Lernstudios ABC komme eine Umsatzsteuerbefreiung nicht in Betracht. Die Klägerin beziehe sich in ihrem Vorbringen auf Artikel 132 Abs. 1 Buchstabe j der MwStSystRl. Danach seien die Umsätze der von Privatlehrern erteilten Schul- und Hochschulunterrichte befreit. Das Tatbestandsmerkmal „Lehrer/Lehrerin” setze eine Qualifikation in fachlicher und pädagogischer Hinsicht voraus. Diese Voraussetzung erfülle die Klägerin nicht.
Auch hinsichtlich der Unterrichtstätigkeit als Franchisenehmerin für den M-Club komme eine Befreiung nicht in Betracht. Erbringe der Unternehmer Leistungen nach § 4 Nr. 21 Buchstabe a) UStG im Rahmen eines Franchisevertrages müsse jeder Franchisenehmer selbst bei der für ihn zuständigen Landesbehörde die Ausstellung einer Bescheinigung nach § 4 Nr. 21 Buchstabe a) Doppelbuchstabe bb) UStG beantragen. Eine entsprechende Bescheinigung habe die Klägerin nicht vorgelegt. Die für den M-Club vorgelegte Bescheinigung der Bezirksregierung Armsberg sei insofern nicht ausreichend.
In der mündlichen Verhandlung vom 19.12.2011 hat die Klägerin zu ihrer fachlich Ausbildung Stellung bezogen. Insofern wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen. Desweiteren hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung den Vertrag zwischen ihr und dem M-Club aus dem Jahr 2002 mit einer Erg änzungsvereinbarung aus dem Jahr 2003 vorgelegt. Auch auf diese Unterlagen wird Bezug genommen.
Gründe
Die Klage ist begründet. Die angefochtenen Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2004 bis 2006 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten.
Die Leistungen der Klägerin sind zwar nach nationalem Umsatzsteuerrecht (§ 4 Nr. 21 UStG) nicht von der Umsatzsteuer befreit. Die Klägerin kann sich gleichwohl hinsichtlich der Umsatzsteuerbefreiung für die Umsätze aus dem Lernstudio „ABC” und dem M-Club auf das für sie günstigere Unionsrecht (Art. 132 Abs. 1 Buchstabe j) der MwStSystRL) berufen. Die von der Klägerin aus der Tätigkeit für die Volkshochschule (VHS) des Landkreises X erzielten Umsätze unterliegen demgegenüber der Umsatzsteuer.
1. Umsätze aus der Tätigkeit für die VHS des Landkreises X
Entgegen der Auffassung der Klägerin sind die streitigen Leistungen nicht gemäß § 4 Nr. 21 Buchst. b) UStG steuerfrei. Auch eine Steuerfreiheit nach Art. 132 j MwStSystRL kommt nicht in Betracht.
Diese Leistungen sind nicht nach § 4 Nr. 21 Buchstabe b) UStG von der Steuer befreit.
Nach dieser Vorschrift sind steuerfrei die unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienenden Leistungen privater Schulen und anderer allgemeinbildender oder berufsbildender Einrichtungen, wenn die zuständige Landesbehörde bescheinigt, dass sie auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereiten.
Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor.
Nach der zutreffenden Rechtsprechung des BFH begünstigt § 4 Nr. 21 Buchstabe b) UStG nur die Träger privater Schulen und anderer allgemeinbildender oder berufsbildender Einrichtungen, nicht aber freie Mitarbeiter (Unternehmer), die an diesen Schulen oder ähnlichen Bildungseinrichtungen Unterricht erteilen (vgl. z. B. BFH-Urt. v. 23.08.2007 - V R 4/05, BFH/NV 2007, 2215; BFH-Beschluss vom 20. Oktober 2005 - V R 75/03, BStBl II 2006, 147, jeweils m.w.N. auf die Rechtsprechung des BFH).
§ 4 Nr. 21 Buchst. b UStG setzt Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL um. Nach dieser Bestimmung befreien die Mitgliedstaaten die Erziehung von Kindern und Jugendlichen, den Schul- oder Hochschulunterricht, die Ausbildung, die Fortbildung oder die berufliche Umschulung sowie die eng damit verbundenen Dienstleistungen und Lieferungen durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die mit solchen Aufgaben betraut sind, oder andere Einrichtungen mit von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannter vergleichbarer Zielsetzung.
Die Klägerin ist aber keine „andere Einrichtung mit von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannter vergleichbarer Zielsetzung” im Sinne dieser Bestimmung.
Zwar können, soweit durch Art. 132 Abs. 1 MwStSystRL „Einrichtungen” begünstigt sind, diese auch von natürlichen Personen betrieben werden (vgl. z.B. EuGH-Urteil v. 26.05.2005 Rs. C-498/03, Kingscrest Associates Ltd. und Montecello Ltd., BFH/NV Beilage 2005, 310; BFH-Urt. v. 23.08.2007, a.a.O.). Die Klägerin ist aber nicht i.S. des Art. 132 Abs. 1 Buchstabe i MwStSystRL „anerkannt”. Ihr ist nicht ist von der zuständigen Landesbehörde gemäß § 4 Nr. 21 Buchstabe b UStG bescheinigt worden, dass sie auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereitet. Ob dafür auch eine Bescheinigung der Bildungseinrichtung ausreicht, dass der Stpfl. eine Unterrichtsleistung im begünstigten Bereich der Bildungseinrichtung erbringt – wie dies die Finanzverwaltung in Abschn. 4.21.3. Abs. 3 UStAE regelt – braucht hier nicht entschieden zu werden, denn die VHS hat der Klägerin im Streitfall eine derartige Bescheinigung nicht erteilt.
Die Klägerin kann sich hinsichtlich der Umsätze aus der Tätigkeit für die VHS auch nicht unmittelbar auf Art. 132 Abs. 1 Buchstabe j der MwStSystRL berufen, wonach die Mitgliedstaaten den von Privatlehrern erteilten Schul- und Hochschulunterricht von der Steuer befreien. Insofern hat der EuGH in der Rechtssache Eulitz (EuGH, Urt. v. 28.01.2010 - C-473/08 Rechtssache Eulitz auf Vorlage des Sächsischen Finanzgerichts) entschieden, dass die Eigenschaft der Tätigkeit als „Privatlehrer” iSd Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j) der 6. EG-RL (jetzt: Art. 132 Abs. 1 Buchst. j) der MwStSystRL) dann nicht erfüllt ist, wenn in einer „Bildungseinrichtung” – wie hier die VHS – tätig geworden ist. In diesem Fall ist die VHS – nicht aber der Stpfl. selbst – Träger der Bildungseinrichtung. Dies hat zur Folge, dass die Einrichtung, nicht aber der Stpfl. selbst der Befreiungsregelung des Art. 132 Abs. 1 Buchst j der MwStSystRL unterliegt (EuGH, Urt. v. 28.01.2010 - C-473/08 – Rechtssache Eulitz Rz. 52, 53).
2. Tätigkeit der Klägerin im Lernstudio „ABC”
Die Umsätze der Klägerin aus ihrer Tätigkeit im Lernstudio „ABC” sind von der Umsatzsteuer befreit. Die Befreiung folgt aus Art. 132 Abs. 1 Buchst. j) der MwStSystRL, auf die sich die Klägerin unmittelbar berufen kann.
a) Berufung auf günstigeres Unionsrecht
Hat der Gesetzgeber die Bestimmungen des Unionsrechts nicht oder nicht fristgerecht in das nationale Umsatzsteuerrecht umgesetzt, kann sich ein Unternehmer gegenüber einer für ihn nachteiligen Bestimmung des nationalen Umsatzsteuerrechts auf eine für ihn günstigere Bestimmung des Unionsrechts berufen. Eine unmittelbare Anwendung von Bestimmungen der Richtlinie kommt deshalb für solche Vorschriften in Betracht, die den Steuerpflichtigen im Vergleich zu der nationalen Vorschrift begünstigen. Das entgegen stehende nationale Recht ist dann nicht anwendbar (EuGH, Urt. v. 19.01.1982 - C-8/81, UR 1982,70). Das BVerfG hat diese Rechtsfortbildung durch den EuGH zwischenzeitlich auch akzeptiert (BVerfG, Urt. v. 08.04.1987 – 2 BvR 687/85, BVerfGE 75, 223; dazu Leonard, in Grune/Leonard, Aktuelles Umsatzsteuerrecht 2004, 49 ff., 52). Eine unmittelbare Berufung auf das Unionsrecht setzt allerdings voraus, dass die unionsrechtliche Regelung inhaltlich hinreichend bestimmt und unbedingt ist (EuGH, Urt. v. 19.01.1982, C-8/8, a.a.O.). Stimmt das nationale Recht nicht mit den Vorgaben des Unionsrechts überein, kommt dem Unionsrecht gegenüber dem nationalen Recht der Anwendungsvorrang zu (BFH-Urt. v. 18.05.1993 – V R 5/91, BFH/ NV 1994, 586; BFH-Urt. v. 11.10.2007 - V R 69/06, BFH/ NV 2008, 322).
b) Keine Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 21 UStG
Im Streitfall kommt für die Klägerin, soweit ihre Tätigkeit für das Lernstudio „ABC” betroffen ist eine Umsatzsteuerbefreiung nicht in Betracht. Die Voraussetzungen der hier allein in Betracht kommenden Regelung in § 4 Nr. 21 Buchstabe b) Doppelbuchstabe bb) UStG i.V.m. § 4 Nr. 21 Buchst. a) Doppelbuchstabe bb) UStG sind nicht erfüllt, denn danach ist es erforderlich, dass die zuständige Landesbehörde (Kultusministerium) bescheinigt, dass die Klägerin mit ihrer Tätigkeit auf einen Beruf oder auf eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Pr üfung ordnungsgemäß vorbereitet. Eine derartige Bescheinigung der zuständigen Kultusbehörde hat die Klägerin nicht vorgelegt. Einen entsprechenden Antrag an die Landesschulbehörde nahm die Klägerin im Jahr 2007 zurück, nachdem die Behörde ihr mitgeteilt hatte, dass ihre und die Qualifikation der beschäftigten Lehrkräfte nicht ausreichend seien. Nachfragen des Niedersächsischen Finanzministeriums nach der Handhabung in anderen Bundesländern ergaben eine unterschiedliche Handhabung. So wird die Bescheinigung in einigen Bundesländern auch Lehrkräften erteilt, die nicht über eine Ausbildung als Lehrer an öffentlichen Schulen verfügen. Auf die entsprechenden Ausführungen Bl. 51 ff. der Gerichtsakte wird insofern Bezug genommen. Fest steht danach aber, dass eine Umsatzsteuerbefreiung nach nationalem Recht für die Klägerin nicht in Betracht kommt, weil sie die nach § 4 Nr. 21 UStG erforderliche Bescheinigung nicht vorgelegt hat bzw. nicht vorlegen konnte.
c) Umsatzsteuerbefreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchstabe j) MwStSystRL
Die Klägerin kann sich auf die für die günstigere Regelung in Art. 132 Abs. 1 Buchst. j der MwStSystRL berufen. Danach befreien die Mitgliedstaaten der EU den von Privatlehrern erteilten Schul- und Hochschulunterricht von der Umsatzsteuer.
Im Streitfall kommt es auf die im Schrifttum diskutierte Frage, wann der Begriff des „Privatlehrers” erfüllt ist letztlich nicht an (vgl. dazu z.B. Korn, DStR 2010, 688, 690; Philipowski, UR 2010, 161 ff.). Fest steht nämlich nach der Rechtsprechung des EuGH, der sich das Gericht anschließt, dass der Begriff des Privatlehrers immer dann erfüllt ist, wenn der Lehrer in eigener Verantwortung und auf eigene Rechnung tätig wird (BFH-Urt. v. 27.09.2007 – V R 75/03, DStR 2007, 2211 – Nachfolgeentscheidung zur Rechtssache Haderer, EuGH, Urt. v. 14.06.2007 - C-445/05, UR 2007, 592). Nur derjenige kann nach Meinung des EuGH nicht „Privatlehrer” sein, der nicht selbst Träger einer Bildungseinrichtung ist, sondern lediglich im Rahmen der von dieser angebotenen Lehrgänge Unterricht erteilt (EuGH, Urt. v. 28.01.2010 - C-473/08, Rechtssache Eulitz, a.a.O.). Darüber hinaus ist entscheidend, dass der „Privatlehrer” seine Leistungen in eigener Verantwortung erbringt (EuGH, Urt. v. 28.01.2010 - C-473/08, Rechtssache Eulitz, a.a.O.). Die Leistungen des „Privatlehrers” sind demnach dann nicht befreit, wenn er sie durch Mitarbeiter („Honorarkräfte”) erbringen lässt. Für den Streitfall bedeutet dies, dass die Umsätze, die von den „Honorarkräften” der Klägerin im Lernstudio „ABC” erbracht worden sind, auch nach unionsrechtlichen Vorgaben nicht der Umsatzsteuerbefreiung unterliegen.
d) Erfordernis einer Qualifikation ?
Die Klägerin ist auch ausreichend qualifiziert
Soweit das beklagte FA gegen die Befreiung der Klägerin von der Umsatzsteuer darüber hinaus einwendet, diese verfüge nicht über die für eine Lehrerin erforderliche (pädagogische) Qualifikation, kommt es darauf – zumindest im Streitfall – nicht an. Nach den unbestritten gebliebenen Ausführungen der Klägerin verfügt sie über eine umfassende, bereits vor mehr als 30 Jahren erworbene Fremdsprachenausbildung.
Aus dem Wortlaut des Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL ergibt sich nicht, ob und ggf. welche Anforderungen an die Qualifikation des Privatlehrers zu stellen sind. Doch besteht zwischen dem konkreten Inhalt des Unterrichts und der Qualifikation des Unterrichtenden grundsätzlich ein Zusammenhang (EuGH, Urt. v 14.06.2007 - C-445/05, Haderer, UR 2007, 592). Ob der Tatbestand erfüllt ist, hängt entscheidend von der Art der erbrachten Dienstleistung ab. Der Unternehmer muss nach Auffassung des Gerichts deshalb lediglich eine bestimmte Mindestqualifikation aufweisen, um die Dienstleistung erbringen zu können (Tehler in Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, UStG, § 4 Nr. 21 Rz. 365). Dabei kann die Frage, ob jemand als „Privatlehrer” i. S. der Vorschrift handelt, nicht von den Qualifikationsanforderungen des jeweiligen Mitgliedstaates abhängen. Der Begriff „Privatlehrer” setzt nicht voraus, dass der Unternehmer ein Hochschulstudium absolviert und nach deutschem Recht die Befähigung zum Lehramt innehat (FG Hamburg, Urt. v. 16.06.2011 – 6 K 165/10, juris). Auch in der Rechtsprechung des BFH und der Finanzgerichte gibt es für ein derartiges Verständnis dieses Begriffs keine Anhaltspunkte (vgl. BFH-Urt. v. 28.01.2009 - XI R 77/07, BFH/NV 2009, 1676, und vom 10.01.2008 - V R 52/06, BFH/NV 2008, 725, zu s„Erste-Hilfe-Kurs” und Kursen über „Sofortmaßnahmen am Unfallort”; vom 24.01.2008 - V R 3/05 BFH/NV 2008, 1078, zu Ballettstudio).
Das Gericht ist im Streitfall überzeugt, dass die Klägerin angesichts ihrer umfassenden Fremdsprachenausbildung, die sie auch ständig aktualisiert hat, über eine ausreichende Qualifikation erfüllt. Die darüber hinaus erforderlichen pädagogischen Fähigkeiten dürfte sich die Klägerin in ihrer langjährigen Lehrtätigkeit angeeignet haben. Im Übrigen ist auch fraglich, ob pädagogische Fähigkeiten ausschließlich über ein entsprechendes Studium erworben werden können. Auch eine langjährige Praxis verbunden mit den entsprechenden Fachkenntnissen (Fremdsprachenausbildung) kann dies durchaus ersetzen.
3. Tätigkeit der Klägerin aufgrund der Vereinbarung mit dem M-Club
a) Keine Umsatzsteuerbefreiung nach nationalem Umsatzsteuerrecht
Soweit die Klägerin im Rahmen des Franchisevertrages mit dem M-Club tätig geworden ist, ist diese Tätigkeit zwar nach nationalem Umsatzsteuerrecht ebenfalls nicht von der Umsatzsteuer befreit. Die Klägerin kann sich aber auch insoweit auf das für sie günstigere Unionsrecht (Art. 132 Abs. 1 Buchst. j der MwStSystRL) berufen. Hinsichtlich der Versagung der Befreiung nach nationalem Recht gilt das zum Lernstudio „ABC” Gesagte. Eine Befreiung nach § 4 Nr. 21 UStG kommt demnach nicht in betracht. Hinsichtlich eines Franchisevertrages vertritt die Finanzverwaltung darüber hinausgehend in Abschn. 4.21.5 Abs. 3 Satz 2 UStAE die Auffassung, dass der jeweilige Franchisenehmer eine Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde vorlegen müsse.
b) Anwendung des Unionsrechts
Die Klägerin ist jedoch auch in diesem Bereich als „Privatlehrerin” gem. Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL von der Umsatzsteuer befreit. Entscheidend dafür ist, dass die Klägerin in eigener Verantwortung, auf eigene Rechnung tätig wird und nicht in eine Bildungseinrichtung fest eingegliedert ist Der M-Club gewährleistet lediglich, dass ein bestimmtes Lernkonzept eingehalten wird, für das die Franchisenehmer vom M-Club entsprechende Ausbildungen und Hinweise erhält. So heißt es auf die Internetseite des M-Club wörtlich:
„Mit Unterstützung der Systemzentrale gründen Sie Ihre eigene Sprachschule: einen Mortimer English Club. Selbstverständlich erhalten Sie Gebietsschutz. Als selbstständiger Unternehmer und Inhaber einer Sprachschule sind Sie verantwortlich für Schülerakquise und Management.”
Außer einer Unterstützung beim Aufbau und Betrieb der Sprachschule unterscheidet sich dies also in keiner Weise vom Lernstudio „ABC”, das ebenfalls von der Klägerin betrieben wird, so dass insofern auf die obigen Ausführungen unter 2.) Bezug genommen wird.
Auch die Tätigkeit der Klägerin für den M-Club ist demgemäß nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. j) MwStSystRL von der Umsatzsteuer befreit.
4. Steuerberechnung
2004 € | 2005 € | 2006 € | |
Gesamtumsätze lt. berichtigter Umsatzsteuerbescheide auf Grund der Außenprüfung (Bescheide vom 11.08.2008) | 49.888,00 | 53.729,00 | 28.331,00 |
Umsatzsteuerpflichtige Umsätze, die auf Honorarkräfte entfallen | 13.881,71 | 15.515,82 | 5.506,20 |
Umsatzsteuerpflichtige Umsätze aus Unterrichtsleistungen gegenüber der VHS des Landreises X | 2.216,80 | 2.461,16 | 2.464,48 |
Steuerpflichtige Umsätze netto zu 16% | 15.904,51 | 17.976,98 | 7.970,68 |
Steuerpflichtige Umsätze netto zu 7% | 194,00 | 56,00 |
Für den Streitfall bedeutet dies, dass die genannten Umsätze in den Streitjahren der Umsatzbesteuerung unterliegen. Für das Streitjahr 2004 sind die Gesamtumsätze des Jahres 2003 (31.325 EUR) für die Berechnung maßgebend. Hinzu kommen die unstreitigen Umsätze zum ermäßigten Umsatzsteuersatz (2004: 194 EUR; 2005: 56 EUR). Weiterhin hinzuzurechnen ist die unentgeltliche Wertabgabe für die private Pkw-Nutzung, die das FA mit 1.032 EUR pro Jahr angesetzt hat. Das Gericht hält dies für zutreffend. Abzusetzen sind Vorsteuerbeträge, die die Klägerin mit 740,13 EUR für 2004, 1.213,15 EUR für 2005 und 715,36 EUR für 2006 angesetzt hatte. Im Hinblick auf die Erhöhung der umsatzsteuerpflichtigen Umsätze hatte das FA auch die damit im Zusammenhang stehenden Vorsteuerbeträge erhöht. Dies ist rückgängig zu machen.
Im Ergebnis hat die Klage danach in vollem Umfang Erfolg.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 Abs. 1 und 3 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).
Gründe, die es rechtfertigen, die Revision nach § 115 Abs. 2 FGO zuzulassen liegen nicht vor (so auch für einen vergleichbaren Fall FG Hamburg, Urt. v. 16.06.2011 – 6 K 165/10, juris). Das Gericht hatte zwar in der mündlichen Verhandlung eine Zulassung der Revision in Betracht gezogen. Im Ergebnis erscheint dies jedoch nicht gerechtfertigt. Die oben angeführte Rechtsprechung des BFH und auch des EuGH weist eindeutig in die Richtung, dass in Fällen wie dem Vorliegenden eine Umsatzsteuerbefreiung auf der Grundlage des Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL zu gewähren ist. Die verbleibende Frage, ob der „Privatlehrer” eine pädagogische Ausbildung ben ötigt, erklärt sich aus der MwStSystRL, die ebenso wie der Begriff des „Privatlehrers” eine entsprechende Ausbildung und Qualifikation nicht erforderlich macht.