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  • 15.05.2013

    Finanzgericht Baden-Württemberg: Urteil vom 15.01.2013 – 4 K 3278/10

    1. Der Erbe kann den dem Erblasser zustehenen erhöhten Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG geltend machen, wenn der Erblasser
    seinen Kommanditanteil zu Lebzeiten kündigt, die Beteiligung an der Kommanditgesellschaft jedoch erst nach dessen Todesfall
    endet.


    2. Dies gilt auch dann, wenn dem Erben neben dem Freibetrag des Erblassers ein eigener Freibetrag zusteht, da auch er seine
    Beteiligung an der Kommanditgesellschaft gekündigt hat.


    3. Über die Höhe des Freibetrags nach § 16 Abs. 4 EStG wird erst bei der Einkommensteuerfestsetzung entschieden, so dass der
    Feststellungsbescheid über die Höhe des Veräußerungsgewinns keine Bindungswirkung hinsichtlich der Frage entfaltet, ob für
    den verstorbenen Ehemann ein zusätzlicher Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG zu berücksichtigen ist.


    Im Namen des Volkes

    Urteil

    In dem Finanzrechtsstreit


    hat der 4. Senat des Finanzgerichts Baden-Württemberg aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 15. Januar 2013 durch Richter
    am Finanzgericht … als Einzelrichter


    für Recht erkannt:


    1. Der Bescheid für 2006 über ESt, Zinsen zur ESt, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer vom 26. Januar 2009 und die hierzu
    ergangene Einspruchsentscheidung vom 28. Juli 2010 werden aufgehoben.


    2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.


    3. Die Revision wird zugelassen.


    4. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.


    Tatbestand

    Streitig ist, ob bei der Einkommensteuer(ESt)-Veranlagung (Zusammenveranlagung) der Klägerin (Klin) und ihres verstorbenen
    Ehemannes für das Streitjahr (2006) sowohl für die Klin selbst als auch für ihren verstorbenen Ehemann ein (jeweils ungekürzter)
    Freibetrag nach § 16 Abs. 4 Einkommensteuergesetz (EStG) zu berücksichtigen ist und ob der dem angefochtenen ESt-Änderungsbescheid
    vom 26. Januar 2009 vorausgegangene ESt-Bescheid vom 20. März 2008 nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Abgabenordnung (AO) geändert
    werden konnte.


    Die 1938 geborene Klin und ihr 1935 geborener Ehemann X waren zu gleichen Teilen an der Y GmbH & Co.KG, in A (nachfolgend:
    Y KG) als Kommanditisten beteiligt. Mit Schreiben jeweils vom 28. Dezember 2005 kündigten beide Ehegatten ihre Kommanditbeteiligung
    zum 31.12.2006 (s. Schreiben des Ehemannes der Klin vom 28. Dezember 2005 über die Kündigung des Treuhand- und Kommanditbeteiligungsverhältnisses,
    Bl. 23 der Rechtsbehelfsakten). Mit Schreiben vom 30. Januar 2006 (Bl. 24 der Rechtsbehelfsakten) bestätigte die Y KG dem
    Ehemann der Klin das Ausscheiden zum 31.12.2006. Der Ehemann der Klin ist jedoch bereits 2006 verstorben. Alleinerbin ihres
    Ehemannes wurde die Klin, die die Erbschaft am 16. Januar 2007 angenommen hat.


    Das Finanzamt (FA) für Körperschaften in A (Betriebsstättenfinanzamt) stellte mit nach § 165 Abs. 1 Satz 2 AO teilweise vorläufigem
    Feststellungsbescheid 2006 vom 28. September 2007 die anteiligen Einkünfte der Klin und ihres Ehemannes aus deren Beteiligungen
    an der Y KG gesondert und einheitlich wie folgt fest (vgl. die Mitteilungen vom 28. September 2007, Bl. 13 ff. und Bl. 18
    ff. der ESt-Akten):


    EhemannEhefrau
    Nach Anwendung des § 15 a EStG anzusetzende steuerpflichtige laufende Einkünfte0,00 Euro0,00 Euro
    Nach Anwendung des § 15 a EStG anzusetzende steuerpflichtige Veräußerungsgewinne und andere tarifbegünstigte Einkünfte (§§
    16, 34 EStG)
    71.888.08 Euro71.888,08 Euro
    angenommener Austritt aus der Gesellschaft31.12.200631.12.2006
    Die steuerfrei bleibenden Teile der Veräußerungsgewinne werden bei der Veranlagung des Beteiligten nach Maßgabe seiner persönlichen
    Verhältnisse berücksichtigt


    In der ESt-Erklärung für das Streitjahr erklärte die Klin in gesonderten Anlagen GSE (Bl. 11 und Bl. 16 der ESt-Akten) sowohl
    für sich selbst als auch für ihren verstorbenen Ehemann einen Veräußerungsgewinn aus der Veräußerung der Beteiligung an der
    Y KG in Höhe von 71.930 EUR und beantragte jeweils die Berücksichtigung eines Freibetrages nach § 16 Abs. 4 EStG.


    Der Beklagte (Bekl) berücksichtigte im ursprünglichen – unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen – ESt-Bescheid für
    das Streitjahr vom 23. Januar 2008 (Bl. 42 ff. der ESt-Akten) antragsgemäß für jeden der beiden Ehegatten einen Freibetrag
    nach § 16 Abs. 4 EStG in Höhe von 45.000,00 Euro.


    Am 20. März 2008 erließ der Bekl aus hier nicht interessierenden Gründen einen ändernden ESt-Bescheid für das Streitjahr (Bl.
    108 ff. der ESt-Akten) und hob den Vorbehalt der Nachprüfung auf. Der Ansatz der Veräußerungsgewinne der Klin und ihres Ehemannes
    aus den Beteiligungen an der Y KG erfuhr dabei keine Änderung.


    Mit änderndem Feststellungsbescheid vom 09. Mai 2008 traf das FA für Körperschaften in A folgende Feststellungen (vgl. die
    Mitteilungen vom 09. Mai 2008, Bl. 115 und Bl. 116 der ESt-Akten):


    Z alsZ
    Erbin nach X
    Nach Anwendung des § 15 a EStG anzusetzende steuerpflichtige laufende Einkünfte0,00 Euro0,00 Euro
    Nach Anwendung des § 15 a EStG anzusetzende steuerpflichtige Veräußerungsgewinne und andere tarifbegünstigte Einkünfte (16,
    34 EStG)
    143.776,16 Euro
    Soweit in dieser Mitteilung Besteuerungsgrundlagen bzw. nachrichtlich Angaben der bisherigen Mitteilung nicht mehr enthalten
    sind, sind diese weggefallen.
    Die steuerfrei bleibenden Teile der Veräußerungsgewinne werden bei der Veranlagung des Beteiligten nach Maßgabe seiner persönlichen
    Verhältnisse berücksichtigt.
    Am 26. Januar 2009 erließ der Bekl daraufhin einen auf § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO gestützten ändernden ESt-Bescheid für
    das Streitjahr (Bl. 122 ff. der ESt-Akten). Darin setzte er den Veräußerungsgewinn aus der Veräußerung der Beteiligungen an
    der Y KG ausschließlich bei der Klin an und beließ diesen lediglich in Höhe von 37.224,00 Euro steuerfrei (Veräußerungsgewinn
    143.776 Euro abzüglich 136.000 Euro ergeben 7.776 Euro; 45.000 Euro abzüglich 7.776 Euro ergeben 37.224 Euro – § 16 Abs. 4
    Satz 3 EStG –).


    Gegen den ESt-Änderungsbescheid vom 26. Januar 2009 legte der Vertreter und jetzige Prozessbevollmächtigte der Klin mit Schreiben
    vom 23. Februar 2009 (Bl. 1 der Rechtsbehelfsakten) Einspruch ein und machte geltend, dass der Klin sowohl der ihr persönlich
    zustehende Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG in Höhe von 45.000 Euro als auch der ihr als Alleinerbin nach ihrem Ehemann zustehende
    Freibetrag ihres Ehemannes nach § 16 Abs. 4 EStG in Höhe von ebenfalls 45.000 Euro (insgesamt 90.000 Euro) in 2006 zu gewähren
    seien. Zur Begründung trug er Folgendes vor:


    Der Ehemann der Klin habe zu Lebzeiten seine Kommanditbeteiligung gekündigt; die Klin habe dieses Geschäft lediglich noch
    abgewickelt. Da sie selbst Kommanditistin der KG gewesen sei, hätten sich zum Todeszeitpunkt des Ehemannes zwei Kommanditanteile
    zu einem Kommanditanteil vereinigt, so dass von ihr zum 31.12.2006 ein Mitunternehmeranteil im Sinne des § 16 EStG aufgegeben
    worden sei, was aber keine Auswirkung auf den dem Ehemann zustehenden Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG habe.


    Der Bundesfinanzhof (BFH) habe in seinem Urteil vom 21. September 1995 IV R 1/95 (Bundessteuerblatt – BStBl – II 1995, 893)
    zweifelsfrei entschieden, dass für die Frage der Veräußerung im Sinne des § 16 Abs. 4 EStG auf das Rechtsgeschäft abzustellen
    sei, mit dem die Veranlassungskette rechtlich bindend in Gang gesetzt worden sei. In Fällen, in denen das Kausalgeschäft durch
    den Erblasser begründet worden sei, komme es ausnahmsweise ausschließlich darauf an, ob der Erblasser – und nur dieser – zum
    Zeitpunkt des Kausalgeschäfts die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 16 Abs. 4 EStG erfüllt habe. Das Kausalgeschäft sei
    in einem solchen Fall ausnahmsweise als die Veräußerung im Sinne des § 16 Abs. 4 EStG zu qualifizieren. In diesem Fall sei
    den Erben der Freibetrag des Erblassers zu gewähren.


    Das Kausalgeschäft sei im Streitfall die durch den verstorbenen Ehemann ausgesprochene Kündigung. Die Kündigung, bei der es
    sich um eine einseitige empfangsbedürftige und
    unwiderrufliche Willenserklärung des verstorbenen Ehemannes handele, sei als Gestaltungsrecht mit Schutzwirkung gegenüber Dritten durch den
    verstorbenen Ehegatten ausgesprochen worden. Diese habe die Veranlassungskette für ihn und die Alleinerbin rechtlich bindend
    in Gang gesetzt. Die Erbin habe darauf keinen Einfluss gehabt. Da der Erblasser und nur dieser mittels Rechtsgeschäfts den
    Veräußerungs-/Aufgabetatbestand begründet habe, sei zur Anwendung des § 16 Abs. 4 EStG nur auf seine Person abzustellen. Sofern
    neben dem Erblasser hinsichtlich der Gewährung des Freibetrages nach § 16 Abs. 4 EStG für weitere Personen – nämlich für die
    Erben – zu prüfen wäre, ob diese die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 16 Abs. 4 EStG ebenfalls punktuell erfüllen würden,
    würde dies dazu führen, dass die Anwendung des § 16 Abs. 4 EStG letztendlich ein „reines Lotteriespiel” wäre, da weder der
    Erblasser, der das Kausalgeschäft abgeschlossen habe, Kenntnis über die steuerlichen Gegebenheiten bei den Erben habe noch
    die Erben den Geschehensablauf beeinflussen könnten.


    Der Ehemann und nur dieser sei Steuerpflichtiger im Sinne des § 16 Abs. 4 Satz 1 EStG für die durch ihn begründete Aufgabe
    seines Kommanditanteils. Es sei denkgesetzlich ausgeschlossen, die personenbezogenen Tatbestandsvoraussetzungen des § 16 Abs.
    4 Satz 1 und 2 EStG, die jeweils nur für den Steuerpflichtigen zu prüfen seien, getrennt für zwei unterschiedliche Steuerpflichtige
    zur Anwendung zu bringen. Dies ergebe sich bereits aus dem Wortlaut des § 16 Abs. 4 Satz 2 EStG: „Der Freibetrag ist dem Steuerpflichtigen
    nur einmal zu gewähren.” § 16 Abs. 4 Satz 2 EStG beziehe sich somit auf den Steuerpflichtigen, der die tatbestandlichen Voraussetzungen
    des § 16 Abs. 4 Satz 1 EStG erfülle. Es sei für die Prüfung der tatbestandlichen Voraussetzung des § 16 Abs. 4 Satz 1 und
    2 EStG daher völlig unbeachtlich, dass im Feststellungsbescheid 2006 vom 09. Mai 2008 der Veräußerungsgewinn für den durch
    den Ehemann gekündigten Kommanditanteil der Ehefrau (Klin) zugerechnet werde. Für die Frage, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen
    des § 16 Abs. 4 EStG für den durch den Ehemann gekündigten Kommanditanteil erfüllt seien, sei allein auf den Zeitpunkt des
    Abschlusses des Kausalgeschäfts zu Lebzeiten des Ehemannes abzustellen. Zudem entspreche allein diese Auslegung dem Sinn und
    Zweck des § 16 Abs. 4 EStG, nämlich die bei einem geringen Veräußerungsgewinn auftretenden Härten durch Gewährung völliger
    Steuerbefreiung zu beseitigen.


    Im Streitfall habe der Ehemann im Zeitpunkt des Kausalgeschäfts unzweifelhaft die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 16
    Abs. 4 Satz 1 und 2 EStG erfüllt, so dass der Klin neben ihrem eigenen Freibetrag auch der Freibetrag für ihren Ehemann zu
    gewähren sei.


    In der Einspruchsentscheidung vom 28. Juli 2010 (Bl. 94 ff. der Rechtsbehelfsakten) vertrat der Bekl die Auffassung, dass
    der Klin zu Recht nur der ihr selbst zustehende Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG gewährt worden sei, und wies den Einspruch
    der Klin deshalb als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er Folgendes aus:


    Über die Gewährung des Freibetrags nach § 16 Abs. 4 EStG werde unstreitig bei der Veranlagung zur ESt entschieden (R 16 (13)
    Satz 1 EStR 2006). Dies gelte auch im Falle der Veräußerung eines Mitunternehmeranteils; in diesem Fall sei im Verfahren zur
    gesonderten und einheitlichen Feststellung nur die Höhe des auf den Gesellschafter entfallenden Veräußerungsgewinns festzustellen
    (R 16 (13) Satz 2 EStR 2006; Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts (FG) vom 13. Oktober 1997 IX 316/96, Entscheidungen
    der Finanzgerichte – EFG – 1998, 258). Der geänderte Bescheid für 2006 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von
    Besteuerungsgrundlagen und des verrechenbaren Verlustes nach § 15a Abs. 4 EStG vom 09. Mai 2008, mit dem die Einkünfte aus
    der KG für die Klin festgestellt worden seien, werde von der Klin nicht bestritten (vgl. die Ausführungen des Vertreters der
    Klin im Schreiben vom 31. August 2009 unter Tz. 2.1 – Kommanditanteil –; Bl. 25 ff. der Rechtsbehelfsakten). In diesem Bescheid
    sei für die Klin ein Veräußerungsgewinn in Höhe von 143.776,16 Euro festgestellt worden. Für den Ehemann sei hingegen kein
    Veräußerungsgewinn festgestellt worden. Das Wohnsitzfinanzamt sei an die im Feststellungsbescheid des Betriebsstättenfinanzamts
    getroffenen Feststellungen gebunden (§ 182 Abs. 1 AO).


    Nach der Änderung des § 16 Abs. 4 EStG durch das Jahressteuergesetz (JStG) 1996 werde bei Steuerpflichtigen, die das 55. Lebensjahr
    vollendet hätten oder im sozialversicherungsrechtlichen Sinne dauernd berufsunfähig seien, der Veräußerungsgewinn auf Antrag
    zur ESt nur herangezogen, soweit er 45.000 Euro übersteige (§ 16 Abs. 4 Satz 1 EStG). Der Freibetrag ermäßige sich um den
    Betrag, um den der Veräußerungsgewinn 136.000 Euro übersteige (§ 16 Abs. 4 Satz 3 EStG). Der Freibetrag sei dem Steuerpflichtigen
    nur einmal zu gewähren (§ 16 Abs. 4 Satz 2 EStG). Das bedeute, dass der Freibetrag dem Steuerpflichtigen nur einmal im Leben
    zugutekomme (Urteil des FG Köln vom 29. August 2007 12 K 1038/04, EFG 2008, 117; Urteil des FG Düsseldorf vom 16. Dezember
    2008 8 K 4495/07 E, EFG 2009, 469).


    Die Klin stütze ihre Einspruchsbegründung auf das Urteil des BFH vom 21. September 1995 IV R 1/95 (a.a.O.). Nach diesem Urteil
    sei der erhöhte Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG a.F. auch dann zu gewähren, wenn der dauernd berufsunfähige Veräußerer bei
    Übertragung des Betriebs bereits verstorben sei. In diesem Fall könnten die Erben den erhöhten Freibetrag in Anspruch nehmen.
    Der BFH begründe seine Auffassung damit, dass bei der Beurteilung der Frage, ob eine Veräußerung im Sinne des § 16 Abs. 4
    Satz 3 EStG „wegen” dauernder Berufsunfähigkeit erfolge, auf das Kausalgeschäft abzustellen sei, mit dem die Veranlassungskette
    rechtlich bindend in Gang gesetzt worden sei. Demnach seien die persönlichen Verhältnisse des Erblassers maßgebend.


    Nach der Änderung des § 16 Abs. 4 EStG durch das JStG 1996 (mit Wirkung für Veräußerungen, die nach dem 31.12.1995 erfolgen)
    komme es nach dem ausdrücklichen Gesetzeswortlaut nicht mehr auf diesen Kausalzusammenhang an, sondern darauf, ob in der Person
    des Steuerpflichtigen (hier in der Person des Erben) die Voraussetzungen des § 16 Abs. 4 EStG vorlägen (s. Urteil des FG Köln
    vom 29. August 2007 12 K 1038/04, a.a.O.). Daher seien seit dem Streitjahr die persönlichen Voraussetzungen des Erben entscheidend
    (vgl. Kauffmann in Frotscher, EStG, § 16 EStG Rz 256).


    Auch die Finanzverwaltung folge dieser Auffassung, wie sich daraus ergebe, dass das Urteil des BFH vom 21. September 1995
    IV R 1/95 (a.a.O.) in H 139 (14) „Tod” EStH 1996 nicht mehr erwähnt sei.


    Der Veräußerungsgewinn sei laut den Feststellungen des Betriebsstättenfinanzamts der Klin zuzurechnen. Dieser umfasse sowohl
    den Verkauf des originären als auch den Verkauf des geerbten Mitunternehmeranteils, die sich aufgrund des Erbfalls zu einem
    größeren Mitunternehmeranteil vereinigt hätten. In der Person der Klin lägen die Voraussetzungen des § 16 Abs. 4 EStG vor.
    Der Freibetrag des § 16 Abs. 4 EStG könne daher nur ihr und auch nur einmal im Leben gewährt werden (§ 16 Abs. 4 Satz 2 EStG).


    Mit der mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 30. August 2010 erhobenen Klage begehrt die Klin unverändert sowohl
    für sich selbst als auch für ihren verstorbenem Ehemann die Berücksichtigung eines (ungekürzten) Freibetrages nach § 16 Abs.
    4 EStG in Höhe von EUR 45.000,–.


    Zur Begründung der Klage trug der Prozessbevollmächtigte der Klin Folgendes vor:

    Streitig sei, ob der 1938 geborenen Klin als Alleinerbin ihres 2006 verstorbenen Ehemannes X neben dem ihr nach § 16 Abs.
    4 EStG zustehenden Freibetrag zusätzlich der Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG ihres im Veranlagungszeitraum 2006 verstorbenen
    Ehemannes zustehe.


    Die Klin sei seit1961 mit dem Verstorbenen verheiratet gewesen. Für den Veranlagungszeitraum 2006 sei ausweislich der am 02.10.2007
    eingereichten ESt-Erklärung die Zusammenveranlagung nach § 26 EStG gewählt worden. Der 1935 geborene und 2006 verstorbene
    Ehemann sei ebenso wie die Klin Kommanditist der Y KG gewesen. Der verstorbene Ehemann habe mit Schreiben vom 28. Dezember
    2005 und somit noch zu seinen Lebezeiten seine Kommanditbeteiligung gekündigt und wäre, sofern er nicht vorher verstorben
    wäre, zum 31.12.2006 als Kommanditist aus der Y KG ausgeschieden. Die Y KG habe mit Schreiben vom 30.01.2006 den Eingang der
    fristgemäßen Kündigung bestätigt. Alleinerbin des 2006 verstorbenen Ehemanns sei die Klin.


    Die Klin habe ebenfalls mit Schreiben vom 28. Dezember 2005 ihre Kommanditbeteiligung gekündigt und sei zum 31.12.2006 als
    Kommanditistin aus der Y KG ausgeschieden. Da die Klin Alleinerbin des verstorbenen X sei und zum Todeszeitpunkt Kommanditistin
    der Y KG gewesen sei, hätten sich die zwei Kommanditanteile zu einem Kommanditanteil vereinigt (vgl. hierzu statt vieler nur
    Oetker in Kommentar zum Handelsgesetzbuch, München 2009, § 177 Rn 11).


    Ausweislich des der Klin nur in Auszügen vorliegenden Bescheides für 2006 über die gesonderte und einheitliche Feststellung
    von Besteuerungsgrundlagen des FA A für Körperschaften vom 28. September 2007 betreffend die Kommanditbeteiligungen an der
    Y KG seien für die Klin und für Herrn X jeweils Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von EUR 71.888,08 festgestellt worden.
    Darin enthalten sei jeweils ein steuerpflichtiger Veräußerungsgewinn von EUR 71.888,08.


    In Zeile 9 des Mantelbogens der am 02. Oktober 2007 eingereichten ESt-Erklärung 2006 sei bezogen auf die Person des Verstorbenen
    eingetragen worden: „verstorben 2006”. Ausweislich der Eintragung in Zeile 13 der jeweiligen Formularanlage GSE zur ESt-Erklärung
    2006 (Bl. 11 bzw. Bl. 16 der ESt-Akten) sei sowohl für die Klin als auch für deren verstorbenen Ehemann jeweils Antrag auf
    Gewährung des Freibetrages nach § 16 Abs. 4 EStG wegen Alters/Berufsunfähigkeit gestellt worden. Der Verstorbene sei zudem,
    wie den Eintragungen in Zeile 91 des Mantelbogens zu entnehmen sei, seit dem 14.02.2005 zu 100% behindert gewesen. Der entsprechende
    Nachweis sei bereits mit der ESt-Erklärung 2005 erbracht worden.


    Der Bekl habe mit Bescheid für 2006 über ESt, Zinsen zur ESt, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer vom 23. Januar 2008 in
    den Einkünften aus Gewerbebetrieb für den verstorbenen Ehemann und seine Ehefrau jeweils Veräußerungsgewinne aus der Kommanditbeteiligung
    an der Y KG in Höhe von EUR 71.888,08 berücksichtigt. Des Weiteren habe der Bekl mit vorstehend genanntem Bescheid antragsgemäß
    dem 2006 verstorbenen Ehemann und seiner Ehefrau jeweils einen Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG in Höhe von EUR 45.000,– gewährt.
    Über die Gewährung des Freibetrages nach § 16 Abs. 4 EStG sei, was zwischen der Klin und dem Bekl unstreitig sei, ausschließlich
    im Rahmen der ESt-Veranlagung der einzelnen Mitunternehmer zu entscheiden, da Alter und/oder Berufsunfähigkeit im Sinne des
    § 16 Abs. 4 Satz 1 EStG sowie ein etwaiger Verbrauch des Freibetrages im Sinne von § 16 Abs. 4 Satz 2 EStG persönliche Steuermerkmale
    seien (vgl. hierzu auch Wacker in Ludwig Schmidt, Einkommensteuergesetz, Kommentar, 29. Auflage 2010, § 16 Rz 588 m. w. N.,
    sowie Einspruchsentscheidung vom 28. Juli 2010, Seite 8). Der Bescheid für 2006 über ESt, Zinsen zur ESt, Solidaritätszuschlag
    und Kirchensteuer vom 23. Januar 2008 habe nach § 164 Abs. 1 AO unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gestanden und sei hinsichtlich
    der unter den Erläuterungen aufgeführten Punkte teilweise vorläufig gemäß § 165 Abs. 1 Satz 2 AO gewesen. Der der Klin und
    ihrem verstorbenen Ehemann gewährte Freibetrag sei nach § 16 Abs. 4 EStG nicht Gegenstand der vorläufigen Feststellungen gewesen.


    Mit Bescheid für 2006 über ESt, Zinsen zur ESt, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer vom 20. März 2008 sei der Bescheid
    vom 23. Januar 2008 nach § 164 Abs. 2 AO geändert und der Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben worden. Die Einkünfte aus der
    Y KG sowie die Freibeträge nach § 16 Abs. 4 EStG seien nicht Gegenstand der Änderungen durch Bescheid vom 20. März 2008 gewesen.


    Mit Bescheid für 2006 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen und des verrechenbaren
    Verlustes nach § 15a Absatz 4 EStG vom 09. Mai 2008 (im folgenden Feststellungsbescheid 2006) seien für die Klin als Erbin
    nach Herrn X nunmehr Einkünfte aus Gewerbebetrieb aus der Y KG in Höhe von EUR 0,00 und für sie selbst in Höhe von EUR 143.776,16
    festgestellt worden. Die Einkünfte der Klin bestünden in voller Höhe aus dem ihr bereits mit Bescheid für 2006 über die gesonderte
    und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen des FA A für Körperschaften vom 28. September 2007 zugewiesenen Veräußerungsgewinn
    in Höhe von EUR 71.888,08 und dem bisher für Herrn X festgestellten Veräußerungsgewinn in Höhe von ebenfalls EUR 71.888,08.


    Mit nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO geändertem Bescheid für 2006 vom 26. Januar 2009 über ESt, Zinsen zur ESt, Solidaritätszuschlag,
    und Kirchensteuer für Herrn X und Frau Z (im Folgenden: Änderungsbescheid) seien die Feststellungen zu den Veräußerungsgewinnen
    laut Feststellungsbescheid 2006 berücksichtigt worden. Darüber hinaus sei der mit Bescheid für 2006 vom 20. März 2008 über
    ESt, Zinsen zur ESt, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer Herrn X gewährte Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG mit Änderungsbescheid
    weder bei ihm noch bei der Klin als Alleinerbin des Verstorbenen berücksichtigt worden. Zudem sei mit dem Änderungsbescheid
    der der Klin in ihrer Person zustehende Freibetrag nach § 16 Abs. 4 Satz 3 EStG nunmehr erstmalig um den bisher für Herrn
    X festgestellten Veräußerungsgewinn aus der Y KG gekürzt worden. Mit Ausnahme des Verweises auf § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
    AO benenne der Änderungsbescheid keine weitere Rechtsgrundlage für den nunmehr ausschließlich der Klin gewährten, verminderten
    Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG.


    Der Bekl begründe die Zurückweisung des Einspruches zusammenfassend wie folgt (vgl. Seite 9 der Einspruchsentscheidung vom
    28. Juli 2010):


    Nach der Änderung des § 16 Abs. 4 EStG durch das Jahressteuergesetz 1996 komme es für die Gewährung des Freibetrags nach §
    16 Abs. 4 EStG entgegen dem Urteil des BFH vom 21. September 1995 IV R 1/95 (a.a.O.) nicht mehr auf das Rechtsgeschäft an,
    mit dem die Veranlassungskette rechtlich bindend in Gang gesetzt worden sei, es sei vielmehr ausschließlich darauf abzustellen,
    ob in der Person des Erben die Voraussetzungen des § 16 Abs. 4 EStG vorlägen.


    Zur Begründung seiner Rechtsauffassung verweise der Bekl auf Seite 9 der Einspruchsentscheidung auf das Urteil des FG Köln
    vom 29. August 2007 12 K 1038/04 (a.a.O.).


    Die vom Bekl vertretene Rechtsauffassung betreffend die Gewährung des Freibetrages nach § 16 Abs. 4 EStG habe keine gesetzliche
    Grundlage und stehe im offensichtlichen Widerspruch zur Rechtsprechung des BFH.


    Die erstmalige Versagung der Gewährung des Freibetrages nach § 16 Abs. 4 EStG für den verstorbenen Herrn X und die Kürzung
    des Freibetrages nach § 16 Abs. 4 EStG bei der Klin durch den streitbefangenen Änderungsbescheid seien unzulässig, da die
    Änderungen nicht auf § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO gestützt werden könnten. Über die Gewährung des Freibetrages nach § 16 Abs.
    4 EStG sei, wie zwischen dem Bekl und der Klin unstrittig sei, nicht im Feststellungsbescheid, sondern ausschließlich im EStBescheid
    zu entscheiden. Gemäß § 182 Abs. 1 AO entfalte der Feststellungbescheid keine Bindungswirkung hinsichtlich der Gewährung des
    Freibetrages und dessen Höhe (Urteil des BFH vom 21. September 1995 IV R 1/95, a.a.O. Seite 895, Ausführungen unter Ziffer
    2. lit. c) der Urteilsbegründung m.w.N.,; Brandis in Tipke/Kruse, AbgabenordnungFinanzgerichtsordnung, Kommentar, Stand Juni
    2010, § 182 Tz. 3 und 4). Mit Bescheid für 2006 über ESt, Zinsen zur ESt, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer vom 23. Januar
    2008 sei der Klin und ihrem verstorbenen Ehemann – dass dieser im Veranlagungszeitraum 2006 verstorben sei und zudem noch
    berufsunfähig gewesen sei, sei für den Bekl aufgrund der Eintragungen in den Zeilen 9 und 91 des Mantelbogens offensichtlich
    gewesen –
    jeweils der ungekürzte Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG in Höhe von EUR 45.000,– gewährt worden. Nachdem der Vorbehalt der Nachprüfung
    durch Bescheid für 2006 über ESt, Zinsen zur ESt, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer vom 20. März 2008 aufgehoben worden
    sei, könne die Versagung des Freibetrages für den Verstorbenen und die Kürzung des Freibetrages für seine Ehefrau, die Klin,
    weder – wie vom Bekl im Änderungsbescheid ausgeführt – auf § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO noch auf eine andere Änderungsvorschrift
    gestützt werden. Die Versagung des Freibetrages für den Verstorbenen und die Kürzung des Freibetrages bei der Klin im streitbefangenen
    Änderungsbescheid sei daher bereits aus verfahrensrechtlichen Gründen unzulässig und damit rechtswidrig.


    Für den Fall, dass entgegen den vorstehenden Ausführungen die Auffassung vertreten werden sollte, dass die Versagung des Freibetrages
    für den Verstorbenen und die Kürzung des Freibetrages bei seiner Ehefrau, der Klin, verfahrensrechtlich als zulässig zu erachten
    seien, verletze die Versagung des Freibetrages für den Verstorbenen ebenso wie die Kürzung des Freibetrages bei der Klin materielles
    Bundesrecht und stehe im offensichtlichen Widerspruch zu der Rechtsprechung des BFH und der herrschenden Meinung in der Literatur.


    Nach der Gesetzbegründung zu § 16 Abs. 4 EStG solle diese Vorschrift neben der Tarifvorschrift des § 34 EStG die Veräußerung
    oder Aufgabe kleiner Betriebe begünstigen, insbesondere wenn diese aus Altersgründen oder wegen Berufsunfähigkeit veräußert
    oder aufgegeben würden. Sinn dieser Regelung sei es, bestimmten natürlichen Personen aus sozialen Gründen eine persönliche
    Steuerbefreiung zu gewähren. Der Zweck dieser Vorschrift bestehe darin, bei geringem Veräußerungsgewinn auftretende Härten
    durch Gewährung völliger Steuerbefreiung zu beseitigen. Der Sinn und Zweck des § 16 Abs. 4 EStG sei im Rahmen seiner Auslegung
    zu beachten (vgl. hierzu grundlegend mit Verweis auf die entsprechende Rechtsprechung des BFH Hörger/Rapp in Littmann/Bitz/Pust,
    Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, 88. Ergänzungslieferung, Stand August 2010, § 16 Rn 238).


    Unter Beachtung von Sinn und Zweck der Vorschrift habe der BFH entschieden, dass in dem Fall, in dem der Erblasser das rechtsbegründende
    Kausalgeschäft noch zu Lebzeiten abgeschlossen habe und dieses durch den Erben lediglich verwirklicht werde, für die Anwendung
    des § 16 Abs. 4 EStG ausnahmsweise ausschließlich darauf abzustellen sei, ob der Erblasser und nur dieser die tatbestandlichen
    Voraussetzungen des § 16 Abs. 4 EStG zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kausalgeschäfts erfülle (Urteil des BFH vom 21. September
    1995 IV R 1/95, a.a.O., Seite 893; so auch das Urteil des FG Köln vom 29. August 2007 12 K 1038/04, a.a.O., S. 217 unter Ziffer
    5. der Urteilsbegründung; so auch ausdrücklich Geissler in Hermann/Heuer/Raupach, Einkommen- und Körperschaftsteuergesetz,
    Kommentar, Stand Juni 2010, § 16 Anm. 58; Kobor in Hermann/Heuer/Raupach, a.a.O., § 16 Anm. 510 mit weiteren Nachweisen; Wacker,
    a.a.O., § 16 Rz 579).


    Der Sinn und Zweck der Regelung des § 16 Abs. 4 EStG habe sich entgegen der Auffassung des Bekl auch nicht durch das JStG
    1996 geändert. Vielmehr habe gerade das FG Köln mit Urteil vom 29 August 2007 12 K 1038/04 (a.a.O.) in der Urteilsbegründung
    unter Ziffer 5. ausgeführt, dass die Entscheidung gerade nicht im Widerspruch zu dem Urteil des BFH vom 21. September 2005
    IV R 1/95 (a.a.O.) stehe, da es in dem Fall, über den das FG Köln zu entscheiden gehabt habe, keine Rolle gespielt habe, aus
    welcher causa heraus der Freibetrag zu gewähren sei (vgl. das Urteil des FG Köln vom 29. August 2007 12 K 1038/04, a.a.O.,
    S. 217). Der Bekl müsse sich, da er in seiner Einspruchsentscheidung nur auf dieses Urteil verweise (siehe hierzu Seite 8
    der Einspruchsentscheidung vom 28. Juli 2010), vorhalten lassen, dass er das zitierte Urteil offensichtlich nicht nur unvollständig
    ausgewertet habe, sondern darüber hinaus die herrschende Meinung in der Kommentierung zu § 16 Abs. 4 EStG vollständig außer
    Acht lasse.


    Herr X habe seine Kommanditbeteiligung zu Lebzeiten gekündigt. Die Kündigung, bei der es sich um eine einseitige, empfangsbedürftige
    und unwiderrufliche Willenserklärung des verstorbenen Herrn X handele, sei als Gestaltungsrecht mit Schutzwirkung gegenüber
    Dritten durch den Verstorbenen ausgesprochen worden. Der BFH habe mit dem bereits mehrmals zitierten Urteil vom 21. September
    1995 IV R 1/95 (a.a.O.) zweifelsfrei entschieden, dass für die Frage, ob den Erben der Freibetrag des Verstorbenen nach §
    16 Abs. 4 EStG zustehe, ausnahmsweise ausschließlich auf das Rechtsgeschäft abzustellen sei, mit dem die Veranlassungskette
    rechtlich bindend in Gang gesetzt worden sei, und daher in Fällen, in denen das Kausalgeschäft durch den Erblasser begründet
    worden sei und dieser zum Zeitpunkt des rechtsbegründenden Rechtsgeschäfts die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 16 Abs.
    4 EStG erfüllt habe, den Erben der Freibetrag des Erblassers zu gewähren sei.


    Das Kausalgeschäft sei in dem dieser Klage zugrunde liegenden Sachverhalt die durch Herrn X noch zu Lebzeiten ausgesprochene
    Kündigung seiner Kommanditbeteiligung an der Y KG. Die noch durch Herrn X ausgesprochene Kündigung habe die Veranlassungskette
    für ihn und seine Alleinerbin, die Klin, rechtlich bindend in Gang gesetzt. Nach Maßgabe des vorstehend genannten Urteils
    des BFH, des Urteils des FG Köln vom 29. August 2007 12 K 1038/04 (a.a.O.) und der herrschenden Meinung in der Literatur komme
    es, sofern der verstorbene Mitunternehmer das Rechtsgeschäft abgeschlossen habe, mit dem die Veranlassungskette rechtlich
    bindend in Gang gesetzt worden sei, ausschließlich darauf an, ob der Erblasser zum Zeitpunkt des Kausalgeschäfts die tatbestandlichen
    Voraussetzungen des § 16 Abs. 4 EStG erfüllt habe (vgl. das Urteil des BFH vom 21. September 1995, a.a.O., Seite 893; Urteil
    des FG Köln vom 29. August 2007, a.a.O., S. 215; Geissler, a.a.O., § 16 Anm. 58; Kobor, a.a.O., § 16 Anm. 510 mit weiteren
    Nachweisen; Wacker, a.a.O., § 16 Rz 579; Hörger/Rapp, a.a.O., § 16 Rn 247). Der Erblasser habe im hier zu beurteilenden Fall
    zum Zeitpunkt des Kausalgeschäfts unzweifelhaft die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 16 Abs. 4 Satz 1 und 2 EStG erfüllt.


    Betreffend § 16 Abs. 4 Satz 1 und 2 EStG sei ergänzend noch folgendes anzuführen: Nach dem Wortlaut des § 16 Abs. 4 Satz 1
    und 2 EStG in der für den Veranlagungszeitraum 2006 und derzeit unverändert geltenden Fassung sei der Freibetrag doppelt beschränkt.
    § 16 Abs. 4 Satz 1 EStG bestimme: „Hat
    der Steuerpflichtige das 55. Lebensjahr vollendet oder ist er im sozialversicherungsrechtlichen Sinne dauernd berufsunfähig, so wird der Veräußerungsgewinn
    auf Antrag zur ESt nur herangezogen, soweit er 45.000 Euro übersteigt.” § 16 Abs. 4 Satz 2 EStG regele zudem: „Der Freibetrag
    ist
    dem Steuerpflichtigen nur einmal zu gewähren.”


    Der BFH habe, wie dem Urteil vom 21. September 1995 eindeutig zu entnehmen sei, zur Frage, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen
    des § 16 Abs. 4 EStG erfüllt seien, in einem dieser Klage vergleichbaren Sachverhalt entschieden, dass für die Gewährung des
    Freibetrages bei Tod des Steuerpflichtigen, der die Kausalkette rechtlich bindend in Gang gesetzt habe, ausschließlich auf
    die Person des Erblassers abzustellen sei. Dem stehe weder entgegen, dass die Person, die die Veranlassungskette rechtlich
    bindend in Gang gesetzt habe, zum Zeitpunkt des dinglichen Rechtsgeschäfts nicht mehr lebe und der Veräußerungsgewinn deshalb
    nicht mehr in seiner Person, sondern in der Person des Rechtsnachfolgers verwirklicht werde (vgl. das Urteil des BFH vom 21.
    September 1995, a.a.O., Seite 893, unter Ziffer 1. der Urteilsbegründung,), noch dass nach § 16 Abs. 4 Satz 2 EStG der Freibetrag
    nur einmal in Anspruch genommen werden könne (vgl. das Urteil des FG Köln vom 29. August 2007, a.a.O., S. 215).


    Zur Frage, ob die Voraussetzungen des § 16 Abs. 4 Sätze 1 und 2 EStG erfüllt seien, sei in dem dieser Klage zugrunde liegenden
    Sachverhalt allein auf die Person des Erblassers abzustellen (vgl. auch Geissler, a.a.O., § 16 Anm. 58; Kobor, a.a.O., § 16
    Anm. 510 mit weiteren Nachweisen; Wacker, a.a.O., 16 Rz 579; Hörger/Rapp, a.a.O., § 16 Rn 247). Allein dies führe zu einer
    dem Sinn und Zweck des § 16 Abs. 4 EStG entsprechenden zutreffenden Auslegung dieser Vorschrift und verhindere völlig unbillige
    und willkürliche Rechtsfolgen. Solche Rechtsfolgen träten insbesondere dann ein, wenn zur Frage, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen
    des § 16 Abs. 4 EStG erfüllt seien, wie vom Bekl im Schreiben vom 08. Juli 2009 auf Seite 5 ausgeführt, auf die Person des
    Erblassers und des Erben abgestellt würde. Wie bereits vorstehend ausgeführt, sei in dem Falle, in dem der Erblasser das rechtlich
    bindende Rechtsgeschäft abgeschlossen und damit die Kausalkette in Gang gesetzt habe, das rechtlich bindende, durch den Erblasser
    abgeschlossene Rechtsgeschäft maßgebend. Auf dieses habe der Erbe keinen Einfluss (gehabt). Da der Erblasser und nur dieser
    mittels Rechtsgeschäfts die Kausalkette begründet habe, die zu dem logischerweise durch den Erben verwirklichten Veräußerungs-/Aufgabegewinn
    geführt habe, sei bei der Anwendung des § 16 Abs. 4 EStG nur auf die Person des Erblassers abzustellen. Sofern für die Frage,
    ob der Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG zu gewähren sei, außer für die Person des Erblassers für weitere Personen – nämlich
    für die Erben – zu prüfen wäre, ob diese die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 16 Abs. 4 EStG ebenfalls (punktuell) erfüllen,
    würde dies dazu führen, dass die Anwendung des § 16 Abs. 4 EStG letztendlich ein „reines Lotteriespiel” wäre, da weder der
    Erblasser, der das Kausalgeschäft abgeschlossen habe, Kenntnis über die steuerlichen Gegebenheiten bei den Erben habe, noch
    die Erben den Geschehensablauf beeinflussen könnten. Für den Fall, dass die Klin die Alleinerbschaft zugunsten des einzigen
    Abkömmlings ausgeschlagen hätte, müsste nach Auffassung des Bekl der Freibetrag gewährt werden, obwohl der Abkömmling weder
    das 55. Lebensjahr vollendet habe noch dauernd berufsunfähig sei, aber bei diesem kein Objektverbrauch vorliege (vgl. hierzu
    die Ausführungen des Bekl im Schreiben vom 08. Juli 2009, Seite 5: Bl. 12 ff. der Rechtsbehelfsakten). Dieselbe Rechtsfolge
    würde sich auch ergeben, wenn nur bei Herrn X ein Objektverbrauch nach § 16 Abs. 4 Satz 2 vorläge. Nach Auffassung des Bekl
    führe dies dazu, dass, sofern bei den oder dem Erben kein Objektverbrauch nach § 16 Abs. 4 Satz 2 EStG vorliege, der Freibetrag
    des Verstorbenen nach § 16 Abs. 4 Satz 1 EStG wieder auflebe. Es sei offensichtlich, dass solch willkürliche und unbillige
    Rechtsfolgen nicht dem vom Gesetzgeber gewollten Sinn und Zweck des § 16 Abs. 4 EStG Rechnung tragen würden. Bei der Anwendung
    des § 16 Abs. 4 EStG sei daher entgegen der Auffassung des Bekl ausschließlich für eine Person, im vorliegenden Fall für den
    Erblasser, zu prüfen, ob dieser die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 16 Abs. 4 Sätze 1
    und 2 EStG erfülle. Die vom BFH unter Beachtung des Sinns und Zwecks der Regelung des § 16 Abs. 4 EStG ergangene Rechtsprechung
    werde von der Literatur ausnahmslos geteilt (vgl. Wacker, a.a.O., § 16 Rz 579; Geissler, a.a.O., § 16 Anm. 58; Kobor, a.a.O.,
    § 16 Anm. 510 mit weiteren Nachweisen). Lediglich der Bekl vertrete hierzu eine abweichende Rechtsansicht, die offensichtlich
    unzutreffend sowie unzureichend begründet sei und darüber hinaus den Sinn und Zweck des § 16 Abs. 4 EStG in keiner Weise würdige.


    Der verstorbene Herr X erfülle unter Beachtung der mehrmals zitierten höchstrichterlichen Rechtsprechung zum Zeitpunkt des
    Abschlusses des Kausalgeschäfts, auf das hier ausnahmsweise abzustellen sei, unzweifelhaft die tatbestandlichen höchstpersönlichen
    Voraussetzungen des § 16 Abs. 4 Satz 1 EStG. Herr X und nur dieser sei somit Steuerpflichtiger im Sinne des § 16 Abs. 4 Satz
    1 EStG für die durch ihn begründete Aufgabe seines Kommanditanteils. Es sei denkgesetzlich ausgeschlossen, die personenbezogen
    Tatbestandsbestandsvoraussetzungen des § 16 Abs. 4 Satz 1 und 2 EStG, die jeweils nur für den Steuerpflichtigen zu prüfen
    seien, getrennt für zwei unterschiedliche Steuerpflichtige zur Anwendung zu bringen. Dies ergebe sich bereits aus dem Wortlaut
    des § 16 Abs. 4 Satz 2 EStG: „Der Freibetrag ist
    dem Steuerpflichtigen nur einmal zu gewähren.” § 16 Abs. 4 Satz 2 EStG beziehe sich somit auf den Steuerpflichtigen, der die tatbestandlichen Voraussetzungen
    des § 16 Abs. 4 Satz 1 EStG erfülle (vgl. Geissler, a.a.O., § 16 Anm. 58). Dies sei im vorliegenden Fall Herr X. Da bei dem
    Verstorbenen bisher kein Objektverbrauch im Sinne von § 16 Abs. 4 Satz 2 EStG vorliege (vgl. die Feststellungen durch Bescheid
    für 2006 über ESt, Zinsen zur ESt, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer vom 23. Januar 2008 und Bescheid für 2006 über ESt,
    Zinsen zur ESt, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer vom 20. März 2008), seien in der Person des Verstorbenen die Voraussetzungen
    für die Gewährung des Freibetrages nach § 16 Abs. 4 EStG erfüllt. Es sei für die Prüfung der tatbestandlichen Voraussetzungen
    des § 16 Abs. 4 Sätze 1 und 2 EStG daher völlig unbeachtlich, dass laut Feststellungsbescheid 2006 der Veräußerungsgewinn
    für den durch Herrn X gekündigten Kommanditanteil nunmehr seiner Ehefrau, der Kl, zugerechnet werde. Für die Frage, ob die
    tatbestandlichen Voraussetzungen des § 16 Abs. 4 EStG für den durch Herrn X gekündigten Kommanditanteil erfüllt seien, sei
    allein auf den Zeitpunkt des Abschlusses des Kausalgeschäfts zu Lebzeiten des Herrn X abzustellen. Dies ergebe sich unter
    Beachtung des Urteils des BFH vom 21. September 1995 und des Urteils des FG Köln vom 29. August 2007 bereits aus dem Wortlaut
    des § 16 Abs. 4 EStG. Zudem entspreche allein diese Auslegung dem Sinn und Zweck des § 16 Abs. 4 EStG, nämlich die bei einem
    geringen Veräußerungsgewinn auftretenden Härten durch Gewährung völliger Steuerbefreiung zu beseitigen.


    Ausgehend von der Rechtsprechung des BFH sei auch nur gegen den ESt-Änderungsbescheid vom 26. Januar 2009 und nicht gegen
    den Feststellungsbescheid vom 09. Mai 2008 Einspruch einzulegen gewesen (vgl. Urteil des BFH vom 21. September 1995, a.a.O.,
    Seite 895, Ausführungen unter Ziffer 2. lit. c) der Urteilsbegründung m.w.N.; Brandis in Tipke/Kruse, a,a.O., § 182 Tz. 3
    und 4; Wacker in Ludwig Schmidt, a.a.O., § 16 Rz 579).


    Die Klin beantragt,

    den Bescheid für 2006 über ESt, Zinsen zur ESt, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer vom 26. Januar 2009 und die hierzu
    ergangene Einspruchsentscheidung vom 28. Juli 2010 aufzuheben,


    hilfsweise die Revision zuzulassen,

    die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.

    Der Bekl beantragt,

    die Klage abzuweisen,

    hilfsweise die Revision zuzulassen.

    Zur Begründung verweist er auf die Ausführungen in seiner Einspruchsentscheidung vom 28. Juli 2010. Ergänzend trägt er Folgendes
    vor:


    Für 2006 seien die Einkünfte der Klin und die ihres inzwischen verstorbenen Ehemannes aus der Beteiligung an der Y KG gemäß
    §§ 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a, 179 Abs. 2 Satz 2 AO gesondert und einheitlich festzustellen gewesen. Die Feststellung der
    einkommensteuerpflichtigen Einkünfte im Sinne des § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO beschränke sich nicht auf die Art, Höhe,
    Steuerbarkeit und Steuerpflicht der Einkünfte, deren Verteilung auf die beteiligten Personen und die zeitliche Zuordnung der
    Einkünfte; es seien darüber hinaus auch die für die Besteuerungshöhe relevanten Feststellungen zu treffen, d.h. ob es sich
    um steuerbegünstigte Einkünfte (Veräußerungsgewinn) handle (R 16 (13) Satz 2 EStR 2006; Urteil des BFH vom 04. September 1996
    Xl R 50/96 BStBI II 1997, 261 m.w.N., und Urteil des Niedersächsischen FG vom 13. Oktober 1997 IX 316/96, a.a.O.).


    Im geänderten Bescheid für 2006 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen und des verrechenbaren
    Verlustes nach § 15a Abs. 4 EStG vom 09. Mai 2008, mit dem die Einkünfte aus der Y KG festgestellt worden seien, sei für die
    Klin ein Veräußerungsgewinn in Höhe von 143.776,16 Euro festgestellt worden. Für den Ehemann sei hingegen kein Veräußerungsgewinn
    festgestellt worden.


    An die Feststellungen im Grundlagenbescheid, ob und in welcher Höhe ein Veräußerungsgewinn vorliege, sei das FA, das den Folgebescheid
    erlasse, gemäß § 182 Abs. 1 AO gebunden.


    Nach § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO sei ein Steuerbescheid zu erlassen, aufzuheben oder zu ändern, soweit ein Grundlagenbescheid, dem
    Bindungswirkung für diesen Steuerbescheid zukomme, erlassen, aufgehoben oder geändert werde. Im Streitfall sei daher nach
    Ergehen des geänderten Feststellungsbescheids für 2006 vom 09. Mai 2008 die ESt-Festsetzung mit Bescheid vom 26. Januar 2009
    geändert worden. Dass dabei nunmehr der bisher dem Ehemann nach § 16 Abs. 4 EStG gewährte Freibetrag entfallen sei und sich
    der der Klin nach § 16 Abs. 4 EStG gewährte Freibetrag vermindert habe, entspreche der gesetzlichen Regelung.


    Nach der Rechtsprechung des BFH begründe § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO eine absolute Anpassungsverpflichtung. Die Vorschrift
    bezwecke die Ermittlung und Festsetzung der zutreffenden Steuer, wobei sie der materiellen Richtigkeit des Folgebescheids
    den Vorrang vor der Bestandskraft eines ergangenen Folgebescheids einräume. Aus der Bindungswirkung des Grundlagenbescheids
    für den Folgebescheid (§ 182 Abs. 1 AO) ergebe sich, dass dieser die Aufgabe habe, dem Folgebescheid in verbindlicher Weise
    bestimmte Besteuerungsgrundlagen zuzuführen. Die Anpassung des Folgebescheids an den Grundlagenbescheid rechtfertige jedoch
    keine Wiederaufrollung der gesamten Steuerveranlagung, sondern die Anpassungspflicht reiche nur so weit, wie die Bindungswirkung
    des Grundlagenbescheids es verlange (Beschluss des BFH vom 06. November 2009 VIII B 38/09, BFH/NV 2010, 177; Urteile des BFH
    vom 07. Mai 2008 X R 21/05, BFH/NV 2008, 1436; vom 29. Juni 2005 X R 31/04, BFH/NV 1749; vom 04. September 1996 XI R 50/96,
    a.a.O.; Urteil des FG Baden-Württemberg vom 28. Januar 2009 2 K 582/07, EFG 2009, 721, Urteil des Niedersächsischen FG vom
    13. Oktober 1997 IX 316/96, a.a.O.). Aus dem vorstehend dargelegten Sinn und Zweck der Vorschrift ergebe sich, dass eine Änderung
    des Folgebescheids zur Herbeiführung eines materiell richtigen Ergebnisses es erfordere, den in dem geänderten Grundlagenbescheiden
    festgestellten und nur der Klin zugeordneten Veräußerungsgewinn der Einkommensbesteuerung zugrunde zu legen. Dies habe den
    Wegfall des Freibetrags nach § 16 Abs. 4 EStG beim Ehemann und die Kürzung des Freibetrags nach § 16 Abs. 4 EStG bei der Klin
    zur Folge. Insoweit handle es sich um eine mittelbare Folge der Anpassung des Folgebescheids an den Grundlagenbescheid durch
    Anwendung der Vorschriften des EStG.


    Der von der Klin erhobene Einwand, dass über die Gewährung des Freibetrags nach § 16 Abs. 4 EStG nicht im Feststellungsbescheid,
    sondern ausschließlich im EStBescheid zu entscheiden sei, treffe zwar zu. Sie verkenne jedoch, dass dies für die hier zu beantwortende
    Rechtsfrage unerheblich sei. Denn die Übernahme der im Grundlagenbescheid getroffenen Feststellung hinsichtlich der Zuordnung
    des Veräußerungsgewinns allein auf die Klin in den angefochtenen ESt-Bescheid (Folgebescheid) führe in diesem nach den hierbei
    zu beachtenden Vorschriften des EStG zum Wegfall des Freibetrags nach § 16 Abs. 4 EStG beim Ehemann und zur Kürzung des Freibetrags
    nach § 16 Abs. 4 EStG bei der Klin.


    Im Termin zur mündlichen Verhandlung verwiesen die Vertreter des Bekl ergänzend auf die Urteile des BFH vom 19. Januar 2010
    VIII R 49/07 (BFH/NV 2010, 870) und vom 28. November 2007 X R 12/07 (BStBl II 2008, 193). Aus dem erstgenannten Urteil ergebe
    sich, dass sowohl für die Anwendung der Übergangsregelung des § 52 Abs. 34 Satz 3 EStG als auch für die Anwendung des § 16
    Abs. 4 EStG das Vollzugsgeschäft maßgebend sei. Aus dem letztgenannten Urteil ergebe sich, dass für die Prüfung der Frage,
    ob die Voraussetzungen für die Berücksichtigung des Freibetrages vorlägen, auf den Veräußerungszeitpunkt abzustellen sei und
    dass als Veräußerungszeitpunkt nicht der Abschluss des Verpflichtungsgeschäfts maßgebend sei, sondern der Übergang des (mindestens)
    wirtschaftlichen Eigentums an den wesentlichen Betriebsgrundlagen.


    Im Feststellungsbescheid des FA für Körperschaften in A vom 09. Mai 2008 sei der Veräußerungsgewinn vollständig der Klin zugerechnet
    worden. Der „Steuerpflichtige” i.S. des § 16 Abs. 4 EStG sei damit allein die Klin. Der Freibetrag könne ihr nach § 16 Abs.
    4 EStG Satz 2 in der für das Streitjahr gültigen Fassung nur einmal gewährt werden.


    Der Vertreter der Klin trug demgegenüber vor, dass nach dem Urteil des BFH vom 21. September 1995 IV R 1/95 (a.a.O.) der Feststellungsbescheid
    keine Bindungswirkung (§ 182 AO) bezüglich der Höhe des Freibetrags entfalte.


    Entscheidungsgründe

    Die Klage ist begründet.

    Der mit der Klage angefochtene ESt-Änderungsbescheid vom 26. Januar 2009 ist rechtswidrig, da sowohl für die Klin selbst als
    auch für ihren verstorbenen Ehemann ein (jeweils ungekürzter) Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG zu berücksichtigen ist
    (I.) und die Voraussetzungen des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO für eine Änderung des dem angefochtenen ESt-Änderungsbescheid vorausgegangenen
    ESt-Bescheids vom 20. März 2008 nicht vorlagen
    (II.).


    I. Materielle Rechtslage.

    1. Gemäß § 16 Abs. 1 EStG gehören zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch Gewinne, die bei der Veräußerung des ganzen Gewerbebetriebs
    oder eines Teilbetriebs (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG) oder des gesamten Anteils eines Gesellschafters, der als Unternehmer
    (Mitunternehmer) des Betriebs anzusehen ist (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG), erzielt werden. Ein „Härteausgleich für die punktuelle
    Besteuerung der – teilweise über einen längeren Zeitraum entstandenen – stillen Reserven” (Beschluss des Großen Senats des
    BFH vom 19. Juli 1993 GrS 2/92, BFHE 172, 66, BStBl II 1993, 897) wird durch § 16 Abs. 4 EStG in der für das Streitjahr gültigen
    Fassung dadurch gewährt, dass der Veräußerungsgewinn auf Antrag zur ESt nur herangezogen wird, soweit er 45.000 EUR übersteigt,
    wenn der Steuerpflichtige das 55. Lebensjahr vollendet hat oder er im sozialversicherungsrechtlichen Sinne dauernd berufsunfähig
    ist. Der Freibetrag ist dem Steuerpflichtigen nur einmal zu gewähren; er ermäßigt sich um den Betrag, um den der Veräußerungsgewinn
    136.000 EUR übersteigt (§ 16 Abs. 4 Sätze 2 und 3 EStG).


    2. Der BFH hat zu § 16 Abs. 4 EStG in der Fassung vor der Änderung durch das JStG 1996 mit Urteil vom 21. September 1995 IV
    R 1/95 (a.a.O.) entschieden, dass die Erben den erhöhten Freibetrag nach § 18 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 16 Abs. 4 Satz 3 EStG
    beanspruchen können, wenn noch der Praxisinhaber (Erblasser) seine freiberufliche Praxis wegen dauernder Berufsunfähigkeit
    verkauft hat, die Praxis aber erst nach seinem Tode übertragen wird. Zu diesem Ergebnis gelangte der BFH, obwohl er auch schon
    in dem genannten Urteil davon ausgegangen ist, dass


    ? unter „Veräußerung” i.S. des § 16 EStG der Übergang des (mindestens) wirtschaftlichen Eigentums an den wesentlichen Betriebsgrundlagen,
    also das dingliche Rechtsgeschäft, zu verstehen ist und


    ? der Veräußerungsgewinn deshalb nicht mehr in der Person des Praxisinhabers (Erblassers) verwirklicht worden ist, weil dieser
    zu dem vorgesehenen Zeitpunkt des Übergangs der Praxis bereits verstorben war.


    Dies begründete der BFH in dem genannten Urteil wie folgt:

    „Ist demnach unter „Veräußerung” i.S. des § 16 EStG der Übergang des (mindestens) wirtschaftlichen Eigentums an den wesentlichen
    Betriebsgrundlagen, also das dingliche Rechtsgeschäft, zu verstehen, so hindert das doch nicht, für die Frage, ob eine Veräußerung
    i.S. des § 16 Abs. 4 Satz 3 EStG „wegen” dauernder Berufsunfähigkeit erfolgt ist, auf das Rechtsgeschäft abzustellen, mit
    dem die Veranlassungskette rechtlich bindend in Gang gesetzt wurde, also auf das Kausalgeschäft, das seinerseits den Rechtsgrund
    für das nachfolgende Verfügungsgeschäft bildet. Daher kommt es im Fall, dass der Praxisinhaber die Praxis wegen dauernder
    Berufsunfähigkeit veräußert und stirbt, bevor diese auf den Erwerber übergegangen war, für die Gewährung des erhöhten Freibetrages
    18 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 16 Abs. 4 Satz 3 EStG) auf die persönlichen Verhältnisse des Erblassers an. Denn der Eintritt
    des Erbfalls konnte nichts mehr an der Tatsache ändern, dass noch der Erblasser seinen Entschluss, seine Praxis wegen seiner
    dauernden Berufsunfähigkeit zu veräußern, bereits verwirklicht hatte und die Praxis auch ohne seinen Tod am 1. April 1988
    auf den Erwerber übergegangen wäre. Für den Senat war entscheidend, dass die Kläger durch den noch vom Erblasser abgeschlossenen
    Vertrag als dessen Rechtsnachfolger gebunden waren. Den Klägern kommt folgerichtig auch der erhöhte Freibetrag des § 16 Abs.
    4 Satz 3 EStG zugute. § 16 Abs. 4 Satz 3 EStG greift nach seiner Zielsetzung, eine durch dauernde Berufsunfähigkeit veranlasste
    Betriebsveräußerung zu begünstigen (BFH-Urteil vom 18. August 1981 VIII R 25/79, BFHE 134, 548, BStBl II 1982, 293), im Streitfall
    ein. Da auch der Gewinn aus der Veräußerung der Praxis (§ 18 Abs. 3 EStG) bei den Klägern anfällt bzw. bei ihnen als den Rechtsnachfolgern
    auch nachträgliche Einkünfte aus der Praxis anfallen (vgl. Senatsurteil vom 29. April 1993 IV R 16/92, BFHE 171, 385, BStBl
    II 1993, 716), ist es nur folgerichtig, ihnen den Freibetrag wegen der dauernden Berufsunfähigkeit des Erblassers zu gewähren.”


    3. Die vorstehenden – vom BFH entwickelten – Grundsätze gelten nach der nahezu einhelligen Auffassung in der Literatur (vgl.
    z.B. Kanzler, Finanzrundschau – FR – 1995, 851; Stahl in Korn, § 16 EStG Rz. 417; Hörger/Rapp in Littmann/Bitz/Pust, § 16
    Rz. 247; Schmidt/Wacker EStG § 16 Rz. 579; Reiß in Kirchhof, EStG § 16 Rn. 505; Blümich/Schallmoser, § 16 EStG Rz. 697; Geissler
    in Hermann/Heuer/Raupach, § 16 EStG, Anm. 510; a.A. wohl nur Kauffmann in Frotscher, EStG, § 16 EStG Rz. 256, der allerdings
    auf die Möglichkeit eines Billigkeitserlasses hinweist: „ggf. sachliche Unbilligkeit”), der sich der Senats anschließt, auch
    für den durch das JStG 1996 neugefassten § 16 Abs. 4 EStG.


    Die vom Bekl unter Hinweis auf Kauffmann (a.a.O.) vertretene Auffassung, dass die vom BFH in seinem Urteil vom 21. September
    1995 IV R 1/95 (a.a.O.) entwickelten Grundsätze nicht mehr anzuwenden seien, weil es nach der Änderung des § 16 Abs. 4 EStG
    durch das JStG 1996 (mit Wirkung für Veräußerungen, die nach dem 31.12.1995 erfolgen) nicht mehr auf den Kausalzusammenhang
    zwischen dauernder Berufsunfähigkeit und Veräußerung des Betriebs bzw. Mitunternehmeranteils ankomme, sondern darauf, ob in
    der Person des Erben die Voraussetzungen des § 16 Abs. 4 EStG erfüllt seien, vermag nicht zu überzeugen. Denn die Entstehungsgeschichte
    des JStG 1996 bietet keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass mit dem Wegfall der Präposition „wegen” in § 16 Abs. 4 EStG, auf
    die der Bekl offensichtlich abhebt, eine sachliche Änderung beabsichtigt gewesen wäre.


    Die Neuformulierung des § 16 Abs. 4 EStG wurde durch den Bundesrat in das Gesetzgebungsverfahren des JStG 1996 eingeführt.
    Der Gesetzesvorschlag wurde wie folgt begründet:


    „Zu Buchstabe b (§ 16 Abs. 4 EStG)

    Die Freibeträge nach § 16 Abs. 4 Satz 1 und § 17 Abs. 3 (vgl. Nummer 31) bisheriger Gesetzesfassung werden gestrichen.

    Der Freibetrag nach § 16 Abs. 4 Satz 3 bisheriger Gesetzesfassung wird unter Angleichung der Altersgrenze an das reguläre
    Pensionsalter von Arbeitnehmern beibehalten.


    Nur unter den Voraussetzungen der Berufsunfähigkeit bzw. der Erreichung des Pensionsalters ist ein soziales Bedürfnis für
    die Entlastung durch einen Freibetrag darstellbar, wobei dieser aufgrund seiner Personenbezogenheit auch dann insgesamt nur
    einmal im Leben zu gewähren ist, wenn der Steuerpflichtige mehrere Betriebe oder Mitunternehmeranteile etc. hat.


    Andererseits soll der Freibetrag zugunsten des Steuerpflichtigen künftig auch dann voll gewährt werden, wenn Gegenstand der
    Veräußerung nicht ein ganzer Betrieb, sondern nur ein Teilbetrieb oder ein Anteil an einem Betriebsvermögen ist. Nach bisheriger
    Rechtslage ist hingegen nur ein „entsprechender Teil” des Freibetrags anzusetzen. Dies zwingt zu einer kaum durchführbaren
    Ermittlung eines fiktiven Gewinns, der bei Veräußerung des gesamten Betriebs möglich wäre (ggf. auch unter Einschluss eines
    Geschäftswerts und der stillen Reserven des Sonderbetriebsvermögens aller Mitunternehmer). Der Verzicht auf die Quotelung
    erscheint dogmatisch folgerichtig, da der Freibetrag eine personenbezogene, die individuelle Leistungsfähigkeit berücksichtigende
    Vergünstigung darstellt. Die individuelle Leistungsfähigkeit eines ausscheidenden Mitunternehmers ist nämlich davon unabhängig,
    ob er einen kleinen Anteil an einem großen Betriebsvermögen oder einen entsprechend größeren Anteil an einem kleineren Betriebsvermögen
    veräußert.


    Von dem beizubehaltenden Freibetrag wegen Alters oder Berufsunfähigkeit abgesehen, handelt es sich bei den Freibeträgen nach
    § 16 Abs. 4, § 17 Abs. 3 um systemwidrige Vergünstigungen, die den zu versteuernden Totalgewinn verfälschen (vgl. Traxel,
    Die Freibeträge des EStG, 1986, S. 180 ff., sowie Gutachten zur Reform der direkten Steuern, Schriftenreihe des BMF, Heft
    9, 1967, S. 24). Der Zusammenballung von Einkünften, die in den Fällen der §§ 16 und 17 eintritt, wird durch die Tarifermäßigung
    nach § 34 ausreichend Rechnung getragen. Die Entstehung eines Veräußerungsgewinns richtet sich im wesentlichen danach, in
    welchem Umfang in der Phase der aktiven Einkunftstätigkeit stille Reserven gebildet wurden. Dies ist wesentlich von der Bilanzpolitik
    des Steuerpflichtigen abhängig – z. B. von der Wahl der Abschreibungsmethode – und daher kein sachlicher Grund für eine Steuerfreistellung.
    Die Ansammlung stiller Reserven bewirkt nicht einmal eine Bindung der betreffenden Mittel an den Betrieb. Die erhebliche Verminderung
    der Fälle, in denen Freibeträge zu gewähren sind, wird die Praxis von zahlreichen veranlagungs- und rechentechnischen Problemen
    entlasten.”


    (Stellungnahme des Bundesrates zum Entwurf eines JStG 1996 – Drucksache 13/1173, BTDrucks 13/1686, S. 36).

    Den vorstehenden Ausführungen lässt sich keine Begründung für den Wegfall der Präposition „wegen” entnehmen. Der Senat schließt
    daraus, dass mit deren Wegfall keine sachliche Änderung beabsichtigt war. Denn wenn eine solche beabsichtigt gewesen wäre,
    wäre im Hinblick darauf, dass eine andere sachliche Änderung der Regelung des § 16 Abs. 4 EStG – nämlich der Verzicht auf
    die Quotelung bei dem Ansatz von Freibeträgen bei der Veräußerung nur eines Teilbetriebs bzw. nur eines Anteils an einem Betriebsvermögens
    – ausdrücklich näher begründet wurde, ein entsprechender Hinweis zu erwarten gewesen. Da ein solcher Hinweis fehlt, ist mit
    Kanzler (FR 1995, 851, 852) davon auszugehen, dass die Präposition „wegen” nur deshalb entfallen ist, weil sie sprachlich
    nicht mehr erforderlich war, nachdem der alters- und krankheitsbezogene Freibetrag nicht mehr als erhöhter, sondern als alleiniger
    Freibetrag für die Aufgabe und Veräußerung gewährt wurde.


    4. Lediglich ergänzend sei darauf hingewiesen, dass sich die Präposition „wegen” ohnehin nur auf das Merkmal der Berufsunfähigkeit
    bezog. Bei Erfüllung der Altersvoraussetzungen (Vollendung des 55. Lebensjahres) wurde ein Zwang zur Aufgabe oder Veräußerung
    schon vor der Änderung des § 16 Abs. 4 EStG durch das JStG 1996 typisierend unterstellt (vgl. Kanzler, a.a.O.)


    5. Soweit der Bekl unter Hinweis auf die Urteile des BFH vom 19. Januar 2010 VIII R 49/07 (BFH/NV 2010, 870) und vom 28. November
    2007 X R 12/07 (BStBl II 2008, 193) geltend macht, dass


    ? sowohl für die Anwendung der Übergangsregelung des § 52 Abs. 34 Satz 3 EStG als auch für die Anwendung des § 16 Abs. 4 EStG
    das Vollzugsgeschäft maßgebend sei und


    ? für die Frage, ob die Voraussetzungen für die Berücksichtigung des Freibetrages vorlägen, auf den Veräußerungszeitpunkt
    abzustellen sei und als Veräußerungszeitpunkt nicht der Abschluss des Verpflichtungsgeschäfts maßgebend sei, sondern der Übergang
    des (mindestens) wirtschaftlichen Eigentums an den wesentlichen Betriebsgrundlagen,


    ist dies zwar grundsätzlich zutreffend. Doch weil dies alles auch schon vor der Änderung des § 16 Abs. 4 EStG durch das JStG
    2006 galt, können die vom Bekl angeführten Urteile kein Grund dafür sein, die vom BFH in seinem Urteil vom 21. September 1995
    IV R 1/95 (a.a.O.) entwickelten Grundsätze auf die durch das JStG 1996 geändert Fassung des § 16 Abs. 4 EStG nicht mehr anzuwenden.
    Das Abstellen auf das Kausalgeschäft bzw. auf die persönlichen Verhältnisse des Erblassers, wenn dieser „das Rechtsgeschäft,
    mit dem die Veranlassungskette rechtlich bindend in Gang gesetzt wurde”, noch selbst abgeschlossen hatte und die Erben nach
    dessen Tod an dieses Rechtsgeschäft gebunden waren, stellte schon bisher – und stellt auch heute noch – eine Ausnahme von
    dem Grundsatz dar, dass für die Frage, ob die Voraussetzungen für die Berücksichtigung des Freibetrages vorliegen, auf den
    Erben und auf das dingliche Rechtsgeschäft (Erfüllungsgeschäft) abzustellen ist. Der Streitfall unterscheidet sich von dem
    vom BFH mit Urteil vom 21. September 1995 IV R 1/95 (a.a.O.) entschiedenen Fall nur dadurch, dass der Erblasser (Ehemann der
    Klin) nicht einen Kaufvertrag abgeschlossen, sondern die Kündigung eines Gesellschaftsverhältnisses ausgesprochen hatte. Dies
    rechtfertigt jedoch keine andere Entscheidung als im Falle des genannten BFH-Urteils, weil die Erbin (Klin) an die Kündigung
    als einseitige verbindliche (unwiderrufliche) Willenserklärung in gleicher Weise gebunden war, wie sie im Falle eines Verkaufs
    der Beteiligung durch ihren Ehemann an den Kaufvertrag gebunden gewesen wäre.


    6. Erst recht kann es zu keiner anderen Beurteilung des Streitfalls führen, dass die Klin an der Y KG selbst ebenfalls beteiligt
    war und sie ihren Anteil an der genannten KG ebenfalls veräußert hat. Der Berücksichtigung eines Freibetrages nach § 16 Abs.
    4 EStG für den verstorbenen Ehemann der Klin neben dem eigenen Freibetrag der Klin steht insbesondere auch die Vorschrift
    des § 16 Abs. 4 Satz 2 EStG nicht entgegen, da es sich bei den beiden Freibeträgen um solche für zwei verschiedene Personen
    handelt. Dass im Ergebnis beide Freibeträge der Klin zu gute kommen, ändert daran nichts, da dies lediglich die Folge davon
    ist, dass die Klin Alleinerbin ihres verstorbenen Ehemannes geworden ist.


    II. Umfang der Bindungswirkung des ändernden Feststellungsbescheids des FA für Körperschaften in A vom 09. Mai 2008 und Änderungsbefugnis
    des Bekl nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO.


    1. Die Berücksichtigung eines Freibetrages für den verstorbenen Ehemann der Klin ist entgegen der Auffassung des Bekl auch
    nach Ergehen des ändernden Feststellungsbescheids des FA für Körperschaften in A vom 09. Mai 2008 noch möglich. Dass in dem
    genannten Bescheid nur noch ein einheitlicher Veräußerungsgewinn für die Klin festgestellt wurde, statt – wie im vorausgegangenen
    Feststellungsbescheid vom 28. September 2007 – jeweils gesonderte Veräußerungsgewinne für die Klin und ihren verstorbenen
    Ehemann, steht dem nicht entgegen, da damit nicht bindend darüber entschieden wurde, ob neben dem Freibetrag für die Klin
    auch ein Freibetrag für deren verstorbenen Ehemann zu berücksichtigen ist.


    a) Nach der Rechtsprechung des BFH (vgl. das Urteil vom 21. September 1995 IV R 1/95, a.a.O., m.w.Nachw.) wird bei der Veräußerung
    eines Betriebs durch die Mitunternehmerschaft über die Höhe des Freibetrages (erst) bei der Einkommensteuerveranlagung der
    Mitunternehmer entsprechend ihren persönlichen Verhältnissen (vgl. BFH-Urteil vom 17. April 1980 IV R 58/78, BStBl II 1980,
    721) entschieden. Gleiches muss nach Auffassung des erkennenden Senats dann gelten, wenn nicht die Mitunternehmerschaft ihren
    Betrieb, sondern – wie im Streitfall – ein Mitunternehmer seine Beteiligung an der Gesellschaft/Mitunternehmerschaft veräußert.


    b) Wenn, wie im Streitfall, ausnahmsweise der Erbin der erhöhte Freibetrag zu gewähren ist, weil die Veräußerung der Beteiligung
    noch durch eine Maßnahme des Erblassers in Gang gesetzt wurde, kann über diese Frage ebenso wie bei dem Verkauf durch eine
    Erbengemeinschaft abschließend erst bei der Einkommensteuerveranlagung der Erbin entschieden werden. Denn der zu versteuernde
    Veräußerungsgewinn fällt erst bei der Erbin an (vgl. auch hierzu das Urteil des BFH vom 21. September 1995 IV R 1/95, a.a.O.,
    m.w.Nachw.).


    c) Dass im ändernden Feststellungsbescheid des FA für Körperschaften in A vom 09. Mai 2008 nur noch ein einheitlicher Veräußerungsgewinn
    (in Höhe der Summe der im Feststellungsbescheid 2006 vom 28. September 2007 für beide Ehegatten festgestellten Veräußerungsgewinne)
    für die Klin festgestellt wurde, ist allein dem Umstand geschuldet, dass der Veräußerungsgewinn in voller Höhe – auch soweit
    er aus der Veräußerung des ursprünglichen Anteils ihres Ehemannes resultierte – erst in ihrer Person entstanden ist. Damit
    hat das FA für Körperschaften in A jedoch keine Entscheidung darüber getroffen, ob für den verstorbenen Ehemann der Klin noch
    ein Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG zu berücksichtigen ist, obwohl er den Zeitpunkt des vorgesehenen Übergangs seines Anteils
    nicht erlebt hat. Gemäß § 182 Abs. 1 AO hat der genannte Feststellungsbescheid deshalb hinsichtlich dieser Frage auch keine
    Bindungswirkung entfalten können.


    2. Da der Feststellungsbescheid des FA für Körperschaften in A vom 09. Mai 2008 keine Bindungswirkung bezüglich der Frage
    entfaltet, ob für den verstorbenen Ehemann der Klin ein zusätzlicher Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG zu berücksichtigen ist,
    hatte sein Erlass auch keine Änderungsbefugnis nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO zur Folge, da diese nur so weit reicht wie
    die Bindungswirkung des Feststellungsbescheids. Da auch die Voraussetzungen einer anderen Änderungsvorschrift nicht erfüllt
    sind, waren der angefochtene ESt-Änderungsbescheid vom 26. Januar 2009 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom
    28. Juli 2010 antragsgemäß aufzuheben.


    III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).


    IV. Die Revision war wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Streitsache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) zuzulassen. Grundsätzlichen
    Bedeutung ist der Streitsache insbesondere deshalb beizumessen, weil bisher – soweit ersichtlich – nicht höchstrichterlich
    darüber entschieden wurde, ob die vom BFH in seinem Urteil vom 21. September 1995 IV R 1/95 (a.a.O.) entwickelten Grundsätze
    auch nach der Änderung des § 16 Abs. 4 EStG durch das JStG 2006 noch anzuwenden sind.


    V. Dem Antrag der Klin, die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären (§ 139 Abs. 3 Satz
    3 FGO), war zu entsprechen, da dem Verfahren ein Sachverhalt zugrunde lag, der in rechtlicher Hinsicht nicht von vornherein
    als einfach zu beurteilen war.

    VorschriftenEStG § 16 Abs. 1, EStG § 16 Abs. 4, AO § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 1