02.05.2003 · IWW-Abrufnummer 031022
Bundesfinanzhof: Urteil vom 20.03.2003 – VI R 147/00
Vermietet der Arbeitnehmer seinem Arbeitgeber einen Raum, der als dessen Büro zu qualifizieren ist und in dem der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung erbringt, so handelt es sich nicht um ein häusliches Arbeitszimmer i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b EStG. Die Abzugsbeschränkung dieser Vorschrift greift deshalb nicht ein.
Gründe:
I.
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist als Steuersachbearbeiter für die Buchstelle L GmbH (Buchstelle) tätig. Diese hat ihre Zentrale in X und unterhält zwei Außenstellen. Die Buchstelle hat zur Betreuung ihrer Mandanten ca. 150 "Außendienstmitarbeiter" eingesetzt. Diese verfügen ebenso wie der Kläger nicht über einen Arbeitsplatz in den Räumen der Zentralstelle bzw. einer Außenstelle. Die Buchstelle hat vielmehr für die Außendienstmitarbeiter jeweils einen Büroraum angemietet, der sich im räumlichen Bezirk der betreuten Mandanten befindet. Vermieter dieser Räumlichkeiten sind, wie im Streitfall, in ca. 50 Fällen "die Außendienstmitarbeiter" selbst.
Im Jahre 1993 mietete die Buchstelle vom Kläger einen im Kellergeschoss seines Hauses gelegenen Büroraum mit ca. 35 qm Nutzfläche. Die vereinbarte Miete belief sich im Streitjahr 1997 auf 200 DM monatlich. Die Buchstelle stattete den Büroraum mit der erforderlichen "Technik" (PC, Drucker, Fax, ISDN-Telefonanlage, DFÜ, Rechenmaschine) aus. In dem Büroraum wurden u.a. die Unterlagen der vom Kläger betreuten Mandanten der Buchstelle aufbewahrt. Die berufliche Nutzung des Büroraums durch den Kläger betrug vom zeitlichen Umfang mehr als 50 v.H. seiner gesamten beruflichen Tätigkeit. In seiner Einkommensteuererklärung für 1997 setzte der Kläger die von der Buchstelle vereinnahmte Miete von insgesamt 2 400 DM als Einnahmen bei seinen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung an. Die Werbungskosten betrugen 8 221 DM, so dass sich der auf den Büroraum entfallende Werbungskostenüberschuss auf 5 821 DM belief. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) vertrat im Einkommensteuerbescheid 1997 sowie in der Einspruchsentscheidung die Auffassung, die von der Buchstelle gezahlten Mieten seien gemäß § 21 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) bei den vom Kläger erzielten Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zu erfassen. Der Abzug der dem Kläger für das Arbeitszimmer entstandenen Aufwendungen sei nach § 9 Abs. 5 i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b Satz 3 EStG auf 2 400 DM beschränkt. Den Einnahmen in Höhe von 2 400 DM stünden somit beschränkt abzugsfähige Werbungskosten in gleicher Höhe gegenüber.
Das Finanzgericht (FG) gab der dagegen gerichteten Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2000, 1314 veröffentlichten Gründen statt. Zur Begründung führte das FG aus, es könne dahingestellt bleiben, ob die vom Kläger aufgrund des Mietvertrages bezogenen Einnahmen in Höhe von 2 400 DM bei seinen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung oder bei denen aus nichtselbständiger Arbeit zu erfassen seien. Da das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten beruflichen Betätigung des Klägers bilde, finde die Abzugsbeschränkung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b Satz 3 letzter Halbsatz EStG keine Anwendung.
Mit seiner Revision machte das FA zunächst geltend, das finanzgerichtliche Urteil verstoße gegen § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b EStG i.V.m. § 9 Abs. 5 EStG. Das Arbeitszimmer sei nicht Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung des Klägers. Nachdem das Urteil des erkennenden Senats vom 19. Oktober 2001 VI R 131/00 (BFHE 197, 98, BStBl II 2002, 300) veröffentlicht worden ist, trägt das FA vor, das FG habe keine Feststellungen dazu getroffen, ob der Kläger bei der Vermietung des Außendienst-Mitarbeiterbüros mit Einkünfteerzielungsabsicht gehandelt habe. Ferner fehlten Feststellungen dazu, dass der zwischen dem Kläger und der Buchstelle abgeschlossene Mietvertrag dem Üblichen entsprochen habe.
Das FA beantragt, das vorinstanzliche Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Zur Begründung trägt er vor, der eigentliche Kernbereich seiner Tätigkeit sei die Erstellung der Buchführung und vor allem die der Bilanz. Im Übrigen habe der Senat mit Urteil in BFHE 197, 98, BStBl II 2002, 300 --inzident-- entschieden, dass der zwischen dem Kläger und der Buchstelle über den Büroraum geschlossene Mietvertrag steuerlich anzuerkennen sei.
II.
Die Revision des FA ist unbegründet, sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
1. Auf der Grundlage der vom FG getroffenen Feststellungen ist der vom Kläger geltend gemachte Werbungskostenüberschuss bei seinen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu berücksichtigen. Der zwischen dem Kläger und der Buchstelle bestehende Mietvertrag über das Außendienst-Mitarbeiterbüro ist steuerlich anzuerkennen. Insoweit verweist der Senat auf die Ausführungen im Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) in BFHE 197, 98, BStBl II 2002, 300. Dort hat der Senat entschieden, dass die Zahlungen der Buchstelle aufgrund der Mietverträge mit ihren Arbeitnehmern nicht als Arbeitslohn zu erfassen sind. Dem Urteil ist zu entnehmen, dass es sich bei den angemieteten Räumen um Büros des Arbeitgebers handelt.
2. Aufgrund der vom FG getroffenen Feststellungen und den dem Senat aus dem Verfahren VI R 131/00 gerichtsbekannten Tatsachen ergibt sich, dass auch im Streitfall die von der Buchstelle gezahlten Mieten beim Kläger zu den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung gehören. Insoweit hat das FG festgestellt, dass nur ca. 50 der insgesamt 150 Außendienst-Mitarbeiterbüros von den Arbeitnehmern an die Buchstelle vermietet worden sind. In den ca. 100 anderen Fällen sind demnach die Mietverträge nicht mit den Arbeitnehmern, sondern mit anderen Personen geschlossen worden. Dass der zwischen dem Kläger und der Buchstelle geschlossene Mietvertrag dem Inhalt und der Höhe der Miete nach dem entspricht, was die Buchstelle auch in den anderen, mit fremden Dritten geschlossenen Mietverträgen vereinbart hat, ist dem erkennenden Senat aufgrund des Revisionsverfahrens VI R 131/00 gerichtsbekannt. Davon sind die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vom 20. März 2003 unterrichtet worden.
3. Entgegen der Auffassung des FA bedurfte es keiner weiteren Feststellungen zum Vorliegen der Einkunftserzielungsabsicht beim Kläger. Daraus, dass Gegenstand des Mietvertrages zwischen dem Kläger und der Buchstelle das im Hause des Klägers gelegene Außendienst-Mitarbeiterbüro ist, ergeben sich in Bezug auf die Überschusserzielungsabsicht keine besonderen Anforderungen. Nach dem Regelungszweck des § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG ist bei einer auf Dauer angelegten Vermietungstätigkeit grundsätzlich davon auszugehen, dass der Steuerpflichtige auf die voraussichtliche Dauer der Nutzung des Grundstücks beabsichtigt, letztlich einen Einnahmenüberschuss zu erwirtschaften, solange der Mietzins nicht weniger als 75 v.H. der ortsüblichen Marktmiete beträgt, selbst wenn sich über längere Zeiträume Werbungskostenüberschüsse ergeben (BFH-Urteile vom 30. September 1997 IX R 80/94, BFHE 184, 406, BStBl II 1998, 771, und vom 5. November 2002 IX R 48/01, BFH/NV 2003, 253). Eine Vermietungstätigkeit ist auf Dauer angelegt, wenn sie nach den bei Beginn der Vermietung ersichtlichen Umständen keiner Befristung unterliegt (BFH-Urteil vom 9. Juli 2002 IX R 57/00, BFH/NV 2002, 1394).
Von einer auf Dauer angelegten Vermietungstätigkeit ist auch dann auszugehen, wenn ein Arbeitnehmer, hier der Kläger, ein in seinem Haus gelegenes Außendienst-Mitarbeiterbüro an seinen Arbeitgeber vermietet. Der Mietvertrag zwischen dem Kläger und der Buchstelle ist auf unbestimmte Zeit geschlossen und kann von jedem Teil auf den Schluss eines Kalenderjahres unter Einhaltung einer Frist von drei Monaten gekündigt werden. Der Mietvertrag enthält keine Koppelung an das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der Buchstelle. Da die vereinbarte Miete dem entspricht, was die Buchstelle auch mit fremden Dritten vereinbart hat, bestehen am Vorliegen der Einkunftserzielungsabsicht keine Zweifel.
4. Eine Beschränkung der für das Außendienst-Mitarbeiterbüro geltend gemachten Werbungskosten auf 2 400 DM in (entsprechender) Anwendung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b EStG ist nicht vorzunehmen. Die Abzugsbeschränkung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b EStG gilt zwar nach § 9 Abs. 5 EStG auch für die Ermittlung der Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung. Danach unterliegen aber nur diejenigen Aufwendungen eines Steuerpflichtigen der Abzugsbeschränkung, wenn Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt und im Zusammenhang damit Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer geltend gemacht werden (z.B. zur Verwaltung der Mietobjekte).
5. Nutzt der Vermieter --wie im Streitfall der Kläger-- den ihm vom Arbeitgeber (rück-)überlassenen Raum selbst im Rahmen seines Dienstverhältnisses, findet die Abzugsbeschränkung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b EStG i.V.m. § 9 Abs. 5 und § 19 EStG dann keine Anwendung, wenn es sich bei dem Raum um ein Büro des Arbeitgebers handelt. Handelt es sich um ein Büro des Arbeitgebers, ist kein häusliches Arbeitszimmer i.S. der Abzugsbeschränkung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b EStG gegeben. Vom Typusbegriff des häuslichen Arbeitszimmers werden solche Räume nicht erfasst, die der Arbeitgeber mit einem steuerlich anzuerkennenden, neben dem Dienstvertrag bestehenden Mietvertrag vom Arbeitnehmer mietet und an diesen im Rahmen des Dienstverhältnisses (rück-)überlässt.