13.03.2012
Finanzgericht Rheinland-Pfalz: Urteil vom 14.12.2011 – 2 K 1176/11
Ob Ausgaben, die der Steuerpflichtige im Kalenderjahr 2008 geleistet hat, gemäß § 20 Abs. 9 Satz 1 2. Halbsatz EStG i.V. mit § 52a Abs. 10 Satz 10 EStG in der Fassung des Unternehmenssteuerreformgesetzes vom 14. August 2007 als Werbungskosten abgezogen werden können, beurteilt sich danach, wann die mit den Ausgaben zusammenhängenden Kapitalerträge zufließen sollen. Soll der Zufluss erst nach dem 31. Dezember 2008 erfolgen, ist der Werbungskostenabzug auch dann ausgeschlossen, wenn der Steuerpflichtige für die Vorableistung beachtliche nichtsteuerliche Gründe geltend machen kann.
Tatbestand
Streitig ist, ob im Rahmen eines Vermögensverwaltungsvertrages gezahlte Vorabverwaltungsgebühren als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen zu berücksichtigen sind.
Die am 29. April 1951 geborene Klägerin wurde im Streitjahr 2008 einzeln zur Einkommensteuer veranlagt. Mit ihrer am 05. Oktober 2009 beim Beklagten eingegangenen Einkommensteuererklärung für 2008 erklärte sie u.a. in der Anlage KAP ausländische Kapitalerträge i.H. von 92,00 € sowie diesbezügliche Werbungskosten i.H. von 5.712,00 €. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Die Klägerin hatte zu Beginn des Jahres 2008 die GSS AG (nachfolgend kurz: GSS) mit Sitz in Liechtenstein beauftragt, im Rahmen eines sog. ”...-Programms” für sie Gelder zu verwalten. Zu diesem Zweck hatte sie ein Kontokorrentkonto und ein Depot bei der S Bank eröffnet, auf welches eine Einmalanlage sowie Monatsanlagen inklusive eines Agios i.H. von 5% eingezahlt wurden.
Lt. dem hierzu vorgelegten „Servicevertrag” sollten die zur Anlage verfügbaren Gelder im regelmäßigen Turnus entsprechend den Anweisungen des Vermögensverwalters angelegt werden (Abschnitt II, Abs. 4 des „Servicevertrages”). Nähere Bestimmungen zur Art der Vermögensanlage enthält der „Servicevertrag” nicht; auch einen Prospekt, aus dem die Streuung des Anlagekapitals hervor geht, gibt es lt. Auskunft des Prozessbevollmächtigten der Klägerin nicht (vgl. Bl. 23 d. PA). Für die regelmäßige Betreuung durch die GSS und die Kosten des Vermögensverwalters sollte halbjährlich eine Verwaltungsgebühr von 0,67% des durchschnittlichen Depotwertes belastet werden (Abschnitt IV, Abs. 2 des „Servicevertrages”). Die genaue Höhe der Vorabverwaltungsgebühr sollte davon abhängen, ob es sich um eine ausschließliche Einmalanlage (Programm A) oder eine Einmalanlage mit zusätzlichen regelmäßigen Monatsanlagen (Programm B) handelt (Abschnitt V des „Servicevertrages”). Auf den „Servicevertrag” (vgl. Bl. 24 f. d. PA) wird wegen der Einzelheiten verwiesen.
Lt. einem mit „Antragsannahme und Berechnung Vorabverwaltungsgebühr” überschriebenen Schreiben der GSS vom 04. Februar 2008 wurden zum Vertrag der Klägerin konkret folgende Bedingungen vereinbart:
„Vertragstyp: | Vermögensverwaltung mit in Deutschland zum öffentlichen Vertrieb zugelassenen Investmentfonds |
Anteil kapitalgeschützter | |
Produkte: | 0% |
Vertragslaufzeit: | 15 Jahre |
Einmalanlage: | 26 000.00 Euro zuzüglich 5% Agio = 27 300 Euro |
Monatliche Anlage: | 150.00 Euro zuzüglich 5% Agio = 157.50 Euro |
Vorabverwaltungsgebühr: | 4 450.15 Euro |
Erstattung zum Vertragsende: | 636.00 Euro” |
(vgl. Bl. 11 der Einkommensteuerakten) |
Auf das Schreiben der GSS vom 04. Februar 2008 und den Kontoauszug der S Bank für das Jahr 2008 wird wegen der Einzelheiten verwiesen.
Im Einkommensteuerbescheid für 2008 vom 23. November 2009 berücksichtigte der Beklagte die geltend gemachten Vorabverwaltungsgebühren lediglich in Höhe von 254,00 €. In den Bescheiderläuterungen heißt es hierzu, die Vorabverwaltungsgebühren seien gleichmäßig auf die Vertragsdauer zu verteilen (vgl. Bl. 26 ff. d. Einkommensteuerakten; vgl. auch die Berechnung Bl. 12 d. Einkommensteuerakten: Verwaltungsgebühr 4.450,15 € ./. Erstattung 636,00 € = 3.814,16 € : 15 Jahre = 254,28 €).
Dem hiergegen wegen eines hier nicht streitbefangenen Punktes eingelegten Einspruch half der Beklagte mit geändertem Einkommensteuerbescheid für 2008 vom 30. Dezember 2009 ab. Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen berücksichtigte er unverändert nur in Höhe von 254,00 € (Bl. 66 ff. d. Einkommensteuerakten).
Mit am 05. Januar 2010 beim Beklagten eingegangenen Schreiben teilte die Klägerin mit, sie sehe ihren Einspruch noch nicht als erledigt an. Die Verteilung der Vorabverwaltungsgebühren auf 15 Jahre widerspreche § 11 Abs. 2 EStG, wonach Ausgaben in dem Kalenderjahr abzusetzen seien, in dem sie geleistet worden seien.
Mit Einspruchsentscheidung vom 06. Januar 2011 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Hinsichtlich der im Streitfall gewählten Variante der Vermögensverwaltung mit Einmalanlage und zusätzlicher Monatsanlage („Programm B”) solle durch die Vorabverwaltungsgebühren lediglich das durch die Einführung der Abgeltungssteuer ab dem Jahr 2009 geltende Werbungskostenabzugsverbot des § 20 Abs. 9 EStG umgangen werden. Die gewählte Gestaltung sei rein steuerlich motiviert und erfülle als Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten die Tatbestandsvoraussetzungen des § 42 AO. Als angemessene Gestaltung sei eine gleichmäßige Verteilung der Vorabverwaltungsgebühr auf die gesamte Vertragsdauer anzusehen. Nur der Anteil der Gebühr, der nach der Aufteilung auf das Jahr 2008 entfalle, sei als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen zu berücksichtigen (vgl. Bl. 75 ff. d. Einkommensteuerakten).
Mit der hiergegen am 09. Februar 2011 bei Gericht eingegangenen Klage trägt die Klägerin im Wesentlichen vor, Grund für die Zeichnung der Vermögensanlage sei gewesen, dass ihr Arbeitsverhältnis zum 31. August 2008 gekündigt worden sei und sie eine Entlassungsabfindung in Höhe von rd. 75.000,00 € erhalten habe. Da sie eine Eigentumswohnung selbst nutze und eine weitere Eigentumswohnung vermietet habe, hätten Bedenken bestanden, dass sie das Arbeitslosengeld I nur für 18 Monate erhalten würde und wegen der vermieteten Wohnung die Voraussetzungen für Arbeitslosengeld II nicht vorlägen. Mit der Zeichnung der Kapitalanlage hätte sie die Erwartung verbunden, später aus den erwirtschafteten Erträgen und der teilweisen Auflösung der Anlage ihren Lebensunterhalt bis zur Zahlung der Rente bestreiten zu können. Aus dieser wirtschaftlichen Überlegung und unter Berücksichtigung der Tatsache, dass zum Zeitpunkt der Zeichnung das Geld für die Zahlung der Verwalterkosten vorhanden gewesen sei und dies möglicherweise nach Auslaufen des Arbeitslosengeldes nicht mehr der Fall sein und dies die Lebensführung der Klägerin belasten würde, sei die Variante der Vorauszahlung gewählt worden. Sie habe hiernach sehr wohl außersteuerliche Gründe für die gewählte Gestaltung gehabt.
Die Klägerin beantragt,
den geänderten Einkommensteuerbescheid für 2008 vom 30. Dezember 2009 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 06. Januar 2011 dahingehend zu ändern, dass der Besteuerung negative Einkünfte der Klägerin aus Kapitalvermögen i.H. von 5.158,-- Euro zugrunde gelegt werden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er nimmt auf die tatsächlichen und rechtlichen Ausführungen in der Einspruchsentscheidung Bezug und trägt ergänzend vor, die von der Klägerin dargelegten Gründe für die Vereinbarung einer Vorabverwaltungsgebühr ließen keinen wirtschaftlichen Hintergrund für diese Vereinbarung erkennen. Da die Klägerin neben der Einmalzahlung über einen Zeitraum von 15 Jahren monatliche Einzahlungen i.H. von 157,50 € vereinbart habe, müsse sie davon ausgegangen sein, dass ihr über diesen Zeitraum genügend finanzielle Mittel für die monatlichen Einzahlungen zur Verfügung stünden.
Gründe
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der Beklagte hat die Vorabverwaltungsgebühr zu Recht nur anteilig als Werbungskosten berücksichtigt.
Hierbei kann dahin stehen, ob die Vereinbarung einer im Jahr 2008 zu zahlenden Vorabverwaltungsgebühr als rechtsmissbräuchliche Gestaltung im Sinne von § 42 AO anzusehen ist. Denn der (weitgehende) Ausschluss des Werbungskostenabzugs für die im Streitfall gezahlte Vorabverwaltungsgebühr ergibt sich unmittelbar aus § 20 Abs. 9 Satz 1 2. Halbsatz i.V. mit § 52a Abs. 10 Satz 10 EStG i.d. Fassung des Unternehmenssteuerreformgesetzes vom 14. August 2007.
1. Mit dem Unternehmenssteuerreformgesetz vom 14. August 2007 hat der Gesetzgeber die Vorschrift des § 20 EStG an das neue Besteuerungsregime der Abgeltungssteuer angepasst (vgl. Moritz/Strohm, in Frotscher, EStG, § 20 EStG, Rz. 37). U.a. wurde die Möglichkeit der Berücksichtigung von Werbungskosten erheblich eingeschränkt. Nach § 20 Abs. 9 Satz 1 i.d. Fassung des Unternehmenssteuerreformgesetzes vom 14. August 2007 kann bei der Ermittlung der Einkünfte aus Kapitalvermögen als Werbungskosten nur noch der Sparer-Pauschbetrag i.H. von 801 Euro abgezogen werden; der Abzug der tatsächlichen Werbungskosten ist hingegen ausgeschlossen.
2. Nach § 52a Abs. 10 Satz 10 EStG in der Fassung des Unternehmenssteuerreformgesetzes vom 14. August 2007 ist § 20 Abs. 9 EStG in der Fassung des Artikels 1 des Unternehmenssteuerreformgesetzes vom 14. August 2007 erstmals auf nach dem 31. Dezember 2008 zufließende Kapitalerträge anzuwenden .
Über die Abziehbarkeit von tatsächlichen Werbungskosten i.S. von § 20 Abs. 9 Satz 1 2. Halbsatz EStG entscheidet demnach nicht der Zeitpunkt des Abflusses der betreffenden Aufwendungen. Maßgeblich ist vielmehr, wann die den Aufwendungen zuzuordnenden Kapitalerträge zufließen. Ist dies ein Zeitpunkt nach dem 31. Dezember 2008, können Aufwendungen, die in einem objektiven Zusammenhang mit den Kapitalerträgen stehen und subjektiv zu deren Förderung erfolgen, auch dann nicht als Werbungskosten berücksichtigt werden, wenn sie vor dem 01. Januar 2009 geleistet werden. § 52a Abs. 10 Satz 10 EStG schränkt insofern die Möglichkeit des Abzugs vorweggenommener Werbungskosten ein.
Soweit in der Literatur z.T. - hiervon abweichend - die Auffassung vertreten wird, die Regelung des § 20 Abs. 9 Satz 1 EStG gelte für nach dem 31. Dezember 2008 geleistete Erwerbsaufwendungen (vgl. Jochum, in Kirchhof/Söhn, EStG, § 20, Rz. K 38; ähnlich: BMF vom 22. Dezember 2009,BStBl I 2010, 94, Rz. 322, wonach in 2009 geleistete Ausgaben, die mit Kapitalerträgen der Vorjahre zusammenhängen, unter das Abzugsverbot des § 20 Abs. 9 EStG fallen sollen), vermag der Senat dem angesichts des klaren Wortlauts des § 52a Abs. 10 Satz 10 EStG nicht zu folgen. Der Gesetzgeber hat den Ausschluss des Werbungskostenabzugs erkennbar nicht an den Zeitpunkt des Abflusses der betreffenden Aufwendungen, sondern an die Anwendung des Proportionalsteuersatzes von 25% auf die mit den Aufwendungen zusammenhängenden Kapitalerträge knüpfen wollen. Das Abzugsverbot ist insofern der „Preis der Abgeltungssteuer” (vgl. Weber-Grellet, in Schmidt, EStG, 27. Auflage, § 20, Rz. 250).
Die hier vertretene Sichtweise widerspricht im Übrigen auch nicht dem Abflussprinzip des § 11 Abs. 2 Satz 1 EStG. Denn nach § 11 Abs. 2 Satz 1 EStG bemisst sich lediglich, in welchem Kalenderjahr Ausgaben gegebenenfalls abzusetzen sind, nicht jedoch, ob es sich bei den betreffenden Ausgaben überhaupt um berücksichtigungsfähige Werbungskosten handelt.
3. Aufwendungen des Steuerpflichtigen wie z.B. Depot- oder Vorabverwaltungsgebühren können demnach nur insoweit als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen berücksichtigt werden, als sie mit vor dem 01. Januar 2009 zufließenden Kapitalerträgen zusammenhängen.
Der Senat geht - mangels anderweitiger Anhaltspunkte - davon aus, dass über die gesamte 15-jährige Laufzeit des Vermögensverwaltungsvertrages mit dem Kapital der Klägerin Erträge erzielt werden sollten. Der Beklagte hat dementsprechend zutreffend lediglich einen Teilbetrag der geltend gemachten Vorabverwaltungsgebühr für berücksichtigungsfähig gehalten. Der von ihm angesetzte Betrag i.H. von 5.712,00 € : 15 = 381,00 € (vgl. Einspruchsentscheidung vom 06. Januar 2011, Seite 3 Mitte, Bl. 77 d. Einkommensteuerakten) ist zwar insofern zu hoch, als die Laufzeit des Vermögensverwaltungsvertrages erst mit der Gutschrift der Einmalanlage und der ersten Monatsanlage auf dem Konto bei der Swissquote Bank am 28. April 2008 begann (vgl. Abschnitt II, Absatz 5 des „Servicevertrages”, Bl. 24 d. PA). Da sich der Ansatz eines geringeren Betrags wegen des Sparer-Freibetrages nicht ausgewirkt hätte, bedarf dies jedoch keiner gerichtlichen Korrektur.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
Die Revision war gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen, um dem BFH Gelegenheit zu Klärung der grundsätzlichen Rechtsfrage zu geben, ob in 2008 geleistete Ausgaben, die mit nach dem 31. Dezember 2008 zufließenden Kapitalerträgen zusammenhängen, als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen abzuziehen sind, sofern der Steuerpflichtige für die Vorausleistung beachtliche nichtsteuerliche Gründe geltend machen kann.