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  • 27.03.2003 · IWW-Abrufnummer 030720

    Bundesfinanzhof: Urteil vom 13.11.2002 – VI R 28/02

    1. Ob das häusliche Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet, bestimmt sich nach dem qualitativen Schwerpunkt der Tätigkeit des Steuerpflichtigen. Dies zu beurteilen obliegt in erster Linie dem FG als Tatsacheninstanz.



    2. Bei einem Ingenieur, dessen Tätigkeit wesentlich durch die Erarbeitung theoretischer komplexer Problemlösungen im häuslichen Arbeitszimmer geprägt ist, kann dieses auch dann den Mittelpunkt der beruflichen Betätigung bilden, wenn die Betreuung von Kunden im Außendienst ebenfalls zu seinen Aufgaben gehört.


    Gründe:

    I.

    Streitig ist, wann das Arbeitszimmer eines Steuerpflichtigen mit einer beruflichen Tätigkeit, die teilweise zu Hause und teilweise auswärts ausgeübt wird, den Mittelpunkt der gesamten Betätigung i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b Satz 3 Halbsatz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) bildet.

    Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) und seine Ehefrau wurden im Streitjahr (1996) zur Einkommensteuer zusammenveranlagt. Der Kläger war als Diplomingenieur nichtselbständig tätig. Bei seinem Arbeitgeber stand ihm kein Arbeitsplatz zur Verfügung. Für ein häusliches Arbeitszimmer machte er Aufwendungen in Höhe von 6 572 DM (einschließlich Abschreibungen auf die Ausstattung) geltend.

    Der Arbeitgeber des Klägers stellt Industriepumpen für Chemieunternehmen her und übernimmt deren Wartung. Die Wartungsarbeiten sind dem Kläger übertragen. Aus diesem Grunde bewahrt der Kläger sämtliche Konstruktionszeichnungen der in seinem Kundengebiet ausgelieferten Pumpen einschließlich der dazugehörigen technischen und geschäftlichen Unterlagen in seinem Arbeitszimmer auf. Tritt an einer Pumpe ein Defekt auf, ist es Aufgabe des Klägers, anhand der ihm vorliegenden Unterlagen eine technische Lösung des Problems zu erarbeiten. Dies bewerkstelligt er im häuslichen Arbeitszimmer. Unter Umständen muss der Kläger dabei neue Konstruktionspläne, Zeichnungen, Skizzen und Alternativlösungen anfertigen. Die jeweilige theoretische Lösung wird telefonisch oder schriftlich an den betreffenden Kunden weitergegeben. Nicht in jedem Fall ist zugleich erforderlich, dass der Kläger den Kunden aufsucht. Jedenfalls obliegt die Durchführung der Reparaturarbeiten nicht dem Kläger, sondern anderen Bediensteten des Arbeitgebers oder Dritten. Darüber hinaus berät der Kläger die Kunden seines Arbeitgebers auch in sonstigen Fragen von seinem häuslichen Arbeitszimmer aus telefonisch und erstellt ggf. auf der Grundlage ihrer Anliegen schriftliche Angebote. Schließlich fertigt der Kläger, neben den üblichen Büroarbeiten (Auftragsbestätigungen, Rechnungen, Kundenrundschreiben) und der Pflege von Produkt- und Kundendateien, im häuslichen Arbeitszimmer Tätigkeitsberichte und Statistiken für seinen Arbeitgeber an. Der Kläger ist auch in der Akquisition von Neukunden tätig; allerdings beschränkt sich sein Hauptaufgabengebiet vorrangig auf die Betreuung bereits gewonnener Kunden.

    Zur zeitlichen Abgrenzung seiner Arbeiten legte der Kläger Reisekostenrechnungen für die Monate April und Oktober 1996 vor. Aus diesen ergab sich, dass der Kläger --unter Zugrundelegung einer 5-Tage-Woche-- im April von 19 Arbeitstagen 10 Tage (72 Stunden) und im Oktober von 21 Arbeitstagen 14 Tage (118,5 Stunden) im Außendienst tätig war. Im April hatte er darüber hinaus an drei zusammenhängenden Tagen an einer auswärtigen Tagung teilgenommen.

    Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) ließ unter Hinweis auf § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b EStG und mit der Begründung, dass das Arbeitszimmer nicht Mittelpunkt der gesamten beruflichen Tätigkeit des Klägers sei, lediglich Aufwendungen in Höhe von 2 400 DM zum Abzug zu.

    Das Finanzgericht (FG) hingegen erkannte die geltend gemachten Aufwendungen mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2002, 609 wiedergegebenen Gründen in voller Höhe an.

    Mit der Revision rügt das FA die Verletzung von § 9 Abs. 5 i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b Satz 3 EStG. Es macht geltend, die Außendiensttätigkeit des Klägers sei für den von ihm ausgeübten Beruf prägend gewesen. Ein Großteil der auftretenden Schäden habe nur vor Ort festgestellt werden können. Eine entsprechende Bestandsaufnahme sei daher für die geplante Behebung des jeweiligen Mangels wesentlich gewesen. Ebenso verhalte es sich mit der Erstellung von Angeboten, bei denen es auf die Ermittlung und Definition der Kundenwünsche vor Ort angekommen sei. Auch die Abnahme der von weiteren Arbeitnehmern durchgeführten Reparaturen habe zum Kernbereich der Betätigung des Klägers gehört. Darüber hinaus habe der Kläger den behaupteten Umfang der im häuslichen Arbeitszimmer verrichteten Tätigkeiten nicht nachgewiesen. Entsprechende Belege habe das FG nicht eingefordert. Der Sachverhalt sei insoweit nicht ausreichend ermittelt worden.

    Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

    Der Kläger tritt dem entgegen.

    II.

    Die Revision des FA ist unbegründet. Das FG hat ohne Rechtsverstoß entschieden, dass das Arbeitszimmer des Klägers den Mittelpunkt seiner gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet. Die Aufwendungen für dieses Zimmer sind ohne Beschränkung der Höhe nach als Werbungskosten zu berücksichtigen.

    1. Das häusliche Arbeitszimmer eines Steuerpflichtigen, der lediglich eine berufliche Tätigkeit --teilweise zu Hause und teilweise auswärts-- ausübt, ist Mittelpunkt seiner gesamten Betätigung, wenn er dort diejenigen Handlungen vornimmt und Leistungen erbringt, die für den konkret ausgeübten Beruf wesentlich und prägend sind. Die diesbezügliche Würdigung aller Umstände des Einzelfalles obliegt in erster Linie den Finanzgerichten. Dem zeitlichen Umfang der Nutzung des häuslichen Arbeitszimmers kommt im Rahmen dieser Würdigung lediglich eine indizielle Bedeutung zu.

    a) Nach § 9 Abs. 5 i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b Satz 1 EStG kann ein Steuerpflichtiger Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer nicht als Werbungskosten abziehen. Dies gilt nach Satz 2 der letztgenannten Vorschrift nicht, wenn die betriebliche oder berufliche Nutzung des Arbeitszimmers mehr als 50 v.H. der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit beträgt oder wenn für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. In diesen Fällen wird nach Satz 3 Halbsatz 1 der Vorschrift (in der hier maßgeblichen Fassung) die Höhe der abziehbaren Aufwendungen auf 2 400 DM begrenzt; die Beschränkung der Höhe nach gilt nicht, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet (Satz 3 Halbsatz 2 der Vorschrift).

    b) Der Begriff "Mittelpunkt der gesamten (...) Betätigung" ist gesetzlich nicht näher bestimmt. Er unterscheidet sich von vergleichbaren Formulierungen wie "Mittelpunkt seiner dauerhaft angelegten betrieblichen Tätigkeit" in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 2 EStG, "Mittelpunkt der geschäftlichen Leitung des Arbeitgebers" in § 41 Abs. 2 Satz 2 EStG, "Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung" in § 10 der Abgabenordnung (AO 1977) oder "Mittelpunkt der Lebensinteressen" in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 7 EStG. Deswegen kann zur Auslegung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b Satz 3 Halbsatz 2 EStG auf die genannten anderen Bestimmungen nicht zurückgegriffen werden (so auch Söhn in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 4 Anm. Lb 187 und 191; Meurer in Lademann, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 4 Anm. 723; Wacker in Blümich, Einkommensteuergesetz, § 4 Anm. 285n). Auch die Gesetzesmaterialien (BTDrucks 13/1686, 16) sprechen hinsichtlich der zusätzlichen tatbestandlichen Voraussetzung in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b Satz 3 Halbsatz 2 EStG von einer "Neuregelung" und enthalten keine Anhaltspunkte dafür, dass sich der Gesetzgeber an einer anderen gesetzlichen Bestimmung hat orientieren wollen.

    c) Der Mittelpunkt i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b Satz 3 Halbsatz 2 EStG bestimmt sich nach dem inhaltlichen (qualitativen) Schwerpunkt der betrieblichen und beruflichen Betätigung eines Steuerpflichtigen. Wo dieser Schwerpunkt liegt, ist im Wege einer Wertung der Gesamttätigkeit des Steuerpflichtigen festzustellen. Im Rahmen dieser Wertung kommt dem zeitlichen (quantitativen) Umfang der Nutzung des häuslichen Arbeitszimmers lediglich eine indizielle Bedeutung zu. Deswegen schließt das zeitliche Überwiegen der außerhäuslichen Tätigkeit einen unbeschränkten Abzug der Aufwendungen nicht von vornherein aus.

    aa) Dies ergibt sich bereits aus einem Vergleich der Mittelpunktsregelung mit der Regelung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b Satz 2 EStG.

    In § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b Satz 2 EStG stellt das Gesetz auf einen bestimmten Prozentsatz (50 v.H.) ab und legt damit ein quantitatives Tatbestandsmerkmal fest. In Satz 3 Halbsatz 2 wird demgegenüber der Begriff des Mittelpunkts ohne ausdrückliche zeitliche Grenze verwendet. Dementsprechend darf der Mittelpunktsbegriff zum einen nicht nur quantitativ verstanden werden (so auch die herrschende Ansicht, vgl. etwa Söhn in Kirchhof/Söhn, a.a.O., § 4 Anm. Lb 187; a.A.: Sagasser, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 1995, 1649, 1652; Homburg, Betriebs-Berater --BB-- 1995, 2453); zum anderen gibt es für den Mittelpunkt keine von vornherein festgelegte zeitliche Grenze (so auch Giloy, BB 1995, 2454, 2457; Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, § 19 Rz. 60 "Arbeitszimmer").

    bb) Die Systematik der Vorschrift bestätigt dies. Satz 2 der Regelung nennt zwei Ausnahmen vom Abzugsverbot, nämlich eine Nutzung zu mehr als 50 v.H. oder das Fehlen eines anderen Arbeitsplatzes. Diese Voraussetzungen müssen dem Wortlaut nach ("oder") nicht kumulativ vorliegen.

    Der erste Halbsatz des Satzes 3 legt für beide Alternativen fest, dass der Abzug der Höhe nach begrenzt wird; denn es heißt dort "In diesen Fällen ...". Hieran wird wiederum im zweiten Halbsatz des Satzes 3 angeknüpft, der damit lediglich die "Beschränkung der Höhe nach" aufhebt und eine weitere, zusätzliche tatbestandliche Voraussetzung für den unbegrenzten Abzug von Aufwendungen aufstellt. Diese bezieht sich --ebenso wie die Regelung in Satz 3 Halbsatz 1-- auf beide Alternativen des Satzes 2 (so auch Urban, Deutsche Steuer-Zeitung --DStZ-- 1996, 229, 232).

    Ginge man (mit Teilen des Schrifttums und der finanzgerichtlichen Rechtsprechung, vgl. Broudré in: Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 4 EStG Anm. 1565; Meurer, a.a.O., § 4 Rdnr. 723; Söhn in Kirchhof/Söhn, a.a.O., § 4 Rdnr. Lb 207; Homburg, BB 1995, 2453; ferner: Urteile des FG München vom 8. November 2000 1 K 1066/98, 1 K 3227/98, EFG 2001, 268, 270, und vom 26. April 2000 13 K 3200/99, EFG 2001, 1114; FG Baden-Württemberg vom 2. September 1998 2 K 245/95, EFG 1999, 329; FG Düsseldorf vom 19. Oktober 2000 15 K 7678/98 E, EFG 2001, 814) davon aus, dass ein Arbeitszimmer nur dann "Mittelpunkt" im Sinne der zusätzlichen tatbestandlichen Voraussetzung sein könne, wenn der Steuerpflichtige dort überwiegend tätig ist --also mindestens 50 v.H. seiner gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit verrichtet--, käme der Regelung in Satz 3 Halbsatz 2 in Bezug auf die 2. Alternative des Satzes 2 keine Bedeutung zu: Ein Steuerpflichtiger, dem kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht und der damit unter die Voraussetzung der 2. Alternative des Satzes 2 fällt, könnte Aufwendungen nur dann nach Satz 3 Halbsatz 2 unbeschränkt abziehen, wenn er zusätzlich die Voraussetzung der 1. Alternative des Satzes 2 einer Nutzung zu mehr als 50 v.H. erfüllte. Dies würde im Ergebnis zu einer --vom Gesetz nicht gewollten-- Koppelung der beiden in Satz 2 genannten selbständigen Tatbestandsalternativen führen.

    Demnach kann das Arbeitszimmer eines Steuerpflichtigen, der über keinen anderen Arbeitsplatz verfügt, grundsätzlich auch dann Mittelpunkt seiner gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung sein, wenn die Nutzung nicht mehr als 50 v.H. der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit beträgt. Folglich ist der zeitliche Umfang der Nutzung im Fall des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b Satz 2 Alternative 2 EStG kein abschließendes Abgrenzungskriterium für die Frage nach dem Mittelpunkt der gesamten Betätigung (vgl. auch FG Hamburg, Urteil vom 23. November 1999 II 397/99, EFG 2000, 357; Urban, DStZ 1996, 229, 232).

    cc) Schließlich sprechen auch Sinn und Zweck der Abzugsbeschränkung dafür, dass dem zeitlichen Umfang der Nutzung des häuslichen Arbeitszimmers in Bezug auf Steuerpflichtige, die über keinen anderen Arbeitsplatz verfügen, nur eine indizielle Bedeutung zukommt.

    Die Beschränkung des Werbungskostenabzugs für ein häusliches Arbeitszimmer dient der typisierenden Begrenzung von Aufwendungen, die eine Berührung mit dem privaten Lebensbereich des Steuerpflichtigen aufweisen und in einer Sphäre anfallen, die einer sicheren Nachprüfung durch Finanzverwaltung und Finanzgerichte entzogen ist (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 27. September 1996 VI R 47/96, BFHE 181, 305, BStBl II 1997, 68, 70; vom 21. November 1997 VI R 4/97, BFHE 184, 532, BStBl II 1998, 351, 353; vom 23. September 1999 VI R 74/98, BFHE 189, 438, BStBl II 2000, 7, 8). Dabei werden die Aufwendungen allerdings nicht pauschal ausgeschlossen, sondern abgestuft berücksichtigt. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer nur dann steuerlich abziehbar sein sollen, wenn ein solches für die Erwerbstätigkeit erforderlich ist (BFH-Urteil in BFHE 181, 305, BStBl II 1997, 68, 69 f.; Urteil des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 7. Dezember 1999 2 BvR 301/98, BVerfGE 101, 297, BStBl II 2000, 162).

    Die Erforderlichkeit hat der Gesetzgeber mit der Regelung des Satzes 2 dem Grunde nach in den beiden gleich zu behandelnden Fällen des begrenzten Abzugs bejaht, nämlich bei einer Nutzung zu mehr als 50 v.H. oder beim Fehlen eines anderen Arbeitsplatzes. Notwendig zur Erzielung von Einnahmen ist das häusliche Arbeitszimmer aber vor allem in den Fällen, in denen einem Steuerpflichtigen für die konkrete Erwerbstätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. Aus diesem Grunde würde ein Verständnis der Mittelpunktsregelung, welches in solchen Fällen die Anerkennung des unbeschränkten Abzugs von Aufwendungen an die zusätzliche --zwingende-- Voraussetzung einer Nutzung zu mehr als 50 v.H. der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit knüpfte, die Grenzen der zulässigen Typisierung überschreiten.

    d) Das bedeutet nicht, dass die Frage nach dem zeitlichen Umfang der Nutzung des häuslichen Arbeitszimmers durch den Steuerpflichtigen in jedem Fall unbeachtlich wäre. Ihr kommt allerdings nur eine indizielle Bedeutung zu. Dabei kann eine zeitlich umfangreiche Nutzung des Arbeitszimmers als Indiz dafür gewertet werden, dass das Arbeitszimmer Mittelpunkt der gesamten beruflichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen ist, während eine nur geringfügige Nutzung eher gegen eine solche Annahme spricht.

    Grundsätzlich gilt aber, dass bei einem Steuerpflichtigen, dem für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b Satz 2 Alternative 2 EStG), das häusliche Arbeitszimmer auch dann Mittelpunkt i.S. von § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b Satz 3 Halbsatz 2 EStG sein kann, wenn die außerhäuslichen Tätigkeiten (zeitlich) überwiegen. Doch setzt dies voraus, dass diesen Tätigkeiten nur eine untergeordnete Bedeutung gegenüber den im Arbeitszimmer verrichteten Tätigkeiten zukommt. Letztere müssen für den ausgeübten Beruf so maßgeblich sein, dass sie diesen prägen. Allein der Umstand, dass sie zur Erfüllung der außerhäuslichen Tätigkeit (etwa vor- oder nachbereitend) erforderlich sind, genügt nicht.

    Die Frage, ob die in einem Arbeitszimmer verrichteten Tätigkeiten den Beruf insgesamt prägen oder ob ihnen lediglich eine unterstützende Funktion zukommt, betrifft die Tatsachenfeststellung bzw. -würdigung, die in erster Linie den Finanzgerichten obliegt.

    e) Der Senat folgt damit nicht der Auffassung der Finanzverwaltung, dass bereits der Umstand einer dauerhaften Außendiensttätigkeit den unbegrenzten Abzug von Werbungskosten nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b Satz 3 Halbsatz 2 EStG ausschließt (vgl. Bundesministerium der Finanzen --BMF-- vom 16. Juni 1998 IV B 2 -S 2145- 59/98, BStBl I 1998, 863 Tz. 8).

    Der Senat folgt andererseits aber auch nicht der Auffassung, dass ein häusliches Arbeitszimmer schon dann Tätigkeitsmittelpunkt ist, wenn der Steuerpflichtige über keinen anderweitigen festen Arbeitsplatz verfügt und das Arbeitszimmer das örtliche Zentrum bildet, von dem aus er seiner beruflichen (Außendienst-)Tätigkeit nachgeht (so Seifert in: Korn, § 4 EStG Rz. 1112; Schmidt/Heinicke, a.a.O., § 4 Rz. 597; Broudré, DStR 1995, 1733, 1735). Diese Fallgestaltung ist in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b Satz 2 Alternative 2 EStG ausdrücklich geregelt und führt nach Satz 3 Halbsatz 1 der Bestimmung lediglich zu einer begrenzten Anerkennung der Aufwendungen.

    Auch der Gesichtspunkt, dass im häuslichen Arbeitszimmer die "geschäftsleitenden Ideen" entwickelt und die "unternehmensbezogenen Entscheidungen" getroffen werden, ist nur dann von Bedeutung, wenn die Entwicklung der Ideen und das Fällen der Entscheidungen für die Tätigkeit des Steuerpflichtigen insgesamt prägend sind. Dienen sie dagegen lediglich der Vorbereitung oder Unterstützung der eigentlichen Tätigkeit, die im Außendienst verrichtet wird, machen sie das Arbeitszimmer nicht zum Tätigkeitsmittelpunkt (a.A. Seifert, a.a.O.).

    f) Der Senat folgt schließlich auch nicht der Ansicht, dass sich der Tätigkeitsmittelpunkt nach den erwirtschafteten Einnahmen bestimmt (Jahn, Der Steuerberater 1996, 55, 57; Mainzer/ Strohner, Finanz-Rundschau 1996, 91, 97; Niermann, Der Betrieb 1995, 2084); denn ein solches Verständnis der Abzugsbeschränkung wird schon vom Wortlaut der Vorschrift nicht gedeckt. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b Satz 3 Halbsatz 2 EStG knüpft an die Tätigkeit und nicht an den Ertrag an.

    2. Das FG hat im Streitfall zutreffend darauf abgestellt, wo der Kläger die für seinen Beruf wesentlichen Leistungen erbringt. Es hat hierzu festgestellt, dass die Tätigkeit des Klägers wesentlich durch die Erarbeitung individueller technischer Problemlösungen im häuslichen Arbeitszimmer geprägt wird und dass sie daher nicht mit der eines typischen Handelsvertreters verglichen werden kann. Es hat weiterhin festgestellt, dass der Kläger zwar bisweilen auch vor Ort --beim Kunden-- Problemlösungen erarbeitet hat, dass aber demgegenüber die im häuslichen Arbeitszimmer verrichteten Kerntätigkeiten zeitlich überwiegen. Die daran anschließende Wertung, dass das häusliche Arbeitszimmer des Klägers den Mittelpunkt seiner gesamten beruflichen Betätigung bildet, verletzt weder Denkgesetze noch Erfahrungssätze. Die hiergegen vorgebrachten Einwände des FA sind nach § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) unbeachtlich. Das gilt insbesondere auch für den Umstand, dass das FG der Frage nach dem genauen zeitlichen Umfang der Nutzung des häuslichen Arbeitszimmers im vorliegenden Streitfall keine entscheidende Bedeutung zugemessen hat. Die Nutzung durch den Kläger war weder so intensiv, dass sie als Indiz für die Annahme des Tätigkeitsmittelpunkts im häuslichen Arbeitszimmer gesprochen hätte, noch so geringfügig, dass sie als Indiz dagegen gesprochen hätte. Weitere Ermittlungen waren insoweit nicht anzustellen.

    RechtsgebietEStGVorschriftenEStG § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b