10.10.2012
Bundesfinanzhof: Beschluss vom 20.08.2012 – III B 246/11
Gründe
1
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist als Rechtsanwalt in eigener Praxis selbständig tätig. Ende des Jahres 2005 begann er mit dem Betreiben des außergerichtlichen Forderungseinzugs. Bis Anfang 2006 war er insoweit zunächst für X, ab Mitte März 2006 sodann für Y, einem Betreiber von Internet-Portalen, tätig. Im Zusammenhang mit der Inkassotätigkeit betrieb der Kläger Call-Center mit insgesamt ca. 30 Telefonplätzen.
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Säumige Schuldner mahnte Y zunächst selbst. Blieb eine Mahnung erfolglos, übermittelte Y dem Kläger auf elektronischem Wege die aufgezeichneten Daten der Geschäftsverbindung für dessen Mahnschreiben. Jede Übermittlung bestand dabei aus 2 500 bis 4 000 Datensätzen. Die übermittelten Daten wurden in eine eigens für den Kläger entwickelte EDV-Software importiert. Der Ausdruck der Mahnschreiben sowie das Einkuvertieren erfolgten dann voll automatisch. Die Mahnungen unterschieden sich nur in den automatisch eingefügten Daten hinsichtlich Adresse, Aktenzeichen, Vertrags- und Rechnungsdatum.
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In der Zeit von März bis Dezember 2006 verschickte der Kläger für Y auf diese Weise insgesamt 684 704 standardisierte Mahnungen. Im Jahr 2006 beantragte er im Zusammenhang mit seiner Inkassotätigkeit für Y ca. 30 bis 40 Mahnbescheide. Außerdem erhob er in den Jahren 2006 und 2007 insgesamt ca. 50 Klagen.
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Sowohl mit X als auch mit Y hatte der Kläger mündlich ein festes Honorar pro Kunden bzw. Fall vereinbart, das die gesamte Tätigkeit des Klägers abdecken sollte und nach dessen Einlassung max. 5 € betrug.
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Neben dem außergerichtlichen Forderungseinzug war der Kläger für Y sowie in geringem Umfang für andere Mandanten auch rechtsberatend tätig.
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Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt) sah die von dem Kläger erklärten Einkünfte aus selbständiger Arbeit (§ 18 des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung --EStG--) im Anschluss an eine Außenprüfung insgesamt als solche aus Gewerbebetrieb (§ 15 EStG) an und erließ dementsprechend einen Bescheid über den Gewerbesteuermessbetrag.
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Die hiergegen gerichtete Klage hatte insoweit Erfolg, als das Finanzgericht (FG) den --der Höhe nach unstreitigen-- Gewinn aus Gewerbebetrieb in Höhe von ... € auf ... € herabsetzte. Hierbei handelte es sich um den auf die eigentliche Rechtsberatung --einschließlich der für Y beantragten Mahnbescheide und erhobenen Klagen-- entfallenden Gewinn, den das FG auf ... € schätzte und als solchen nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG qualifizierte.
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Mit seiner Beschwerde wendet sich der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision. Zur Begründung beruft er sich auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) sowie die Erforderlichkeit einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO).
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II. Die Beschwerde ist unbegründet und durch Beschluss zurückzuweisen. Soweit die Beschwerdebegründung überhaupt den Darlegungserfordernissen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO entspricht, liegen die geltend gemachten Zulassungsgründe jedenfalls nicht vor.
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1. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).
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Der Kläger hält sinngemäß die Rechtsfrage für grundsätzlich bedeutsam, ob das massenhaft betriebene --und deshalb ohne rechtliche Prüfung der einzelnen einzuziehenden Forderungen erfolgende-- außergerichtliche Inkasso (sog. Mengeninkasso) eines zugelassenen Rechtsanwalts zur Einstufung der daraus resultierenden Einkünfte als gewerblich führt.
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Diese Rechtsfrage ist indes offensichtlich so zu entscheiden, wie es das FG --mit bejahender Antwort-- getan hat und deshalb nicht klärungsbedürftig (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschluss vom 27. März 2009 VIII B 184/08, BFHE 224, 458, BStBl II 2009, 850).
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a) Das Vorliegen von Einkünften aus freiberuflicher Tätigkeit (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG), die durch eine selbständige Berufstätigkeit eines Rechtsanwalts erzielt werden, setzt nach ständiger Rechtsprechung des BFH u.a. voraus, dass es sich bei der tatsächlich ausgeübten Tätigkeit um eine solche freiberuflicher Art, d.h. für den genannten Katalogberuf berufstypische Tätigkeit handelt (vgl. z.B. Urteile vom 18. Oktober 2006 XI R 9/06, BFHE 215, 210, BStBl II 2007, 266; vom 12. Dezember 2001 XI R 56/00, BFHE 197, 442, BStBl II 2002, 202; vom 1. Februar 1990 IV R 42/89, BFHE 160, 21, BStBl II 1990, 534).
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b) Eine anwaltliche Tätigkeit liegt in der Gewährung rechtlichen Beistands (§ 3 der Bundesrechtsanwaltsordnung) und kann gerichtlicher oder außergerichtlicher Art sein. Ob im Einzelfall ein Anwaltsvertrag --und damit eine berufstypische Tätigkeit-- vorliegt mit der Verpflichtung, dem Auftraggeber rechtlichen Beistand zu leisten, hängt vom Inhalt der Aufgabe ab, die dem Rechtsanwalt übertragen und von diesem durchgeführt wurde. Die Rechtsberatung und -vertretung muss nicht der Schwerpunkt der anwaltlichen Tätigkeit sein. Ein Anwaltsvertrag im vorstehenden Sinne kann auch anwaltsfremde Maßnahmen umfassen, falls diese in einem engen inneren Zusammenhang mit der rechtlichen Beistandspflicht stehen und auch Rechtsfragen aufwerfen können. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Rechtsberatung und -vertretung völlig in den Hintergrund tritt und deswegen als unwesentlich erscheint (Urteil des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 2. Juli 1998 IX ZR 63/97, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 1998, 3486). Entsprechend hängt die Abgrenzung zwischen Anwalts- und reiner Inkassotätigkeit davon ab, ob die dem Rechtsanwalt eigentümliche Aufgabe, rechtlichen Beistand zu leisten, so in den Hintergrund getreten ist, dass es gerechtfertigt ist, die Aufgabe als reine Inkassotätigkeit zu werten (BGH-Beschluss vom 9. Juni 2008 AnwSt (R) 5/05, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2008, 2510).
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Das Inkasso durch gewerbliche Unternehmen und Rechtsanwälte ist lediglich hinsichtlich seines Ziels, nämlich der Beitreibung von Forderungen, vergleichbar. Strukturell und organisatorisch gibt es gewichtige Unterschiede (BGH-Beschluss in DStR 2008, 2510, m.w.N.). Während einem Rechtsanwalt in erster Linie die rechtliche Beratung des Gläubigers zukommt, ist die Durchsetzung der Forderung im kaufmännischen Bereich mit rechtlichen Mitteln in erster Linie den Inkassobüros zuzuordnen (Feller in Göttlich/Mümmler, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 4. Aufl., "Inkassobüro", unter 2.). Dementsprechend muss ein Rechtsanwalt, der den Einzug einer Forderung im Rahmen eines Anwaltsvertrags übernimmt, deren Berechtigung prüfen, bevor er seine Tätigkeit aufnimmt und bevor er die jeweils weiteren Schritte zur Durchsetzung der Forderung unternimmt (vgl. BGH-Beschluss in DStR 2008, 2510; Oberlandesgericht Köln, Urteil vom 18. November 2005 6 U 149/05, NJW 2006, 923). Dagegen besteht für Inkassodienstleiter, insbesondere im Bereich des auch vom Kläger betriebenen sog. Mengeninkassos, keine gesetzliche Verpflichtung, in jedem Einzelfall eine angemahnte Forderung zuvor auf ihren tatsächlichen Bestand hin zu prüfen (Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 25. August 2011 1 K 5.10, [...]; Feller in Göttlich/Mümmler, a.a.O., "Inkassobüro", unter 2.).
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Deshalb hat das FG zutreffend entschieden, dass massenhaft betriebenes --und mithin ohne rechtliche Prüfung der einzelnen einzuziehenden Forderungen erfolgendes-- außergerichtliches Mengeninkasso eines zugelassenen Rechtsanwalts insoweit nicht zu freiberuflichen Einkünften i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG, sondern zu gewerblichen Einkünften nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG führt.
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c) Ein Rechtsanwalt, der --wie der Kläger im Streitfall-- exzessives vollautomatisiertes Mengeninkasso in Form des massenhaften Versendens standardisierter Mahnschreiben mittels seiner Büroorganisation betreibt, erbringt eine kaufmännische Dienstleistung, die als solche nach ihrer Art nicht das für eine selbständige Arbeit charakteristische Merkmal einer persönlichen Arbeitsleistung (vgl. hierzu Brandt in Herrmann/ Heuer/Raupach, § 18 EStG Rz 60; Schmidt/Wacker, EStG, 31. Aufl., § 18 Rz 6) erfüllt. Deshalb hat das FG zutreffend ausgeführt, dass es sich insoweit auch nicht um Einkünfte aus sonstiger selbständiger Arbeit i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG handelt.
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2. Ebenso scheidet eine Zulassung der Revision zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO) aus. Dieser Zulassungsgrund stellt einen Spezialfall der grundsätzlichen Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO dar und setzt daher ebenfalls eine klärungsbedürftige und klärbare Rechtsfrage voraus (s. etwa BFH-Beschluss vom 20. Dezember 2005 X B 10/05, BFH/NV 2006, 777).
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3. Die Revision ist nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO).
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a) Das FG hat nicht --wie vom Kläger behauptet-- den Rechtssatz aufgestellt, die Inkassotätigkeit sei insgesamt keine berufstypische anwaltliche Tätigkeit. Vielmehr hat das FG umgekehrt und unter Verweis darauf, die Übernahme von Inkassoaufträgen sei keine dem Rechtsanwaltsberuf vorbehaltene oder ihn in besonderer Weise charakterisierende Tätigkeit, ausgeführt, allein aus dem Umstand, dass ein Rechtsanwalt auch die Einziehung von Forderungen für einen Dritten im Rahmen seiner Zuständigkeit zur Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten übernehmen könne, könne nicht geschlossen werden, die Inkassotätigkeit sei insgesamt (d.h. generell) eine berufstypische anwaltliche Tätigkeit.
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b) Anders als der Kläger meint, ist das FG insoweit auch nicht von dem BFH-Urteil vom 3. Oktober 1985 V R 106/78 (BFHE 145, 248, BStBl II 1986, 213) abgewichen. Eine Zulassung wegen Divergenz setzt u.a. voraus, dass die abweichend beantwortete Rechtsfrage für beide Entscheidungen rechtserheblich war (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 115 Rz 48). In dem der Entscheidung in BFHE 145, 248, BStBl II 1986, 213 zugrunde liegenden Fall ging es jedoch um die Rechtsfrage, ob es sich bei der Tätigkeit eines Rechtsanwalts im Rahmen von Konkurs- und Vergleichsverwaltungen um eine berufstypische Tätigkeit handelt. Insoweit hat der BFH die Einziehung von Forderungen für einen Dritten --neben der Kreditvermittlung-- lediglich als Beispiel dafür aufgeführt, dass die Rechtsbesorgung nicht auf die Erteilung von Rechtsrat beschränkt ist, sondern auch die Übernahme derjenigen Tätigkeiten für den Mandanten umfasst, die der Rechtsanwalt für richtig hält. Diese Aussage war für die Entscheidung mithin nicht tragend.
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c) Eine Abweichung liegt schließlich auch nicht insoweit vor, als der Kläger sich darauf beruft, der BFH qualifiziere in den Urteilen in BFHE 145, 248, BStBl II 1986, 213, vom 13. März 1987 V R 33/79 (BFHE 149, 313, BStBl II 1987, 524) und vom 9. August 1990 V R 30/86 (BFH/NV 1991, 126) alle Tätigkeiten eines Rechtsanwalts als berufstypisch, die nach dem Vergütungsrecht der Rechtsanwälte abrechenbar seien, während das FG dies völlig außer Acht lasse.
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Insoweit übersieht der Kläger bereits, dass er nach den --nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen-- tatsächlichen Feststellungen des FG im Hinblick auf das massenhafte und vollautomatisierte Versenden der außergerichtlichen Mahnschreiben nicht in seiner Eigenschaft als Rechtsanwalt, sondern wie ein gewerbliches Inkassobüro tätig war. Auch ein Rechtsanwalt kann Inkassotätigkeiten aber nur dann nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) abrechnen, wenn es sich insoweit um eine anwaltliche Tätigkeit handelt, da das RVG gemäß § 1 Abs. 1 nur für solche Tätigkeiten gilt (vgl. hierzu auch Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 20. Aufl., § 1 Rz 22 und 38).
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d) Nach den vorstehenden Ausführungen ist die Entscheidung des FG offensichtlich nicht greifbar gesetzwidrig.