15.05.2013 · IWW-Abrufnummer 140817
Finanzgericht München: Urteil vom 05.03.2012 – 7 K 2772/09
1. Ein Pflichtmitglied der berufsständischen Einrichtung der Rechtsanwälte und Steuerberater fällt nicht unter den Begriff
des „in der gesetzlichen Rentenversicherung Pflichtversicherten” i. S. v. § 10a Abs. 1 S. 1, 1. HS EStG; diese Nichteinbeziehung
eines Pflichtversicherten in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung (Steuerberaterversorgung) in die Begünstigung
des Sonderausgabenabzugs nach § 10a Abs. 1 S. 1 EStG für Altersvorsorgebeiträge zur sogenannten „Riester-Rente” verstößt nicht
gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 GG.
2. Die von § 10a Abs. 1 S. 1, 1. HS EStG geforderte Pflichtversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung muss im betreffenden
Veranlagungszeitraum oder zumindest für einen Teil des betreffenden Veranlagungszeitraums vorgelegen haben. Es genügt nicht,
wenn ein aktuell nicht mehr in der gesetzlichen Rentenversicherung Pflichtversicherter in früheren Jahren „in der gesetzlichen
Rentenversicherung pflichtversichert” war.
3. Gehört nur ein Ehegatte zu dem begünstigten Personenkreis des § 10a Abs. 1 EStG, eröffnet § 79 Satz 2 EStG dem anderen
Ehegatten durch Abschluss eines eigenen Altersvorsorgevertrages die Förderung durch Gewährung einer Altersvorsorgezulage (sog.
mittelbare Zulageberechtigung). Diese abgeleitete Begünstigung des § 79 Satz 2 EStG eröffnet dem mittelbarbar begünstigten
Ehegatten aber keinen eigenen Sonderausgabenabzug.
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
In der Streitsache
hat der 7. Senat des Finanzgerichts München durch … sowie … auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 5. März 2012. für Recht
erkannt:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens
Tatbestand
Streitig ist die Gewährung des Sonderausgabenabzugs nach § 10 a Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) für Altersvorsorgebeiträge.
Die verheirateten Kläger wurden in den Streitjahren 2006 und 2009 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Sie haben zwei Kinder.
Der Kläger erzielte als Steuerberater Einkünfte aus selbständiger Arbeit. Die Klägerin erzielte Einkünfte aus nichtselbständiger
Arbeit. Sie war in den Streitjahren als Arbeitnehmerin bei der Deutschen Rentenversicherung pflichtversichert. Der Kläger
war in den Jahren 1976 bis 1999 bei der Deutschen Rentenversicherung gesetzlich rentenversichert. Die erreichten Rentenanwartschaften
des Klägers in der gesetzlichen Rentenversicherung würden nach Stand September 2009 einer monatlichen Rente von rd. 815 EUR
entsprechen. Mit Wirkung 1. Januar 2000 wurde er von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung gemäß
§ 6 Abs. 1 Nr. 1 des sechsten Sozialgesetzbuches (SGB VI) zugunsten der Bayerischen Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung
befreit.
Die Kläger schlossen im Jahr 2005 jeweils im eigenen Namen einen Altersvorsorgevertrag zum Aufbau einer sogenannten Riesterrente
ab. Mit ihren Steuererklärungen für 2006 und 2009 legten sie dem beklagten Finanzamt (nachfolgend: das Finanzamt) jeweils
Bescheinigungen nach § 10 a Abs. 5 EStG vor.
Daraus geht hervor, dass auf den Vertrag des Klägers im Jahr 2006 keine Altersvorsorgebeiträge geleistet wurden. Auf den Vertrag
der Klägerin wurden im Jahr 2006 Altersvorsorgebeiträge in Höhe von 1.272 Euro erbracht. Des Weiteren erhielten die Kläger
für das Bezugsjahr 2006 Altersvorsorgezulagen nach den §§ 79 ff EStG in Höhe von insgesamt 504 Euro. Auf dem Altersvorsorgevertrag
des Klägers wurden die Grundzulage in Höhe von 114 Euro sowie auf den gemeinsamen Antrag der Kläger hin zwei Kinderzulagen
in Höhe von jeweils 138 Euro gutgeschrieben. Dem Vertrag der Klägerin wurde die Grundzulage in Höhe von 114 Euro gutgeschrieben.
Im Unterschied zum Streitjahr 2006 wurden im Jahr 2009 auf den Vertrag des Klägers eigene Altersvorsorgebeiträge in Höhe von
1.946 Euro geleistet. Auf den Vertrag der Klägerin wurden Altersvorsorgebeiträge in Höhe von 1.456 Euro erbracht. Des Weiteren
erhielten die Kläger für das Bezugsjahr 2009 Altersvorsorgezulagen in Höhe von insgesamt 678 Euro.
Bei Durchführung der Einkommensteuerveranlagung für das Jahr 2006 berücksichtigte das Finanzamt einen Sonderausgabenabzug
in Höhe von 1.575 Euro für die Klägerin, der wie folgt berechnet wurde:
Altersvorsorgebeiträge der Ehefrau | 1.272 Euro |
zuzüglich Altersvorsorgezulage | 504 Euro |
Summe | 1.776 Euro |
davon abzugsfähig | 1.575 Euro |
Differenz | 201 Euro |
von 2.100 Euro für die Klägerin, der wie folgt berechnet wurde:
Altersvorsorgebeiträge Ehefrau u. Ehemann | 3.402 Euro |
zuzüglich Altersvorsorgezulage | 678 Euro |
Summe | 4.080 Euro |
davon abzugsfähig | 2.100 Euro |
Differenz | 1.980 Euro |
§ 10 a Abs. 1 Satz 1 EStG für den Kläger in Höhe von 201 EUR für 2006 und 1.980 Euro für 2009 geltend. Die Einsprüche blieben
erfolglos (Einspruchsentscheidungen vom … und vom …). Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass für den Kläger die Voraussetzungen
für einen zusätzlichen Sonderausgabenabzug nicht vorlägen, da er in den Streitjahren nicht in der gesetzlichen Rentenversicherung
pflichtversichert gewesen sei. Im Jahr 2006 habe er zudem auch keine eigenen Altersvorsorgebeiträge geleistet habe.
Mit ihrer Klage halten die Kläger an ihrem Begehren fest. Der Kläger erfülle die Voraussetzungen des 10 a Abs. 1 Satz 1 EStG.
Die Pflichtmitgliedschaft des Klägers in der Versorgungseinrichtung der Rechtsanwälte und Steuerberater könne nicht anders
beurteilt werden, als die Pflichtmitgliedschaft in der Deutschen Rentenversicherung. Beide Einrichtungen seien unter den Begriff
der gesetzlichen Rentenversicherung des § 10 a Abs. 1 EStG zu sub-sumieren. Bei beiden Einrichtungen bestehe eine Pflichtmitgliedschaft
und in keiner der Einrichtungen werde der Kläger von der demografischen Entwicklung verschont. Aus der Gesetzesbegründung
des Altersvermögensgesetzes gehe klar die Absicht des Gesetzgebers hervor, dass denjenigen eine Zulagenförderung und ein zusätzlicher
Sonderausgabenabzug gewährt werden solle, die von der zukünftigen Absenkung des Versorgungsniveaus in den gesetzlichen Versorgungssystemen
negativ betroffen sein werden. Spätestens seit der deutlichen Absenkung der Anwartschaftsprozentsätze im Versorgungswerk der
Steuerberater in Bayern zum 1. Januar 2005 seien die dortigen Pflichtmitglieder in gleicher Weise von den demografischen Veränderungen
betroffen, wie die Pflichtmitglieder bei der Deutschen Rentenversicherung und daher unmittelbar förderungswürdig. Es sei nicht
nachvollziehbar, dass das BMF in einschlägigen Verlautbarungen z.B. in der Künstlerkasse pflichtversicherte Künstler als dem
System der gesetzlichen Rentenversicherung zugehörig behandele, obwohl hierfür keinerlei Erwähnung in § 10 a EStG zu finden
sei. Pflichtversicherte in einem berufsständischen Versorgungswerk würden dagegen ohne gesetzliche Legitimation als nicht
begünstigte Personen bezeichnet.
Im Übrigen genüge es, dass der Kläger jedenfalls bis 1999 zahlendes Pflichtmitglied der gesetzlichen Rentenversicherung und
seit 2000 befreites Mitglied gewesen sei. Er habe immer noch erhebliche Ansprüche an die Deutsche Rentenversicherung. In §
10 a Abs. 1 EStG sei nur ganz allgemein von Pflichtversicherten die Rede und nicht von „Pflichtversicherten im Veranlagungszeitraum”.
Für den Fall, dass das Gericht zu der Auffassung gelangt, dass der Kläger nicht unter den begünstigten Personenkreis des §
10 a Abs. 1 EStG fällt, tragen die Kläger vor, dass insoweit ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1
Grundgesetz vorliege. Spätestens seit der Gleichstellung von Mitgliedern des Versorgungswerks mit den Versicherten der gesetzlichen
Rentenversicherung im Hinblick auf Sonderausgabenabzug (§ 10 Abs. 1 Nr. 2 a EStG) und spätere Rentenbesteuerung (§ 22 Nr.
1 Satz 3 Buchst. a) aa) EStG) ab 1. Januar 2005 durch das Alterseinkünftegesetz, sei der Ausschluss der Mitglieder der berufsständischen
Versorgungswerke von dem zusätzlichen Sonderausgabenabzug des § 10 a EStG nicht mehr verfassungskonform. Ferner stelle sich
die Frage, warum der Gesetzgeber nachträglich den Kreis der beurlaubten Beamten (§ 10 a Abs. 1 Nr. 4 EStG) mit in den Kreis
der unmittelbar Begünstigten aufgenommen habe, während Personen die dauerhaft oder vorübergehend nicht in der Deutschen Rentenversicherung
pflichtversichert seien, aber bereits Ansprüche erworben hätten, nicht ausdrücklich in § 10 a Abs. 1 EStG erwähnt werden.
Eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes sieht der Kl äger auch darin, dass bei ausländischen Arbeitgebern beschäftigte Personen,
die in eine ausländische Rentenversicherung einzahlen, die Förderung nach § 10 a EStG erhielten, obwohl bei den ausländischen
Rentenversicherungen die Absenkung des Rentenniveaus, die als Grund für die Förderung angeführt werde, nicht stattfinde. Schließlich
rügt der Kläger unter Gleichheitsgesichtspunkten, dass bei der Besteuerung der späteren Rentenbezüge nach § 22 Nr. 5 EStG
nicht unterschieden werde zwischen mittelbar und unmittelbar geförderten Altersvorsorgeaufwendungen, dass aber in der Ansparphase
den mittelbar Begünstigten der Sonderausgabenabzug verwehrt bleiben solle.
Die Kläger beantragen
den Einkommensteuerbescheid für 2006 vom … und den Einkommensteuerbescheid für 2009 vom … und die hierzu ergangenen Einspruchsentscheidungen
vom … und vom … dahingehend zu ändern, dass weitere Aufwendungen in Höhe von 201 Euro für 2006 und 1.980 Euro für 2009 als
Sonderausgaben zum Abzug zugelassen werden und die Einkommensteuer auf dieser Grundlage festgesetzt wird, hilfsweise die Revision
zuzulassen.
Das Finanzamt beantragt,
die Klage abzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Das Finanzamt hält daran fest, dass der Kläger nicht zu dem unmittelbar nach § 10 a Abs. 1 Satz 1 HS 1 EStG begünstigten Personenkreis
gehöre. Selbst wenn man der Argumentation der Kläger folgen würde, scheide jedenfalls für das Jahr 2006 ein Sonderausgabenabzug
nach § 10 a Abs. 1 EStG aus, da er im Kalenderjahr 2006 keine eigenen Altersvorsorgebeiträge geleistet habe.
Wegen der Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, auf die vorgelegten Unterlagen und Akten, sowie auf das
Protokoll über die mündliche Verhandlung vom …. verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Das Finanzamt hat einen Sonderausgabenabzug des Klägers nach § 10 a Abs. 1 EStG zu Recht verneint.
Nach § 10 a Abs. 1 Satz 1 HS 1 EStG in der in den Streitjahren geltenden Fassung können in der gesetzlichen Rentenversicherung
Pflichtversicherte Altersvorsorgebeträge (§ 82) zuzüglich der dafür nach Abschnitt XI zustehenden Zulage jährlich bis zu 1.575
Euro im Jahr 2006 und bis zu 2.100 Euro im Jahr 2009 als Sonderausgaben abziehen. In § 10 a Abs. 1 Satz 1 HS 2 EStG wird der
Personenkreis aufgeführt, der im Hinblick auf den Sonderausgabenabzug gleichgestellt ist. Nach § 10 a Abs. 3 Satz 1 EStG steht
der Abzugsbetrag nach Absatz 1 im Fall der Veranlagung von Ehegatten nach § 26 Abs. 1 jedem Ehegatten unter den Voraussetzungen
des Absatzes 1 gesondert zu.
1) Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 10 a Abs. 1 Satz 1 HS 1 EStG gehört der Kläger nicht zu dem begünstigten Personenkreis
dieser Regelung.
a) Der Gesetzeswortlaut ist der von den Klägern vorgetragenen Auslegung, dass der Kläger als Pflichtmitglied der berufsständischen
Einrichtung der Rechtsanwälte und Steuerberater unter den Begriff des „in der gesetzlichen Rentenversicherung Pflichtversicherten”
fällt, nicht zugänglich.
(1) Für die Auslegung einer Gesetzesvorschrift ist der in ihr zum Ausdruck gekommene objektivierte Wille des Gesetzgebers
maßgebend, wie er sich aus dem Gesetzeswortlaut und aus dem Sinnzusammenhang ergibt, in den diese hineingestellt ist. (vgl.
Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 17. März 1992 IX R 55/90, BStBl II 1993, 17).
(2) Ausgehend von diesen Grundsätzen ergibt die am Wortlaut orientierte Auslegung, dass der Gesetzeswortlaut des § 10 a Abs.
1 Satz 1 HS 1 EStG klar formuliert und eindeutig ist. Der Sonderausgabenabzug kommt nur für in der gesetzlichen Rentenversicherung
Pflichtversicherte in Betracht (vgl. hierzu im Einzelnen BMF vom 31. März 2010, 270 Rz. 1-21 nebst Anlage 1 und 2). Die von
den Klägern beispielhaft angeführte Personengruppe der Künstler ist nach § 2 Nr. 5 SGB VI nach näherer Bestimmung des Künstlersozialversicherungsgesetzes
gesetzlich rentenversicherungspflichtig. Dagegen ist der Kläger seit dem Jahr
2000 nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit, d.h. ab diesem
Zeitpunkt bestand in der gesetzlichen Rentenversicherung keine Versicherungspflicht mehr (vgl. hierzu Schmidt, EStG, 30. Auflage,
§ 10 a Rz. 11). Damit ist der Kläger bereits nach dem eindeutigen Wortlaut des § 10 a Abs. 1 Satz 1 HS 1 EStG von dem begünstigten
Personenkreis ausgeschlossen. Daran kann auch die Tatsache nichts ändern, dass es sich bei der Mitgliedschaft des Klägers
in der berufsständischen Versorgungseinrichtung ebenfalls um eine Pflichtmitgliedschaft handelt.
(3) Sinn und Zweck und Entstehungsgeschichte des § 10 a EStG ergeben keine Anhaltspunkte für die Ableitung eines anderen Ergebnisses.
Der Sonderausgabenabzug nach § 10 a EStG wurde durch das Altersvermögensgesetz (AVmG) vom 26. Juni 2001 (BGBl I S. 1310) eingeführt
und noch vor Inkrafttreten durch das Versorgungsgesetz 2001 vom 20. Dezember 2001 (BGBl I 2001, 3926) geändert. Aus den Gesetzesmaterialien
geht eindeutig hervor, dass nur die durch das Altersvermögensgesetz und das Versorgungsänderungsgesetz von der zukünftigen
Absenkung des Rentenniveaus bzw. der Versorgungsbezüge Betroffenen Begünstigte des Sonderausgabenabzugs sein sollten (vgl.
BT-Drs. 14/5150, 35 zum Altersvermögensgesetz und BT-Drs. 14/7064, 52 zum Versorgungsänderungsgesetz). Die in einer berufsständischen
Versorgungseinrichtung Pflichtversicherten werden ausdrücklich als nicht zum Kreis der Begünstigten gehörig angeführt (vgl.
BT-Drs. 14/5150, 35). Der Kläger gehört mit der Bayerischen Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung einem anderen Alterssicherungssystem
an als der gesetzlichen Rentenversicherung oder der Beamtenversorgung, d.h. er unterliegt keiner Absenkung seiner Versorgungsleistungen
aufgrund des Altersvermögensgesetzes bzw. des Versorgungsänderungsgesetzes.
b) Die von § 10 a Abs. 1 Satz 1 HS 1 EStG geforderte Pflichtversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung muss im betreffenden
Veranlagungszeitraum oder zumindest für einen Teil des betreffenden Veranlagungszeitraums vorgelegen haben. Es genügt nicht,
dass der Kläger in früheren Jahren, hier 1976 bis 1999, in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert war. Die
Formulierung des § 10 a Abs. 1 Satz 1 EStG stellt eindeutig darauf ab, dass die betreffenden Personen dem Alterssicherungssystem,
in das der Gesetzgeber eingegriffen hat, weiterhin „aktiv” angehören (Kirchhoff/Söhn/Mellinghoff, § 10 a Rz. A 2). Der Zusatz
„im Veranlagungszeitraum” war hierfür nicht erforderlich. Vielmehr hätte es einer ausdrücklichen Regelung des Gesetzgebers
bedurft, wenn der Gesetzgeber auch Personen hätte begünstigen wollen, die in der Vergangenheit in der gesetzlichen Rentenversicherung
pflichtversichert waren.
2) Da der Kläger nicht zu dem unmittelbar begünstigten Personenkreis des § 10 a Abs. 1 Satz 1 EStG gehört, kann an dieser
Stelle dahinstehen, welche Folgen es bei einer unmittelbaren Begünstigung für den Kläger hätte, dass er im Streitjahr 2006
unstreitig keine eigenen Altersvorsorgebeiträge erbracht hat. Der Sonderausgabenabzug wird für Altersvorsorgebeiträge zuzüglich
der dafür nach Abschnitt XI zustehenden Zulage gewährt. Der Zulagenanspruch gilt insoweit als eigener Aufwand (Schmidt, EStG,
§ 10 a Rz. 19). Bei einer unmittelbaren Begünstigung des Klägers hätte dieser keinen Anspruch auf eine Grundzulage, da er
keine eigenen Altersvorsorgebeiträge und damit keinen Mindesteigenbeitrag erbracht hat (§ 86 EStG). Es bliebe jedoch bei der
Zurechnung der Kinderzulagen, da diese auf gemeinsamen Antrag der Ehegatten dem Kläger zugeordnet wurden (§ 86 Abs. 2 EStG).
Ob dieser Zulagenanspruch für sich allein stehend eine begünstigte Aufwendung nach § 10 a Abs. 1 Satz 1 EStG darstellt, der
einen Sonderausgabenabzug begründen kann, braucht jedoch im Streitfall nicht entscheiden zu werden, da bereits die Voraussetzungen
für eine unmittelbare Begünstigung des Klägers nach § 10 a Abs. 1 EStG nicht vorliegen.
3) Das Finanzamt ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger mittelbar zulagenberechtigt ist und ihm daher kein gesonderter
Sonderausgabenabzug nach § 10 a Abs. 1 Satz 1 EStG zusteht. Gehört, wie im Streitfall, nur ein Ehegatte zu dem begünstigten
Personenkreis des § 10a Abs. 1 EStG, eröffnet § 79 Satz 2 EStG dem anderen Ehegatten durch Abschluss eines eigenen Altersvorsorgevertrages
die Förderung durch Gewährung einer Altersvorsorgezulage (sog. mittelbare Zulageberechtigung). Diese abgeleitete Begünstigung
des § 79 Satz 2 EStG führt jedoch nicht dazu, dass die Zulagen, auf die der Kläger als mittelbar zulagenberechtigter Ehegatte
einen Anspruch hat, einen eigenen Sonderausgabenabzug des Klägers eröffnen (Schmidt, EStG, § 10 a Rz. 37). Dies wird auch
anhand der Regelung des § 10 a Abs. 3 Satz 2 EStG deutlich. Gehört demnach nur ein Ehegatte zu dem nach Absatz 1 begünstigten
Personenkreis und ist der andere Ehegatte nach § 79 Satz 2 EStG zulageberechtigt, sind bei dem nach Absatz 1 abzugsberechtigten
Ehegatten die von beiden geleisteten Altersvorsorgebeiträge und die dafür zustehenden Zulagen bei der Anwendung der Absätze
1 und 2 (Günstigerprüfung) zu berücksichtigen. D.h. wenn nur ein Ehegatte die persönlichen Voraussetzungen für eine Begünstigung
nach § 10 a Abs. 1 EStG erfüllt, hat der Gesetzgeber dem anderen Ehegatten keinen gesonderten Sonderausgabenabzugsbetrag eingeräumt.
Es erfolgt keine Verdoppelung des Abzugsvolumens. Das Finanzamt hat den der Klägerin zustehenden Sonderausgabenabzug in Höhe
von 1.575 Euro für das Jahr 2006 und in Höhe von 2.100 Euro für das Jahr 2009 zutreffend ermittelt.
4) Die Regelung des § 10 a Abs. 1 Satz 1 EStG ist mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar, soweit den in der gesetzlichen Rentenversicherung
Pflichtversicherten (§ 10 a Abs 1 Satz 1 HS 1 EStG) und gleichgestellten Personen (§ 10 a Abs. 1 Satz 1 HS 2 EStG) eine steuerliche
Begünstigung in Gestalt des Sonderausgabenabzugs für Altersvorsorgebeiträge bei der Einkommensteuer gewährt wird, Pflichtversicherte
einer berufständischen Versorgungseinrichtung jedoch von dieser Begünstigung ausgeschlossen sind (Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts
(BVerfG) vom 18. Dezember 2002 2 BvR 367/02, DB 2003, 371 und vom 2. Juni 2003 2 BvR 592/03, NVwZ-RR 2003, 671). Der allgemeine
Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich
zu behandeln (BVerfGE 98, 365). Verboten ist daher auch ein gleichheitswidriger Begünstigungsausschluss, bei dem einem Personenkreis
eine Begünstigung gewährt wird, einem anderen Personenkreis die Begünstigung aber vorenthalten bleibt, ohne dass sich aus
der Natur der Sache ergebende oder sonst wie einleuchtende Gründe für die gesetzliche Differenzierung finden lassen. Der Gesetzgeber
darf den begünstigten von dem nichtbegünstigten Personenkreis nicht nach unsachlichen Gesichtspunkten, also nicht willkürlich
abgrenzen. Steuerberater und Rechtsanwälte, die als Pflichtversicherte in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung einem
anderen Alterssicherungssystem als der gesetzlichen Rentenversicherung bzw. der Beamtenversorgung angehören, müssen weder
nach dem Altersvermögensgesetz noch nach dem Versorgungsänderungsgesetz 2001 eine Absenkung ihrer Versorgungsleistungen hinnehmen.
Das Bundesverfassungsgericht sah dies als hinreichenden sachlichen Grund dafür an, diese Personengruppe nicht in die Begünstigung
des Sonderausgabenabzugs nach § 10a Abs. 1 Satz 1 EStG einer zusätzlichen freiwilligen privaten Altersvorsorge einzubeziehen
(Beschluss BVerfG vom 18. Dezember 2002 2 BvR 367/02, DB 2003, 371). Diese Argumentation hat auch angesichts der von den Klägern
angeführten Neuregelung des Sonderausgabenabzugs von Beiträgen zu berufsständischen Versorgungseinrichtungen (§ 10 Abs. 1
Nr. 2a EStG) und der Besteuerung von Rentenleistungen der berufsständischen Versorgungseinrichtungen (§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst.
a) aa) EStG) durch das Alterseinkünftegesetz ab 1. Januar 2005 weiterhin Bestand.
5) Soweit der Kläger vorträgt, dass ein Gleichheitsverstoß darin liege, dass auch Personen, die in einer ausländischen gesetzlichen
Rentenversicherung versichert sind, eine Förderung nach § 10 a EStG erhalten, obwohl es bei den ausländischen Rentenversicherungen
keine Absenkung des Rentenniveaus und somit keinen Grund für die Gewährung der Förderung des § 10 a EStG gebe, kann dem nicht
gefolgt werden. Begünstigte Personen sind nach § 10 a Abs. 1 Satz 1 HS 1 EStG in der in den Streitjahren geltenden Fassung
„in der gesetzlichen Rentenversicherung Pflichtversicherte”. Bei diesem Tatbestandsmerkmal handelt es sich um ein sachgerechtes
Kriterium zur Abgrenzung des begünstigten Personenkreises von Personengruppen, die anderen Alterssicherungssystemen angehören
und nicht von einer Absenkung ihrer Versorgungsbezüge durch das Altersvermögensgesetz betroffen sind. Der Gesetzgeber konnte
insoweit typisieren und unterstellen, dass mit diesem Tatbestandsmerkmal im Grundsatz diejenigen von der Förderung erfasst
werden, die von den leistungsrechtlichen Auswirkungen des Altersvermögensgesetzes betroffen sind. Soweit aufgrund dieses Tatbestandsmerkmals
auch unbeschränkt steuerpflichtige Arbeitnehmer erfasst werden, die in einer ausländischen gesetzlichen Rentenversicherung
pflichtversichert sind (z.B. Grenzgänger), ist dies eine unter Gleichheitsgesichtspunkten hinnehmbare Folge dieser zulässigen
Typisierung durch den Gesetzgeber. Ein gleichheitswidriger Begünstigungsausschluss zulasten des Klägers, der nach seiner auf
eigenen Antrag hin erfolgten Befreiung gerade kein Mitglied der gesetzlichen Rentenversicherung mehr ist, kann hieraus jedenfalls
nicht abgeleitet werden.
6) Die Regelung des § 10 a Abs. 1 Satz 1 EStG ist auch insoweit mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar, als sie Personen, die wie
der Kläger bereits rentenrechtliche Anwartschaften erworben haben, aber dem entsprechenden gesetzlichen Alterssicherungssystem
nicht mehr angehören, von dem Sonderausgabenabzug nach § 10 a Abs. 1 EStG ausschließt. Zwar ist der Kläger im Hinblick auf
die bereits erworbenen Rentenanwartschaften wirtschaftlich von der Absenkung des Rentenniveaus betroffen. Die Unterscheidung
des Gesetzgebers, nur Personen, die aktuell dem begünstigten gesetzlichen Alterssicherungssystem angehören, den Sonderausgabenabzug
nach § 10a EStG zu gewähren ist jedoch nicht willkürlich. Da die Einbeziehung dieser Personengruppe zu erheblichen Verzerrungen
innerhalb der begünstigten Personengruppe führen würde, je nach Dauer der Zugehörigkeit zu dem jeweiligen Alterssicherungssystem,
bestand ein vernünftiger und einleuchtender Grund dafür, diese Personengruppe nicht in den Tatbestand des § 10 a EStG einzubeziehen.
Der Gesetzgeber konnte in diesem Zusammenhang typisieren und unterstellen, dass bei den Pflichtversicherten in der gesetzlichen
Rentenversicherung die leistungsrechtlichen Einschnitte größer sind, als bei denjenigen, die in der Vergangenheit dem gesetzlichen
Sicherungssystem angehörten (Kirchhoff/Söhn/Mellinghoff, § 10 a Rz. A 551).
7) Eine Durchbrechung der Systematik des § 10 a EStG, dass zur Gruppe der begünstigten Personen nur diejenigen gehören, die
dem betreffenden Alterssicherungssystem aktiv angehören, ist auch nicht dadurch erfolgt, dass der Gesetzgeber nachträglich
Beamte, die ohne Besoldung beurlaubt sind, für die Zeit ihrer Beschäftigung, in die Begünstigung des § 10 a EStG einbezogen
hat (Gesetz zur Einbeziehung beurlaubter Beamter in die kapitalgedeckte Altersvorsorge vom 15. Januar 2003, BGBl I 2003, 58).
Voraussetzung ist dabei nach § 10 a Abs. 1 Satz 1 HS 2 Nr. 4 EStG, dass während der Beurlaubung die Gewährleistung einer Versorgungsanwartschaft
unter der Voraussetzung des § 5 Abs. 1 Satz 1 des SGB VI auf die Beschäftigung erstreckt wird. Es handelt sich um Beamte,
die zur Wahrnehmung von Tätigkeiten bei privaten Unternehmen unter Wegfall ihrer Besoldung beurlaubt sind und deren Beurlaubungszeit
ruhegehaltsfähig ist. Diese Personengruppe baut in der Beurlaubungszeit zusätzliche Versorgungsanwartschaften auf und gehört
demnach dem Alterssicherungssystem der Besoldungsempfänger weiterhin „aktiv” an.
8) Die Vorschrift des § 22 Nr. 5 EStG, der die Besteuerung der Leistungen aus Altersvorsorgeverträgen regelt, ist im Streitfall
nicht entscheidungserheblich. Daher kann die Frage dahinstehen, ob diese Regelung dem Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs.
1 GG gerecht wird. Der Argumentation des Klägers, dass im Hinblick auf die Regelungen zur späteren Besteuerung der Leistungen
aus Altersvorsorgeverträgen bereits in der „Ansparphase” eine nicht mit dem Gleichheitsgrundsatz im Einklang stehende unterschiedliche
Förderung mit Steuermitteln erfolgt, soweit spätere Rentenrückflüsse aus einem mittels Zulageförderung aufgebauten Rentenstammrecht
genauso besteuert werden, als Rentenrückflüsse aus Rentenstammrechten, die sowohl mittels Zulagen als auch nach § 10 a EStG
gefördert werden, kann daher nicht gefolgt werden.
9) Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).
10) Die Revision wird nicht zugelassen, weil kein Zulassungsgrund nach § 115 Abs. 2 FGO vorliegt, insbesondere kommt der Rechtssache
angesichts der oben genannten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts keine grundsätzliche Bedeutung zu (§ 115 Abs. 2
Nr. 1 FGO).