22.11.2012
Bundesfinanzhof: Beschluss vom 21.08.2012 – I B 179/11
Gründe
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I. Gesellschafter der Klägerin und Beschwerdegegnerin (Klägerin), einer Beteiligungs-GmbH, waren in den Streitjahren (2003 und 2004) mit Anteilen von 90 % und 10 % HX und dessen Sohn TX. Die Klägerin war persönlich haftende Gesellschafterin einer GmbH & Co. KG, der HX KG (im Folgenden: HXS); an deren Ergebnissen war die Klägerin nicht beteiligt, jedoch erhielt sie neben der Erstattung ihrer Aufwendungen im Zusammenhang mit der Geschäftsführung eine Haftungsvergütung, die sich ab 1989 auf 10 % ihres Stammkapitals belief. Kommanditistin der HXS war neben JX, der Mutter von HX, die L-GmbH, deren Anteile zunächst nur von HX gehalten wurden; ab 2001 standen TX 48 % der Anteilsrechte an der L-GmbH zu.
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Die Klägerin ist zum 31. Dezember 2002 aus der HXS ausgeschieden. In ihrem auf diesen Zeitpunkt erstellten Jahresabschluss wies sie gegenüber der HXS Darlehensforderungen in Höhe von 137.610,44 € aus, die aus --spätestens seit dem Jahre 2000-- nicht ausbezahlten Haftungsvergütungen resultierten. Nach den Feststellungen der Vorinstanz war die HXS angesichts der seit 1999 entstandenen erheblichen Jahresfehlbeträge nicht mehr in der Lage, die Vergütungen an die Klägerin zu leisten.
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Nach dem bestandskräftigen Feststellungsbescheid 2002 (betreffend die HXS) wurde für die Klägerin ein Gewinnanteil in Höhe von 15.733 € festgestellt. Eine (etwaige) Wertminderung der Darlehensansprüche gegenüber der HXS wurde hierbei nicht berücksichtigt.
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Mit Vertrag vom 10. November 2004 hat die Klägerin auf einen Teilbetrag der Darlehensforderung gegenüber der HXS in Höhe von 100.000 € verzichtet. Der hierdurch entstandene Verlust wurde zunächst bei der Festsetzung der Körperschaftsteuer 2004 und 2003 (Verlustrücktrag), der Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs, der gesonderten Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes sowie der gesonderten Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gemäß § 27 Abs. 2, § 28 Abs. 1, § 37 Abs. 2, § 38 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes 2002 berücksichtigt.
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Im Anschluss an eine Außenprüfung vertrat der Beklagte und Beschwerdeführer (das Finanzamt --FA--) die Ansicht, dass der Forderungsverzicht als verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) zu werten sei; zugleich ging es von einer verdeckten Einlage der Kommanditisten in das Vermögen der HXS aus. Der Einspruch gegen die hierauf ergangenen Änderungsbescheide blieb ohne Erfolg.
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Der Klage hat das Finanzgericht (FG) stattgegeben (Niedersächsisches FG, Urteil vom 17. November 2011 6 K 160/08). Die Teilwertabschreibung sei auch dann anzuerkennen, wenn --entsprechend dem Vortrag des FA-- die Darlehensforderung im Zeitpunkt des Ausscheidens der Klägerin aus der HXS (31. Dezember 2002) wertlos gewesen sein sollte. Zwar hätte eine solche das Sonderbetriebsvermögen der Klägerin betreffende Wertminderung im Rahmen der Beendigung der Mitunternehmerstellung der Klägerin berücksichtigt werden müssen. Da aber die Gewinnfeststellung 2002 in Bestandskraft erwachsen sei, müsse dieser Bilanzierungsfehler nach den Grundsätzen des formellen Bilanzenzusammenhangs bei der Klägerin, zu deren steuerrechtlichem Betriebsvermögen die Darlehensforderung ab dem 1. Januar 2003 gehört habe, berichtigt werden. Hierfür spreche zudem, dass § 6 Abs. 5 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes 2002 (EStG 2002) die Buchwertfortführung für den Fall anordne, dass ein Wirtschaftsgut des (bisherigen) Sonderbetriebsvermögens in das eigene Betriebsvermögen des Mitunternehmers überführt werde; auch insoweit sei der formelle Bilanzenzusammenhang zu beachten. Die Teilwertabschreibung mindere auch das Einkommen der Klägerin; eine vGA liege nicht vor. Zum einen deshalb nicht, weil die HXS nicht in der Lage gewesen sei, die Haftungsvergütungen auszuzahlen; zum anderen sei die Vermögensminderung (Wertverlust der Forderung) nicht durch das Gesellschaftsverhältnis von HX und TX, sondern durch die eigene Gesellschafterstellung der Klägerin bei der HXS veranlasst gewesen. Zudem habe die Klägerin durch das Stehenlassen der Darlehen in der Zeit ihrer Beteiligung an der HXS keine Gewinnausschüttung getätigt. Der Streitfall unterscheide sich auch dadurch von den Fällen der Vergabe von ungesicherten Darlehen an Schwestergesellschaften, dass die Klägerin selbst persönlich haftende Gesellschafterin der Darlehensschuldnerin gewesen sei. Die Revision wurde vom FG nicht zugelassen.
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II. Die hiergegen erhobene Beschwerde bleibt ohne Erfolg.
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1. Soweit das FA geltend macht, es sei nicht geklärt, ob --wie vom FG angenommen-- der formelle Bilanzenzusammenhang auch zu beachten sei, wenn einer bestandskräftigen Gewinnfeststellung ein nicht den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) entsprechender Bilanzwert zugrunde gelegt worden sei (hier: Forderung der Klägerin gegenüber der HXS zum 31. Dezember 2002 zum Zeitpunkt der Beendigung ihrer Mitunternehmerstellung) und das betreffende Wirtschaftsgut in einen eigenen Betrieb des (vormaligen) Mitunternehmers überführt werde (§ 6 Abs. 5 Satz 2 EStG 2002), kommt dieser Rechtsfrage keine grundsätzliche Bedeutung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zu. Zwar dient die Grundsatzrevision insbesondere dazu, dass das Revisionsgericht über bisher nicht geklärte Rechtsfragen von allgemeiner Bedeutung entscheidet. Gleichwohl ist eine Rechtsfrage auch dann, wenn der Bundesfinanzhof (BFH) hierzu noch nicht ausdrücklich Stellung genommen hat, mangels Klärungsbedürftigkeit nicht von grundsätzlicher Bedeutung, wenn sie offensichtlich in dem von der Vorinstanz vertretenen Sinne zu entscheiden ist (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 115 Rz 28). Da von Letzterem im Streitfall auszugehen ist, ist die Revision auch nicht --wie vom FA gleichfalls geltend gemacht-- zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2, zweiter Halbsatz FGO) zu eröffnen (Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 41).
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a) Der Grundsatz des formellen Bilanzenzusammenhangs besagt, dass fehlerhafte --weil z.B. gegen die GoB verstoßende-- Bilanzansätze, die einer bestandskräftigen Veranlagung oder Gewinnfeststellung zugrunde liegen (sog. Veranlagungsbilanz), als Teil des Betriebsvermögens i.S. von § 4 Abs. 1 EStG 2002 lückenlos im Folgejahr fortzuführen und regelmäßig zum Ende dieser Periode erfolgswirksam richtigzustellen sind (vgl. BFH-Urteile vom 28. April 1998 VIII R 46/96, BFHE 185, 492, BStBl II 1998, 443; vom 30. März 2006 IV R 25/04, BFHE 213, 315, BStBl II 2008, 171; Schmidt/Heinicke, EStG, 31. Aufl., § 4 Rz 695 ff.). Nach der Rechtsprechung des BFH gilt dieser Grundsatz in Fällen der unentgeltlichen Übertragung eines Betriebs, Teilbetriebs oder Mitunternehmeranteils auch gegenüber dem Rechtsnachfolger, so dass unrichtige Bilanzansätze, die in die letzte Veranlagung des Rechtsvorgängers mit Auswirkungen auf dessen Gewinn (oder Verlust) Eingang gefunden haben, in der Bilanz des Rechtsnachfolgers ergebniswirksam zu korrigieren sind. Der BFH hat dies aus der bis 1998 geltenden Bestimmung des § 7 Abs. 1 der Einkommsteuer-Durchführungsverordnung 1955 (EStDV a.F.) abgleitet, nach der im Falle der Übertragung der genannten betrieblichen Einheiten die Wirtschaftsgüter mit den Werten anzusetzen sind, die sich nach den Vorschriften über die Gewinnermittlung ergeben (Satz 1) und der Rechtsnachfolger an diese Werte (Buchwerte) gebunden ist (Satz 2); er hat hierbei hervorgehoben, dass der Rechtsnachfolger nach diesen Regelungen --auch im Hinblick auf die tatsächlich der Veranlagung zugrunde liegenden Bilanzansätze-- in die Rechtsposition des bisherigen Unternehmers hineinwachse (Senatsurteil vom 9. Juni 1964 I 287/63 U, BFHE 81, 135, BStBl III 1965, 48). Nichts anderes kann nach dem insoweit mit § 7 Abs. 1 EStDV a.F. übereinstimmenden Wortlaut des § 6 Abs. 3 EStG 1997 i.d.F. des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 vom 24. März 1999 (BGBl I 1999, 402, BStBl I 1999, 304) für die Rechtslage ab 1999 gelten (Schmidt/Heinicke, a.a.O., § 4 Rz 697). Darüber hinaus hat der BFH zu § 22 des Umwandlungsteuergesetzes (UmwStG) 1969 (= § 24 Abs. 2 UmwStG 2002; heute § 24 Abs. 2 Satz 2 UmwStG 2006) erkannt, dass die Grundsätze des formellen Bilanzenzusammenhangs auch dann zu beachten sind, wenn ein Betrieb zu Buchwerten in eine Personengesellschaft eingebracht wird. Der Umstand, dass nach § 22 Abs. 2 Satz 2 UmwStG 1969 (= § 24 Abs. 2 Satz 2 UmwStG 2002; vgl. heute § 24 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 1 Abs. 5 Nr. 4 UmwStG 2006) die Buchwerte fortgeführt werden mussten, die in der Schlussbilanz des Einbringenden nach den steuerrechtlichen Vorschriften über die Gewinnermittlung anzusetzen waren, stehe dem nicht entgegen. Der Buchwertfortführung gemäß § 22 UmwStG 1969 liege --gleich derjenigen in Fällen der unentgeltlichen Betriebsübertragung-- der Gedanke zugrunde, dass die Besteuerung der bisher nicht erfassten Gewinne (oder Wertsteigerungen) lückenlos gesichert bleibe; sie müsse deshalb --als Folge des durch die Buchwertverknüpfung hergestellten Bilanzenzusammenhangs-- auch die erfolgswirksame Berichtigung fehlerhafter Bilanzansätze des Einbringenden im Rahmen der Gewinnermittlung der aufnehmenden Personengesellschaft nach sich ziehen (BFH-Urteil vom 7. Juni 1988 VIII R 296/82, BFHE 153, 407, BStBl II 1988, 886).
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b) Nach diesen Grundsätzen ist gleichermaßen zu verfahren, wenn --wie im Streitfall-- der Buchwert eines bisher zum Sonderbetriebsvermögen gehörenden Wirtschaftsguts nach § 6 Abs. 5 Satz 2, zweiter Halbsatz EStG 2002 in den eigenen Betrieb des (vormaligen) Mitunternehmers (hier: der Klägerin) überführt wird (gl.A. Schmidt/Heinicke, a.a.O., § 4 Rz 697). Da die Buchwertfortführung auch in diesen Fällen gemäß § 6 Abs. 5 Satz 1, letzter Halbsatz i.V.m. § 6 Abs. 5 Satz 2 EStG 2002 daran gebunden ist, dass "die Besteuerung der stillen Reserven sichergestellt ist", kann es keinem Zweifel unterliegen, dass nach den Erwägungen, die den BFH dazu veranlasst haben, die Geltung des formellen Bilanzenzusammenhangs selbst in Fällen des Rechtsträger- und Rechtssubjektswechsels zu befürworten, das nämliche Steuersubjekt (hier: die Klägerin) erst recht die Berichtigungsfolgen eines fehlerhaften, aber nicht mehr änderbaren Buchwertansatzes hinzunehmen hat, wenn --wie in § 6 Abs. 5 Satz 2 EStG 2002 geregelt-- das Wirtschaftsgut lediglich einem anderen unternehmerischen Bereich zuzuordnen ist.
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2. Die Rüge, die Revision sei deshalb zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen, weil das FG von verschiedenen Urteilen des BFH abgewichen sei, ist unschlüssig. Der Beschwerdeschrift kann insoweit nicht entnommen werden, dass der vorinstanzlichen Entscheidung ein tragender und abstrakter Rechtssatz zugrunde liegt, der von einem gleichfalls tragenden und abstrakten Rechtssatz in einer Entscheidung des BFH oder eines FG abweicht.
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3. Unschlüssig ist ferner die Rüge, das FG habe außer Acht gelassen, dass die HXS zumindest zum 31. Dezember 1998 in der Lage gewesen wäre, ihre Verbindlichkeiten gegenüber der Klägerin aus ihrer eigenen Liquidität sowie ggf. ergänzt durch eine Kreditaufnahme zu tilgen, und deshalb seine Entscheidung nicht aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnen habe (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO). Soweit das FA hieraus ableitet, dass bei Berücksichtigung dieses Sachverhalts, das FG auch nach seiner eigenen auf die Rechtsprechung des BFH (vgl. Senatsurteil vom 8. Oktober 2008 I R 61/07, BFHE 223, 131, BStBl II 2011, 62) beruhenden materiell-rechtlichen Sicht eine vGA in Höhe der Teilwertabschreibung hätte bejahen müssen, ist dies nicht geeignet, einen Verfahrensmangel i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO darzulegen. Der Vortrag lässt außer Acht, dass die Vorinstanz ihre Auffassung zum Nichtvorliegen einer vGA kumulativ, d.h. nicht nur im Hinblick auf die Vermögenslage der HXS, sondern auch darauf gestützt hat, dass die Klägerin bei der Begründung der Darlehensforderung in ihrer Eigenschaft als persönlich haftende Gesellschafterin der HXS gehandelt habe und dieser Umstand --im Unterschied zur Darlehensgewährung zwischen Schwestergesellschaften-- keinen Raum für die Annahme einer vGA im Verhältnis zu ihren Gesellschaftern (HX und TX) lasse. Demgemäß wäre es zumindest erforderlich gewesen, dass die Klägerin auch bezüglich dieser selbständig tragenden Erwägungen des vorinstanzlichen Urteils zumindest einen der in § 115 Abs. 2 FGO genannten Gründe für eine Revisionszulassung schlüssig darlegt (Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Rz 28). Da dies nicht geschehen ist, erübrigen sich Ausführungen dazu, ob Nämliches auch mit Rücksicht darauf geboten sein könnte, dass die Vorinstanz --"Im Übrigen"-- eine vGA auch deshalb in Abrede gestellt hat, weil es selbst bei nicht fremdüblicher Darlehensgewährung ausgeschlossen sei, Fremdkapital in Eigenkapital umzuqualifizieren.
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4. Im Übrigen sieht der Senat von einer Begründung dieses Beschlusses ab (§ 116 Abs. 5 Satz 2 FGO).