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  • 31.05.2013

    Finanzgericht Berlin-Brandenburg: Urteil vom 07.03.2013 – 10 K 10056/09

    1. Ingenieur i. S. d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 EStG ist, wer über die erforderliche Berufsqualifikation verfügt und eine Ingenieurtätigkeit
    tatsächlich ausübt. Das gilt auch dann, wenn der Ingenieur im Anschluss an sein erfolgreich abgeschlossenes Ingenieurstudium
    auf einem beliebigen anderen Hauptgebiet des Ingenieurwesens in ingenieurtypischer Weise selbstständig berufstätig ist.


    2. Daher ist auch ein Diplom-Ingenieurs (FH) für Holztechnik als Ingenieur i. S. d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 EStG anzuerkennen,
    wenn er angesichts der von ihm ausgeführten qualifizierten EDV-Dienstleistungen (u. a. Softwareentwicklung und -anpassung,
    Software-Evaluierung, Erstellung von Datenbanken, Software-Konfiguration und Netzwerk-Administration für Firmenkunden) im
    IT-Bereich planend, konstruktiv und beratend und damit ingenieurtypisch tätig ist. Insoweit sind auch die Erstellung von Datenbanken,
    Software-Konfiguration und Netzwerk-Administration als freiberuflich einzustufen, sofern sie im Rahmen von Firmennetzwerken
    und nicht auf dem für Privatanwender ausreichenden Niveau erbracht werden, da sie regelmäßig nicht durch einen durchschnittlichen
    Computeranwender erledigt werden können, sondern spezielles Wissen eines Fachmanns voraussetzen.


    3. Eine freiberufliche Tätigkeit im IT-Bereich wird nicht dewegen zu einer gewerblichen Tätigkeit, weil als Hilfstätigkeit
    z. B. zur Softwareentwicklung und zur Beratung auch Materialien wie einzelne Drucker, Notebooks, Festplatten, Kabel, Toner
    etc. zum Einkaufspreis mitgeliefert werden.


    IM NAMEN DES VOLKES

    URTEIL

    In dem Rechtsstreit


    hat das Finanzgericht Berlin-Brandenburg – 10. Senat – aufgrund mündlicher Verhandlung vom 07. März 2013 durch die Vorsitzende
    Richterin am Finanzgericht …, den Richter am Finanzgericht … und den Richter am Finanzgericht … sowie die ehrenamtlichen Richter
    Frau … und Herrn …


    für Recht erkannt:


    Die Bescheide über den Gewerbesteuermessbetrag 2001 und 2002 vom 18. April 2008 sowie die Bescheide über den Gewerbesteuermessbetrag
    2003 bis 2005 vom 11. April 2008 und die dazu erlassene Einspruchsentscheidung vom 02. März 2009 werden aufgehoben.


    Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.

    Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung
    in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs des Klägers abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben
    Höhe leistet.


    Beschluss:

    Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten zum Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

    Tatbestand:

    Die Beteiligten streiten um die Frage, ob der Kläger zur Gewerbesteuer heranzuziehen ist.

    Der 1952 geborene Kläger studierte zunächst Holztechnik an der Fachhochschule B., die ihm aufgrund der 1978 erfolgreich abgelegten
    Abschlussprüfung den akademischen Grad eines Diplom-Ingenieurs (FH) für Holztechnik verlieh. Im Anschluss studierte er Bauingenieurwesen
    an der Technischen Universität C.. Das Vordiplom erhielt er 1982. Während des Hauptstudiums war er dort studentischer Mitarbeiter
    am Institut D. und nahm Lehraufgaben im Bereich der Entwicklung von Computerprogrammen wahr. Das Hauptstudium schloss er nicht
    ab. Im Verlauf seines weiteren Berufsweges war er bei verschiedenen Unternehmen im Bereich der Softwareentwicklung beschäftigt.


    In den Streitjahren war der Kläger selbständig auf dem Gebiet der Informationstechnologie tätig. Er nahm unter der Bezeichnung
    „Dipl.-Ing. A., Softwareentwicklung, EDV-Berater” am Geschäftsverkehr teil. Seine Berufstätigkeit bestand zu einem wesentlichen
    Teil darin, Softwareprodukte für seine Auftraggeber und deren Kunden zu entwickeln, bestehende Software seiner Auftraggeber
    an individuelle Kundenbedürfnisse anzupassen sowie das Zusammenspiel von Software-Produkte dritter Firmen mit der seiner Auftraggeber
    zu erproben. Daneben entwarf und betreute er Server und Netzwerke (Installation, Wartung und Administration). Auf die entsprechenden
    Bestätigungsschreiben sowohl der Firma E. vom 12. Dezember 2007 und vom 25. Mai 2009 als auch der Firma F. vom 07. Dezember
    2007 nimmt das Gericht wegen der näheren Einzelheiten Bezug. Es handelte sich um zwei Hauptauftraggeber des Klägers.


    Im Rahmen seiner Projekte bezog der Kläger zum Teil auch Hardware-Komponenten für seine Auftraggeber, die er ihnen zu seinem
    eigenen Einkaufspreis in Rechnung stellte. Auf die zum BP-Arbeitsbogen genommenen Rechnungen des Klägers vom 31. März 2005,
    vom 11. April 2005, 20. Mai 2005, 13. Juni 2005, 13. September 2005, 07. Oktober 2005 und 28. Oktober 2005 nimmt das Gericht
    wegen der näheren Einzelheiten Bezug.


    Die Gewinne aus der genannten Betätigung ermittelte der Kläger nach § 4 Abs. 3 Einkommensteuergesetz – EStG – und deklarierte
    sie als Einkünfte aus freiberuflicher Betätigung im Sinne des § 18 EStG.


    In den Jahren 2007 und 2008 führte der Beklagte beim Kläger eine Außenprüfung durch. Der Prüfer kam zu dem Ergebnis, dass
    die Betätigung des Klägers einen Gewerbebetrieb im Sinne des § 2 Abs. 1 Gewerbesteuergesetz – GewStG – darstelle. Er begründete
    diese Einschätzung mit dem Argument, dass der Kläger keine Tätigkeit ausübe, die der eines Ingenieurs oder eines Ingenieur
    ähnlichen Berufs entspreche.


    In Auswertung des Betriebsprüfungsberichts erließ der Beklagte Gewerbesteuermessbetragsbescheide für die Streitjahre wie folgt:

    Gewerbesteuermessbetrag 2001 in Höhe von 615,08 Euro (Bescheid vom 18. April 2008)

    Gewerbesteuermessbetrag 2002 in Höhe von 320,00 Euro (Bescheid vom 18. April 2008)

    Gewerbesteuermessbetrag 2003 in Höhe von 76,00 Euro (Bescheid vom 11. April 2008)

    Gewerbesteuermessbetrag 2004 in Höhe von 399,00 Euro (Bescheid vom 11. April 2008)

    Gewerbesteuermessbetrag 2005 in Höhe von 318,00 Euro (Bescheid vom 11. April 2008)

    Zugleich ergingen entsprechende Gewerbesteuerfestsetzungen.

    Hiergegen wehrte sich der Kläger fristgerecht mit Einspruch.

    Er verfüge angesichts seines akademischen Grades über die für eine freiberufliche Betätigung erforderliche Ausbildung. In
    den 70er Jahren seien Studiengänge im Bereich der Informationstechnologie und Softwareentwicklung unüblich gewesen, weshalb
    er sich diese Spezialkenntnisse im weiteren Verlauf seines Berufsweges theoretisch und praktisch als Autodidakt angeeignet
    habe. Da er sich vorwiegend im Bereich der Softwareentwicklung betätige, entspreche die Art seiner Berufstätigkeit ebenfalls
    der eines Freiberuflers.


    Mit Einspruchsentscheidung vom 02. März 2009 wies der Beklagte die Einsprüche als unbegründet zurück.

    Die Tätigkeit des Klägers entspreche nicht einem der in § 18 EStG genannten Katalogberufe. Zwar sei der Kläger Diplom-Ingenieur
    für Holztechnik. Diesen Beruf habe er allerdings nicht ausgeübt.


    Die Tätigkeit des Klägers sei zudem auch nicht der eines EDV-Ingenieurs oder Diplom-Informatikers ähnlich. Er habe weder eine
    vergleichbare berufliche Qualifikation nachgewiesen noch arbeite er gleich einem freiberuflichen EDV-Ingenieur oder Diplom-Informatiker.
    Denn neben der Entwicklung und Erweiterung von Software seiner Auftraggeber habe er sich zusätzlich der Software-Evaluierung,
    der Erstellung von Datenbanken, der Software-Konfiguration, der Netzwerk-Administration sowie dem An- und Verkauf von Hardware
    gewidmet. Dies begründe die Gewerblichkeit der gesamten beruflichen Betätigung.


    Hiergegen wehrt sich der Kläger mit seiner fristgerecht erhobenen Klage.

    Schon im Rahmen seiner Diplomarbeit an der Fachhochschule B. habe er ein Computerprogramm entwickelt. Einen entsprechenden
    Schwerpunkt habe er auch während seines Studiums an der TU C. gesetzt. Weitere Kenntnisse im Bereich der Softwareentwicklung
    habe er im Verlauf seiner berufspraktischen Tätigkeit erworben. Im Ergebnis verfüge er über ein Wissensspektrum, das dem eines
    ausgebildeten Diplom-Informatikers entspreche. Auch die Tätigkeit eines Autodidakten könne als freiberuflich anerkannt werden.
    Seine im Wesentlichen aus der Planung, Konstruktion und Überwachung von Software-Produkten bestehende Tätigkeit entspreche
    der für einen Diplom-Ingenieur charakteristischen Vorgehensweise. Die Auffassung des Beklagten, dass – isoliert betrachtet
    gewerbliche – Nebentätigkeiten zur Gewerblichkeit der gesamten Betätigung führten, sei nicht korrekt. Denn eine „Abfärberegelung”
    finde auf Einzelunternehmer keine Anwendung. Entscheidend sei vielmehr, welche Tätigkeit der Gesamtbetätigung das Gepräge
    gebe. Prägend sei in seinem Falle die Programmiertätigkeit.


    Der Kläger beantragt,

    die Bescheide für 2001 bis 2005 über Gewerbesteuer und Gewerbesteuermessbetrag vom 18. April 2008 bzw. vom 11. April 2008 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 02. März 2009
    des Beklagten aufzuheben sowie


    die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig

    zu erklären.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Er hält an seiner Einspruchsentscheidung fest.

    Dem Senat haben bei seiner Entscheidungsfindung die den Kläger und die Streitjahre betreffende Gewerbesteuerakte, ein Band
    Betriebsprüfungsakten und ein Band Betriebsprüfungsberichte sowie der Arbeitsbogen des Betriebsprüfers vorgelegen.


    Entscheidungsgründe:

    1. Die Klage ist zulässig. Der Senat versteht die Klageschrift im Sinne einer rechtsschutzgewährenden Auslegung dahingehend,
    dass sie sich gegen die Bescheide über den Gewerbesteuermessbetrag und nicht zugleich gegen die Gewerbesteuerbescheide als
    deren Folgebescheide richtet (vgl. § 351 Abs. 2 Abgabenordnung – AO –).


    2. Die zulässige Klage ist begründet, da die angefochtenen Gewerbesteuermessbetragsbescheide rechtswidrig sind und den Kläger
    in seinen Rechten verletzen (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung – FGO–). Die streitgegenständliche Tätigkeit des Klägers
    war nicht gewerblich im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG i.V.m. § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG. Der Kläger war vielmehr freiberuflich
    als Ingenieur im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG tätig und damit nach § 2 Abs. 1 Satz 1 und 2 GewStG i.V.m. § 15 Abs.
    2 Satz 1 EStG und § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG nicht Subjekt der Gewerbesteuer. Denn nach den letztgenannten Vorschriften
    ist die selbständige Berufstätigkeit eines Ingenieurs eine freiberufliche und keine gewerbliche Tätigkeit.


    a) Der unstreitig selbständig tätige Kläger war im streitgegenständlichen Zeitraum Ingenieur im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr.
    1 Satz 2 EStG. Ingenieur im Sinne dieser Vorschrift ist, wer über die erforderliche Berufsqualifikation verfügt und eine Ingenieurtätigkeit
    tatsächlich ausübt (zutreffend BFH, Urteil vom 22. September 2009 – VIII R 31/07, BStBl. II 2010, 467, Rz. 10).


    aa) Der Kläger verfügte über die erforderliche Berufsqualifikation. Er gehörte nach seiner Ausbildung zu dem nach dem Gesetzeswortlaut
    des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG begünstigten Berufszweig der Ingenieure. Über die persönliche Qualifikation als Ingenieur
    verfügt angesichts der Prägung des Berufsbildes des Ingenieurs durch die Ingenieurgesetze der Länder derjenige, der aufgrund
    seiner Ausbildung an einer wissenschaftlichen Hochschule, einer Fachhochschule oder eines Betriebsführerlehrganges an einer
    Bergschule befugt ist, die Berufsbezeichnung „Ingenieur” zu führen (BFH, Urteil vom 22. September 2009 – VIII R 31/07, BStBl.
    II 2010, 467, Rz. 11). Der Kläger war in den Streitjahren aufgrund seines erfolgreich absolvierten Studiums an der Fachhochschule
    B. und des ihm verliehenen akademischen Grads „Diplom-Ingenieur (FH)” berechtigt, die Berufsbezeichnung „Ingenieur” zu führen
    [Art. 1 des Gesetzes zum Schutze der Berufsbezeichnung „Ingenieur” und „Ingenieurin” (Ingenieurgesetz – IngG) vom 27. Juli
    1970, Bay. GVBl. 1970, Seite 336; Übersicht über die Ingenieurgesetze der Länder in BFH, Urteil vom 18. Juni 1980 – I R 109/77,
    BStBl. II 1981, 118.].


    bb) Der Kläger übte im streitgegenständlichen Zeitraum eine Ingenieurstätigkeit auch tatsächlich aus.

    (1) Der Umstand, dass er seinen Abschluss zwar im Studiengang Holztechnik erworben, die streitgegenständliche Tätigkeit aber
    im IT-Bereich ausgeübt hat, ist in diesem Zusammenhang unschädlich. Zwar ist die Tätigkeit des Ingenieurs normalerweise auf
    ein bestimmtes Fachgebiet beschränkt (siehe dazu Sarrazin in Lenski/Steinberg, GewStG, Kommentar, § 2 GewStG Anm. 836). Sinn
    und Zweck des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG erfordern indes nicht, dass ein Ingenieur nur dann Freiberufler sein kann, sofern
    er sich nach Studienabschluss der seinem Studium entsprechenden Fachrichtung tatsächlich widmet. Es genügt vielmehr, wenn
    er im Anschluss an sein erfolgreich abgeschlossenes Ingenieurstudium auf einem beliebigen Hauptgebiet des Ingenieurwesens
    in ingenieurtypischer Weise selbständig berufstätig ist (siehe etwa BFH, Urteil vom 06. September 2006 – XI R 3/06, BStBl.
    II 2007, 118, unter II.3.b) der Gründe: Wirtschaftsingenieure könnten unabhängig vom Studienschwerpunkt Freiberufler sein,
    sofern sie anschließend auf einem Hauptgebiet des Ingenieurwesens selbständig tätig sind; dazu allerdings kritisch Kempermann,
    FR 2007, 184). Erforderlich ist nach Auffassung des Senats lediglich, dass der Steuerpflichtige sich eine Bandbreite grundlegender
    technikwissenschaftlicher Ingenieurkenntnisse im Rahmen einer qualifizierten Vorbildung angeeignet hat. Der mit dem zeitintensiven
    Erwerb dieses Grundlagenwissens als Basis der Berufsausübung verbundene Einkommensverlust rechtfertigt die Besserstellung
    freiberuflicher Ingenieure in gewerbesteuerrechtlicher Hinsicht gegenüber anderen im technischen Bereich selbständig Tätigen
    (BFH, Urteil vom 14. Juni 2007 – XI R 11/06, BFH/NV 2007, 2091, unter II.3.a) der Gründe). Der Erwerb hinreichend vertiefter
    Kenntnisse allein in dem tatsächlich ausgeübten Teilgebiet des Ingenieurwesens reicht für die Anerkennung einer freiberuflichen
    Betätigung einerseits nicht aus. Der Erwerb solcher Kenntnisse in dem konkret ausgeübten Teilgebiet ist hierfür andererseits
    aber auch nicht zwingend erforderlich, da der entscheidende Gesichtspunkt für die Privilegierung des in § 18 Abs. 1 Nr. 1
    Satz 2 EStG genannten Katalogberufes „Ingenieure” nicht die im Einzelfall gegebene Qualität der geleisteten (ingenieurtypischen)
    Arbeit, sondern die genannte Breite und Tiefe der absolvierten Ausbildung im Allgemeinen ist.


    (2) Der Kläger war in den Streitjahren auf einem Hauptgebiet des Ingenieurwesens, der Datenverarbeitungstechnik, selbständig
    tätig. Zu den das Berufsbild der Ingenieure prägenden Aufgaben gehört es im Generellen auf der Grundlage naturwissenschaftlicher
    und technischer Erkenntnisse und unter Berücksichtigung wirtschaftlicher Belange technische Werke zu planen, zu konstruieren
    und ihre Fertigung zu überwachen (zutreffend BFH, Urteil vom 22. September 2009 – VIII R 31/07, BStBl. II 2010, 467, unter
    II.1.b)aa) der Gründe m.w.N.). Übertragen auf den IT-Bereich sind ingenieurtypische Aufgaben daher die Entwicklung und Konstruktion
    von Hard- und Software, die Entwicklung von Betriebssystemen und ihre Anpassung an die Bedürfnisse des Kunden, der Aufbau,
    die Betreuung und Verwaltung von Firmennetzwerken und -servern, die Anpassung vorhandener Systeme an Bedingungen im Einzelfall
    sowie die Bereitstellung qualifizierter Dienstleistungen, wie etwa Netz- und Systemadministration, Benutzerservice und Schulung
    sowie die Bewertung bestehender Systeme (zutreffend BFH, Urteil vom 22. September 2009 – VIII R 31/07, BStBl. II 2010, 467,
    unter II.1.b)bb) der Gründe). Der Senat ist angesichts der plausiblen Bestätigungsschreiben sowohl der Firma E. als auch der
    Firma F. sowie der Ausführungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung überzeugt, dass der Kläger angesichts der von ihm
    ausgeführten qualifizierten EDV-Dienstleistungen in den Streitjahren den genannten Anforderungen entsprechend im IT-Bereich
    planend, konstruktiv und beratend und damit ingenieurtypisch tätig war. Dies gilt nicht nur für die Softwareentwicklung und
    -anpassung, sondern insbesondere auch für die durch den Kläger erbrachte Software-Evaluierung, Erstellung von Datenbanken,
    Software-Konfiguration und Netzwerk-Administration. Der Senat stuft auch solche Betätigungen, sofern sie im Rahmen von Firmennetzwerken
    und nicht auf dem für Privatanwender ausreichenden Niveau erbracht werden, als freiberuflich ein. Denn es sind Verrichtungen,
    die regelmäßig nicht durch einen durchschnittlichen Computeranwender erledigt werden können, sondern spezielles Wissen eines
    Fachmanns voraussetzen. Derart qualifizierte EDV-Dienstleistungen haben grundsätzlich freiberuflichen Charakter (in diesem
    Sinne zutreffend auch Demuth, EStB 2010, 85).


    b) Die streitgegenständliche Tätigkeit des Klägers ist trotz einzelner gewerblicher Elemente insgesamt als freiberuflich einzuordnen.
    Die Argumentation des Beklagten, der Kläger habe gegenüber seinen Kunden im Rahmen seiner Betätigung zusätzlich gewerbliche
    Leistungen erbracht und sei daher insgesamt als Gewerbetreibender zu behandeln, überzeugt den Senat nicht. Zwar können Aktivitäten
    wie der zusätzliche Verkauf von Hardware durch einen IT-Ingenieur zur Gewerblichkeit der Gesamtbetätigung führen. Dies gilt
    indes nicht in Fällen, in denen dem Absatz von Hardware als Nebenarbeit nur dienende Funktion gegenüber der Betätigung als
    Ingenieur zukommt, weil letzterer im Rahmen der Entwicklung individueller Kundenlösungen oder der Betreuung von Firmenrechnern
    beispielsweise einzelne Bauteile für den Kunden liefert (siehe etwa BFH, Urteil vom 24. April 1997 – IV R 60/95, BStBl. II
    1997, 567). Eine solche Betätigung ist steuerlich einheitlich nach dem vorherrschenden Element der ingenieurtypischen Arbeit
    als freiberuflich zu qualifizieren. Der Senat ist nach dem Studium der Rechnungen des Klägers über die Lieferung von Materialien
    wie einzelner Drucker, Notebooks, Festplatten, Kabel, Toner etc. zu der Überzeugung gelangt, dass dieser Teil seiner Betätigung
    nur Hilfscharakter im Rahmen der Entwicklungs- und Beratungsarbeit hatte. Da es sich lediglich um einzelne Komponenten handelt,
    die der Kläger im Kundenauftrag bezogen und zum Einkaufspreis weiterberechnet hat, ist nicht davon auszugehen, dass die Betätigung
    des Klägers durch den Handel mit Computerzubehör oder das bloße Zusammenstecken und Installieren von Computerteilen geprägt
    war.


    3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §
    151 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung – ZPO –. Der Beschluss über die Notwendigkeit der Hinzuziehung
    eines Bevollmächtigten zum Vorverfahren beruht auf § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO und dem Umstand, dass die Sach- und Rechtslage
    nicht so einfach war, dass der Kläger auf sachkundige Vertretung hätte verzichten müssen.

    VorschriftenEStG § 15 Abs. 2 S. 1, EStG § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 2, GewStG § 2 Abs. 1 S. 1, GewStG § 2 Abs. 1 S. 2